185000 Mann Reichswehr zum Dienst einberufen wurden. Am 30. Juli griff
General Krüdener die
Türken bei
Plevna nochmals an, wurde
jedoch blutig zurückgeschlagen. Die
Lage der russ.
Armee war somit Anfang
August sehr mißlich und konnte zu einer
Katastrophe
führen, falls
Osman Pascha von
Plevna her und
Mehemed Ali Pascha, der seit 18. Juli den Oberbefehl über die
türk. Hauptarmee führte, von Razgrad her gegen die untere Jantra zum
Angriff vorgingen. Aber
Osman Pascha blieb unthätig
in
Plevna stehen, dagegen drang
Suleiman Pascha18. Aug. gegen den
Schipkapaß vor, besetzte 20. Aug. das Dorf Schipka und stürmte 21. bis27. Aug. den
Paß
[* 2] selbst; zwar wiesen die
Russen alle
Angriffe zurück, doch blieb
Suleiman Pascha auf der Paßhöhe stehen, bombardierte
bis 17. Sept. die russ.
Stellung fast ununterbrochen und unternahm noch mehrere vergebliche
Angriffe.
Mehemed Ali führte nun das
Heer nach Razgrad und Eski-Džumaja zurück, worauf 2. Okt.Suleiman Pascha den Oberbefehl über die
türk. Ostarmee übernahm. Dieser bezog 20. Okt. ein verschanztes Lager
[* 3] bei Razgrad, während die
Russen wieder bis an die Linie des
SchwarzenLom vorgingen. Am 19. Nov. überschritten die
Türken mit etwa 12000 Mann
den
Lom, zerstörten Pirgos und drangen bis an die russ. Hauptstellung bei Mečka vor. Am 4. Dez. nahmen
die
Türken Marian, Slatarica und Elena, wurden jedoch 6. Dez. aus Slatarica zurückgeschlagen. Am 12. Dez. erneuerte
Suleiman den
Angriff gegen die russ.
Stellung bei Mečka, wurde jedoch abgewiesen, worauf sein
Heer in voller
Auflösung
nach Rustschuk floh.
Während dieser Kämpfe war
Osman Pascha, von dessen
Truppen 35000
Mann inPlevna (s. d.) und 5000 Mann bei Loveč standen, durch
das rumän.
Heer und die inzwischen ein getroffenen russ. Verstärkungen eingeschlossen und 10. Dez. zur
Kapitulation gezwungen worden.
Gurko und Karzow hatten das Land bis zum
Balkan hin von türk.
Truppen gesäubert
und 24. Okt. Dolnji-Dubniak und Gornji-Dubniak, 28. Okt. Teliš nach heftigem Kampfe genommen, auch die nach
Sofia führenden Balkanpässe
in ihre Gewalt gebracht. Am 14. Dez. erklärte auch
Serbien
[* 4] der
Pforte den
Krieg.
Die
Serben hatten 19. Dez. den Nikolauspaß, 24. Dez. Ak-Palanka und 28. Dez. Pirot nach heftigem Kampfe erobert, und von der Morava
her 23. Dez. die
Belagerung von
Nisch begonnen. Auch die Montenegriner waren seit Anfang
August gegen die türk.
Landwehren vorgegangen, hatten 8. Sept. die Garnison von
Nikšić zur Kapitulation gezwungen und bis Ende September sämtliche
Forts im Dugapasse erobert, auch alle
Angriffe der
Türken im Fürstentum zurückgeschlagen. Fürst
Nikita zwang auch Antivari
zur Kapitulation. Am 19. Jan. wurde Dulcigno, 29. Jan.Fort Lesendra am Skutarisee erobert, worauf
Nikita die
Bojana überschritt und
Skutari einschloß.
Am 9. Jan. wurde
Mehemed Ali mit dem Oberbefehl über alle
Truppen in der europ.
Türkei
[* 5] betraut und gleichzeitig angewiesen, mit
dem russ. Oberkommando einen Waffenstillstand abzuschließen. Am 19. Jan. wurde
Adrianopel geräumt und am folgenden
Tage durch
dieRussen besetzt; alle noch verfügbaren türk.
Truppen wurden in den befestigten Linien von
Tschataldschavor der Hauptstadt versammelt und dem
Befehl des
Mukhtar Pascha unterstellt. Während die russ.
Truppenbis in die unmittelbare
Nähe von
Konstantinopel
[* 6] vordrangen, begannen 27. Jan. zu
Adrianopel die Waffenstillstandsverhandlungen und gelangten 31. Jan. zum
Abschluß. Das russ. Hauptquartier wurde dann nach
San Stefano (s. d.) verlegt und dort 3. März zwischen
Rußland
und der
Türkei ein Präliminarfriede abgeschlossen, dessen Bestimmungen jedoch auf
Antrag der europ. Großmächte erst einem
europ.
Kongreß unterbreitet wurden, wo sie große Änderungen erlitten. (S.
Berliner Kongreß.)
[* 7]
Litteratur. C. von Sarauw, Der russ.-türk.Krieg 1877/78 (2. Ausg., Lpz. 1879);
Wilh.
Müller, Der russ.-türk.
Krieg 1877 (Stuttg. 1878);
Kuropatkin, Kritische Rückblicke auf den russ.-türk.
Krieg 1877/78 (3 Bde., Berl. 1885-90);
russ. Rossija, oder
Russisches Reich, Rossijskaja Imperija, auch Rossijskoje Gossudarstwo, Kaisertum und
Großmacht, umfaßt die größere östl. Hälfte Europas, Nordasien und den Nordwesten
Centralasiens mit zusammen 22430000
qkm,
d. i. ein Zweiundzwanzigstel der gesamten Erdoberfläche, ein Sechstel des gesamten Festlandes
und mehr als das Doppelte des Erdteils Europa. Von dem Flächenraum entfallen administrativ auf Europa
5900152, auf
Asien
[* 10] 16529852, geographisch (den
Ural
[Gebirge und
Fluß] und die Manytschlinie als Grenze zwischen Europa und
Asien genommen) auf Europa 5248790, auf
Asien 17181214, oder (wenn statt der Manytschlinie der Hauptrücken des
Kaukasus als
Grenze gesetzt wird) auf Europa 5515067, auf
Asien 16914947 qkm. -
Die Grenzlinie umfaßt 69245 km, wovon auf das Festland 19941 km (in Europa 4505) kommen. Die Grenze gegen Preußen ist 1183,
gegen Österreich-Ungarn
[* 21] 1225, gegen China 9372, gegen Afghanistan 811, Persien 1737, Türkei 505 km lang.
Bei der ungeheuren Ausdehnung
[* 22] bildet eine geschlossene, verhältnismäßig wenig durch Meereseinschnitte gegliederte Masse.
Die Ausdehnung der Begrenzung durch Meere würde äußerst günstig sein, wenn nicht klimatische Verhältnisse, geogr. Lage und
örtliche Untauglichkeit die Länge der für den Handelsverkehr nutzbaren Küsten auf eine verhältnismäßig
sehr beschränkte Strecke an der Ostsee, am SchwarzenMeer und am Großen Ocean verringerten. Auch ist die Bereicherung der Küsten
durch vorliegende Inseln nur gering. Ihr Gesamtumfang beträgt 238156 qkm, wovon 109984 auf das europäische Rußland kommen. In der
Ostsee sind die Ålandsinseln, Ösel und Dagö, im Stillen Ocean Sachalin nennenswert, im Nördlichen EismeerKolgujew, Nowaja Semlja, Neusibirien u. s. w.; letztere teilen die Unwirtbarkeit der
gegenüber liegenden Polargegenden des Festlandes.
Bodenbildung. Die Oberflächengestaltung bietet sehr bedeutende Gegensatze dar, von dem langen Gebirgsgürtel des Urals, dem
mächtigen Kaukasus, den Alpenlandschaften im südl. Sibirien, in Turkestan und in der Dsungarei bis herab
zu dem tiefsten Flachlande der Welt, das in der aralokaspischen Erdsenke nur wenig über, zum Teil sogar unter dem allgemeinen
Meeresniveau liegt. Die Bodenplastik des Europäischen R.s ist durch die größte Einförmigkeit charakterisiert.
Dasselbe zeigt mit Ausnahme des asiat. Grenzgebirges, des Urals, und des kleinen TaurischenGebirges in der
Krim nirgends ein eigentliches Gebirge, besteht vielmehr teils aus völlig ebenen, teils aus wellenförmigen oder hügeligen
Flächen, die im allgemeinen nur 100-200 m ü. d. M. liegen, und hat seine Abdachungen nach N., NW., S. und SO. Auch die Höhen
und Felsenkämme der seltsam zertrümmerten Seenplatte von Finland und Lappland erheben sich nirgends
viel über 300 m. Das übrige Rußland erscheint als ein im Centrum einigermaßen gehobenes,
nach den Peripherien zu sich allmählich senkendes und gleichwie von einem Rahmen von dem Ural, dem Donschen Hochplateau, dem
Krimschen Gebirge, den Ausläufern der Karpaten und den FinnischenHöhen eingesäumtes Gebiet.
Das Centrum wird von dem mittlern russ. Höhengebiet oder den Alaunischen Höhen eingenommen, welche sich
auf einer Strecke von 1380 km vom Waldaigebirge bis zum Donezschen Hochplateau ausbreiten. Es scheidet
die baltische Niederung
von den Flußgebieten des Dnjepr, der Wolga und des Don und dient als Quellgebiet für die Flüsse
[* 23] Niemen,
Düna, Lowat, Wolga, Oka, Don, Donez und Dnjepr. Im O. von diesen Höhen liegt das Thal
[* 24] der untern Oka und die Niederung, auf welcher
sich einige Nebenflüsse der Oka und des Don ergießen.
Dann folgt die Gruppe der Wolgahöhen, ein Hügelland, welches sich am rechten Ufer der Wolga von Nishnij Nowgorod
und Kasan
[* 25] bis Zarizyn und im W. bis Tambow erstreckt und in den Jergeni seine natürliche Fortsetzung findet. Die Wolgahöhen
nehmen in meridionaler Richtung 1170 km ein. Im SO. von diesen Höhen, am linken Ufer der Wolga, folgen die kaspischen Steppen.
Im N. werden letztere von den Gehängen des Obschtschij-Syrt begrenzt. Weniger erforscht ist die
nördl. oder uralisch-baltische Landeserhöhung der ältern Geographen.
Nach der üblichen Darstellung setzt sie sich an die dem nördl. Ural vorgelagerte, in mehrern Punkten zu 250-320 m ansteigende
Berglandschaft von Perm und Wologda und zieht westwärts bis in die Nähe der Ostsee, und zwar zunächst
als Wasserscheide zwischen der Polar- und kaspisch-pontischen Abdachung unter dem Namen des nordruss. Landrückens bis zu dem
Quellgebiet der Wolga, der Düna und des Dnjepr, d. i. dem sumpfigen Plateau der Waldaihöhe. Die westl. Fortsetzung des Waldaiplateaus
bildet ein breiter Damm erhöhten Terrains, nämlich einerseits der litauische Landrücken, der 2-300 m
Höhe hat; andererseits der livländ. Landrücken.
Der erstere geht gegen W. in die ostpreuß. Seenplatte über. Das Asiatische Rußland ist in seinem nordwestl. Teil (Westsibirien)
ein Tiefland, das sich zum Eismeer senkt. Auch geht es vom Oberlauf des Ob und vom Unterlauf des Jenissei an in Gebirgsland
über, das im S. zum Teil Alpencharakter hat, aber nach N. zu an Höhe abnimmt. Längs der ganzen Nordküste
zieht sich, selbst weit ins Europäische Rußland hinüber greifend, die Tundra hin. Das Jablonojgebirge mit seiner Fortsetzung,
dem Stanowojgebirge, bildet die Wasserscheide zwischen dem Eismeer und dem Stillen Ocean. Südlich geht das westsibir.
Tiefland durch die Kirgisensteppe über: nach W. zu (zwischen dem Südende des Uralgebirges und dem KaspischenMeer) in die
Ebene des Europäischen R.s und nach S. zu in die SteppenTranskaukasiens und Turkestans, die von dem Westrande Centralasiens
begrenzt werden. Ausläufer des letztern reichen sogar bis in die Kirgisensteppe. (S. auch Sibirien.)
Bewässerung. KeinLand der Erde besitzt so viele und so wasserreiche Ströme wie Rußland. Von den Flüssen gehen in die Ostsee, welche
ein Flußgebiet von 968110,5 qkm beherrscht, der Torneå mit dem Muonio an der schwed. Grenze, der Kemi, Uleå, Kokema (oder
Kumo), Kymmene in Finland; ferner die Newa, Luga, Narowa, Pernau, Salis, die livländ.
oder Treyder Aa, die Düna, die kurländ. oder BullerAa, der Niemen und die Weichsel. In dasSchwarzeMeer, mit einem Flußgebiet
von 747795,4 qkm in Europa und 37425,7 qkm in Asien, fällt zunächst mittels der Donau, deren Mündungen die russ. Grenze
berühren, der Pruth, der Grenzfluß gegen Rumänien, dann unmittelbar der Dnjestr, der Bug, der Dnjepr,
der Kuban, der Rion;
ins Asowsche Meer, mit einem Flußgebiet von 559394 qkm, der Don mit dem Manytsch, die Jeja und der Kalmius;