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Franzosen. Die Satire gelangte zu großer Bedeutung: ihr Organ bildeten die satir. Zeitschriften nach engl. Muster, deren Blütezeit die J. 1769-74 waren, und in denen neben Unwissenheit und Barbarei auch der schwülstige Geschmack in der Poesie, besonders die Ode und die Mittelmäßigkeit der Dichter verspottet wurde. (Die bedeutendsten Zeitschriften sind: «Buntes Allerlei» [«Vsjakaja Vsjačina»], «Der Maler» und «Die Drohne».) In der Lyrik herrschte die Ode fort.
Sie erhielt durch den größten Dichter der Epoche, Gabriel Derschawin (1743-1816), eine neue, anmutigere, stellenweise satirisch gefärbte Sprache. [* 2] Im Drama herrschte bis in die siebziger Jahre unbestritten der Pseudoklassicismus. Das Repertoire beherrschte Sumarokow, später der weniger begabte Jakob Knjashnin (1742-91). Neben Originalen wurden viele Übersetzungen gegeben. In den siebziger und achtziger Jahren wurden fast alle Werke der franz. Klassiker übersetzt.
Auch die Tragödie zeigte eine hervorragend belehrende Tendenz; nicht weniger das Lustspiel. Der bedeutendste Satiriker der Periode, Denis Von-Wisin (1744-92), verspottete in seinen klassischen Lustspielen «Der Brigadier» (1764) und «Der Landjunker» (1782) die Unbildung des niedern Adels, die Halbbildung und Französelei der im Ausland gewesenen jungen Russen, die schlechte Kindererziehung. Auch hier traten neben realistisch-komischen [* 1] Figuren ideale Tugendtypen auf, die weitschweifig Moral predigen.
In der Epik galt Mich. Cheraskows (1733-1807) «Rossiade» lange als Muster. Aber gegen Ende des Jahrhunderts fing der Geschmack am pseudoklassischen Epos an nachzulassen, es traten Travestien (so z. B. die berühmte kleinruss. Äneide von Kotljarewskij),
Parodien und komische Epen auf. Sehr populär wurde die «Psyche» («Dušen'ka») von Ippolit Bogdanowitsch (1743-1803),
eine volkstümliche Bearbeitung von Lafontaines «Psyché et Cupidon». Der Roman weist viel Übersetzungen auf. Beliebt waren die philos.-polit. Romane im Geschmack des Fénelonschen «Télémaque», die in Charaskow einen Nachahmer fanden («Numa oder das blühende Rom», [* 3] «Polydor» u. a.). Daneben wurden Abenteuerromane mit und ohne moralische Tendenz viel gelesen. Von Originalen sind erwähnenswert die Werke Fedor Emins (1735-70). Die Fabel, bis dahin durch Sumarokow vertreten, erhielt eine einheimischere Färbung durch Iwan Chemnitzer (1745-84). Die humanitären Bestrebungen der Regierung fanden Nachahmung in Privatkreisen: es entstanden Privatdruckereien und Vereine, die Volksschriften fertigten und verbreiteten. Im Zusammenhang mit dem fußfassenden Freimaurertum bildete sich in Moskau [* 4] die «Gesellschaft der Freunde», deren Seele der Philanthrop Nik. Nowikow (1744-1816) war, und die durch Vorträge und nützliche Schriften die Volksbildung zu heben suchte.
Eins ihrer Hauptziele war die Bekämpfung des franz. Materialismus, gegen den sonst neben den Kanzelrednern schon die satir. Journale aufgetreten waren. Allein die Französische Revolution veranlaßte eine starke Reaktion und die Verfolgung alles dessen, was kurz vorher von der Regierung angeregt worden war. Die Freimaurer wurden verdächtigt, die philanthropischen Vereine aufgehoben, Nowikow eingekerkert. Unter den Opfern der Reaktion befand sich auch Alexander Radischtschew (1749-1802), dessen «Reise von Petersburg [* 5] nach Moskau» (1790) ihm Verbannung nach Sibirien zuzog.
In den siebziger Jahren trat in der [* 6] Russische Litteratur der «empfindsame» (sentimentale) Geschmack auf. An Stelle der pseudoklassischen Tragödie, des heroischen Romans trat das bürgerliche Rührstück, der bürgerliche Roman. Der franz. Einfluß wich dem englischen und deutschen. Ungefähr gleichzeitig erwachte das Interesse für nationales Leben und die heimische Vorzeit. Histor. und sprachliche Denkmäler wurden gesammelt, Volksbücher wieder abgedruckt u. s. w. In der Poesie erschienen Stoffe aus dem Volksleben, wie z. B. die mit Volksliedern und -Tänzen durchwebte komische Oper Ablessimows «Der Müller». Der Hauptvertreter des sentimentalen Geschmacks war Nik. Karamsin (1766-1826),
dessen «Briefe eines russ. Reisenden» und die Novelle «Die arme Lisa» die Muster der neuen Richtung wurden.
Die Wissenschaft zeigte unter Katharina ein Überwiegen von russischen, ausländisch gebildeten Gelehrten. 1783 ward die russ. Akademie gegründet zur «Reinigung und Bereicherung der russ. Sprache», deren Präsident die hochgebildete Fürstin Katharina Daschkow (1743-1810) ward. Von histor. Werken ist M. Schtscherbatows «Russ. Geschichte von den ältesten Zeiten an» (in altruss.-patriotischem Sinne) und dessen «Geschichte Peters d. Gr.» sowie seines Gegners Iw. Boltins ebenfalls mit reformfeindlicher Tendenz geschriebene «Bemerkungen zur alten und neuen russ. Geschichte Leclerqs» und «Bemerkungen über Schtscherbatows russ. Geschichte» zu erwähnen. Ferner zahlreiche Memoiren (der Fürstin Daschkow, Chrapowizkijs, Derschawins u. a.). Von lexikalischen Arbeiten ist wichtig das «Wörterbuch der russ. Sprache» der Akademie, von literarhistorischen Nowikows «Histor. Schriftstellerlexikon» und das anonyme «Dramat. Lexikon». Auf dem Gebiet der bis dahin rein formalen Kritik traten als ästhetische Neuerer auf: Mich. Murawjew (1757-1807) und der junge Karamsin.
Die Litteratur des Beginns der Regierung Alexanders I. zeigte den Kampf des absterbenden Pseudoklassicismus gegen die neuen Richtungen, die empfindsame und später die romantische. Das erste Viertel des 19. Jahrh. stand unter dem Einfluß Karamsins. Sein großes Verdienst war die Schöpfung einer ungekünstelten Litteratursprache und die Einführung eines natürlichern litterar. Geschmacks. Seine monumentale «Geschichte des Russischen Reichs» beeinflußte auf lange Zeit sowohl die Auffassung der Geschichte als auch den Stil der getragenen Prosa.
Was Karamsin für die Prosa, das ward Iwan Dmitrijew (1760-1837) für die Poesie. Fast alle bedeutenden Schriftsteller der Zeit Alexanders I. sind mehr oder weniger Nachfolger Karamsins und Dmitrijews. Es fehlte jedoch nicht an Gegnern. Die antisentimentale konservative Richtung scharte sich um den Präsidenten der Russischen Akademie, Admiral Schischkow (1754-1840), einen eifrigen Verteidiger des Altrussischen und der frühern Verhältnisse. Doch fand die sentimentale Richtung ihr Ende erst in den zwanziger Jahren. Mit den Napoleonischen Kriegen zeigte sich von 1806 an auch in der Litteratur eine starke antifranz. Strömung. Es erschienen Flugblätter, patriotische Gedichte (Derschawin, Shukowskij), Lustspiele und ernste Stücke (Oserows «Dimitrij Donskoj»),
die Gallomanie wurde verspottet (Krylow, Graf Rostoptschin). Sergej Glinkas «Russ. Bote» und seine zahlreichen andern Schriften predigten Krieg und verherrlichten Rußlands ruhmvolle Vergangenheit. ¶
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Die Reformversuche der ersten Regierungsjahre Alexanders I. erzeugten ein reges polit. und nationalökonomisches Interesse im Publikum. Die Presse [* 8] brachte polit. und nationalökonomische Artikel. Die Aufhebung der Leibeigenschaft wurde erörtert. Die Anhänger dieser liberalen Richtung, größtenteils mit der Occupationsarmee heimgekehrte Offiziere, bildeten allerdings die Minderheit. In den letzten Regierungsjahren Alexanders sammelten sich die mit der Tyrannei des allmächtigen Ministers Araktschejew unzufriedenen liberalen Elemente zu verschiedenen Geheimbünden. Poetisch kam der Protest zum Ausdruck in den Gedichten K. Ryljejews (1745-1826). Das Freimaurerwesen kam wieder auf. Als Reaktion gegen den Materialismus des 18. Jahrh. erschien der Mysticismus, besonders in den hohen Gesellschaftskreisen.
In der Litteratur herrschte trotz aller Kämpfe gegen die Gallomanie der alte franz. Einfluß. In der Poesie war die Ode immer noch lebendig (Mersljakow [1778-1830], aber auch einzelne Dichtungen der neuen Schule [Dmitrijews, Shukowskijs u. s. w.] zeigen deren Stil). Im Roman herrschte der Geschmack an möglichst verwickelten Abenteuern (W. Narjeshnyj, 1780-1825). Daneben waren die morgenländ. Erzählungen Alex. Benizkijs (1781-1809) und endlich die Erzählungen im sentimentalen Geschmack beliebt.
Das Drama entwickelte sich unter besonders günstigen Umständen. Neben talentvollen Dichtern traten ausgezeichnete Schauspieler auf. Es entstanden Provinzialbühnen und Privattheater. Der 1808 gegründete «Dramat. Bote» wirkte geschmackverbessernd. Die gesellschaftliche Stellung der Schauspieler wurde besser. Im Drama herrschten nebeneinander bürgerliches Drama und die heroische Tragödie. Besonders beliebt war Kotzebue und seine russ. Schule. Als neue Gattung trat das Melodrama hinzu.
Der Hauptvertreter der klassischen Richtung war Oserow (1770-1816). Im Lustspiel beherrschte der Fürst A. Schachowskoj (1777-1846) die Bühne; daneben wurden viele franz. Stücke übersetzt. Die Fabel erlangte durch Iwan Krylow (1768-1844) ihre höchste Vollendung. Die Satire richtete sich teils gegen die Unnatur in der Poesie (Fürst I. M. ^[Iwan Michailowitsch] Dolgorukij, 1764-1823, Fürst P. A. Wjasemskij, 1792-1878), teils gegen gesellschaftliche und administrative Schäden (Fürst D. P. Gortschakow, 1756-1824).
Einen neuen Inhalt erhielt die russ. Poesie durch die Romantik. Als Einführer derselben gilt Wassilij Shukowskij (1783-1852). Sein Verdienst besteht darin, daß er durch musterhafte Übersetzungen die Meisterwerke der engl. und deutschen Litteratur in Rußland einbürgerte. Die einseitige Nachahmung der Franzosen hörte dadurch auf. Für die russ. Poetik waren seine Gedichte von größtem Wert: sie lieferten Muster, z. B. für alle Gattungen der Lyrik. Neben Shukowskij sind als Romantiker zu erwähnen: Konst. Batjuschkow (1787-1855) und Iwan Koslow (1779-1840). Endlich wirkte dem Pseudoklassicismus entgegen die Bekanntschaft mit der Antike, die den Russen durch die Übersetzungen Nik. Gnjeditschs (1748-1833), Shukowskijs u. a. vermittelt wurde.
In der wissenschaftlichen Litteratur war Karamsins «Geschichte Rußlands» die reifste Frucht der Fortschritte auf histor. und kulturhistor. Gebiet und wurde für die nächsten Jahrzehnte ein Muster der Methode und eine Fundgrube an Material. Der Mäcen der Forschung war Graf N. Rumjanzew, der Handschriften sammeln und abschreiben ließ, prachtvolle Ausgaben veranstaltete, seine reiche Bibliothek zur Verfügung stellte u. s. w. In der Slawistik begann A. Wostokow seine epochemachende Thätigkeit. Für die Volkskunde ist wichtig die u. d. T. «Alte russ. Dichtungen» herausgegebene Heldenliedersammlung.
Eine neue Periode der Russische Litteratur beginnt mit Alexander Puschkin. Puschkin trat als Dichter auf, als der Pseudoklassicismus in den letzten Zügen lag; seine ersten Gedichte sind Nachahmungen der leichtern franz. Erotik. Darauf hatten eine Zeit lang Byron und die Romantiker, später Shakespeare Einfluß auf ihn, ohne daß er sich einem dieser Einflüsse nachhaltig unterwarf. In Puschkins Dichtungen erreicht die russ. Poesie ihren vielseitigsten, nationalsten und formvollendetsten Ausdruck. Er ist der erste russ. Dichter, der das fremden Litteraturen Entlehnte nicht, wie seine Vorgänger, einfach wiedergab, sondern in russ. Geist durcharbeitete. Insofern wirkte er bahnbrechend und ward der Lehrer und das Vorbild für die moderne russ. Dichtung. Puschkins unmittelbare Nachfolger und Schüler fallen sehr gegen ihn ab, z. B. Dmitrij Wenewitinow (1805-27), Alex. Poleshajew (1810-38), Nik. Jasykow (1803-46), Eug. Baratynskij (1800-44) und Anton Delwig (1798-1831). - Die damaligen Censurverhältnisse, die jede freie Meinungsäußerung hinderten, hatten das Entstehen einer umfangreichen, handschriftlich verbreiteten Geheimlitteratur zur Folge. Zu dieser gehörte auch das berühmte Schauspiel «Wehe dem Gescheiten» («Gore ot uma», 1822-23) von Alexander Gribojedow (1794-1829), eine bittere Satire auf die höhere Moskauer Gesellschaft der zwanziger Jahre.
Die arge Reaktion, die mit dem Regierungsantritt des Kaisers Nikolaus (1825) begann, die Unterdrückung jeder freien geistigen Regung rief in der Gesellschaft eine Unzufriedenheit und einen Protest hervor, der auch in der Litteratur zu Tage trat: Byron fand begeisterte Anhänger und Nachahmer. Der bedeutendste der russ. Byronianer ist zugleich der größte russ. Dichter nach Puschkin, Mich. Lermontow. Lermontow starb mitten in seiner poet. Entwicklung; doch genügt das, was er geschaffen hat, um ihn unter die großen Dichter zu stellen. Der Held seines Hauptwerkes «Der Held unserer Zeit» wurde zu einer beliebten, im Roman der vierziger und fünfziger Jahre oft nachgeahmten [* 7] Figur. Eine ganz alleinstehende bedeutende Dichtergestalt dieser Zeit ist der aus dem Volk stammende, früh verstorbene Alexej Kolzow, der erste Lyriker, dem es gelang, dem Volkslied, bei treuer Wahrung von Form und Charakter, hohe künstlerische Vollendung zu geben.
In die dreißiger Jahre fallen die ersten entscheidenden Anfänge einer die Romantik ablösenden Richtung, der Realismus oder Naturalismus. Die Keime dazu waren schon vorhanden, aber erst Nikolaj Gogol sollte durch seine naturalistischen Schilderungen des kleinen Mittelstandes und des subalternen Beamtentums der auf ihn folgenden Schriftstellergeneration die definitive Richtung geben. An der Moskauer Universität hatten sich Anfang der dreißiger Jahre ein paar Studentenvereinigungen gebildet, die für das spätere geistige Leben Rußlands von Bedeutung wurden. Der eine sich um N. Stankewitsch gruppierende Kreis [* 9] ¶