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behandeln, heute noch ein Muster für den Richter wie ein Bildungsmittel für den angehenden Juristen.
Aber neben diesen hellen Lichtseiten liegen tiefe Schatten. [* 2] Mit der Waffe des Römisches Recht wächst in den deutschen Territorien der absolute Staat empör, welcher die polit. Teilnahme der Stände ausschloß. Die romanistische Praxis der ital. Städte hatte im Strafrecht ein grausames System unmenschlicher Strafen, die romanistische Praxis der Kirche den Inquisitionsprozeß ausgebildet, die Folter bot das Römisches Recht selbst dar. Im Civilprozeß wurde alles auf Schriftlichkeit gebaut.
Das gerichtliche Verfahren fand hinter geschlossenen Thüren statt. Alle diese Einrichtungen wanderten zusammen mit dem Römisches Recht ein oder wurden allmählich von den Beamten der fürstl. Regierungen und Amtsgerichte eingeführt. Erst nach einem Marasmus von mehrern Jahrhunderten hat sich das deutsche Volk wieder emporgerungen, und auf polit., staatsrechtlichem, strafrechtlichem und prozessualem Gebiet sind solche neue Einrichtungen geschaffen, wie sie sich in England, wo das Corpus juris nach anfänglicher Aufnahme im 13. Jahrh., wegen seiner polit. Gefährlichkeit zurückgewiesen wurde, aus den frühern nationalen Einrichtungen des Mittelalters herausgebildet haben.
Für die Fortbildung des Römisches Recht bei den Römern ist wenig gethan durch in Form von Volksschlüssen oder Senatsbeschlüssen erlassene allgemeine Gesetze. Aber die Römer [* 3] besaßen ein einer gesetzgebenden Gewalt ähnliches Organ in ihren Prätoren (s. d.), welche, von tüchtigen Juristen beraten, Edikte (s. Edictum) erließen, die wie Gesetze beobachtet, zur Fortbildung des Rechts das meiste beitrugen. Und diese Thätigkeit setzte sich in den Edikten und Reskripten der von einem Kollegium hoch angesehener Juristen beratenen röm. Kaiser fort.
Außer diesem indirekten hatten die röm. Juristen einen direkten Einfluß auf die Rechtsprechung in ihren Responsen (s. Responsum) auf an sie ergangene Rechtsfragen, auf die Rechtswissenschaft durch ihre zahlreichen wissenschaftlichen Schriften. Die Aufnahme des Römisches Recht in den neuern Staaten erfolgte nicht mit einem Schlage; ihre Anfänge führen auf das Mittelalter zurück, ihr Fortgang ist nicht ohne Widerspruch erfolgt; ihren Abschluß fand sie am frühesten in Italien [* 4] und dem südl. Frankreich, im 15. und 16. Jahrh. in Deutschland. [* 5]
Ganz unberührt von dem Römisches Recht ist kein moderner Staat geblieben, wenn auch das Römisches Recht im Norden [* 6] Europas und in England nicht formell geltendes Recht geworden ist. Einzelne Institute german. Rechts sind neben dem auch Römisches Rechtauch in Deutschland bestehen geblieben und neue Rechtsinstitute sind entstanden. (S. Deutsches Recht.) Sie bilden zusammen mit dem Römisches Recht das Bürgerliche Recht (s. d.) in den Ländern des Gemeinen Rechts (s. d.). Die neuern Kodifikationen (s. d.) haben, unabhängig von den verschiedenen geschichtlichen Grundlagen, röm. und deutsches Recht miteinander verbunden und als einheitliches Recht innerhalb ihres Geltungsgebietes als Gesetz verkündet. Der Gedanke, daß das Corpus juris noch heute als formelle Rechtsquelle für das geltende Recht bewahrt werden müßte, ist gänzlich aufgegeben. Ein jurist. Bildungsmittel wird dasselbe auch dann noch bleiben, wenn seine formale Gültigkeit durch das zu erwartende Bürgerliche Gesetzbuch beseitigt sein wird.
Litteratur s. unter Institutionen und Pandekten. Ferner: Savigny, Geschichte des Römisches Recht im Mittelalter (2. Ausg., 7 Bde., Heidelb. 1831-51);
Die röm. Rechtsgeschichte von Rudorff (2 Bde., Lpz. 1857 u. 1859), Padeletti (deutsch von Holtzendorff, Berl. 1879), Karlowa (2 Bde., Lpz. 1885 u. 1892);
Ibering, Geist des Römisches Recht (3 Tle. in 5 Abteil., 4. u. 5. Aufl., ebd. 1875-91);
Unger, Röm. und nationales Recht (Gött. 1848);
Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen (2 Bde., Braunschw. 1860-64; Bd. 1, S. 609-655; Bd. 2, S. 1-142);
Franklin, Beiträge zur Reception des Römisches Recht in Deutschland (Hannov. 1863);
Moddermann, Die Reception des Römisches Recht (deutsch von Schulz, Jena [* 7] 1875);
Schmidt, Die Reception des Römisches Recht in Deutschland (Rostock [* 8] 1868);
Sohm, Die deutsche Rechtsentwicklung (in Grünhuts «Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart», Bd. 1, Wien [* 9] 1874);
Laband, Bedeutung der Reception des Römisches Recht für das deutsche Staatsrecht (Straßb. 1880).