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Miteigentum an dem zum Haus- und Familien- fide'üommiß gehörigen Domanial- und Kammer- vermögen vorbehalten. Für die den beiden Linien gemeinsamen Angelegenheiten besteht ein Eeniorat, das der ältere regierende Fürst führt. Das Erst- geburtsrecht in der Thronfolge ist durch den Haus- und Gcschlcchtsvcrtrag vom 3., 4. und 5. Sept. 1690 eingeführt und zugleich die an die Nackgeborenen zu entrichtende Apanage festgestellt worden. Der Nebenreceß vom 13. Nov. 1668 setzt für alle männ- lichen Familienglieder beider Häuser Reuß den Namen Heinrich mit den Ordnungszahlen fest, wonach die ältere Linie bis hundert ((') zählt und dann wieder mit I anfängt, die jüngere Linie aber den Erst- geborenen in jedem neuen Jahrhundert mit I be- ieichnet und dann bis zum Ende des Jahrhunderts sortzühlt. Die regierenden Fürsten führen den Titel souveräner Fürst Reuß (älterer oder jüngerer Linie), Graf und Herr von Planen, Herr zu Greiz, Kranich- feld, Gera, Schleiz und Lobenstein. Das Militär beider Fürstentümer bildet mit den Kontingenten von Schwarzburg-Nudolstadt und Sacbscn-Alten- burg das 7. thüring. Infanterieregiment Nr. 96, welches zur 8. Division des 4. prcuß. Armeekorps gehört. Beide Fürstentümer haben je eine Stimme im Deutschen Bundesrate und je einen Vertreter im Reichs- tage (1895 Förster für die äl- tere, Wurm für die jüngere Linie, beide Socialdemokra- ten). Das Wappen beider Linien ist quadriert; im ersten und vierten Feld ist ein golde- -i ner gekrönter Löwe in Schwarz (Reuß); im zweiten und drit- ten ein goldener Kranich in Silber (Kranichfeld); dcnSchild deckt ein Fürstenhut. Die Lan- desfarben sind Schwarz- Rot-Gelb. Als Orden besteht das Ehrenkrcuz (s. d.,2). I. Das Land der ältern Linie des Hauses Reuß oder das Fürstentum Reuß - Greiz ist aus den Herr- schaften Ober- und Untergreiz, fünf Dörfern der Pflege Rcichcnfels und der'Herrfchaft Vurgk zusam- mengesetzt. Es bildet kein geschlossenes Ganzes. Das Fürstentum umfaßt 316,39 hkin und hat (1890) 62 754 (30497 männl., 32257 weibl.) E., darunter 936 Ka- tholiken und 62Isracliten. Die Einwohner verteilen sich auf 2 Städte, 2 Marktflecken und 71 Dörfer. Haupt- und Residenzstadt ist Greiz. Die Bevölkerung treibt Ackerbau und Viehzucht. Von dem bedeuten- den Walde ist die Hälfte Domanialforst. Sehr lebhaft ist die Industrie. Obenan steht die Wollwaren- fabrikation in Greiz sowie die Strumpswarenmanu- faktur in Zeulcnroda. Am 1. April 1893 waren im Fürstentum Reuß älterer Linie 35,84 km Eisenbahnen im Betrieb. (^. Deutsche Eisenbahnen, Übersicht V.) Nach der 28. März 1867 veröffentlichten Ver- fassung sind ftr den Landtag zwölf Abgeordnete, und zwar drei vom Landcsherrn, zwei von den größern Grundbesitzern, drei von den Städten und vier von den Landgemeinden auf je sechs Jahre zu wählen. Für die Verwaltung besteht das Land- ratsamt in Greiz als Unterinstanz, während die Landesregierung daselbst die höchste Verwaltungs- stelle bildet. Die Einnahmen betrngcn (1894/95) 1229 703 M., die Ansgaben 1229 708 M., die Staatsschulden 139900 M. Die Rechtspflege wird von den Amtsgerichten Greiz und Vurgk, dem Brockhaus' Konversations-Lexikon. 14. Aufl. XIH. ' Landgericht in Greiz und dem Oberlandesgericht in Jena geübt. Es besteht in Greiz außer den Vürger- ' scbulen ein Gymnasium, ein Schullehrerseminar und eine höhere Töchterschule. ! II. Das Fürstentum Reuß jüngerer Linie oder umfaßt 825, ylviu mit (1890) 119 811 (57 866 ! männl., 61945 wcibl.) E., darunter 1181 Katholiken , und 147 Israclitcn. Die Einwohner verteilen sich auf 6 Städte, 4 Marktflecken und 163 Dörfer. Haupt- und Residenzstadt ist Gera. Der Bergbau leidet im Oberlande durch den Mangel an Eisenbahnen und Steinkohlen. Von größerer Bedeutung ist die Salzgewinnung in der Saline Zeinrichshall. In- dustrie und Gewerbe sind bedeutend. Haupt- orte für die Industrie in Wolle und Baumwolle sind Gera, Triebes und Langenwetzendorf, für Eisen- gießerei, Maschinenbau und Harmonikafabrikation Gera, für Gerberei Tana und Hirschberg, für Brauerei Köstritz, Schleiz, Gera, Ebersdorf und Hirschberg, für Tabakfabrikation ebenfalls Gera. Das Fürsten- tum wird von drei größern Eisenbahnlinien durch- zogen: von den Linien Gößnitz-Gera der Sächs., Leipzig-Probstzella der Preuß. Staatsbahnen und der Weimar - Geraer Eisenbahn. Die Linie Schön- berg-Schlciz gehört dem reuhischen Staate und wird von der sächs. Staatseisenbahnverwaltung betrie- ben. Eine Fortsetzung nach Hirschberg a. d. Saale ist 1892 eröffnet. Die in: Bau begriffene Preuß. Staatsbahn Triptis-Vlankcnstcin (55,i4 km) durch- schneidet beide Fürstentümer. Am 1. April 1893 waren im Fürstentum Reuß jüngerer Linie 78,80 km im Betrieb. (S. Deutsche Eisenbahnen, Übersicht Z.) Die Verfafsung beruht auf dem revidierten Staatsgrundgesetz vom 14. April 1852, auf dem Gesetz vom 20. Juni 1856 und dem neuen Wahl- gesetz vom 17. Jan. 1871; danach besteht die Landes- vertretung aus 16 Abgeordneten, nämlich dem Be- sitzer des Paragiums Rcuß-Köstritz, 3 Abgeord- neten der Hömstbcsteuerten und 12 aus allgemeinen direkten Wahlen hervorgehenden Abgeordneten. Für die Verwaltung bestehen zwei Landrats- ämtcr, in Gera und Schleiz. Die Rechtspflege wird geübt von den fünf Ämtsgerichten in Gera, Hohenleubcn, Schleiz, Lobenstein und Hirschberg, dem mit dem Großherzogtum Sachsen-Weimar ge- meinschaftlichen Landgericht in Gera und dem Obcr- landcsgericht in Jena. Die Einnahmen betrugen (1894/95) 2091400 M., die Ausgaben2080051M., die Staatsschulden 1040550 M. Es bestehen zwei Gymnasien, in Gera und in Schleiz, ein Schullehrer- seminar und eine Taubstummenanstalt in Schleiz, Realgyuniasium, Handelsschule, höhere Töchterschule und drei Bürgerschulen in Gera. Das Volksschul- wesen ist durch Gesetz vom 4. Nov. 1870 geregelt. Geschichte. Als Ahne des Hanfes N. gilt Heinrich der Fromme von Weida, der gegen Ende des 11. Jahrh, den Grund dazu legte, daß m feinem Gebiete die hcidn. Sorben mit den christl. Germanen in Glauben, Sprache und Sitte sich einten. Sein Enkel Heinrich der Reiche erwarb sich um das Teutsche Reich große Verdienste als Marschall Kaiser Friedrichs I. und Heinrichs VI. Seine drei Söhne, die wie alle folgenden männlichen Nachkommen den Namen Heinrich führten, erhielten zuerst den Titel aävocati oder Vögte. Der mittlere von diesen Söh- nen, Heinrich IV., wurde 1237 Ordensritter und teilte um 1240 seine Lande unter seine drei Söhne, von denen der erste Vogt und Herr zu Wcida, der 51
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zweite zu Plaucn, der dritte zu Gera wurde. Die Linie vou Weida erlosch 1535, nachdem 1375 die Stadt Hof nebst secks Amtsbezirken in Bayern an den Burggrafen zu Nürnberg, Weida felbst 1427 an Friedrich den Streitbaren, Kurfürsten von Sachsen, veräußert worden war. Die Gera er Linie, welche sich im Besitz der Herrschaften Gcra, Lobenstein, Langenberg, Schleiz, Saalburg und Vurgk befand, erlosch 1550 mit dem Tode Heinrichs des Jüngern, der 1547 nach der Schlacht bei Mühlberg in die Neichs- acht erklärt worden war und Gera an Heinrich von Plauen abgetreten hatte. Aus der Linie Planen ist das heutige Fürstengeschlecht Reuß emporgeblüht. Ihr Gründer, Heinrich I., erwarb sich durch seine Waffen- thaten gegen die Polen oder westl. Russen um 1247 den Beinamen Ruzze, Reuße oder Nuthene. (Vgl. Resch, Über den Nrsprung des dynastischen Namens Reuß, Gera 1874.) Dessen Söhne Heinrich der Böhme und Heinrich der Reuße teilten die Linie Plauen 1306 in eine ältere burggräfliche (Plauen) und in eine jüngere (Reuß). Der burggräfl. Linie wurde 1426 in der Person Heinrichs XI. (I.) von Kaiser Sigismund als Erblehn die Vurggrafschaft Meisten und die damit verbundene fürstl. Würde verliehen. Heinrichs XI. Bruder Heinrich war 1410-13 Hoch- meister der Deutschen Ritter. Heinrichs XI. Sohn Heinrich II. muhte die Vurggrafschaft 1534 an Sachsen abtreten. Mit dem Tode Heinrichs VII. (gest. 1572), der Plauen und das Vogtland 1569 an Sachsen verkauft hatte, erlosch diese Linie. So blieb von dem alten Herrengeschlecht der Vögte nur noch das Haus Plauen jüngerer Linie oder I das Haus Reuß übrig, dessen Stifter Heinrich der! Reuße 1309 starb. Nach dem Tode Heinrichs des i Friedsamen (gest. 1535) hatte sich dieses 1564 in! drei Linien geteilt, von denen aber die mittlere 1616 ausstarb. Die nun übrigbleibenden Linien sind die noch heute bestehende ältere und jüngere Linie des Fürstenhauses Reuß (s. oben). Der Ahnherr der ältern Linie war Heinrichs des Friedsamen ältester Sohn, mit dem Beinamen Botschafter. Diefe Linie teilte sich wiederholt, am stärksten im 17. Jahrh., in die Nebenzwcige Ober- und Untergreiz, Vurgk und Dölau, und erlangte 1673 den Grafentitcl. Ein be- rühmter Kriegsheld dieser Linie ist Heinrich VI., der als sächs. und kaiserl. Feldmarschall unter Prinz Eugen gegen die Türken kämpfte und in der Schlacht von Zenta 1697 siel. Die sämtlichen Lande der ältern Linie vereinigt besaß zuerst Heinrich XI. aus dem Hause Obergreiz, Enkel des Feldmarschalls. Er er- hielt 1778 erblich vom Kaiser Iosepb II. die reichs- fürstl. Würde. Ihm folgte 1800 sein Sohn Hein- rich XIII., der 1807 dem Rheinbund und 1815 dem Deutschen Bunde beitrat. Nach seinem Tode 1817 folgten nacheinander seine beiden Söhne Hein- rich XIX. (1817-36) und Heinrich XX. (1836-59), auf diesen 8. Nov. 1859 sein Sohn Heinrich XXII. (s. d.), zunächst unter Vormundschaft seiner Mutter Karoline, Tochter des Landgrafen Gustav von Hessen- Homburg. Das preußenfeindliche Verhalten der Fürstin im Deutschen Kriege von 1866 führte eine Occupation des Landes durch Preußen herbei. Erst nach dem Frieden mit letzterm (26. Sept. 1866) trat das Land in den Norddeutschen Bund ein. Am 28. März 1867 übernahm Heinrich XXII. die Regie- rung selbst und veröffentlichte eine Verfassung. Der Stifter des Fürstenhauses N. jüngerer L in i e, Heinrich des Friedsaulen jüngster Sohn (gest. 1572), erwarb Lobenstein, ein Drütel von Schleiz und ! den Nest von Oberkranichfeld. Sein nach geborener Sohn Heinrich PostHumus erwarb das ?rivii6Fwin äö non Hppßilanäo, bestimmte durch ein Familien- gesetz die Unteilbarkeit des Landes, gründete das (^muN8wm Illustre (Rutheneum) zu Gera, führte durch Aufnahme des Niederländers Nie. de Emit den Aufschwung der Wollzeugfabrikation herbei und tilgte die Landesschulden. Durch die Teilung seiner Söhne entstanden 1647 die Specialhäuser Gera, Schleiz, Lobenstein und Saalburg. Letzteres erlosch 1666, und von Lobenstein zweigte sich die Linie Ebersdorf ab. 1673 erhielten alle vier Linien den Grafenstand. Die Grafen von Schleiz, Loben- stein und Ebersdorf beerbten die 1802 ausgestorbene Linie Gcra, erhielten 1806 die reichsfürstl. Würde, gehörten 1807-13 dem Rheinbunde und seit 1815 dem Deutschen Bunde an. Der Zweig Ebersdorf ist berühmt geworden durch die Gründung der Herrn- huter Kolonie 1727. Die Gemahlin Zinzendorfs, Erdmuthe Dorothea, war eine Schwester Hein- richs XXIX. von Ebersdorf. Diese Linie erlosch mit dem Tode Heinrichs I.XXII., 17. Febr. 1853. Nachdem dieser 1848 der Herrschaft entsagt hatte, fiel Lobenstein-Ebersdorf Heinrich 1^X11. von Schleiz zu, der sonach das gesamte Gebiet Reuß jüngerer Linie nach 223jähriger Zerstückelung wieder vereinigte und 19. Juni 1854 starb. Ihm folgte sein Bruder Hein- rich 1.XV1I., unter dem eine Reorganisation der Ver- waltung und des Iustizwescns durchgeführt wurde und das Land 18. Aug. 1866 dem Norddeutschen Bunde beitrat. Nach seinem Tode (11. Juli 1867) folgte sein Sohn Heinrich XIV. (s. d.). Unter ihm wurden durch ein dem preußischen nachgebildetes Gesetz die Klassen- und Einkommensteuer eingeführt, die Schule durch das Volksschulgesetz von 1870 ge- fördert und 1871 ein neues Wahlgesetz erlassen. Von der Linie Schleiz trennte sich 1689 die Neben- linie Köstritz, die, weil indessen das Vrimogenitur- recht eingeführt war, keinen Landesteil erhielt, wohl aber mehrere Rittergüter, außer Köstritz besonders Hohcnlcuben mit Reichenfels, besitzt. Das jeweilige Haupt der Familie führt das Prädikat «Fürst», die übrigen Mitglieder das Prädikat «Prinz». Die Paragiatslinie Neuß-Sckleiz-Köstritz teilt sich zur Zeit in zwei Zweige, Nachkommen Heinrichs IX. und Heinrichs XXIII. Ihr Haupt ist seit 25. Juli 1894 Heinrich XXIV., Besitzer der Fide'ikommisse Ernst- brunn und Hagenberg in Niederösterreich; dessen Bruder Prinz Heinrich VII. (s. Reuß) war von 1878 bis 1894 Botschafter des Deutschen Reichs in Wien. Litteratur. Maier, Chronik des fürstl. Hauses der Reußen von Plauen (Weim. 1811); Limmer, Entwurf einer urkundlichen Geschichte des gesamten Vogtlanocs (Gera 1825); oers., Kurze Geschichte des Hauses N. (Ronncb. 1829); Vocke, Vaterlandstunde der fürstl. reußischen Länder (Nordh. 1852); Vrück- ner, Landes- und Volkskunde des Fürstentums Reuß jüngerer Linie (2 Bde., Gera 1870); Mauke, Heimats- kunde des Fürstentums Reuß (3. Aufl., Halle 1877). Reuß, Heinrich VII., Prinz, deutfcher Staats- mann und preuß. General der Kavallerie, geb. 14. Juli 1825 als dritter Sohn des 27. Sept. 1841 verstorbenen Prinzen Heinrich I^XIII. aus der Paragiatslinie Reuft-Schleiz-Köstritz, studierte in Heidelberg und Berlin 1845-48 die Rechte, trat 1848 in das 8. preuß. Manenregiment und 1853 in den diplomat. Dienst Preußens. Er wurde 1854 Legationsrat bei der preuß. Gesandtschaft in Paris, 1803 Gesandter in Cassel, 1864 in München und