mehr
mysteriösen Gestalten wie Cagliostro, seiner gruselnden Bewunderung für die geheimnisvolle Macht der Jesuiten entgegen kam, erreichte durch seine spannende Anlage einen Erfolg, der S. selbst überraschte. Die Prosascenen des dramat. Fragments «Der (versöhnte) Menschenfeind» entsprangen der lichtern Anschauung des Menschen, zu der S. durch Körners Freundschaft gelangt war. Das Hauptstück der «Thalia» waren die dritthalb Akte des «Don Carlos», der schon in Bauerbach geplant, jetzt langsam, stückweise, in sehr breiter Ausführung, zu erscheinen begann; die Buchausgaben (1787 und 1801) haben einen erheblich gekürzten Text.
In den hinreißenden Jamben des «Don Carlos» macht der stürmende Naturalismus der Jugenddramen dem ideal schwungvollen Pathos des gereiften Dichters Platz. Anfangs auf Grund einer histor. Novelle von Saint-Real als Familientragödie gedacht, wuchs sich das Drama, unter dem Einfluß von Lessings «Nathan», zu einer Freiheitstragödie großen Stils aus; den Titelhelden verdrängt der begeisterte Vorkämpfer der Gedankenfreiheit, Marquis Posa, von dem ersten Platze in der Sympathie des Dichters (vgl. Elster, [* 2] Zur Entstehungsgeschichte des Don Carlos, Halle [* 3] 1888). Das Stück lag diesem so am Herzen, daß er 1788 erläuternde «Briefe über Don Carlos» folgen ließ.
Dresden

* 4
Dresden. Damals hatte S.
Dresden
[* 4] schon verlassen. Im Juli 1787 war er nach
Weimar
[* 5] gezogen.
Goethe
war in
Italien,
[* 6]
Wieland kam S. freundlich
entgegen und eröffnete ihm den
«Teutschen
Merkur»;
[* 7] Charlotte von Kalb kokettierte mit ihrer alten Liebe
weiter; eine Rolle spielte S. in dieser Gesellschaft nicht. Dringender verlangte es ihn nach gesicherter und anerkannter
Stellung, zumal seit er in Volkstädt und Rudolstadt,
[* 8] wo er
Sommer und Herbst 1788 zubrachte, eine erwiderte Neigung zu
der sanften Charlotte von Lengefeld (geb. in Rudolstadt; gest.
fast erblindet, in
Bonn;
[* 9] vgl. Fulda,
[* 10] Leben Charlottens von S., Berl. 1878) gefaßt
hatte. So griff er zu, als ihm nicht ohne
Goethes Zuthun eine zunächst unbesoldete außerordentliche Professur der
Philosophie
und Geschichte in
Jena
[* 11] angeboten wurde; im Febr. 1790 konnte der neugebackene meining.
Hofrat, von
Karl
August mit kleinem Gehalt versehen, die Geliebte heimführen. Neben Familienglück und Lehrfreuden brachte ihm
Jena auch wertvollen
Verkehr: so mit dem Kantianer Reinhold, mit
Fichte,
[* 12] später mit dem jungen, ihm durch ästhetische
Strenge sehr sympathischen
Wilh. von
Humboldt. (Vgl. Litzmann, S. in
Jena,
Jena 1889.)
Niederlande

* 13
Niederlande. S. verdankte die
Berufung einem Geschichtswerke, das noch in den Vorstudien zum
«Don
Carlos» wurzelte, der «Geschichte des
Abfalls
der vereinigten
Niederlande»
[* 13] (Lpz. 1788).
Ohne je zu ernsthafter Quellenforschung durchzudringen, hat S. hier und öfter das
historisch
Wahre mit genialem Instinkt herausgefühlt. Er betrachtete sich als philos. Universalhistoriker
und blieb als solcher nicht ohne
starke Lehrerfolge. Er wußte durch seine histor. Essays weite
Kreise
[* 14] für geschichtliche
Fragen zu interessieren. Am meisten gewann er selbst; das Geschichtsstudium lehrte ihn Verständnis für das historisch Gewordene
als historisch Notwendiges. Wenn er Niethammers
Übersetzung von Vertots «Geschichte des Malteserordens»
einleitete, wenn er eine «Geschichte des Dreißigjährigen
Krieges» (Lpz. 1791-92) schrieb, so kam das seiner
Poesie (dem Malteserfragment,
dem «Wallenstein») unmittelbar zu gute, obgleich sie zeitweilig
hinter
den Anforderungen der Professur zurücktreten mußte.
S. vergaß die Poesie freilich nicht. Epische Pläne (Gustav Adolf, Friedrich d. Gr.) tauchten auf. Vor allem aber erschloß sich S. die Antike; auch das war eine Vorbereitung auf Goethe, dem freilich der revolutionäre Ton der «Götter Griechenlands» (März 1788) fremdartig sein mußte. Wie sie, feiert auch das herrliche, nur allzu ideenüppige Lehrgedicht «Die Künstler» (März 1789) den Wert der Kunst für die Kulturentwicklung der Menschheit, die Einheit von Wahrheit und Schönheit (vgl. Grosse, Die Künstler von S., erklärt, Berl. 1890). Sie führen zu S.s ästhetischen Überzeugungen, die namentlich das durch den Jenaer Philosophen Reinhold beförderte Studium Kants zur Reife brachte.
Spottiswoode - Sprache

* 15
Sprache.
Aber Kants
Widerspruch zwischen Pflicht und Neigung will S. überwinden durch die
Harmonie der Schönheit,
in der Materie und
Geist,
Sinnlichkeit und Sittlichkeit eins werden. Er definiert die Schönheit als
«Freiheit in der Erscheinung».
Tiefe und wissenschaftlich sehr fruchtbare
Gedanken, die er in leuchtender
Sprache
[* 15] und klarer
Anschauung, wenn auch ohne
philos.
Begriffsschärfe durchführte (so besonders
«Über
Anmut und Würde», 1793, «Vom
Erhabenen», 1793,
«Briefe
über die ästhetische Erziehung des
Menschen», 1795, ursprünglich an den
Herzog von
Augustenburg gerichtet, in der alten Fassung
hg. von Michelsen, Berl. 1876; über eine größtenteils verlorene
Schrift vgl. Michaelis,
Über
S.s Kallias, ebd. 1882). Verwirklicht
fand er diese Ideale am meisten bei den Griechen. Im Gegensatz zu seiner eigenen modernen, sentimentalischen
Kunst feiert er die Kunst der Hellenen als naiv. Aber als er in der
Abhandlung «über naive und sentimentalische
Dichtung»
(1795) diese naive Kunst, sich selbst unterordnend, pries, da schwebte ihm mehr noch als
Homer
Goethe, der naive Dichter der
Gegenwart, vor.
Der ideale Flug des Geistes war S. um so mehr Bedürfnis, je schwerer sein Körper litt. Eine lebensgefährliche Brustkrankheit 1791 nötigte ihn zu sorgfältiger Schonung, die ihm durch ein reiches Geschenk des Herzogs Christ. Friedr. von Augustenburg und des Grafen Schimmelmann erleichtert ward. Eine zehnmonatige Erholungsreise in die Heimat zu den Eltern 1793/94 gab ihm Gelegenheit, mit dem großen Verleger J. G. Cotta anzuknüpfen. Zwar die Leitung einer polit. Zeitung lehnte S. ab; aber die belletristische Zeitschrift, die «Horen», [* 16] verabredete der Unermüdliche, dem im lebhaftesten litterar. Getriebe [* 17] am wohlsten war.
Die «Horen» führten S. zur Anknüpfung mit
Goethe, den er zur Mitarbeit gewinnen mußte.
Goethe hatte
bisher den
Jenaer Professor, der einst die ihm antipathischen
«Räuber» geschrieben, der noch jüngst seinen
«Egmont» verständnislos
beurteilt hatte, wohlwollend, aber mit kühler Herablassung behandelt. Doch
S.s Wandlung entging ihm nicht. Die Liebe zu den
Griechen, der Ernst der Kunstauffassung, das unermüdliche Streben des Gereiften machten Eindruck auf ihn.
S.s
Brief vom bewies
Goethe, daß der
Jenaer Nachbar ihn besser begriff und würdigte als irgend ein anderer. Die Freundschaft
Goethes und
S.s war ein hohes
Glück für beide. Der Briefwechsel der großen Dichter ist eine unerschöpfliche geistige Fundgrube,
das
Denkmal eines
Bundes ohne
gleichen.
Schiller (Joh. Christo

* 18
Seite 64.461.Zunächst kamen für S. Jahre der Gedankenlyrik (vgl. Philippi, S.s lyrische Gedankendichtung, ¶
mehr
Augsb. 1888), die ebenso in den «Horen» («Das Ideal und das Leben», «Der Spaziergang», «Das verschleierte Bild zu Sais») wie in dem «Musenalmanach» von 1796 («Die Macht des Gesanges», «Der Tanz», «Die Ideale», «Würde der Frauen») ihre Stimme in Strophen und Distichen erhebt. Als die «Horen» 1797 der Ungunst des banausischen Publikums erlegen waren, ließ der streitbare, dem litterar. Kampfe nie abgeneigte S., der Goethe hier nur mit sich zog, im «Musenalmanach» von 1797 das Unwetter der Xenien» los, das weder die alten Rationalisten noch die jungen Idealphilosophen und Romantiker schonte. (Vgl. Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 8, Weim. 1893.) Sein Nachfolger von 1798 schüttete einen erstaunlichen Reichtum von Balladen aus («Der Ring des Polykrates», «Der Handschuh», «Der Taucher», «Die Kraniche des Ibykus» u. s. w.),
und dieser Quell sprudelte weiter («Der Kampf mit dem Drachen», «Die Bürgschaft», 1799, «Die Glocke», 1800, «Hero und Leander», 1802, «Kassandra», 1803, «Der Graf von Habsburg», 1804), als längst dem Drama des Dichters Hauptinteresse gehörte.
Im Dez. 1799 siedelte S. nach Weimar über, wohin ihn nächst Goethes Freundschaft das Bedürfnis eines stehenden Theaters zog; in Gemeinschaft mit Goethe bildet er auf der weimar. Hofbühne jenen klassicistischen Stil der Darstellung aus, der bei manchen Schwächen doch den hohen Vorzug künstlerischer Einheitlichkeit erreichte. Dem Bedürfnis dieser Bühne dienten S.s Übersetzungen und Bühnenbearbeitungen: Goethes «Egmont» (1790),
Shakespeares «Macbeth» (1800),
Lessings «Nathan der Weise» (1801),
Gozzis «Turandot» (1802),
die allerlei Rätseldichtung veranlaßte, Racines «Phädra» (1805),
Lustspiele Picards u. s. w. (Vgl. Köster, S. als Dramaturg, Berl. 1891.)
Den ersten großen Treffer dieser Epoche, die Trilogie «Wallenstein» (aufgeführt April 1799, gedruckt 1800), hat er nie überboten. Der wohlthuende Einfluß der Geschichte offenbart sich in der objektiven Ruhe, mit der er die großartige Charaktergestalt des realistischen Helden rundet. Aber auch sein alter Jugendenthusiasmus kam in dem idealistisch schwärmenden Jüngling Max Piccolomini zu Worte; Kantsche Einflüsse spielen in diese Gegensätze hinein. Vortrefflich wirkt die leise histor.
Lager (militärisch)

* 19
Lager.Färbung der Sprache. Der charakteristische Humor von «Wallensteins Lager» [* 19] mit seinen derben Knittelversen atmet eine unverwüstliche Frische, und die wilde Bankettscene der «Piccolomini» mit der Prachtfigur des Illo stellt mit ihrer hinreißenden Energie die weniger gelungenen pathetischen Liebesscenen tief in den Schatten. [* 20] (Vgl. Werder, Vorlesungen über S.s Wallenstein, Berl. 1889.) S. dachte damals daran, mehrere an sich unsympathische Helden mit teilnahmslosem Realismus, wie er ihn im «Wallenstein» angestrebt, zu behandeln; so die «Agrippina», den Usurpator «Warbeck», später die eitlen Weiber «Rosamund, die Braut der Hölle» und «Elfride»; die reine tragische Wirkung schien ihm unter sentimentalem Mitgefühl zu leiden.
Aber schon in der nach Rapin de Thoyras «Engl. Geschichte» und Brantomes Memoiren gearbeiteten «Maria Stuart» (1801; aufgeführt Juni 1800) rückt die Heldin in die S. doch gemäßere idealisierende Beleuchtung: [* 21] den Zauber des dämonisch-sinnlichen Weibes vermag er nicht wiederzugeben;
so drückt er Elisabeth zur Heuchlerin herab, um Maria zu heben.
Sind die Charaktere hier flacher, so ist dafür der prozessualische Aufbau der Handlung sehr glücklich. Eine gewisse poet. Vorliebe für kath. Anschauungen teilt «Maria Stuart» mit dem romantischen Schauspiel «Die Jungfrau von Orléans» (1802; aufgeführt Sept. 1801 in Leipzig; [* 22] vgl. Quiquerez, Quellenstudien zu S.s Jungfrau, Lpz. 1893),
Messina (Geschichte)

* 23
Messina.das gegen Voltaires karikierte «Pucelle» Front macht. Der epische Einfluß Homers zeigt sich hier nicht immer glücklich in den Schlachtscenen (so im Kampfe mit Montgomery). Dafür entschädigt der grandios aufgebaute erste Akt, die streckenweise prachtvoll bewegte Massenhandlung. Wie hier das antike Epos, so wurde die antike Tragödie verhängnisvoll für die «Braut von Messina» [* 23] (1803), formell vielleicht S.s glänzendstes Werk, aber undramatisch durch die tief eingreifende Schicksalsidee; an dem Aufblühen der deutschen Schicksalstragödie trug sie erhebliche Mitschuld.
Das Experiment, den antiken Chor hier einzuführen, verdarb diesem Drama die durchschlagende populäre Wirkung, die S. seit «Wallenstein» auf der Bühne treu geblieben war. (Vgl. Gerlinger, Die griech. Elemente m S.s Braut von Messina, 4. Aufl., Neuburg [* 24] 1892.) In S.s letztem Werke, «Wilhelm Tell» (1804), zersplittert die Doppelhandlung, hier Tell und Geßler, dort die Eidgenossen, die Wirkung. Dazu haben S.s unendlich gewissenhafte Studien in Schweizer Chroniken (Tschudi, Joh. von Müller) und Dramen (Spiel von Uri, Bodmer, Ambühl) ihn zu geflissentlich epischer Haltung veranlaßt. (Vgl. J. Meyer, S.s Wilhelm Tell auf seine Quellen zurückgeführt, neu hg. von Barbeck, Nürnb. 1876; Roethe, Die dramat. Quellen von S.s Tell, in den «Forschungen zur deutschen Philologie», Lpz. 1894.) Aber die ruhige Pracht der Sprache hilft über diese Mängel hinweg, und das Thema, die Selbstbefreiung des von fremden Herren geknechteten Volks, zündete um so mächtiger, als das J. 1806 den deutschen Boden für solche Gedanken und Gefühle empfänglich machte.
Krakau (Beschreibung d

* 25
Krakau.Mitten in der Arbeit an einem «Demetrius» (hg. von Kettner, Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 9, Weim. 1894; Fortsetzungen von Maltitz, 1817; Bodenstedt, 1856; G. Kühne, 1858; Hebbel, 1864; Laube, 1872; Sievers, 1888; A. Weimar, 1893 u. a.), von dem nur der 1. Akt, eine glanzvoll stürmische Massenscene, der Reichstag von Krakau, [* 25] vollendet wurde, entsank dem längst mit Krankheit Ringenden die Feder. Lieblingspläne, wie das seltsame Drama aus der korrumpierten Pariser Gesellschaft «Die Kinder des Hauses», das romantische Schauspiel «Die Gräfin von Flandern», das vielbehandelte Thema vom Grafen Königsmark («Prinzessin von Celle»), [* 26]
das auf reiches Milieu berechnete «Schiff», [* 27] die «Flibustiers» und vieles andere blieben Pläne oder Fragmente. Ein Festspiel zu Ehren der Erbprinzessin Maria Paulowna: «Die Huldigung der Künste», war die letzte vollendete Arbeit. S. schied auf der Höhe seines Ruhms. Im Herbst 1802 war er in den erblichen Adelstand erhoben worden. Im Frühling 1804 hatte man versucht, ihn nach Berlin [* 28] zu ziehen. Er starb Bestattet wurde er auf dem Jakobskirchhof in dem sog. Landschaftskassengewölbe; seine Gebeine ruhen seit 1827 in der Weimarer Fürstengruft. Goethe dachte dem Freunde eine großartige Totenfeier zu (Reste in der Weimarer Ausgabe, Bd. 16); vollendet hat er nur den herrlichen «Epilog zu Schillers Glocke» (1815), in dem es von S. heißt:
Und hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine. ¶