klafternder europ. Raubvogel, dessen Gefieder dunkelbraun mit gelblichem Fleck im
Genick und grauem Flügelfelde, dessen
Beine
und
Wachshaut gelbgrün sind.
Der S. verläßt Europa
[* 2] im Oktober, wandert weit nach
Afrika
[* 3] und erscheint im März wieder. Er
brütet nur in Sumpfgegenden.
Ferdinand von, preuß. Offizier, geb. zu
Wilmsdorf bei
Dresden,
[* 4] trat 1788 in die preuß.
Armee; als Dragonerlieutenant bei
Auerstedt 1806 verwundet, schleppte er sich
bis Kolberg.
[* 5] Nach seiner Genesung unternahm er mit einigen Leuten
Streifzüge in die Umgebung Kolbergs, um die
franz.
Brandschatzungen zu verhindern und alles königl. Eigentum,
Kassen u. s. w. nach Kolberg zu führen. Seine Entschlossenheit,
sein
Mut und seine Schlauheit machten ihn beim Feinde gefürchtet. 1807 erhielt er die Erlaubnis zur Errichtung eines
Freikorps
aus Ranzionierten, und in wenigen Wochen waren gegen 1000 Mann zu Fuß und zuPferde
[* 6] beisammen und mit
drei 3pfündigen
Kanonen ausgerüstet.
Nachteilige
Gefechte bei
Stargard
[* 7] und Naugard nötigten ihn jedoch, sich in ein befestigtes Hölzchen, die Maikuhle, unter
dem Schutze Kolbergs zurückzuziehen, bei dessen Verteidigung sich S. vielfach auszeichnete. Nach dem Frieden von
Tilsit
[* 8] wurde
S. Major und Commandeur des aus seiner Reiterei errichteten Leibhusarenregiments, mit dem er 1808 in
Berlin
[* 9] einrückte. Die übertrieben hohe Meinung, die man allgemein von S. hegte und die er selbst teilte, erfüllte
ihn mit starkem Selbstbewußtsein und ließ ihn, der im kleinen
Kriege sich ausgezeichnet hatte, die Grenzen
[* 10] seiner Kraft
[* 11] verkennen.
Als
Österreich
[* 12] 1809 an
Frankreich denKrieg erklärte, die preuß. Regierung aber sich zurückhielt, faßte
S. den
Plan, auf eigene
Hand
[* 13] loszuschlagen in der Erwartung, den König und die preuß.
Armee dadurch fortzureißen. Er verließ 28. April mit
seinem Husarenregiment
Berlin, eröffnete erst auf dem
Marsch den Offizieren sein Vorhaben, aber so, daß diese glaubten, er
handle im Einverständnis mit dem König, und rückte in
Sachsen,
[* 14] dann in westfäl. Gebiet ein. Mehrere
kleine Erfolge wurden zwar anfangs errungen, allein da die Unterstützung ausblieb, zumal der König das eigenmächtige Vorgehen
des Majors scharf verurteilte, so sah sich S. genötigt, nach
Mecklenburg
[* 15] zurückzuweichen.
Durch das siegreiche
Gefecht von Damgarten (24. Mai) bahnte er sich den Weg nach
Stralsund.
[* 16] Hier widersetzte
sich S. hartnäckig dem
Rate, nach der
InselRügen überzugehen und sich auf engl.
Kriegsschiffe zu retten. Trotz der ganz verfallenen
Festungswerke
Stralsunds, die er nur eilig verbessert hatte, beschloß S. doch, den Kampf mit dem überlegenen Gegner aufzunehmen.
Am 31. Mai griffen 5000 Mann
Holländer und Dänen das kleine Korps an und drangen in die Stadt ein, wo S. selbst mit den meisten
seiner Genossen fiel. Elf seiner Offiziere wurden von den
Franzosen in Wesel
[* 17] erschossen. Die gefangenen
Soldaten wurden unter
die franz. Galeerensklaven gesteckt.
S.sKopf wurde vom Rumpfe getrennt und in das
Leidener
[* 18] Naturalienkabinett
gebracht, von wo er erst 1837 an die Stadt
Braunschweig
[* 19] übergeben und hier ehrenvoll bestattet wurde. In Wesel,
Braunschweig
und
Stralsund wurden
S. und seinen
HeldenDenkmäler errichtet; das 1. schles. Husarenregiment Nr. 4 wurde 1889 nach
ihm benannt. -
Joh.
ChristophFriedrich von, Dichter, wurde 10. (nicht 11.) Nov. 1759 zu
Marbach, einem württemb. Städtchen
am Neckar, geboren. Seinem
Vater,
Johann Kaspar S. (geb. zu Bittenfeld, Feldscher, dann Offizier,
seit 1775
Inspektor der herzogl.
Baumschule auf der Solitüde, 1794 Major, gest. war der
Gesichtskreis durch ein
bewegtes Leben erweitert; mit nüchterner Thatkraft verband er lebendige Frömmigkeit und großen Respekt vor geistiger
Arbeit;
er übte selbst eine bescheidene gemeinnützig ökonomische Schriftstellerei (vgl.
Brosin,
S.sVater, Lpz. 1879). Mehr durch die treue
Hingabe als durch geistige Anregungen wirkte auf den Sohn die
Mutter, Elisabeth
Dorothea, geborene Kodweiß (1731-1801; vgl. E.Müller,
S.sMutter, Lpz. 1894). Sonnigen Kinderjahren in dem lieblichen Lorch
(1763-66), wo der in den
«Räubern» gefeierte Pastor
Moser S. den ersten Unterricht erteilte, folgte die
Schulzeit in der Lateinshule der herzogl. Residenz
Ludwigsburg.
[* 20]
Die guten Fortschritte des
Knaben zogen die
Aufmerksamkeit des eigenmächtigen
HerzogsKarl auf sich, der den
Vater nötigte,
den zur
Theologie bestimmten Sohn in der herzogl. Militärakademie auf der Solitüde Jurisprudenz
studieren zu lassen. Die Anstalt wurde von einer «militär.
Pflanzschule» schnell bis zu einer Art
Universität gesteigert und 1775 nach
Stuttgart
[* 21] verlegt; 1776 ging S. zum mediz.
Studium
über,
das ein heilsames empirisches Gegengewicht gegen die spekulativen Neigungen des
Jünglings bildete.
Die wegen ihrer strengen, von dem
Herzog wohlwollend, aber unnachsichtig geübten Zucht mit Unrecht verschrieene
Anstalt hatte große Vorzüge; namentlich
Abels Unterricht in der
Philosophie, der Fergusons Glückseligkeitslehre bevorzugte,
aber auch naturwissenschaftliche
Gesichtspunkte heranzog, trug schon damals in
S.s«Theosophie an Julius» und in seiner Dissertation
«Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des
Menschen mit seiner geistigen» selbständige
Frucht.
S.s dichterische Neigungen, die sich schon im 13. oder 14. Jahre in religiösen
Trauerspielen («Die
Christen»,
«Absalon») offenbart hatten, wurden zuerst durch
Klopstockund Haller genährt (so in dem epischen
Plan«Moses», in der erhaltenen
Ode «Der
Abend»); bald traten dazu die volkstümlich cynischen Anregungen
Schubarts (in
S.s Oden «Der Eroberer»,
«Die Gruft der Könige») und
Bürgers, vor allem das
Sturm- und Drangdrama, dem S. in den unvollendeten
Dramen «Der
Student von
Nassau» und «Kosmus von Medici» (nach Leisewitzens «Julius
von
Tarent») nacheiferte.
Der kräftigste Niederschlag dieser seiner
Richtung aber, zugleich das bedeutendste poet. Ergebnis der Studienjahre, waren
die imKreise
[* 22] der akademischen Freunde jubelnd aufgenommenen, durch eine Erzählung
Schubarts veranlaßten
«Räuber» (seit 1777, erschienen erst Frankf. 1781),
zunächst ein
Protest der
Jugend gegen ihre Zuchtmeister, weiter ein revolutionärer
Aufschrei der freiheitsdurstigen Menschenseele «in tyrannos».
Schon hier in der biblisch gefärbten
Sprache
[* 23] die S. eigene,
aufwühlende pathetische
Beredsamkeit, schon hier ein unwiderstehlich hinreißender, instinktiv sicherer
dramat. Zug;
bei ungeheuerlichen Übertreibungen des ungebändigten Drangstils und der weinerlichen
Empfindsamkeit, bei starken psychol. Unwahrscheinlichsten eine
¶
mehr
gewaltige poet. Kraft. Der edle, die socialen übel ausgleichende Räuberhauptmann, der sein Vorbild, den Faustrechtritter
Götz von Berlichingcn, derb übertrumpft, wird von jetzt an ein Liebling des deutschen Dramas und Romans.
Als S. im Dez. 1780 die Stelle eines Regimentsmedikus im Regiment Augé zu Stuttgart antrat, vertauschte er den Schulzwang
mit dem wenig mildern militärischen. Doch entflammte seine reizlose Hauswirtin, eine verwitwete Frau Hauptmann Vischer,
jetzt seine ersten Liebesregungen, die in den Laura-Oden ihren schwülstigen Ausdruck fanden. Sie und die einer Neigung zu
Wilhelmine Andreä entsprungenen einfachern Minna-Lieder fanden Aufnahme in die von S. zur Konkurrenz gegen Stäudlins «Schwäb.
Musenalmanach» herausgegebene, großenteils von ihm selbst verfaßte «Anthologie auf das J. 1782» («gedruckt
in Tobolsko», «meinem Prinzipal dem Tod zugeschrieben»),
die auch die dramat. Scenen «Semele» enthielt.
Vor Cynismen im schlechtesten GeschmackBürgers («Männer und Kastraten», später «Männerwürde», «Venuswagen»),
vor plumpen Epigrammen, philosophisch aufgeblähten Liebesoden («Der Triumph der Liebe») kommt in der Lyrik
dieser Periode schlichte Empfindung nie, klare Anschauung selten («In einer Bataille», später «Die Schlacht») zu Worte; nur
in der Größe der volltönenden Sprache, der hochfliegenden Auffassung verrät sich ein bei aller Unreife bedeutend aufstrebendes,
freilich nicht lyrisches Talent.
Der glänzende Erfolg der abgeschwächten Bühnenbearbeitung der «Räuber» an dem von Dalberg geschickt
geleiteten Mannheimer Nationaltheater machte dem Dichter, der der Première heimlich beigewohnt hatte, seine
beengte Lage immer peinlicher. Als nun gar der Herzog, durch unglückliche Zufälle erbittert, S. jede nicht mediz. Schriftstellerei
untersagte und ihn dadurch ebenso an der Poesie wie an seiner unbedeutenden, aber pekuniär erwünschten
journalistischen Thätigkeit (Redaktion der «Nachrichten zum Nutzen und Vergnügen»,
1781, des «Württemb. Repertoriums», 1782) hinderte, ihm zudem jeden Verkehr
mit dem «Ausland» untersagte, entschloß sich der Dichter, die Brücke
[* 25] hinter sich abzubrechen; mit seinem FreundeAndr. Streicher
entfloh er in der Nacht vom 22. zum zunächst nach Frankfurt.
[* 26] Im Oktober und November desselben
Jahres vollendete er zu Oggersheim (bei Mannheim)
[* 27] «Die Verschwörung des Fiesco zu Genua»
[* 28] (gedruckt Mannh.
1783), das erste seiner histor. Dramen. Diese republikanische Tragödie leidet zwar unter der Unklarheit des blasiert enthusiastischen
Helden, den S. trotz aller histor. Vorstudien (Robertson, Retz) sehr unhistorisch mit RousseausAugen ansah,
imponiert aber namentlich durch die überraschende Beherrschung der Massenscenen. - Sehr viel höher steht das dritte und
beste seiner Jugenddramen, das bürgerliche Trauerspiel «Luise Millerin» oder «Kabale und Liebe» (so von Iffland benannt, gedruckt
Mannh. 1784). S. nahm es im Frühjahr 1783 in Bauerbach in Angriff, auf dem Gute der Mutter seines Schulfreundes
W. von Wolzogen, wo er zu seinem spätern Schwager, dem Bibliothekar Reinwald im nahen Meiningen,
[* 29] Beziehungen knüpfte.
Ein sociales Drama erfundenen Inhalts, baute sich «Kabale und Liebe» durchaus auf eigenen bittern kleinstaatlichen Eindrücken
des Dichters auf, der an Gemmingens matten «Deutschen Hausvater» nur in Äußerlichkeiten anknüpfte.
Er scheute sich
nicht, so schreiende Mißstände, wie die scheußlichen «Subsidienverträge»,
beim rechten Namen zu nennen; er verschmähte die ideale Ferne, die Lessing in «Emilia
Galotti» gewählt hatte. Von diesem großen Vorbild hat S. eine energisch fortschreitende geschlossene Handlung gelernt;
von der Tragik des überschwenglichen Heldenpaares, das das Recht desHerzens gegen alle Standesvorurteile
vertritt, hebt sich wirkungsvoll der gallige Humor der bürgerlichen Misere ab; Musikus Miller gehört zu S.s lebenswahrsten
Gestalten. (Vgl. E. Müller, S.sKabale und Liebe, Tüb. 1892.)
Diese kräftige Produktion ermutigte den Intendanten Dalberg, S. die Stelle eines Theaterdichters in Mannheim anzuvertrauen
(Aug. 1783). Doch hinderte Krankheit den Dichter, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und der Kontrakt löste sich nach einem
Jahre. Auch sonst brachte die Mannheimer Zeit schwere Enttäuschungen und Sorgen. Herzensneigungen zu der Buchhändlerstochter
Margarete Schwan und namentlich zu Charlotte von Kalb, der die grenzenlos überschäumenden Gedichte «Freigeisterei
der Leidenschaft» und «Resignation» gelten,
beunruhigten den Dichter; eine wachsende Schuldenlast und der Zorn der Eltern drückten ihn mehr und mehr.
in der zuerst der Aufsatz «Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet»
erschien, blieb ohne äußern Erfolg. Zwar verlieh ihm HerzogKarlAugust von Weimar,
[* 30] der ihn in Darmstadt
[* 31] den ersten Akt des «DonCarlos» lesen hörte, den Titel eines weimar. Rats; auch wurde er in die «Deutsche
[* 32] Gesellschaft zu Mannheim»
aufgenommen auf Vorschlag des Dichters Anton von Klein, der S. veranlaßt hat, im Drama zum Verse überzugehen. Aber der Boden
brannte ihm unter den Füßen. Mit heißem Dank nimmt er die thätige Hilfe eines Leipziger Bewunderers,
des Oberkonsistorialrats Christ. Gottfr. Körner (s. d.) an, die ihm ermöglicht nach Leipzig
[* 33] überzusiedeln (April 1785).
Hier traf er zwar den inzwischen nach Dresden berufenen Freund nicht selbst; dafür trat er seinem künftigen Verleger, dem
jungen Buchhändler Göschen, mit dem er in Gohlis eine Stube bewohnte, nahe. Eine flüchtige Zusammenkunft
mit Körner übertraf beider Erwartungen und veranlaßte S., gleichfalls nach Dresden zu gehen (Sept. 1785), wo er sich in
Körners Häuslichkeit auf dem LoschwitzerWeinberg oder in der Stadt aufs engste einlebte. Die wilde Jubelhymne «An
die Freude», manch launiges Gelegenheitsstück («Körners Vormittag» u. a.) zeugt von dem Glücksgefühl,
mit dem ihn die neue Freundschaft erfüllte. Einen Dritten im Bunde, den unreifen Ludw. Ferd.
Huber, der nicht Stich hielt, überschätzten damals beide.
Von dem wohlthätigen Einfluß Körners zeugen die «Philos. Briefe», ein Briefwechsel, in dem Raphael (Körner) im Begriff ist,
den eudämonistischen Julius (Schiller),
der hier seine Jugendtheosophie auskramt, zu Kant zu bekehren.
Sie erschienen in der in Göschens Verlag neu aufgelebten «Thalia», die schon im 1. Bande (1787) S. von einer neuen Seite,
als trefflichen Prosaerzähler zeigte: «Der Verbrecher aus verlorener Ehre» (ursprünglich «aus
Infamie»),
der den bekannten württemb. Räuber, den Sonnenwirt, behandelt, ist eine musterhafte psychol.
Kriminalnovelle; der unvollendete Roman «Der Geisterseher» (1789; fortgesetzt von Follenius, Lpz.
1796), der dem Geschmack des Publikums an
¶