mehr
gewaltige poet. Kraft. Der edle, die socialen übel ausgleichende Räuberhauptmann, der sein Vorbild, den Faustrechtritter Götz von Berlichingcn, derb übertrumpft, wird von jetzt an ein Liebling des deutschen Dramas und Romans.
Als S. im Dez. 1780 die Stelle eines Regimentsmedikus im Regiment Augé zu Stuttgart antrat, vertauschte er den Schulzwang mit dem wenig mildern militärischen. Doch entflammte seine reizlose Hauswirtin, eine verwitwete Frau Hauptmann Vischer, jetzt seine ersten Liebesregungen, die in den Laura-Oden ihren schwülstigen Ausdruck fanden. Sie und die einer Neigung zu Wilhelmine Andreä entsprungenen einfachern Minna-Lieder fanden Aufnahme in die von S. zur Konkurrenz gegen Stäudlins «Schwäb. Musenalmanach» herausgegebene, großenteils von ihm selbst verfaßte «Anthologie auf das J. 1782» («gedruckt in Tobolsko», «meinem Prinzipal dem Tod zugeschrieben»),
die auch die dramat. Scenen «Semele» enthielt. Vor Cynismen im schlechtesten Geschmack Bürgers («Männer und Kastraten», später «Männerwürde», «Venuswagen»),
vor plumpen Epigrammen, philosophisch aufgeblähten Liebesoden («Der Triumph der Liebe») kommt in der Lyrik dieser Periode schlichte Empfindung nie, klare Anschauung selten («In einer Bataille», später «Die Schlacht») zu Worte; nur in der Größe der volltönenden Sprache, der hochfliegenden Auffassung verrät sich ein bei aller Unreife bedeutend aufstrebendes, freilich nicht lyrisches Talent.
Der glänzende Erfolg der abgeschwächten Bühnenbearbeitung der «Räuber» an dem von Dalberg geschickt geleiteten Mannheimer Nationaltheater machte dem Dichter, der der Première heimlich beigewohnt hatte, seine beengte Lage immer peinlicher. Als nun gar der Herzog, durch unglückliche Zufälle erbittert, S. jede nicht mediz. Schriftstellerei untersagte und ihn dadurch ebenso an der Poesie wie an seiner unbedeutenden, aber pekuniär erwünschten journalistischen Thätigkeit (Redaktion der «Nachrichten zum Nutzen und Vergnügen», 1781, des «Württemb. Repertoriums», 1782) hinderte, ihm zudem jeden Verkehr mit dem «Ausland» untersagte, entschloß sich der Dichter, die Brücke hinter sich abzubrechen; mit seinem Freunde Andr. Streicher entfloh er in der Nacht vom 22. zum zunächst nach Frankfurt. Im Oktober und November desselben Jahres vollendete er zu Oggersheim (bei Mannheim) «Die Verschwörung des Fiesco zu Genua» (gedruckt Mannh. 1783), das erste seiner histor. Dramen. Diese republikanische Tragödie leidet zwar unter der Unklarheit des blasiert enthusiastischen Helden, den S. trotz aller histor. Vorstudien (Robertson, Retz) sehr unhistorisch mit Rousseaus Augen ansah, imponiert aber namentlich durch die überraschende Beherrschung der Massenscenen. - Sehr viel höher steht das dritte und beste seiner Jugenddramen, das bürgerliche Trauerspiel «Luise Millerin» oder «Kabale und Liebe» (so von Iffland benannt, gedruckt Mannh. 1784). S. nahm es im Frühjahr 1783 in Bauerbach in Angriff, auf dem Gute der Mutter seines Schulfreundes W. von Wolzogen, wo er zu seinem spätern Schwager, dem Bibliothekar Reinwald im nahen Meiningen, Beziehungen knüpfte.
Ein sociales Drama erfundenen Inhalts, baute sich «Kabale und Liebe» durchaus auf eigenen bittern kleinstaatlichen Eindrücken des Dichters auf, der an Gemmingens matten «Deutschen Hausvater» nur in Äußerlichkeiten anknüpfte. Er scheute sich nicht, so schreiende Mißstände, wie die scheußlichen «Subsidienverträge», beim rechten Namen zu nennen; er verschmähte die ideale Ferne, die Lessing in «Emilia Galotti» gewählt hatte. Von diesem großen Vorbild hat S. eine energisch fortschreitende geschlossene Handlung gelernt; von der Tragik des überschwenglichen Heldenpaares, das das Recht des Herzens gegen alle Standesvorurteile vertritt, hebt sich wirkungsvoll der gallige Humor der bürgerlichen Misere ab; Musikus Miller gehört zu S.s lebenswahrsten Gestalten. (Vgl. E. Müller, S.s Kabale und Liebe, Tüb. 1892.)
Diese kräftige Produktion ermutigte den Intendanten Dalberg, S. die Stelle eines Theaterdichters in Mannheim anzuvertrauen (Aug. 1783). Doch hinderte Krankheit den Dichter, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und der Kontrakt löste sich nach einem Jahre. Auch sonst brachte die Mannheimer Zeit schwere Enttäuschungen und Sorgen. Herzensneigungen zu der Buchhändlerstochter Margarete Schwan und namentlich zu Charlotte von Kalb, der die grenzenlos überschäumenden Gedichte «Freigeisterei der Leidenschaft» und «Resignation» gelten, beunruhigten den Dichter; eine wachsende Schuldenlast und der Zorn der Eltern drückten ihn mehr und mehr.
Ein neues Journal, die «Rhein. Thalia» (1785),
in der zuerst der Aufsatz «Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet» erschien, blieb ohne äußern Erfolg. Zwar verlieh ihm Herzog Karl August von Weimar, der ihn in Darmstadt den ersten Akt des «Don Carlos» lesen hörte, den Titel eines weimar. Rats; auch wurde er in die «Deutsche Gesellschaft zu Mannheim» aufgenommen auf Vorschlag des Dichters Anton von Klein, der S. veranlaßt hat, im Drama zum Verse überzugehen. Aber der Boden brannte ihm unter den Füßen. Mit heißem Dank nimmt er die thätige Hilfe eines Leipziger Bewunderers, des Oberkonsistorialrats Christ. Gottfr. Körner (s. d.) an, die ihm ermöglicht nach Leipzig überzusiedeln (April 1785).
Hier traf er zwar den inzwischen nach Dresden berufenen Freund nicht selbst; dafür trat er seinem künftigen Verleger, dem jungen Buchhändler Göschen, mit dem er in Gohlis eine Stube bewohnte, nahe. Eine flüchtige Zusammenkunft mit Körner übertraf beider Erwartungen und veranlaßte S., gleichfalls nach Dresden zu gehen (Sept. 1785), wo er sich in Körners Häuslichkeit auf dem Loschwitzer Weinberg oder in der Stadt aufs engste einlebte. Die wilde Jubelhymne «An die Freude», manch launiges Gelegenheitsstück («Körners Vormittag» u. a.) zeugt von dem Glücksgefühl, mit dem ihn die neue Freundschaft erfüllte. Einen Dritten im Bunde, den unreifen Ludw. Ferd. Huber, der nicht Stich hielt, überschätzten damals beide.
Von dem wohlthätigen Einfluß Körners zeugen die «Philos. Briefe», ein Briefwechsel, in dem Raphael (Körner) im Begriff ist, den eudämonistischen Julius (Schiller),
der hier seine Jugendtheosophie auskramt, zu Kant zu bekehren. Sie erschienen in der in Göschens Verlag neu aufgelebten «Thalia», die schon im 1. Bande (1787) S. von einer neuen Seite, als trefflichen Prosaerzähler zeigte: «Der Verbrecher aus verlorener Ehre» (ursprünglich «aus Infamie»),
der den bekannten württemb. Räuber, den Sonnenwirt, behandelt, ist eine musterhafte psychol. Kriminalnovelle; der unvollendete Roman «Der Geisterseher» (1789; fortgesetzt von Follenius, Lpz. 1796), der dem Geschmack des Publikums an
mehr
mysteriösen Gestalten wie Cagliostro, seiner gruselnden Bewunderung für die geheimnisvolle Macht der Jesuiten entgegen kam, erreichte durch seine spannende Anlage einen Erfolg, der S. selbst überraschte. Die Prosascenen des dramat. Fragments «Der (versöhnte) Menschenfeind» entsprangen der lichtern Anschauung des Menschen, zu der S. durch Körners Freundschaft gelangt war. Das Hauptstück der «Thalia» waren die dritthalb Akte des «Don Carlos», der schon in Bauerbach geplant, jetzt langsam, stückweise, in sehr breiter Ausführung, zu erscheinen begann; die Buchausgaben (1787 und 1801) haben einen erheblich gekürzten Text.
In den hinreißenden Jamben des «Don Carlos» macht der stürmende Naturalismus der Jugenddramen dem ideal schwungvollen Pathos des gereiften Dichters Platz. Anfangs auf Grund einer histor. Novelle von Saint-Real als Familientragödie gedacht, wuchs sich das Drama, unter dem Einfluß von Lessings «Nathan», zu einer Freiheitstragödie großen Stils aus; den Titelhelden verdrängt der begeisterte Vorkämpfer der Gedankenfreiheit, Marquis Posa, von dem ersten Platze in der Sympathie des Dichters (vgl. Elster, Zur Entstehungsgeschichte des Don Carlos, Halle 1888). Das Stück lag diesem so am Herzen, daß er 1788 erläuternde «Briefe über Don Carlos» folgen ließ.
Damals hatte S. Dresden schon verlassen. Im Juli 1787 war er nach Weimar gezogen. Goethe war in Italien, Wieland kam S. freundlich entgegen und eröffnete ihm den «Teutschen Merkur»; Charlotte von Kalb kokettierte mit ihrer alten Liebe weiter; eine Rolle spielte S. in dieser Gesellschaft nicht. Dringender verlangte es ihn nach gesicherter und anerkannter Stellung, zumal seit er in Volkstädt und Rudolstadt, wo er Sommer und Herbst 1788 zubrachte, eine erwiderte Neigung zu der sanften Charlotte von Lengefeld (geb. in Rudolstadt; gest. fast erblindet, in Bonn; vgl. Fulda, Leben Charlottens von S., Berl. 1878) gefaßt hatte. So griff er zu, als ihm nicht ohne Goethes Zuthun eine zunächst unbesoldete außerordentliche Professur der Philosophie und Geschichte in Jena angeboten wurde; im Febr. 1790 konnte der neugebackene meining. Hofrat, von Karl August mit kleinem Gehalt versehen, die Geliebte heimführen. Neben Familienglück und Lehrfreuden brachte ihm Jena auch wertvollen Verkehr: so mit dem Kantianer Reinhold, mit Fichte, später mit dem jungen, ihm durch ästhetische Strenge sehr sympathischen Wilh. von Humboldt. (Vgl. Litzmann, S. in Jena, Jena 1889.)
S. verdankte die Berufung einem Geschichtswerke, das noch in den Vorstudien zum «Don Carlos» wurzelte, der «Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande» (Lpz. 1788). Ohne je zu ernsthafter Quellenforschung durchzudringen, hat S. hier und öfter das historisch Wahre mit genialem Instinkt herausgefühlt. Er betrachtete sich als philos. Universalhistoriker und blieb als solcher nicht ohne starke Lehrerfolge. Er wußte durch seine histor. Essays weite Kreise für geschichtliche Fragen zu interessieren. Am meisten gewann er selbst; das Geschichtsstudium lehrte ihn Verständnis für das historisch Gewordene als historisch Notwendiges. Wenn er Niethammers Übersetzung von Vertots «Geschichte des Malteserordens» einleitete, wenn er eine «Geschichte des Dreißigjährigen Krieges» (Lpz. 1791-92) schrieb, so kam das seiner Poesie (dem Malteserfragment, dem «Wallenstein») unmittelbar zu gute, obgleich sie zeitweilig hinter den Anforderungen der Professur zurücktreten mußte.
S. vergaß die Poesie freilich nicht. Epische Pläne (Gustav Adolf, Friedrich d. Gr.) tauchten auf. Vor allem aber erschloß sich S. die Antike; auch das war eine Vorbereitung auf Goethe, dem freilich der revolutionäre Ton der «Götter Griechenlands» (März 1788) fremdartig sein mußte. Wie sie, feiert auch das herrliche, nur allzu ideenüppige Lehrgedicht «Die Künstler» (März 1789) den Wert der Kunst für die Kulturentwicklung der Menschheit, die Einheit von Wahrheit und Schönheit (vgl. Grosse, Die Künstler von S., erklärt, Berl. 1890). Sie führen zu S.s ästhetischen Überzeugungen, die namentlich das durch den Jenaer Philosophen Reinhold beförderte Studium Kants zur Reife brachte.
Aber Kants Widerspruch zwischen Pflicht und Neigung will S. überwinden durch die Harmonie der Schönheit, in der Materie und Geist, Sinnlichkeit und Sittlichkeit eins werden. Er definiert die Schönheit als «Freiheit in der Erscheinung». Tiefe und wissenschaftlich sehr fruchtbare Gedanken, die er in leuchtender Sprache und klarer Anschauung, wenn auch ohne philos. Begriffsschärfe durchführte (so besonders «Über Anmut und Würde», 1793, «Vom Erhabenen», 1793, «Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen», 1795, ursprünglich an den Herzog von Augustenburg gerichtet, in der alten Fassung hg. von Michelsen, Berl. 1876; über eine größtenteils verlorene Schrift vgl. Michaelis, Über S.s Kallias, ebd. 1882). Verwirklicht fand er diese Ideale am meisten bei den Griechen. Im Gegensatz zu seiner eigenen modernen, sentimentalischen Kunst feiert er die Kunst der Hellenen als naiv. Aber als er in der Abhandlung «über naive und sentimentalische Dichtung» (1795) diese naive Kunst, sich selbst unterordnend, pries, da schwebte ihm mehr noch als Homer Goethe, der naive Dichter der Gegenwart, vor.
Der ideale Flug des Geistes war S. um so mehr Bedürfnis, je schwerer sein Körper litt. Eine lebensgefährliche Brustkrankheit 1791 nötigte ihn zu sorgfältiger Schonung, die ihm durch ein reiches Geschenk des Herzogs Christ. Friedr. von Augustenburg und des Grafen Schimmelmann erleichtert ward. Eine zehnmonatige Erholungsreise in die Heimat zu den Eltern 1793/94 gab ihm Gelegenheit, mit dem großen Verleger J. G. Cotta anzuknüpfen. Zwar die Leitung einer polit. Zeitung lehnte S. ab; aber die belletristische Zeitschrift, die «Horen», verabredete der Unermüdliche, dem im lebhaftesten litterar. Getriebe am wohlsten war.
Die «Horen» führten S. zur Anknüpfung mit Goethe, den er zur Mitarbeit gewinnen mußte. Goethe hatte bisher den Jenaer Professor, der einst die ihm antipathischen «Räuber» geschrieben, der noch jüngst seinen «Egmont» verständnislos beurteilt hatte, wohlwollend, aber mit kühler Herablassung behandelt. Doch S.s Wandlung entging ihm nicht. Die Liebe zu den Griechen, der Ernst der Kunstauffassung, das unermüdliche Streben des Gereiften machten Eindruck auf ihn. S.s Brief vom bewies Goethe, daß der Jenaer Nachbar ihn besser begriff und würdigte als irgend ein anderer. Die Freundschaft Goethes und S.s war ein hohes Glück für beide. Der Briefwechsel der großen Dichter ist eine unerschöpfliche geistige Fundgrube, das Denkmal eines Bundes ohnegleichen.
Zunächst kamen für S. Jahre der Gedankenlyrik (vgl. Philippi, S.s lyrische Gedankendichtung,
mehr
Augsb. 1888), die ebenso in den «Horen» («Das Ideal und das Leben», «Der Spaziergang», «Das verschleierte Bild zu Sais») wie in dem «Musenalmanach» von 1796 («Die Macht des Gesanges», «Der Tanz», «Die Ideale», «Würde der Frauen») ihre Stimme in Strophen und Distichen erhebt. Als die «Horen» 1797 der Ungunst des banausischen Publikums erlegen waren, ließ der streitbare, dem litterar. Kampfe nie abgeneigte S., der Goethe hier nur mit sich zog, im «Musenalmanach» von 1797 das Unwetter der Xenien» los, das weder die alten Rationalisten noch die jungen Idealphilosophen und Romantiker schonte. (Vgl. Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 8, Weim. 1893.) Sein Nachfolger von 1798 schüttete einen erstaunlichen Reichtum von Balladen aus («Der Ring des Polykrates», «Der Handschuh», «Der Taucher», «Die Kraniche des Ibykus» u. s. w.),
und dieser Quell sprudelte weiter («Der Kampf mit dem Drachen», «Die Bürgschaft», 1799, «Die Glocke», 1800, «Hero und Leander», 1802, «Kassandra», 1803, «Der Graf von Habsburg», 1804), als längst dem Drama des Dichters Hauptinteresse gehörte.
Im Dez. 1799 siedelte S. nach Weimar über, wohin ihn nächst Goethes Freundschaft das Bedürfnis eines stehenden Theaters zog; in Gemeinschaft mit Goethe bildet er auf der weimar. Hofbühne jenen klassicistischen Stil der Darstellung aus, der bei manchen Schwächen doch den hohen Vorzug künstlerischer Einheitlichkeit erreichte. Dem Bedürfnis dieser Bühne dienten S.s Übersetzungen und Bühnenbearbeitungen: Goethes «Egmont» (1790),
Shakespeares «Macbeth» (1800),
Lessings «Nathan der Weise» (1801),
Gozzis «Turandot» (1802),
die allerlei Rätseldichtung veranlaßte, Racines «Phädra» (1805),
Lustspiele Picards u. s. w. (Vgl. Köster, S. als Dramaturg, Berl. 1891.)
Den ersten großen Treffer dieser Epoche, die Trilogie «Wallenstein» (aufgeführt April 1799, gedruckt 1800), hat er nie überboten. Der wohlthuende Einfluß der Geschichte offenbart sich in der objektiven Ruhe, mit der er die großartige Charaktergestalt des realistischen Helden rundet. Aber auch sein alter Jugendenthusiasmus kam in dem idealistisch schwärmenden Jüngling Max Piccolomini zu Worte; Kantsche Einflüsse spielen in diese Gegensätze hinein. Vortrefflich wirkt die leise histor.
Färbung der Sprache. Der charakteristische Humor von «Wallensteins Lager» mit seinen derben Knittelversen atmet eine unverwüstliche Frische, und die wilde Bankettscene der «Piccolomini» mit der Prachtfigur des Illo stellt mit ihrer hinreißenden Energie die weniger gelungenen pathetischen Liebesscenen tief in den Schatten. (Vgl. Werder, Vorlesungen über S.s Wallenstein, Berl. 1889.) S. dachte damals daran, mehrere an sich unsympathische Helden mit teilnahmslosem Realismus, wie er ihn im «Wallenstein» angestrebt, zu behandeln; so die «Agrippina», den Usurpator «Warbeck», später die eitlen Weiber «Rosamund, die Braut der Hölle» und «Elfride»; die reine tragische Wirkung schien ihm unter sentimentalem Mitgefühl zu leiden.
Aber schon in der nach Rapin de Thoyras «Engl. Geschichte» und Brantomes Memoiren gearbeiteten «Maria Stuart» (1801; aufgeführt Juni 1800) rückt die Heldin in die S. doch gemäßere idealisierende Beleuchtung: den Zauber des dämonisch-sinnlichen Weibes vermag er nicht wiederzugeben;
so drückt er Elisabeth zur Heuchlerin herab, um Maria zu heben.
Sind die Charaktere hier flacher, so ist dafür der prozessualische Aufbau der Handlung sehr glücklich. Eine gewisse poet. Vorliebe für kath. Anschauungen teilt «Maria Stuart» mit dem romantischen Schauspiel «Die Jungfrau von Orléans» (1802; aufgeführt Sept. 1801 in Leipzig; vgl. Quiquerez, Quellenstudien zu S.s Jungfrau, Lpz. 1893),
das gegen Voltaires karikierte «Pucelle» Front macht. Der epische Einfluß Homers zeigt sich hier nicht immer glücklich in den Schlachtscenen (so im Kampfe mit Montgomery). Dafür entschädigt der grandios aufgebaute erste Akt, die streckenweise prachtvoll bewegte Massenhandlung. Wie hier das antike Epos, so wurde die antike Tragödie verhängnisvoll für die «Braut von Messina» (1803), formell vielleicht S.s glänzendstes Werk, aber undramatisch durch die tief eingreifende Schicksalsidee; an dem Aufblühen der deutschen Schicksalstragödie trug sie erhebliche Mitschuld.
Das Experiment, den antiken Chor hier einzuführen, verdarb diesem Drama die durchschlagende populäre Wirkung, die S. seit «Wallenstein» auf der Bühne treu geblieben war. (Vgl. Gerlinger, Die griech. Elemente m S.s Braut von Messina, 4. Aufl., Neuburg 1892.) In S.s letztem Werke, «Wilhelm Tell» (1804), zersplittert die Doppelhandlung, hier Tell und Geßler, dort die Eidgenossen, die Wirkung. Dazu haben S.s unendlich gewissenhafte Studien in Schweizer Chroniken (Tschudi, Joh. von Müller) und Dramen (Spiel von Uri, Bodmer, Ambühl) ihn zu geflissentlich epischer Haltung veranlaßt. (Vgl. J. Meyer, S.s Wilhelm Tell auf seine Quellen zurückgeführt, neu hg. von Barbeck, Nürnb. 1876; Roethe, Die dramat. Quellen von S.s Tell, in den «Forschungen zur deutschen Philologie», Lpz. 1894.) Aber die ruhige Pracht der Sprache hilft über diese Mängel hinweg, und das Thema, die Selbstbefreiung des von fremden Herren geknechteten Volks, zündete um so mächtiger, als das J. 1806 den deutschen Boden für solche Gedanken und Gefühle empfänglich machte.
Mitten in der Arbeit an einem «Demetrius» (hg. von Kettner, Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 9, Weim. 1894; Fortsetzungen von Maltitz, 1817; Bodenstedt, 1856; G. Kühne, 1858; Hebbel, 1864; Laube, 1872; Sievers, 1888; A. Weimar, 1893 u. a.), von dem nur der 1. Akt, eine glanzvoll stürmische Massenscene, der Reichstag von Krakau, vollendet wurde, entsank dem längst mit Krankheit Ringenden die Feder. Lieblingspläne, wie das seltsame Drama aus der korrumpierten Pariser Gesellschaft «Die Kinder des Hauses», das romantische Schauspiel «Die Gräfin von Flandern», das vielbehandelte Thema vom Grafen Königsmark («Prinzessin von Celle»),
das auf reiches Milieu berechnete «Schiff», die «Flibustiers» und vieles andere blieben Pläne oder Fragmente. Ein Festspiel zu Ehren der Erbprinzessin Maria Paulowna: «Die Huldigung der Künste», war die letzte vollendete Arbeit. S. schied auf der Höhe seines Ruhms. Im Herbst 1802 war er in den erblichen Adelstand erhoben worden. Im Frühling 1804 hatte man versucht, ihn nach Berlin zu ziehen. Er starb Bestattet wurde er auf dem Jakobskirchhof in dem sog. Landschaftskassengewölbe; seine Gebeine ruhen seit 1827 in der Weimarer Fürstengruft. Goethe dachte dem Freunde eine großartige Totenfeier zu (Reste in der Weimarer Ausgabe, Bd. 16); vollendet hat er nur den herrlichen «Epilog zu Schillers Glocke» (1815), in dem es von S. heißt:
Und hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
mehr
S.s dichterische Größe liegt in dem sittlichen Ernste, mit dem er, aller Hemmnisse und Leiden nicht achtend, seinen Idealen zustrebt. Er ist kein Lyriker; rhetorisch-dramat. und philos.-didaktische Poesie aber handhabt er wie kein zweiter. Seine Dichtungen sind nicht Konfessionen im Sinne Goethes. Eine unendliche Sehnsucht nach dem Ideal leitet ihn aufwärts. So ist er der Typus des «sentimentalen» Dichters. Das Unbewußte, Naive ist ihm verschlossen. Die reine Natürlichkeit, die stille Genialität, die allumfassende Ausbildung Goethes, dem jede Forcierung fern lag, erkannte er ehrlich bewundernd als überlegen an. Aber gerade das stürmische Feuer, das den über seine Kräfte Strebenden durchlohte, gab seinem Pathos die begeisternde Macht über die Herzen seines Volks. Der hundertjährige Geburtstag S.s, an dem er allenthalben als der größte Dichter der Freiheit gefeiert wurde, der eine ganze Litteratur zeitigte, darunter Jakob Grimms schöne «Rede auf S.», legte beredtes Zeugnis ab für die Liebe, die er genießt. (Vgl. Schiller-Denkmal, 2 Bde., Berl. 1800.)
S. war schlank und groß, hielt sich gebeugt und ungeschickt; starkes rötliches Haar umgab ein blasses sommersprossiges Gesicht, dem besonders die kräftig gebogene schmale Nase Ausdruck gab und das bei lebhaftem Gespräch schnell gerötet eine unbeschreibliche Anmut gewinnen konnte. Unter seinen (nicht zahlreichen) Originalbildnissen sind am bekanntesten die Gemälde von Kirschner (1783), Graff (1786), Ludovika Simanovicz (1794), W. Schmidt, sowie Jagemanns Zeichnung der Totenmaske; eine schöne Büste gelang 1794 seinem Jugendfreunde Dannecker (Bibliothek zu Weimar). Am wurde Thorwaldsens Schillerstatue (Erzguß) zu Stuttgart, die Doppelstatue Goethes und S.s (Bronzeguß nach Rietschels Modell) zu Weimar enthüllt; es folgten die Denkmäler (meist Standbilder in Erzguß) in Mainz (1862, von Scholl d. J.), Mannheim (1862, von Cauer), München (1863, von Widnmann), Hannover (1863, von Engelhard), Frankfurt a. M. (1864, von Dielmann), Hamburg (1866, von Lippelt), Berlin (Marmorstatue mit vier allegorischen weiblichen [* ] Figuren; 1871, von Reinh. Begas), Marbach (1876, von Rau), Wien (1876, von Schilling), Ludwigsburg (1883, von van Hofer), Jena, Eger (1892, Marmorbüste von Wilfert) u. s. w., selbst am Mythenstein (Vierwaldstättersee). 1855 erfolgte die erste Anregung, 1859 die Konstituierung der Deutschen Schiller-Stiftung (s. d.). Sein (1802 von S. gekauftes) Haus in Weimar bildet ein kleines Schiller-Museum.
Ein Verzeichnis der reichen Schiller-Litteratur steht in Goedekes «Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung», 2. Aufl., Bd. 5 (Dresd. 1893),
S. 97-237. Hier seien hervorgehoben:
A. Ausgaben. Die erste Ausgabe von S.s «Sämtlichen Werken» besorgte sein Freund Christ. Gottfr. Körner (12 Bde., Stuttg. und Tüb. 1812-15). Wissenschaftlich am höchsten steht die große «histor.-kritische» Ausgabe von Goedeke u. a. (17 Bde., Stuttg. 1867-76), die alle ältern Supplemente entbehrlich gemacht hat. Auch Kurz hat (9 Bde., Hildburgh. 1862-69) eine kritische, Boxberger und von Maltzahn haben im Hempelschen Verlage (16 Bde., Berl. 1868-74), Boxberger und Birlinger in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur» (12 Bde., ebd. und Stuttg. 1882-91) kritisch-exegetische Ausgaben versucht. Den dramat. Nachlaß gab Kettner heraus (Weim. 1895). -
Vgl. Trömel, Schiller-Bibliothek (Lpz. 1865).
B. Briefwechsel. Im Erscheinen sind S.s Briefe, hg. von Fritz Jonas (Stuttg. 1892 fg., 5 Bde. bis 1895); Geschäftsbriefe S.s gab Goedeke heraus (Lpz. 1875); dazu der Briefwechsel mit seiner Schwester Christophine und seinem Schwager Reinwald (hg. von Wend. von Maltzahn, ebd. 1875), mit Körner (hg. von Goedeke, 2. Aufl., ebd. 1874), mit Lotte (seiner Gattin, hg. von Fielitz, 3. Aufl., Stuttg. 1879), mit Herzog Friedr. Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg (hg. von Max Müller, Berl. 1875), mit Cotta (hg. von Vollmer, Stuttg. 1876), mit Goethe (2 Bde., 4. Aufl., ebd. 1881), mit Fichte (Berl. 1847), mit W. von Humboldt (2. Ausg., Stuttg. 1876); vgl. ferner Köpke, Charlotte von Kalb (Berl. 1852). Briefe an S. veröffentlichte Urlichs (Stuttg. 1877).
C. Biographisches. Carlyle, Life of Fr. S. (Lond. 1825; Supplement 1872); S.s Leben von seiner Schwägerin Karoline von Wolzogen (2 Tle., Stuttg. und Tüb. 1830). Populäre Biographien von Schwab (Stuttg. 1840), Palleske (13. Aufl., bearb. von Herm. Fischer, ebd. 1891), Viehoff (ebd. 1875), Düntzer (Lpz. 1881), Hepp (ebd. 1885), Wychgram (Bielef. 1895; reich illustriert); wissenschaftlich wertvoller sind die noch unvollendeten Darstellungen von Weltrich (2 Lfgn., Stuttg. 1885-89), von Brahm (2 Bde., Berl. 1888 fg.), namentlich das groß angelegte Werk von J. Minor (Bd. 1 u. 2, ebd. 1890).
Vgl. außerdem S.s Kalender, hg. von Ernst Müller (Stuttg. 1893);
Braun, S. im Urteile seiner Zeitgenossen (3 Bde., Lpz. 1882).
D. Zur Charakteristik. Hauff, Schiller-Studien (Stuttg. 1880); Tomaschek, S. in seinem Verhältnis zur Wissenschaft (Wien 1862); Portig, S. in seinem Verhältnis zu Freundschaft und Liebe (Hamb. 1894). - Geschichte: Janssen, S. als Historiker (2. Aufl., Freiburg 1879);
Lorenz, Zum Gedächtnis von S.s histor.
Lehramt (Berl. 1889); Überweg, S. als Historiker und Philosoph (Lpz. 1884). - Philosophie und Ästhetik: Zimmermann, Versuch einer S.schen Ästhetik (Lpz. 1889);
Harnack, Die klassische Ästhetik der Deutschen (ebd. 1892);
Berger, Die Entwicklung von S.s Ästhetik (Weim. 1894);
Montargis, L'esthétique de S. (Par. 1891);
Gneiße, S.s Lehre von der ästhetischen Wahrnehmung (Berl. 1893);
Kühnemann, Die Kantschen Studien S.s und die Komposition des Wallenstein (Marb. 1889). - Metrik: Belling, Die Metrik S.s (Bresl. 1883).
E. Kritisches und Exegetisches.
Vgl. im allgemeinen Düntzers Erläuterungen zu deutschen Klassikern, die gelehrtes Material sammeln, und Rudolphs Erläuterndes Wörterbuch zu S.s Dichterwerken (2 Bde., Berl. 1869).
Die Dramen behandeln ferner Fielitz, Studien zu S.s Dramen (Lpz. 1876), und Bellermann, S.s Dramen (2 Bde., Berl. 1888-92), die Gedichte Viehoff (2 Bde., 6. Aufl., Stuttg. 1887).
Von S.s Kindern starb der ältere Sohn Karl von S. (geb. zu Ludwigsburg) als württemb. Oberförster a. D. und weimar. Kammerherr zu Stuttgart; dessen Sohn, Friedrich Ludwig Ernst von S. (geb. der letzte männliche Nachkomme S.s, starb als österr. Major a. D. zu Stuttgart; der Name S. wird jedoch in der Familie dadurch erhalten bleiben, daß stets ein männlicher Sproß der Familie Gleichen-Rußwurm auf den Namen S. getauft werden wird. Der jüngere Sohn S.s, Ernst
mehr
von S. (geb. zu Jena), starb als preuß. Appellationsgerichtsrat in Vilich bei Bonn. Die Tochter Emilie, seit 1828 vermählte Freifrau von Gleichen-Rußwurm (s. d.), hinterließ einen Sohn, Heinrich Ludwig (geb. und einen Enkel, Heinrich Alexander S. (geb. Durch ihre Stiftung ging der handschriftliche Nachlaß S.s in das Goethe-Archiv (s. d.) zu Weimar über, das seitdem Goethe- und Schiller-Archiv heißt. (Vgl. Minor, Aus dem Schiller-Archiv, Weim. 1890.)