forlaufend
896
Ritterorden, Vereine, die zur Zeit der Kreuz- züge im Orient unter mittelbarem und unmittel- barem Einfluß des Klerus hervorgerufen wurden und sich zunächst zum Schutz der Pilger, zur Ver- pflegung der Kranken und zur Beschirmung der heiligen Stätten verpflichteten. Nach dem Vorbild der Mönchsverbände diese Brüderschaften den Namen reli^io et oräo oder geistlicher Orden [* 2] an, legten wie jene ein- fache oder feierliche Gelübde ab, beugten sich unter eine der vier großen Ordensregeln des Basilius, Augustinus, Benedikt und Franz, oder entwarfen für sich eigene Regeln und Statuten, die ihnen außer dem gewöhnlichen Mönchswandel den Kampf gegen die Ungläubigen zur Pflicht machten.
Ritterliche Geburt war anfangs zur Aufnahme nicht erforder- lich; doch stellte sich diese Bedingung fast von selbst mit der Zeit ein, wo die geringern Stände ihr Waffenrecht verloren. Die weltliche Aufsicht über jeden Orden führte ein selbstgewählter Groß- meister, Meister oder General, dem eine Art von Senat aus Rittern und Geistlichen, der Ritterrat, Ordensrat, beigegeben war. Alles Geistliche ver- trat ein eigener Prior oder Propst. Bei ihren fromm-ascetischen und humanitären Zwecken waren diese Ritterschaft in ihrer ursprünglichen Reinheit voll idea- len Schwungs und demütiger Resignation eine der herrlichsten Blüten des mittelalterlichen Rittertums.
Als jedoch ihre Zahl sich vermehrt, ihr Grundbesitz und Reichtum in allen Ländern Europas eine er- staunliche Höhe erreicht und ihre Häupter den Ho- heitsrang mächtiger weltlicher Fürsten erlangt hat' ten, trat allmählich äußerer Glanz, Anmaßung, Habsucht und Pfründenjagd an die Stelle des alten einfachen Hospitaliterwesens, was bei vielen Orden noch dadurch vermehrt wurde, daß unter demselben Namen, der nämlichen Oberhoheit und Ordens' Meisterschaft weibliche Institute gleicher Tendenz, ritterliche Klosterfrauenschaften, entstanden.
Die bedeutendsten und einflußreichsten geistlichen Ritterschaft waren der Johanniterorden (s. d.), die Deutschen Ritter (s. d.) und die Tempelherren (s. d.). Sie sind auch zugleich die ältesten. Unter den geistlichen Or- den spätern Ursprungs sind die 1204 gestifteten Schwertbrüder (s. d.) in Livland [* 3] und die von Al- cantara und Calatrava in Spanien [* 4] hervorzuheben, wo namentlich die Kämpfe gegen die Mauren der Entstehung geistlicher Ritterschaft günstig waren. Als erste weltliche Ritterschaft, die keine mönchische Re- gel auf sich nahmen, gelten der 1048 gestiftete Or- den der heil. Maria von der Lilie in Spanien und der 1080 gestiftete Orden vom Löwen [* 5] in Frankreich.
Eine große Anzahl jetzt erloschener weltlicher Orden verfolgte sittliche Zwecke, wie der Orden St. Chri- stophs, der auf Mäßigkeit gerichtet war, der rein ascetische Totenkopforden des Herzogs Silvms Nimrod von Württemberg [* 6] u. s. w. Andere Orden dieser Art hatten, besonders gegen Ende des Mit- telalters, mehr das Ansehen von Gesellschaften und Vereinen. Länger erhielten sich, wenn auch in toten Formen erstarrt, die von Fürsten besonders seit der Mitte des 13. Jahrh, gestifteten Orden, da sie zum arohen Teil mit den Interessen der Dynastie ver- bunden waren. Aus den geistlichen und weltlichen N. entwickelten sich, zum Teil durch Umwandlung dieser Ritterverbindungen, die modernen Orden (s. d.) zur Auszeichnung und Belohnung bürgerlicher oder militär. Verdienste. -
Vgl. Perrot, (^oiisction Iiig- toi-i^uO äe3 0i'äl68 66 ckevalörie (Par. 1820); Viedenfeld, Geschichte und Verfassung aller geist- lichen und weltlichen Ritterschaft (2 Bde., Weim. 1841).
Ritterorden des Heiligen Geistes, s. Hei- liger-Geist-Orden. Ritterpferde oder Lehnspferde, im Mittel- alter, als die Ritterschaft des Deutschen Reichs und die Vasallen vermöge der Lehnsverfassung gehalten waren, dem Neichsoberhaupt oder, als Lehnsleute eines Reichsvasallen, diesem Heerfolge zu leisten, die von ihnen zu stellende Kriegsmannschaft, welche damals nur in Berittenen bestand. Als später die Einrichtung des Kriegswesens sich änderte, wurde diese Obliegenheit der Lehnsleute in eine Geld- leistung verwandelt, welche den eingeführten Namen behielt.
Mit der Errichtung stehender
Heere fielen die Ritterschaft fort, doch wurde die Verpflichtung abgelöst. Ritterpoesie, diejenigen poet.
Schöpfungendes Mittelalters, in denen die Weltanschauung und die Ideale des Rittertums (s.
Ritterwesen
) zum
Ausdruck kommen. Insbesondere gehören dahin die
Romane, die die Thaten des Königs
Artus (s. d.) und der
Hel-
den seiner
Tafelrunde erzählen. Ritterprobe, s.
Ahnen. Ritterromane, s.
Räuberromane und
Roman. Ritterschaft, ursprünglich
die Gesamtheit der Ritter.
Sie bildete sich allmählich als polit.
Stand aus, indem diejenigen, welche sich dem ritterlichen Kriegsdienste
gewidmet hatten (s. Ritterwesen
), auch ohne die Ritterwürde erlangt zu haben, insofern ihnen der
gleichzeitig entstandene niedere
Adel zu- kam, die Ritterschaft eines
Landes vorstellten. Die Ritterschaft wurde nun ein besonderer Geburtsstand,
wie der
Bürger- und
Bauernstand, so daß sich der hohe
Adel, die eigentlichen Fürsten, von ihr ausschieden.
Im all- gemeinen ist sonach niederer
Adel und Ritterschaft gleich- bedeutend.
Wenn man von letzterer spricht, so faßt man aber den Adel eines Landes in seinen besondern korporativen Beziehungen als Besitzer der Rittergüter, als Kreditverband (s. Landschaften) u. s. w. auf. Vorzüglich von dieser letzten Seite betrachtet, hat sich die Ritterschaft in den deutschen Staa- ten selbst bis auf die neueste Zeit noch erhalten; nur kommt dann der Begriff derselben bald in einer engern, bald in einer weitern Bedeutung vor, indem man in jener nur die adligen Ritter- gutsbesitzer, in dieser auch die bürgerlichen unter der Ritterschaft begreift.
Zur Zeit des ehemaligen Deut- schen Reichs wurde dieselbe (Reichsritterschaft) in die reichsunmittelbare und die mittelbare oder landsässige eingeteilt. Die Ritterschaft eines Landes oder einer Provinz ist häufig in einer Korporation ver- eint und genießt dann deren Rechte, wodurch be- sonders früher ihre Stellung auf den Landtagen sehr einflußreich wurde. Oft hatten auch und haben zum Teil noch jetzt die Ritterschaft ihre eigenen Rechte, die sog. Ritterrechte, daher z. V. das Bremer, das Livländer Ritterrecht u. s. w. Früher hielten auch die einzelnen Ritterschaft, gleich der Reichsritterschaft, be- sondere Ritt er tage oder Versammlungen, auf denen man über Standes- und Korporationsanae- legenheiten beratschlagte. Außerdem finden sich bei diesen auch eigene Stiftungen und Anstalten sonstiger Art. In den Staaten, wo an die Stelle der alten Landstände die wirkliche Repräsentativ- verfassung getreten ist, hat natürlich die Ritterschaft ihre polit. Bedeutung verloren. -
Vgl. Roth von Schrecken- stein, Geschichte der ehemaligen freien Reichsritter- schaft in Schwaben, Franken und am Rhein (2 Bde., Tüb. 1859-71). ¶