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Augsb. 1888), die ebenso in den «Horen» [* 2] («Das Ideal und das Leben», «Der Spaziergang», «Das verschleierte Bild zu Sais») wie in dem «Musenalmanach» von 1796 («Die Macht des Gesanges», «Der Tanz», «Die Ideale», «Würde der Frauen») ihre Stimme in Strophen und Distichen erhebt. Als die «Horen» 1797 der Ungunst des banausischen Publikums erlegen waren, ließ der streitbare, dem litterar. Kampfe nie abgeneigte S., der Goethe hier nur mit sich zog, im «Musenalmanach» von 1797 das Unwetter der Xenien» los, das weder die alten Rationalisten noch die jungen Idealphilosophen und Romantiker schonte. (Vgl. Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 8, Weim. 1893.) Sein Nachfolger von 1798 schüttete einen erstaunlichen Reichtum von Balladen aus («Der Ring des Polykrates», «Der Handschuh», «Der Taucher», «Die Kraniche des Ibykus» u. s. w.),
und dieser Quell sprudelte weiter («Der Kampf mit dem Drachen», «Die Bürgschaft», 1799, «Die Glocke», 1800, «Hero und Leander», 1802, «Kassandra», 1803, «Der Graf von Habsburg», 1804), als längst dem Drama des Dichters Hauptinteresse gehörte.
Im Dez. 1799 siedelte S. nach Weimar [* 3] über, wohin ihn nächst Goethes Freundschaft das Bedürfnis eines stehenden Theaters zog; in Gemeinschaft mit Goethe bildet er auf der weimar. Hofbühne jenen klassicistischen Stil der Darstellung aus, der bei manchen Schwächen doch den hohen Vorzug künstlerischer Einheitlichkeit erreichte. Dem Bedürfnis dieser Bühne dienten S.s Übersetzungen und Bühnenbearbeitungen: Goethes «Egmont» (1790),
Shakespeares «Macbeth» (1800),
Lessings «Nathan der Weise» (1801),
Gozzis «Turandot» (1802),
die allerlei Rätseldichtung veranlaßte, Racines «Phädra» (1805),
Lustspiele Picards u. s. w. (Vgl. Köster, S. als Dramaturg, Berl. 1891.)
Den ersten großen Treffer dieser Epoche, die Trilogie «Wallenstein» (aufgeführt April 1799, gedruckt 1800), hat er nie überboten. Der wohlthuende Einfluß der Geschichte offenbart sich in der objektiven Ruhe, mit der er die großartige Charaktergestalt des realistischen Helden rundet. Aber auch sein alter Jugendenthusiasmus kam in dem idealistisch schwärmenden Jüngling Max Piccolomini zu Worte; Kantsche Einflüsse spielen in diese Gegensätze hinein. Vortrefflich wirkt die leise histor.
Färbung der Sprache. [* 4] Der charakteristische Humor von «Wallensteins Lager» [* 5] mit seinen derben Knittelversen atmet eine unverwüstliche Frische, und die wilde Bankettscene der «Piccolomini» mit der Prachtfigur des Illo stellt mit ihrer hinreißenden Energie die weniger gelungenen pathetischen Liebesscenen tief in den Schatten. [* 6] (Vgl. Werder, Vorlesungen über S.s Wallenstein, Berl. 1889.) S. dachte damals daran, mehrere an sich unsympathische Helden mit teilnahmslosem Realismus, wie er ihn im «Wallenstein» angestrebt, zu behandeln; so die «Agrippina», den Usurpator «Warbeck», später die eitlen Weiber «Rosamund, die Braut der Hölle» und «Elfride»; die reine tragische Wirkung schien ihm unter sentimentalem Mitgefühl zu leiden.
Aber schon in der nach Rapin de Thoyras «Engl. Geschichte» und Brantomes Memoiren gearbeiteten «Maria Stuart» (1801; aufgeführt Juni 1800) rückt die Heldin in die S. doch gemäßere idealisierende Beleuchtung: [* 7] den Zauber des dämonisch-sinnlichen Weibes vermag er nicht wiederzugeben;
so drückt er Elisabeth zur Heuchlerin herab, um Maria zu heben.
Sind die Charaktere hier flacher, so ist dafür der prozessualische Aufbau der Handlung sehr glücklich. Eine gewisse poet. Vorliebe für kath. Anschauungen teilt «Maria Stuart» mit dem romantischen Schauspiel «Die Jungfrau von Orléans» (1802; aufgeführt Sept. 1801 in Leipzig; [* 8] vgl. Quiquerez, Quellenstudien zu S.s Jungfrau, Lpz. 1893),
das gegen Voltaires karikierte «Pucelle» Front macht. Der epische Einfluß Homers zeigt sich hier nicht immer glücklich in den Schlachtscenen (so im Kampfe mit Montgomery). Dafür entschädigt der grandios aufgebaute erste Akt, die streckenweise prachtvoll bewegte Massenhandlung. Wie hier das antike Epos, so wurde die antike Tragödie verhängnisvoll für die «Braut von Messina» [* 9] (1803), formell vielleicht S.s glänzendstes Werk, aber undramatisch durch die tief eingreifende Schicksalsidee; an dem Aufblühen der deutschen Schicksalstragödie trug sie erhebliche Mitschuld.
Das Experiment, den antiken Chor hier einzuführen, verdarb diesem Drama die durchschlagende populäre Wirkung, die S. seit «Wallenstein» auf der Bühne treu geblieben war. (Vgl. Gerlinger, Die griech. Elemente m S.s Braut von Messina, 4. Aufl., Neuburg [* 10] 1892.) In S.s letztem Werke, «Wilhelm Tell» (1804), zersplittert die Doppelhandlung, hier Tell und Geßler, dort die Eidgenossen, die Wirkung. Dazu haben S.s unendlich gewissenhafte Studien in Schweizer Chroniken (Tschudi, Joh. von Müller) und Dramen (Spiel von Uri, Bodmer, Ambühl) ihn zu geflissentlich epischer Haltung veranlaßt. (Vgl. J. Meyer, S.s Wilhelm Tell auf seine Quellen zurückgeführt, neu hg. von Barbeck, Nürnb. 1876; Roethe, Die dramat. Quellen von S.s Tell, in den «Forschungen zur deutschen Philologie», Lpz. 1894.) Aber die ruhige Pracht der Sprache hilft über diese Mängel hinweg, und das Thema, die Selbstbefreiung des von fremden Herren geknechteten Volks, zündete um so mächtiger, als das J. 1806 den deutschen Boden für solche Gedanken und Gefühle empfänglich machte.
Mitten in der Arbeit an einem «Demetrius» (hg. von Kettner, Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 9, Weim. 1894; Fortsetzungen von Maltitz, 1817; Bodenstedt, 1856; G. Kühne, 1858; Hebbel, 1864; Laube, 1872; Sievers, 1888; A. Weimar, 1893 u. a.), von dem nur der 1. Akt, eine glanzvoll stürmische Massenscene, der Reichstag von Krakau, [* 11] vollendet wurde, entsank dem längst mit Krankheit Ringenden die Feder. Lieblingspläne, wie das seltsame Drama aus der korrumpierten Pariser Gesellschaft «Die Kinder des Hauses», das romantische Schauspiel «Die Gräfin von Flandern», das vielbehandelte Thema vom Grafen Königsmark («Prinzessin von Celle»), [* 12]
das auf reiches Milieu berechnete «Schiff», [* 13] die «Flibustiers» und vieles andere blieben Pläne oder Fragmente. Ein Festspiel zu Ehren der Erbprinzessin Maria Paulowna: «Die Huldigung der Künste», war die letzte vollendete Arbeit. S. schied auf der Höhe seines Ruhms. Im Herbst 1802 war er in den erblichen Adelstand erhoben worden. Im Frühling 1804 hatte man versucht, ihn nach Berlin [* 14] zu ziehen. Er starb Bestattet wurde er auf dem Jakobskirchhof in dem sog. Landschaftskassengewölbe; seine Gebeine ruhen seit 1827 in der Weimarer Fürstengruft. Goethe dachte dem Freunde eine großartige Totenfeier zu (Reste in der Weimarer Ausgabe, Bd. 16); vollendet hat er nur den herrlichen «Epilog zu Schillers Glocke» (1815), in dem es von S. heißt:
Und hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine. ¶
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S.s dichterische Größe liegt in dem sittlichen Ernste, mit dem er, aller Hemmnisse und Leiden [* 16] nicht achtend, seinen Idealen zustrebt. Er ist kein Lyriker; rhetorisch-dramat. und philos.-didaktische Poesie aber handhabt er wie kein zweiter. Seine Dichtungen sind nicht Konfessionen [* 17] im Sinne Goethes. Eine unendliche Sehnsucht nach dem Ideal leitet ihn aufwärts. So ist er der Typus des «sentimentalen» Dichters. Das Unbewußte, Naive ist ihm verschlossen. Die reine Natürlichkeit, die stille Genialität, die allumfassende Ausbildung Goethes, dem jede Forcierung fern lag, erkannte er ehrlich bewundernd als überlegen an. Aber gerade das stürmische Feuer, das den über seine Kräfte Strebenden durchlohte, gab seinem Pathos die begeisternde Macht über die Herzen seines Volks. Der hundertjährige Geburtstag S.s, an dem er allenthalben als der größte Dichter der Freiheit gefeiert wurde, der eine ganze Litteratur zeitigte, darunter Jakob Grimms schöne «Rede auf S.», legte beredtes Zeugnis ab für die Liebe, die er genießt. (Vgl. Schiller-Denkmal, 2 Bde., Berl. 1800.)
S. war schlank und groß, hielt sich gebeugt und ungeschickt; starkes rötliches Haar [* 18] umgab ein blasses sommersprossiges Gesicht, [* 19] dem besonders die kräftig gebogene schmale Nase [* 20] Ausdruck gab und das bei lebhaftem Gespräch schnell gerötet eine unbeschreibliche Anmut gewinnen konnte. Unter seinen (nicht zahlreichen) Originalbildnissen sind am bekanntesten die Gemälde von Kirschner (1783), Graff (1786), Ludovika Simanovicz (1794), W. Schmidt, sowie Jagemanns Zeichnung der Totenmaske; eine schöne Büste gelang 1794 seinem Jugendfreunde Dannecker (Bibliothek zu Weimar). Am wurde Thorwaldsens Schillerstatue (Erzguß) zu Stuttgart, [* 21] die Doppelstatue Goethes und S.s (Bronzeguß nach Rietschels Modell) zu Weimar enthüllt; es folgten die Denkmäler (meist Standbilder in Erzguß) in Mainz [* 22] (1862, von Scholl d. J.), Mannheim [* 23] (1862, von Cauer), München [* 24] (1863, von Widnmann), Hannover [* 25] (1863, von Engelhard), Frankfurt [* 26] a. M. (1864, von Dielmann), Hamburg [* 27] (1866, von Lippelt), Berlin (Marmorstatue mit vier allegorischen weiblichen [* 15] Figuren; 1871, von Reinh. Begas), Marbach (1876, von Rau), Wien [* 28] (1876, von Schilling), Ludwigsburg [* 29] (1883, von van Hofer), Jena, [* 30] Eger [* 31] (1892, Marmorbüste von Wilfert) u. s. w., selbst am Mythenstein (Vierwaldstättersee). 1855 erfolgte die erste Anregung, 1859 die Konstituierung der Deutschen Schiller-Stiftung (s. d.). Sein (1802 von S. gekauftes) Haus in Weimar bildet ein kleines Schiller-Museum.
Ein Verzeichnis der reichen Schiller-Litteratur steht in Goedekes «Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung», 2. Aufl., Bd. 5 (Dresd. 1893),
S. 97-237. Hier seien hervorgehoben:
A. Ausgaben. Die erste Ausgabe von S.s «Sämtlichen Werken» besorgte sein Freund Christ. Gottfr. Körner (12 Bde., Stuttg. und Tüb. 1812-15). Wissenschaftlich am höchsten steht die große «histor.-kritische» Ausgabe von Goedeke u. a. (17 Bde., Stuttg. 1867-76), die alle ältern Supplemente entbehrlich gemacht hat. Auch Kurz hat (9 Bde., Hildburgh. 1862-69) eine kritische, Boxberger und von Maltzahn haben im Hempelschen Verlage (16 Bde., Berl. 1868-74), Boxberger und Birlinger in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur» (12 Bde., ebd. und Stuttg. 1882-91) kritisch-exegetische Ausgaben versucht. Den dramat. Nachlaß gab Kettner heraus (Weim. 1895). -
Vgl. Trömel, Schiller-Bibliothek (Lpz. 1865).
B. Briefwechsel. Im Erscheinen sind S.s Briefe, hg. von Fritz Jonas (Stuttg. 1892 fg., 5 Bde. bis 1895); Geschäftsbriefe S.s gab Goedeke heraus (Lpz. 1875); dazu der Briefwechsel mit seiner Schwester Christophine und seinem Schwager Reinwald (hg. von Wend. von Maltzahn, ebd. 1875), mit Körner (hg. von Goedeke, 2. Aufl., ebd. 1874), mit Lotte (seiner Gattin, hg. von Fielitz, 3. Aufl., Stuttg. 1879), mit Herzog Friedr. Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg (hg. von Max Müller, Berl. 1875), mit Cotta (hg. von Vollmer, Stuttg. 1876), mit Goethe (2 Bde., 4. Aufl., ebd. 1881), mit Fichte [* 32] (Berl. 1847), mit W. von Humboldt (2. Ausg., Stuttg. 1876); vgl. ferner Köpke, Charlotte von Kalb (Berl. 1852). Briefe an S. veröffentlichte Urlichs (Stuttg. 1877).
C. Biographisches. Carlyle, Life of Fr. S. (Lond. 1825; Supplement 1872); S.s Leben von seiner Schwägerin Karoline von Wolzogen (2 Tle., Stuttg. und Tüb. 1830). Populäre Biographien von Schwab (Stuttg. 1840), Palleske (13. Aufl., bearb. von Herm. Fischer, ebd. 1891), Viehoff (ebd. 1875), Düntzer (Lpz. 1881), Hepp (ebd. 1885), Wychgram (Bielef. 1895; reich illustriert); wissenschaftlich wertvoller sind die noch unvollendeten Darstellungen von Weltrich (2 Lfgn., Stuttg. 1885-89), von Brahm (2 Bde., Berl. 1888 fg.), namentlich das groß angelegte Werk von J. Minor (Bd. 1 u. 2, ebd. 1890).
Vgl. außerdem S.s Kalender, hg. von Ernst Müller (Stuttg. 1893);
Braun, S. im Urteile seiner Zeitgenossen (3 Bde., Lpz. 1882).
D. Zur Charakteristik. Hauff, Schiller-Studien (Stuttg. 1880); Tomaschek, S. in seinem Verhältnis zur Wissenschaft (Wien 1862); Portig, S. in seinem Verhältnis zu Freundschaft und Liebe (Hamb. 1894). - Geschichte: Janssen, S. als Historiker (2. Aufl., Freiburg [* 33] 1879);
Lorenz, Zum Gedächtnis von S.s histor.
Lehramt (Berl. 1889); Überweg, S. als Historiker und Philosoph (Lpz. 1884). - Philosophie und Ästhetik: Zimmermann, Versuch einer S.schen Ästhetik (Lpz. 1889);
Harnack, Die klassische Ästhetik der Deutschen (ebd. 1892);
Berger, Die Entwicklung von S.s Ästhetik (Weim. 1894);
Montargis, L'esthétique de S. (Par. 1891);
Gneiße, S.s Lehre [* 34] von der ästhetischen Wahrnehmung (Berl. 1893);
Kühnemann, Die Kantschen Studien S.s und die Komposition des Wallenstein (Marb. 1889). - Metrik: Belling, Die Metrik S.s (Bresl. 1883).
E. Kritisches und Exegetisches.
Vgl. im allgemeinen Düntzers Erläuterungen zu deutschen Klassikern, die gelehrtes Material sammeln, und Rudolphs Erläuterndes Wörterbuch zu S.s Dichterwerken (2 Bde., Berl. 1869).
Die Dramen behandeln ferner Fielitz, Studien zu S.s Dramen (Lpz. 1876), und Bellermann, S.s Dramen (2 Bde., Berl. 1888-92), die Gedichte Viehoff (2 Bde., 6. Aufl., Stuttg. 1887).
Von S.s Kindern starb der ältere Sohn Karl von S. (geb. zu Ludwigsburg) als württemb. Oberförster a. D. und weimar. Kammerherr zu Stuttgart; dessen Sohn, Friedrich Ludwig Ernst von S. (geb. der letzte männliche Nachkomme S.s, starb als österr. Major a. D. zu Stuttgart; der Name S. wird jedoch in der Familie dadurch erhalten bleiben, daß stets ein männlicher Sproß der Familie Gleichen-Rußwurm auf den Namen S. getauft werden wird. Der jüngere Sohn S.s, Ernst ¶