Außer diesen
Ausgaben, die direkt mit der
Verwaltung der
Bahn und des Betriebes zusammenhängen, haben die
[* 2] Russische Eisenbahnen noch eine Anzahl
sog. obligatorischer
Ausgaben zu tragen. Dahin gehören: Beitrag zum
Unterhalt der Invalidenhäuser für
verunglückte Eisenbahnbedienstete (163323 Rubel),
Abgaben,
Steuern, Druck neuer Couponbogen (724430),
Verluste bei finanziellen
Abwicklungen (1095710), Fracht für Dienstgüter (4861307) u. s. w.
Bei den 1892 vorgekommenen
Unfällen (457 Entgleisungen, 187 Zusammenstößen von Zügen und 857 sonstigen
Unfällen) wurden 1821
Personen
verletzt und 736 getötet.
Auf denFinländischen Eisenbahnen betrug (1892) die Roheinnahme aus dem Personenverkehr 5099000, aus
dem Güterverkehr 7068000, die andern Einnahmen 154000 Rubel. Dem stand eine Betriebsausgabe von 8631000 Rubel gegenüber.
Zur Erschließung Westsibiriens wurde Ende der achtziger Jahre von einem Privatunternehmer eine, ebenfalls
ungefähr 400 km lange Ob-Eisenbahn von dem am Ob belegenen Marktstecken Obdorsk nach einer
Bucht des Waigatschmeers nahe
an der Jugorstraße geplant, doch scheint das Projekt in den letzten Jahren wieder ins
Stocken geraten zu sein. Im ganzen
waren im asiat.
Rußland (1894) 3053 km Eisenbahnen vorhanden.
Hornmusik, ein eigenartiges Orchester von sehr einfach gebauten Hörnern von
Messing oder Kupfer,
[* 4] deren
Röhre
von sehr verschiedener Länge (die tiefsten haben über Mannshöhe), statt konisch gerade zugehend, oben am Kesselmundstück
eine hakenförmige Biegung hat. Jedes dieser
Hörner hat seinen bestimmten, außerordentlich starken,
aber edlen
Ton, so daß man, um eine Melodie zu spielen, ebensoviele
Hörner haben muß, als die Melodie
Töne aufweist, wobei
jeder einzelne Hornist die Pausen genau abzählen muß, bis sein
Ton an die Reihe kommt. Im 18. Jahrh. hatte man derartige
Orchester von 40 bis 80 Mann, die sogar
Sinfonien mit
Trillern und Laufwerk ausführten und aus ziemlicher
Entfernung angehört den Eindruck einer mächtigen Orgel hervorbrachten.
Diese Art Hornmusik scheint in
Rußland ältern
Datums zu sein; sie erreichte ihre
Blüte
[* 5] durch den
Böhmen
[* 6] Job.
Anton Maresch
(geb. 1719 zu Choteboř in
Böhmen, gest. als kaiserl.
Kammermusiker in
Petersburg),
[* 7] der sie mit wesentlicher Unterstützung des russ. Oberjägermeisters Narischkin
um 1751 organisierte. Nach den
Freiheitskriegen trat die Russische Hornmusik vereinzelt auch in
Deutschland,
[* 8] z. B. in
Thüringen, auf, wo
derartige
Hörner bei Leichenbegängnissen und Turmchorälen noch
bis in die Mitte des 19. Jahrh. gehört wurden.
[* 2]Kirche. Die Christianisierung
Rußlands erfolgte von
Konstantinopel
[* 9] aus nach vereinzelten Belehrungen im 9. Jahrh.,
durch die
Taufe der Großfürstin
Olga (955) und ihres Enkels Wladimir (988), der das
Volk zur
Annahme des
Christentums zwang.
In der Hauptstadt Kiew
[* 10] wurde ein Metropolit unter der Gerichtsbarkeit des griech.
Patriarchen von
Konstantinopel eingesetzt
und das ganze Kirchenwesen auf griech.-orient. Fuß eingerichtet;
Rußland gehörte kirchenpolitisch zur
Diöceese
Thrazien.
Mit der griechischen nahm auch die Russische Kirche an der Abtrennung von der lateinischen teil, und die Versuche
verschiedener Päpste, namentlich Innocenz' III. (1208), Honorius' III. (1227), Innocenz' IV. (1248) und zuletzt Clemens'
VIII. (1596), eine Wiedervereinigung herbeizuführen, waren resultatlos. Zwar gehörte aus dem Ferrara-Florenzer
Konzil (s. d.) 1439 Isidor, der Metropolit von Kiew und
VertreterRußlands, zu den Unionsfreunden und trat auch der
Union bei,
konnte sich aber, zurückgekehrt, nur kurze Zeit halten. Nach und nach trat auch eine Lockerung des
Verbandes mit
Konstantinopel
ein, doch mehr aus polit. als aus kirchlichen oder dogmatischen
Gründen. Vorbereitet wurde die Selbständigkeit
der Russische Kirche durch die Eroberung
Konstantinopels (1453) und die Knechtung der Griechen durch die
Türken. Nachdem der Metropolitansitz
erst nach
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mehr
Wladimir (1299), später nach Moskau
[* 12] (1328) verlegt worden, IwanIV. den Zarentitel angenommen (1547) und die darin liegende
weitreichende Idee sich Geltung verschaffte, war es nur eine Frage der Zeit, daß Rußland auch kirchlich selbständig wurde.
Als der Patriarch von Konstantinopel, Jeremias II., auf der Flucht vor dem Sultan 1588 in Moskau weilte, bewog
ihn Boris Godunow, den russ. Metropoliten Hiob zum gleichberechtigten Patriarchen zu ernennen (1589). Die Anerkennung seitens
der übrigen Patriarchen erfolgte nach zwei Jahren.
Der polit. Einfluß des MoskauerPatriarchen, besonders unter den Metropoliten Philaret und Nikon, wurde dem letztern gegenüber
zwar bekämpft, aber erst unter Peter I. vollständig gebrochen. Dieser ließ den 1702 zur Erledigung
gekommenen Patriarchenstuhl zuerst 20 Jahre lang unbesetzt und beseitigte dann das Patriarchat gänzlich (1721). Die höchste
Leitung der geistlichen Angelegenheiten wurde dem sog. Heiligen (dirigierenden) Synod, die kirchliche Oberherrlichkeit des
Patriarchen auf den jedesmaligen Zaren übertragen (Cäsareopapismus).
Vollends seiner Selbständigkeit entkleidet wurde der klerikale Organismus Rußlands unter Katharina II.,
indem der Staat das gesamte Kirchengut und die Bildung wie Anstellung der Geistlichen selbst übernahm. Die Erziehung der Geistlichen
wurde unter Nikolaus I. durch strengere Konzentration der Bildungsanstalten noch genauer überwacht, während auch der HeiligeSynod in seinen Befugnissen noch mehr eingeengt, dagegen für den Proselytismus mit allen denkbaren
polit. und sonstigen Mitteln gewirkt wurde.
Trotz der traditionellen Stabilität des Dogmas und der kastenartigen Absonderung des Priesterstandes von der Nation wurde
dennoch keine völlige kirchliche Uniformität erreicht. Vielmehr hat von Anfang an das Sektenwesen in der Russische Kirche üppig
gewuchert. (S. Raskolniken und Russische Sekten.) Einigen Ersatz für diese noch immer im Zunehmen begriffene
Einbuße der Staatskirche hat dieselbe durch die seit 1839 im großartigen Maßstabe betriebene Russifizierung der griech.-unierten
Kirche in den ehemaligen poln. Provinzen gewonnen. Aber auch auf der kath. KirchePolens und den Lutheranern in den Ostseeprovinzen
lastet die Herrschaft der Staatskirche schwer; Übertritte zur Russische Kirche werden mit allen Mitteln begünstigt,
wogegen der Übertritt zum Katholicismus oder Protestantismus verboten, die russ. Erziehung aller Kinder aus gemischten Ehen gesetzlich
vorgeschrieben ist.
Nach innen gewährt die Russische Kirche das Bild einer ebenso fest geschlossenen Hierarchie wie die römisch-katholische. Das Dogma
ist das griechisch-orientalische; auch die Kultusformen sind den Griechen entlehnt, aber mit großer Vorliebe für Entfaltung
äußern Prunks weiter ausgebildet, besonders Bilder und Gesang vorzüglich gepflegt. Die Liturgie, die wie bei den Griechen
der eigentliche Schwerpunkt
[* 13] des kirchlichen Lebens ist, trägt einen symbolisch-dramat. Charakter.
Die Pflanzstätten kirchlicher Gelehrsamkeit sind die in den Lauren befindlichen geistlichen Akademien,
aus denen die (unverheiratete) höhere sog. schwarze Geistlichkeit ausschließlich hervorgeht.
Für die Ausbildung des niedern (verheirateten) sog. weißen Klerus (s.
Pop), der früher meist unwissend und verachtet war, wird erst seit neuerer Zeit besser gesorgt.
Organisation. Der Kaiser ist «Erhalter der Dogmen und Hüter der Rechtgläubigkeit und aller kirchlichen
Ordnung»
und wird als Haupt der Kirche bezeichnet. Geistliche Gewalt steht ihm nicht zu, aber die Träger
[* 14] derselben sind ihm
zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Unter dem Kaiser steht der HeiligeSynod, jetzt aus 8 Archijerejen: 3 Metropoliten, 3 Erzbischöfen
und 2 Bischöfen bestehend. Die Leitung der Geschäfte hat der Oberprokuror. Die Archijerejen (Bischöfe)
werden vom Kaiser ernannt, die Titel Metropolit und Erzbischof verleihen keine größern Rechte und sind nicht wie früher an
gewisse Bischofssitze gebunden.
Nur die alten Metropolitansitze von Kiew und Moskau und die Eparchie Petersburg werden stets von Metropoliten verwaltet. Auch
auf andern Stühlen können die Bischöfe zu Erzbischöfen und Metropoliten befördert werden. Diese Titel
werden als eine Art geistlicher Tschin (s. d.) betrachtet. Ebenso sind die histor. Eparchien geteilt worden.
Meist bildet jedes Gouvernement oder Gebiet eine Eparchie unter einem Eparchialbischof; nur die drei Gouvernements Wilna,
[* 15] Kowno, Grodno bilden die Eparchie Litauen, das Königreich Polen die Eparchie Cholm, die Ostseeprovinzen
die Eparchie Riga,
[* 16] und Finland die Eparchie Wiborg.
[* 17] Im europ. Rußland sind somit 50 Eparchien, in Sibirien und Turkestan 9, in
Amerika
[* 18] 1 (das frühere russ. Amerika) mit dem Sitze in San Francisco; in Japan
[* 19] (Tokio),
[* 20] in China (Peking)
[* 21] und Jerusalem
[* 22] befinden
sich geistliche Missionen, die gleichfalls von Bischöfen verwaltet werden.
Von den 10 Lauren und Stauropegialklöstern werden 7 von Bischöfen verwaltet (4 Lauren von Metropoliten, denen Bischöfe zur
Seite stehen) und 3 von Archimandriten. Die Eparchien, Missionen und Lauren stehen direkt unter dem Synod. Es giebt also 60 Eparchialbischöfe,
von denen 3 Metropoliten, 17 Erzbischöfe und 40 Bischöfe sind; 3 Bischöfe verwalten die Missionen und 7 die
Lauren; es sind also im ganzen 70 Bischöfe und dazu 38 Vikarbischöfe, von denen ein Teil die Eparchien der im Synod residierenden
Archijerejen verwaltet, die Mehrzahl aber als Gehilfen in größern Eparchien angestellt sind.
Die Welt- (weiße) Geistlichkeit zerfällt in Priester (4 Stufen: Protopresbyter, Protojerej, Presbyter,
Jerej) und Diakonen (3 Stufen: Protodiakon, Diakon und Hypodiakon); an sie schließen sich die Kirchendiener: Psalmensänger
und Glockenläuter, von denen jetzt jedoch nur die erstern eine Art kirchlichen Charakter tragen. Die Pfarren werden von
Priestern verwaltet; die Diakonen sind ihre Gehilfen. Aus den Protopresbytern wird der Beichtvater des
Kaisers und der Obergeistliche der Armee und der Flotte ernannt, denen die Geistlichen des Hofs, der Armee und der Flotte untergeordnet
sind, über die jene eine Art bischöfl.
Gewalt ausüben. Jede Eparchie zerfällt in Bezirke, deren jedem ein vom Bischof ernannter Propst (blagočinnyi)
aus der Weltgeistlichkeit vorgesetzt ist. Unter den Bischöfen stehen die Konsistorien. (S. Synod.) Die Psalmensänger und
Kirchendiener gehen aus den niedern geistlichen Schulen hervor; die Diakonen und Priester aus den Seminarien. Die tüchtigsten
Zöglinge der Seminarien werden in die geistlichen Akademien geschickt. Von diesen tritt ein Teil in die
Weltgeistlichkeit und wird nach Absolvierung der niedern Grade für die wichtigsten Pfarrstellen ernannt. Ein anderer Teil
tritt ins Kloster, wird nach der nötigen Vorbereitung zur Verwaltung erst kleinerer, dann größerer Klöster verwandt als
Igumenen und Archimandriten, dann werden sie Rektoren der
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