(spr. ßĕn'bĭeh),Jean, Naturforscher und Bibliograph, geb. zu Genf,
[* 6] studierte
Theologie
und wurde 1765 Pastor und 1773 Oberbibliothekar in Genf,
wo er starb. Besonders geschätzt ist seine klassische
Schrift
«Essai sur l'art d'observer et de faire des expériences» (2 Bde.,
Genf
1775; 2. Aufl., 3 Bde., ebd. 1802).
Die verdienstlichen Leistungen
S.s bestanden in der Anwendung physik. und chem. Gesetze zur Erklärung der Lebenserscheinungen
der
Tiere und besonders der
Pflanzen, z. B. des
Sonnenlichts («Mémoires sur l'influence de la lumière solaire etc.», 3 Bde.,
Genf
1782),
der atmosphärischen Luft («Rapport de l'air atmosphérique avec les êtres organisés», 3 Bde.,
ebd. 1807):
Lehren,
[* 7] die er in seiner
«Physiologie végétale» (5 Bde., ebd. 1800) teils
angedeutet, teils ausgeführt hatte. Ferner arbeitete er für die «Encyclopédie
méthodique» die Pflanzenphysiologie aus und veröffentlichte noch: «Catalogue
raisonné des manuscrits conservés dans la bibliothèque de
Genève» (Genf
1779) und «Histoire littéraire de
Genève» (3 Bde.,
ebd. 1786) u. a.
Poir., Krähenfuß, Schweinekresse, Pflanzengattung aus der Familie der Cruciferen (s. d.),
mit etwa sechs über die ganze Erde verbreiteten
Arten, kleine auf der Erde liegende
Pflanzen mit gefiederten
Blättern und
nierenförmigen kleinen Früchtchen.
Die in
Deutschland
[* 8] am meisten vorkommende
Art istS. Coronopus Poir.
(Coronopus RuelliiAll.), deren Kraut und Samen
[* 9] früher gegen Skorbut offizinell waren.
der
Name einer span.-röm. Familie, aus welcher zwei Mitglieder in der ersten röm.
Kaiserzeit als Schriftsteller sich bekannt gemacht haben. M. Annäus S., der
Ältere (der Rhetor), war um das J. 54
v. Chr.
in Corduba (Cordova) in
Spanien
[* 10] geboren und kam als
Knabe nach
Rom,
[* 11] wo er sich besonders unter der Leitung
des Rhetors Marillus rhetorischen
Studien widmete. In seine
Heimat zurückgekehrt, verheiratete er sich mit Helvia, die ihm
drei
Söhne gebar: Novatus,
LuciusS. und
Mela, den
Vater des Dichters Lucanus. Um das J. 3 n. Chr. kam er
wieder nach
Rom, wo er wahrscheinlich bis zu seinem 38 oder 39 n. Chr. erfolgten
Tode lebte. In hohem
Alter verfaßte er auf
Bitten seiner
Söhne eine Sammlung von Sentenzen und glänzenden
Stellen aus den
Deklamationen (Übungsreden) von Rhetoren,
die er selbst gehört hatte.
Das Werk trägt den
Titel «Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones, colores» und zerfällt
in zwei Hauptteile von sehr verschiedenem
Umfang: zehn
Bücher «Controversiae», von denen das erste, zweite, siebente, neunte
und zehnte vollständig, die übrigen im
Auszug erhalten sind, und ein
Buch «Suasoriae», dem jetzt der Anfang und der
Schluß
fehlt.
Die erste kritische
Ausgabe des Werkes besorgte
Bursian (Lpz. 1857), eine neuere Kießling (ebd.
1872), die neueste H. J.
^[HermannJohannes]
Müller
(Prag
[* 12] 1887). Außerdem verfaßte S. verschiedene (jetzt verlorene)
Schriften,
darunter ein Geschichtswerk
(Historiae), vom Anfang der Bürgerkriege bis auf die letzten
Tage seines Lebens. -
Vgl. Koerber,Über den RhetorS. und die röm. Rhetorik seiner Zeit
(Cass. 1864);
Gercke, Seneca-Studien (Lpz. 1893).
Sein zweiter Sohn
Lucius Annäus S. (der
Philosoph) war um 4
v. Chr. in Corduba geboren, erhielt in
Rom unter Leitung seines
Vaters, der ihn zum Redner bilden wollte, eine sorgfältige Erziehung, wandte sich aber später von derRedekunst
ab der
Philosophie zu, in welcher er sich zu den
Ansichten der
Stoischen Schule, wenn auch nicht ohne einen gewissen
Eklekticismus,
bekannte. Er wurde 41 n. Chr. vom
KaiserClaudius wegen seines vertrauten Verhältnisses zu der Nichte desselben, Julia, auf
Betrieb der
Messalina nach Corsica
[* 13] verbannt; nach acht Jahren durch den Einfluß der
Agrippina zurückberufen,
bekleidete er die
Prätur und wurde zum Erzieher des spätern
Kaisers Nero ernannt.
Nach dessen Thronbesteigung (54 n. Chr.) wurde er einer seiner vertrautesten Ratgeber.
Doch ward dem
Kaiser sein
Mentor, so gut derselbe auch sich in die Rolle eines Hofmanns zu finden wußte, allmählich unbequem.
Um der drohenden Gefahr zuvorzukommen, zog S. sich freiwillig vom
Hofe zurück. Dennoch wurde er beschuldigt,
an der Verschwörung des
Piso teilgenommen zu haben, und zum
Tode verurteilt; als besondere Vergünstigung gestattete ihm der
Kaiser, sich selbst den
Tod zu geben. S. ließ sich in Gegenwart einiger Freunde die
Adern öffnen, und
da dieses
Mittel nicht schnell genug wirkte, in einem heißen
Bade ersticken. Mit ihm gab sich seine Gattin
Pompeja Paulina
freiwillig den
Tod (65 n. Chr.).
Von S. sind eine bedeutende Anzahl philos.
Abhandlungen erhalten: zehn «Dialogi», ferner die
Abhandlung«De clementia», die
Schrift«De beneficiis» und die nur teilweise erhaltene
Abhandlung«De remediis fortuitorum», dazu die «Quaestiones
naturales», 124
Briefe philos.
Inhalts, an seinen Freund
Lucilius gerichtet, und seine beißende Satire in der prosaisch-poet.
Form des
Menippus auf den
Tod des
KaisersClaudius u. d. T. «Apocolocyntosis»
(d. i. «Verkürbsung», spöttisch für «Vergötterung»).
Der
Stil aller dieser
Schriften ist ein sehr gekünstelter, feuilletonartiger. Unter den Gesamtausgaben
seiner prosaischen
Schriften sind die von Fickert (3 Bde., Lpz.
1842-45) und von
Haase (3 Bde., ebd. 1872-74) hervorzuheben. Eine neue kritische
Bearbeitung der «Dialogi» vonKoch hat
Vahlen
(Jena
[* 14] 1879) herausgegeben, ebenso Gertz (Kopenh. 1886),
eine solche der
«Epistolae
morales» Hilgenfeld (Lpz. 1890),
der «Apocolocyntosis»
Bücheler (in den «Symbola philologorum Bonnensium»,
ebd. 1864 fg., sowie in seiner
Ausgabe des Petronius
Arbiter, Berl. 1871). Eine vollständige deutsche
Übersetzung haben
Moser
und Pauly geliefert (17 Bdchn., Stuttg. 1828-55).
Vgl. Kreyher,L. A.
S. und seine
Beziehungen zum Urchristentum (Berl. 1886);
Ribbeck,L. A.
S. und sein Verhältnis zu Epikur,
Plato und dem
Christentum (Hannov. 1887). -
Noch sind unter
S.sNamen, außer den «Phoenissae» (zwei in Wirklichkeit kaum zusammengehörigen
¶
mehr
855 Scenen aus dem thebanischen Sagenkreise),
neun Tragödien vollständig erhalten. Von diesen werden sieben («Hercules [furens]»,
«Thyestes», «Phaedra», «Oedipus»,
«Troades», «Medea» und «Agamemnon») jetzt allgemein S. zugeschrieben, der sie wohl in jüngern Jahren, vielleicht wahrend seiner
Verbannungszeit auf Corsica verfaßte; eine achte («Hercules Oetaeus»)
wird wenigstens in ihrem zweiten Teile ihm abgesprochen; die neunte, «Octavia», ist erst nach Neros
Tode verfaßt, kann also schon deswegen nicht von S. sein. Sie behandelt das Ende der Gemahlin Neros, die diesen Namen trägt.
Eine kritische Ausgabe der Tragödien lieferten Peiper und Richter (Lpz. 1867), eine neue Leo (2 Bde., Berl. 1878–79),
eine vollständige deutsche Übersetzung Swoboda (3 Bde., Wien 1828–30).