das Nowgoroder
Denkmal zur
Erinnerung an den tausendjährigen
BestandRußlands (1862) in Form einer Riesenglocke mit Scenen
aus der Geschichte
Rußlands von Mitjeschin;
Katharina II. mit den
[* 1]
Figuren ihrer Staatsmänner und Feldherren vor dem Alexandertheater, 1874 von
demselben;
das Puschkindenkmal in
Moskau
[* 3] von Objekuschin und Bogomolow 1880;
dasBohdan-Chmelnizkij-Denkmal
in Kiew
[* 4] (1873) von Mikjeschin und viele andere. Zu den hervorragendsten Bildhauern der Gegenwart
in
Rußland gehören: M. Popow, M.
Antokolski (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 2), M. Tschischow, E. Lanceray (s.
Taf. I,
[* 1]
Fig. 4).
Ein Realismus mit scharfer Charakteristik des dargestellten Gegenstandes ist ihnen allen gemein.
Die Malerei hat sich in
Rußland während der letzten zwei Jahrhunderte unter westeurop. Einflüsse überaus
reich und vielseitig entwickelt.
Bis in die fünfziger Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts war die Nachahmung ital.
Muster,
der franz. Klassicismus und die streng akademische
Richtung vorherrschend. Seitdem machte sich auch auf diesem Gebiete das
nationale und volkstümliche Element mit realistischer Färbung nach Kräften geltend. Im 18. und im
Anfang des 19. Jahrh. zeichneten sich besonders aus als religiöse und Historienmaler: Losenko
(gest. 1773), Antropow (gest. 1792), Akimow (gest.
1814), Ugrjumow (gest. 1823), Lewitzki (gest. 1822), M. Iwanow
(gest. 1823), Moschkow (gest. 1839) und andere; als Landschafts-
undMarinemaler: Sim. und Sil.
Schtschedrin (gest. 1804 und 1830), Pritschetnikow (gest. 1809),
F. Aleksjejew, der russ.
Canaletto (gest. 1824). Die akademische
Richtung vertraten im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts:
Tropinin (gest. 1827), Warnek (gest. 1843), Lebedjew (gest.
1837), Worobjew (gest. 1855), K. Rabus (gest. 1857),
Bruni (gest. 1875), Markow (gest. 1878), A.
Beidemann (gest. 1869) und Willewalde. An der
Spitze der romantischen
Richtung standen: K.
Brüllow (s. Taf. III,
[* 1]
Fig. 4) und
seine Schule. Zu dieser
Richtung ist auch F.
Bronnikow sowie die Landschafts- und Marinemaler
Ajwasowskij (s. Taf. III,
[* 1]
Fig.
5),Bogoljubow, L. Lagorio, A. Meschtscherski zu rechnen. Das volkstümliche Element führte A. Iwanow
in die russische religiöse Malerei ein, während Fedotow, Makowski, Perow, Polenow (s. Taf. III,
[* 1]
Fig. 1), Repin (s. Taf. III,
[* 1]
Fig. 2), Wereschagin
(s. Taf. III,
[* 1]
Fig. 3) und viele andere
Maler der Gegenwart die realistische
Richtung, besonders im Genrebild, vertreten.
Litteratur. Die wichtigsten Publikationen über russ. Kunstgeschichte, meist in
russ.
Sprache
[* 5] verfaßt, sind: Martinow,
Denkmäler der alten Kunst in
Rußland (Mosk. 1850);
Ramesanow, Materialien zur Geschichte
der Kunst in
Rußland (ebd. 1863);
Kiprjanow, Beiträge zur Geschichte der
Architektur in
Rußland (Petersb. 1864);
Geschichte
des russ. Ornaments vom 10. bis 16. Jahrh., mit Abbildungen hg.
vom Kunstindustriellen Museum in
Moskau (1868-72);
E.
Viollet le Duc, L'art russe, ses origines, ses éléments
constitutifs, son apogée, son avenir (Par. 1877);
W. Butowski, Die
[* 6] und Russische Kunstund die
Ansichten Viollet le
Ducs und Buslajews über
dieselben (Mosk. 1879);
Ferner gehören hierher die von der
Verwaltung der
Eremitage herausgegebenen
«Altertümer des
RussischenReichs», die
Abhandlungen
der Gesellschaft für altchristl. Kunst,
Berichte der
Kaiserl. Archäologischen
Kommission in
Petersburg, Berichte
der
Akademie der Künste in
Petersburg,
Abhandlungen der
Kaiserl. Archäologischen Gesellschaft in
Moskau. Schließlich enthält
die
Kunst-Encyklopädie von F. Bulgakow, deren zwei erste
Bände 1886 und 1887 erschienen sind, manches dankenswerte Material.
Die kurzgefaßte populäre Kunstgeschichte von P. Gnjedicz (Petersb. 1885) enthält einen
Versuch, die Russische Kunst neuerer Zeit in den Entwicklungsgang der Kunst wenigstens zum
Teil einzureihen.
Vgl. ferner N. P. Sobko, Lexikon russ. Künstler des 11. bis 19. Jahrh.
(Petersb. 1893).
[* 6]Litteratur. Das erste Auftreten einer Litteratur in
Rußland ist gleichzeitig mit dem Auftreten des
Christentums
daselbst. Die
Sprache, durch welche die neue
Lehre
[* 7] vermittelt wurde, war die kirchenslawische (altbulgarische).
In
Bulgarien
[* 8] war, besonders unter dem
Zaren Simeon (890-927), eine große Anzahl byzant. Werke, meist kirchlichen, teils aber
auch profanen
Inhalts, ins
Slawische übersetzt worden (s. Kirchenslawisch). Diese Übersetzungslitteratur fand durch das
Mittel der den
Russen verständlichen kirchenslaw.
Sprache Eingang in
Rußland, und die
Sprache dieser Litteratur
wurde die
Kirchen- und Schriftsprache der
Russen. Mit der Zeit aber drang durch die russ. Abschreiber der kirchenslaw. Handschriften
und durch die Übersetzer immer mehr von den Eigentümlichkeiten der russ. Volkssprache ein.
Die slawisch-byzant. Litteratur und die Anfänge der russischen galten in der ersten
Periode für das gesamte
Rußland. Der
Mittelpunkt des geistigen Lebens war Kiew. Die Schriftsteller waren Geistliche, doch zeigten auch hochgestellte Laien wissenschaftliches
Interesse. Die Kirchenschriftsteller und Prediger, z. B. der Erzbischof Luka Shidjata von
Nowgorod (11. Jahrh.), der
Bischof Cyrill von Turow (12. Jahrh.) u. a., erstrebten
möglichstes Erreichen der byzant. Vorbilder, die Laien, wie der
Großfürst Wladimir Monomach (12. Jahrh.)
in seiner «Unterweisung an seine
Kinder», der Verbannte
Daniel (13. Jahrh.) in seinem
«Traktat an einen russ. Fürsten», schrieben
denselben rhetorischen
Stil. - Bedeutend waren die ersten Anfänge der Annalistik, die, fälschlich dem Höhlenklostermönch
Nestor (gest. um 1114) zugeschriebene sog. «Urchronik»
(«Pervonačalnaja lětopis»),
in der neben byzant.
Chroniken auch einheimische
Quellen, zum
TeilHeldensagen
benutzt sind, und die den spätern russ. Städtechroniken zur Grundlage diente. Für die russ.
Sprache und Rechtsgeschichte wichtig ist das älteste (dem
Großfürsten Jaroslaw zugeschriebene) russ. Gesetzbuch, die «Pravda
russkaja» (11. Jahrh.). Erwähnung verdient auch die schlicht und treu erzählte Pilgerfahrt
nachJerusalem
[* 9] des
AbtsDaniel (12. Jahrh.). Das einzige erhaltene poet.
Denkmal altruss. Zeit ist die «Erzählung
(Slovo) vom Heereszug
Igors». (S.
Igorlied.) Vom Heldengesang, der an den russ. Fürstenhöfen gepflegt
¶
mehr
gewesen sein muß, haben die noch heute gesungenen Bylinen (s. d.) einzelne Namen aus alter Zeit erhalten; inwieweit die Stoffe
der heutigen Heldenlieder in ältere Zeit zurückreichen, muß vorläufig dahingestellt bleiben.
Die Mongolenherrschaft (13. bis 15. Jahrh.) machte der gemeinsamen russ.
Litteraturentwicklung ein Ende. Süd- und Westrußland
[* 11] fielen an Litauen und mit diesem an Polen. Im großruss.
Nordosten übernahm Moskau die politische und später, nicht zum Vorteil der geistigen Entwicklung, auch die geistige Führung.
Kiew verlor allmählich seine alte Bedeutung als orthodox-wissenschaftliches Centrum. Der Bildungszustand in Großrußland
war traurig. Die Weltgeistlichkeit und die Laien, selbst der höchsten Kreise,
[* 12] versanken bei dem Mangel
an Schulen in Unwissenheit; die Klöster vertraten durch Aufbewahren und Abschreiben der alten Handschriften in gewissem Grade
die gelehrten Überlieferungen, aber mit den zahllosen Klostergründungen im 14. und besonders 15. Jahrh.
wurden auch sie mit wenigen Ausnahmen zu Stätten der Zuchtlosigkeit und Ignoranz; die Verderbnis der abgeschriebenen (später
der gedruckten) kirchlichen Bücher wurde eine unglaubliche. Das Sektenwesen mit allen möglichen Ausschreitungen
durchdrang alle Stände bis zur Zarenfamilie hinauf. - In der Litteratur waren zu den südruss.
Städtechroniken die der nordruss. Städte getreten. Mitte des 14. Jahrh. bildete sich die Chronik des Fürstentums Moskau mit
besonderer Hervorhebung moskowitischer Ereignisse. Die Legende erhielt neue Heilige in nordruss. Asceten
und Märtyrern. In Predigt und Hirtenbrief kommen als neue Motive die Auffassung des Mongolenjochs als StrafeGottes, die Mahnungen
an die Fürsten zu Einigkeit und Kampf gegen die Tataren. Das Sektenwesen, die Zuchtlosigkeit der Klöster, die Unwissenheit
der Geistlichen gaben zu Streitschriften Veranlassung.
Der Erzbischof Gennadius, ein eifriger Ketzerverfolger, veranstaltete die erste vollständige russ. Sammlung der kanonischen
Bücher der Bibel
[* 13] als Waffe gegen die bibelkundigen Sektirer (die sog. Synodalbibelhandschrift, 1499).
Derselbe suchte, wenn auch erfolglos, die Errichtung von Priesterschulen zu erlangen. Die Unterhaltungslitteratur wurde bereichert
durch eine Anzahl volkstümlicher histor. Erzählungen, unter denen die «Schlacht gegen Mamaj» (auf dem
Kulikowofelde, 1380) besonders beliebt war. Im 15. Jahrh. begannen westeurop. Werke (Volksbücheru. dgl.) durch poln. Vermittelung
aufzutauchen.
Anfang des 16. Jahrh. erreichte der Bildungsverfall seinen Höhepunkt. Die Bestrebungen einer
sich um den gelehrten Griechen Maxim (1480-1556) scharenden Minderheit hatten wenig Erfolg. Auf der durch
Johann IV. 1551 einberufenen «Hundertkapitelsynode» ward die Einrichtung
von Schulen beschlossen, blieb aber unausgeführt. Ebenso erfolglos blieb die Einführung der Buchdruckerkunst. Nach kaum
einjähriger Thätigkeit mußte die Druckerei 1565 vor der Volkswut nach Litauen gerettet werden. 1568 wurde sie wiederhergestellt,
aber bis ins 17. Jahrh. blieb das Abschreiben die übliche Vervielfältigung.
Von geistlichen Werken des 16. Jahrh. ist zu erwähnen die große zwölfbändige Sammlung
von 1300 Heiligenleben, die sog. «Četji-Minei»
des Metropoliten Makarius sowie der dem Beichtvater des Zaren, Sylvester, zugeschriebene «Domostroj» (s. d.), eine Encyklopädie
altruss. Lebensweisheit. Unter den weltlichen Schriftstellern ragen
hervor der ZarIwan IV. der Schreckliche
und der Schüler des Griechen Maxim, Fürst Andrej Michajlowitsch Kurbskij. Der Zar schrieb eine Antwort auf die Klagen des
Abts vom Cyrilluskloster auf Bjelosero über zwei dorthin verbannte Bojaren, in der der Mönchswandel der beiden ironisch mit
dem alten Klosterleben verglichen wird. Interessant ist auch der Briefwechsel zwischen Iwan und dem Fürsten
Kurbskij, seinem frühern Liebling, der zu den Polen geflohen war. Außer den Briefen schrieb Kurbskij eine höchst beachtenswerte
Geschichte Iwans IV. bis 1578 sowie verschiedene Übersetzungen. - Die Geschichtschreibung des 16. Jahrh. erhält eine neue
Form im sog. «Stufenbuch» («Stepennaja
kniga», Mitte 16. Jahrh.), in dem die russ.
Geschichte in einer Folge von 20 durch die Fürstengeschlechter von Rurik bis Iwan IV. gebildeten Stufen in absteigender Linie
behandelt wird. - Im Gegensatz zu Südwestrußland (s. Kleinrussische Litteratur) blieben Moskau und der Nordosten bis Ende
des 17. Jahrh. gänzlich von aller Kultur abgeschnitten.
Zwar kamen seit Iwan IV. Ausländer ins Land; aber das Volk stand ihnen feindlich gegenüber. Boris Godunow
schickte junge Russen zur Ausbildung ins Ausland, sie kamen aber nicht wieder. Der Mangel an Schulen war so groß wie früher.
Die Abschriften und Drucke kirchlicher Bücher waren unbrauchbar durch die Unzahl Fehler. Es geschahen vereinzelte Versuche
der Abhilfe. 1633 gründete der Patriarch Philaret die sog. Tschudowsche oder griech.-lat.
Schule, die erste Lateinschule Moskaus. 1649 ward von einigen Bojaren eine zweite Schule gegründet, deren Lehrer aus Kiew verschriebene
südruss.
Gelehrte waren. Es fehlte nicht an einzelnen, die die bestehenden Mängel einsahen, wie Kotoschichin in seinem in Schweden
[* 14] geschriebenen Buch«ÜberRußland während der Regierung des Alexej Michajlowitsch» (vollendet 1666/67),
oder sogar Vorschläge zur Besserung machten, wie der Serbe Jurij Krishanitsch in seiner «Politik»; aber es sind wenige.
Die Revision der Kirchenbücher durch den Patriarchen Nikon (s. d., abgeschlossen 1656) rief erbitterten Widerstand hervor.
Die Mehrzahl der Geistlichen weigerte sich, den neuen Text anzunehmen; er wurde mit Gewalt mühsam eingeführt,
eine große Masse des Volks wendete sich dem Sektenwesen (Raskol) zu.
Die Versuche südrussischer, Ende des 17. Jahrh. nach Moskau berufener Gelehrter, die lat. Scholastik einzuführen, scheiterte
am Widerstand der einheimischen Geistlichkeit. Die vom Erzieher des Zaren Feodor, Simeon von Polozk, angeregte
Gründung einer geistlichen Akademie zu Moskau kam erst unter der Regentschaft Sophiens zu stande; aber kein Südrusse erhielt
die Leitung, sondern die griech. Brüder Lihud. Ausländer kamen scharenweise ins Land und brachten westeurop.
Luxus und Bildung mit. In der Geschichtschreibung des 17. Jahrh. herrschte das Stufenbuch weiter.
Daneben sind Versuche bemerkbar, die verstreute Annalistik zu einem Ganzen zu vereinigen («Nikonsche
Chronik», das «Zarenbuch» u. s. w.).
Durch die Südrussen wurde die Kunstpoesie eingeführt, die sog. viršy in syllabierendem Versmaß,
als deren erster Vertreter durch seine Gelegenheitsgedichte und Dramen Simeon von Polozk betrachtet werden darf. 1672 wurde
in Moskau vor dem ZarenAlexej das erste Theaterstück aufgeführt, die vom luth. Pastor Gregory nach einem
Stück der engl. Komödianten bearbeitete
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