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tig in Schuppen auf Gleitkarrcn bereit stehen, um durch Pferde [* 2] oder Menschenkraft in die Nähe der Strandungsstelle gefahren (s. Tafel: Rettungs- wcsenzur See, [* 1] Fig. 7) und durch Freiwilligen- mannschaft zu Wasser gelassen zu werden. Diese Boote kommen überall dort zur Anwendung, wo das gestrandete Schiff [* 3] von der Küste aus mit Rct- tungsgcschossen nicht erreicht werden kann. (S. Ra- ketenapparat.) Zwei Typen von Rettungshäuser sind vorwiegend in Ge- brauch, die nach ihren Erfindern benannten Peake- und Francisboote.
Das Peakeboot, aus Holz [* 4] und verhältnismäßig schwer, wird hauptsächlich an steilern Küsten und dort angewandt, wo sich ge- bahnte Wege und genügende Transportkräfte be- finden, wie z. V. meistens in England. Seine be- sondern Eigenschaften sind Unversinkbarkeit, Selbst- entleerung von hineingeschlagenem Wasser und Selbstaufrichtung, wenn es einmal umschlagen sollte. Die Unversinkbarkeit wird durch Metallluft- kästen sowie durch einen außen um das Voot lau- fenden Korkwulst hergestellt.
Zur Selbstentleerung ist das Voot mit einem zweiten innern Boden ver- sehen, der mehrere Centimeter über der Wasser- fläche liegt und von dem aus Abstußröbren durch den untern Boden außenbords gehen. Wird das Boot voll Wasser geschlagen, so hebt es sich durch den eigenen Auftrieb [* 5] und zwingt das Wasser durch die Röhren [* 6] abzulaufen. Die Wiederaufrichtung nach erfolgtem Umschlagen ist Ergebnis der Kon- struktion. Die obere Fläche des Bootes ist nicht gerade, sondern stark konkav gekrümmt. An seinen Endpunkten trägt es Luftkälten, sein Kiel [* 7] ist von Eisen [* 8] und 6-7 Ctr. schwer.
Schlägt es um, so ruht es nur mit dem Endlustkasten auf dem Wasser, liegt in der Mitte hohl, und sein Schwerpunkt [* 9] im Kiel schwebt oben. Die Folge ist, daß es bei der nächsten Bewegung der Wellen [* 10] wieder in seine natürliche Lage zurückfallen muß und sich dann ent- leert. Die 10 Rudermannschaftcn sind mit Kork- gürteln (Thompsonschen Rettungsbojen, olg- 3; [* 1] Fig. 5 stellt eine aus einem Korkring be- stehende gewöhnliche Rettungsboje dar) versehen, die den Körper bis zur Brust über Wasser halten, so daß sie das umgeschlagene Boot wieder besteigen können.
Die Sicherheit dieser Peakeschen Boote geht aus der Thatsache hervor, daß in England mit ihnen seit 1855 etwa 5000 Nettungsfahrten ge- macht und gegen 12000 Menschen gerettet sind. Aus je 120 Fahrten entfiel ein Umschlagen, doch nur bei 18 Kenterungen gingen Menschenleben ver- loren, so daß auf 850 Rettungsleute nur ein Ver- unglückter kam. Für die flachen deutschen Küsten mit ihren vor- liegenden unwegsamen Dünen kommt meist das leichtere, aus gewelltem Eisenblech hergestellte Francisboot in Betracht.
Der notwendigen Leichtigkeit wegen hat bei fast allen die Wiederauf- richtungsfähigkeit, bei sehr vielen auch die Ent- leerungsvorrichtung geopfert werden müssen. Trotz- dem sind die Boote so vorzüglich, daß seit Grün- dung der Gesellschaft nur 3 Unglücksfälle zu bekla- gen sind, bei denen Menschen umkamen, so daß sich das Verhältnis noch weit günstiger stellt als in England. In [* 1] Fig. 4 ist ein zum Wrack fahrendes Rettungsboot dargestellt. Die meisten Rettungshäuser sind zum Rudern und Segeln eingerichtet.
Für Küstenplätze, wie z. B. Curhaven, Vüsum, wo die Strandungs- stellen von der Rettungsstation weit entfernt sind, hat man gedeckte Rettungshäuser eingeführt, die Kuttertakelung tragen, nur segeln und groß genug sind zum über- nachten der Mannschaft. In neuester Zeit werden in England auch Rettungshäuser mit Dampfbetrieb und mit hydraulischer Propulsion (von Green gebaut) mit sehr gutem Erfolge an gefährlichen, weit vom Lande liegenden Stellen benutzt. Ihre Maschine, [* 11] aus zwei vertikal stehenden Cirkulationspumpen bestehend, hat 200 Pferdestärken.
Diese Pumpen [* 12] treiben durch kräftigen Wasserstrahl das Rettungsboot und ent- leeren es zugleich, wenn es vom Seegang gefüllt wird. 15 wasserdichte Abteilungen sichern die Schwimm- fähigkeit. (S. auch Rettungswefen zur See.) Rettungshäufer, Erziehungsanstalten für ver- wahrloste, mißratene oder entartete Kinder. Von den staatlichen Vesserungs- oder Strafanstalten unter- scheiden sich die Rettungshäuser dadurch, daß der Eintritt ihrer Zöglinge nicht auf Zwang infolge polizeilicher oder gerichtlicher Verurteilung beruht, sondern ein frei- williger ist, und daß infolgedessen auch der Freiheit des Individuums in ihnen ein größerer Spielraum gestattet werden kann. In Italien [* 13] bestanden schon im 16. Jahrh, solche Anstalten unter dem Namen (^on86i-v2t0i-i, stätten für Vettelkinder und sittlich gefährdete Mäd- chen. In den Niederlanden, wie auch in den nord- deutschen Städten Hamburg, [* 14] Bremen, [* 15] Lübeck [* 16] u. s. w. wurden bald nach der Reformation sog. Werk- oder Arbeitshäuser mit Abteilungen für «ungeratene, den Eltern und Präceptoren ungehorsame Kinder» ein- gerichtet. Später faßten die von Aug. Herm. Francke veranlaßten Waisenhäuser diesen Zweck mit ins Auge. [* 17] 1801 verlangte Salzmann in seiner Schrift: «über einen Schatz, den die Deutschen noch nicht heben können», die Unterbringung armer, verlasse- ner, sittlich gefährdeter Kinder in Erziehungshäusern auf dem Lande, wo sie durch Garten- und Feldbau, durch Viehzucht [* 18] und Handarbeiten zu beschäftigen und zu erziehen seien. Die Anstalten von Pestalozzi, Fellenberg und die Wehrlischulen (s. d.) in der Schweiz [* 19] gingen aus demselben Geiste hervor.
Die erste deutsche Rettungsanstalt begründete mitten in den Freiheitskämpfen Joh. Falck in Weimar [* 20] in Ver- bindung mit dem Pastor Zorn daselbst und der von beiden gestifteten «Gesellschaft der Freunde in der Not». Die Kinder wurden vorzugsweise in Fami- lien, bei Handwerkern und Bauern untergebracht. Unabhängig davon richteten die Grafen Adelbert und Werner von der Recke 1819 ein leer stehendes Seminargebäude in Ovcrdyk und einige Jahre darauf das alte Trappistenklostcr zu Düsselthal bei Düsseldorf [* 21] zu Rettungsanstalten ein, wovon die letztere gegenwärtig etwa 125 da. Grundeigentum besitzt. In Süddeutschland ist das im alten Kom- tureischlosse von Beuggen, das der Großherzog von Baden [* 22] zwei für die Sache begeisterten Män- nern, Spittler und Zeller, überließ, 1820 errichtete Rettungshaus das erste gewesen. Es hat nament- lich durch Ausbildung von Lehrern für derartige Anstalten in der damit verbundenen Armenlehrer- anstalt äußerst segensreich gewirkt. Von Veuggen aus wurde 1836 in Württemberg [* 23] das Rettungs- haus zu Lichtenstern und 1843 das zu Tempel- hof gegründet. Viele andere sind nach und nach entstanden, besonders seitdem der 1848 gegründete Verein für innere Misston die Sache thatkräftig in die Hand [* 24] nahm. 1876 zählte man in Deutschland [* 25] bereits gegen 400. Das bedeutendste und bekann- teste darunter ist unstreitig das von Hinr. Wichern ¶