öffentliche theol. Disputationen zur Ausgleichung streitiger Lehrpunkte.
Sie waren namentlich vom 16. Jahrh. an ein oft, aber selten mit Erfolg versuchtes
Mittel. Unter die wichtigsten Religionsgespräche gehört
das 1.-3. Okt. 1529 auf Veranstaltung des Landgrafen Philipp von Hessen zu
Marburg
[* 8] gehaltene, wo die Wittenberger und
Schweizer
Theologen über die meisten
Lehren,
[* 9] nur nicht über das
Abendmahl einig wurden; sodann das auf Veranlassung
König Ferdinands I. 1541 zu
Regensburg
[* 10] zwischen evang. und kath. Theologen, aber ebenfalls
vergeblich, veranstaltete Gespräch.
Über die in der
Schweiz
[* 11] veranstalteten Religionsgespräche s.
Reformierte Kirche. Im 17. Jahrh. ist besonders das von den
Reformierten angeregte
LeipzigerReligionsgespräch von 1631 zu erwähnen, das jedoch, wie das
Casseler von 1631, an der Engherzigkeit
der Theologen scheiterte. Zu langen Zwistigkeiten gab auch das Gespräch zu
Thorn
[* 12] 1645
Anlaß, das König Wladislaw IV. von
Polen veranstaltete, um Katholiken,
Lutheraner und
Reformierte in seinem
Reiche zu friedlichem Nebeneinanderleben zu bringen.
die wissenschaftliche Erkenntnis des allgemeinen Wesens der
Religion, ihrer
psychol. Gesetze und ihrer geschichtlichen Erscheinungsformen. Eine Religionsphilosophie giebt es strenggenommen erst
dann, wenn die Erkenntnis gereift ist, daß die
Religion mehr sei als ein
System von übernatürlich mitgeteilten und mit äußerm
Autoritätsglauben aufzunehmenden Glaubenssätzen; daß das Auftreten solcher Glaubenssätze nur eine von den Erscheinungsformen
des religiösen Lebens sei, die im engsten Zusammenhang mit allen übrigen aus dem Wesen der
Religion und ihrer geschichtlichen
Entwicklung verstanden werden müsse.
Hiermit ist die
Anerkennung eines
Ewigen,
Allgemeinen und Göttlichen, das sich in dem Wechsel religiöser
Anschauungen und Kultusformen
geltend macht, so wenig ausgeschlossen, daß man vielmehr die geschichtlichen Gestalten des religiösen
Lebens nur durch Zurückgehen auf die in der Geschichte waltenden und in ihr sich offenbarenden göttlichen Ordnungen richtig
zu würdigen vermag. Wie das religiöse Leben selbst ein wesentliches
Moment im geistigen Leben der Menschheit überhaupt,
so bildet die Religionsphilosophie einen wesentlichen
Bestandteil der Geistesphilosophie.
Von der dogmatischen
Theologie unterscheidet sie sich nicht sowohl durch ihren Gegenstand als durch ihr
rein philos. Interesse, sofern in ihr nicht sowohl, wie in jener, das christl.-religiöse
Bewußtsein über sich selbst, als
vielmehr der wissenschaftliche
Geist über die Eigentümlichkeit des religiösen
Bewußtseins klar zu werden sucht; dabei wird
freilich religiöse Selbsterfahrung unentbehrlich sein, wie auch die theol.
Arbeit ohne philos.
Bildung
nicht zu vollziehen ist. Zur allgemeinen Religionsgeschichte endlich verhält sich die Religionsphilosophie wie deren
principieller
Teil zur empirischen Ausführung.
Im Unterschied von der Religionsphilosophie als einer
Frucht erst der neuern
Philosophie hat man die frühere Art, ihre Gegenstände zu behandeln,
nur als «religiöses Philosophieren» zu bezeichnen; so die philosophisch
angeregten
Spekulationen der Gnostiker und der jüd. und christl.
Alexandriner, trotz der Abhängigkeit derselben von Platonischer
Philosophie. Ebenso waren die mittelalterliche Scholastik, die nur die objektive Wahrheit des kirchlichen Dogmas durch
scharfsinnige
Reflexionen erweisen wollte, und die der Scholastik sehr verwandte altprot.
Dogmatik noch nicht im stande, sich auf den religionsphilos. Standpunkt zu erheben. Der erste wirkliche Versuch einer Religionsphilosophie ist
die Kantsche
«Religion innerhalb der Grenzen
[* 13] der bloßen
Vernunft» (Königsb. 1793). Dieselbe hat es freilich mehr mit einer
Zurückführung der christl.
Glaubenslehre auf die Grundideen eines religiösen Moralismus als mit einer
wirklichen Erörterung des Wesens der
Religion und ihrer geschichtlichen Erscheinungen zu thun. Eine spekulative
Entwicklung
der religiösen Idee hat in großartiger
WeiseHegel in seinen «Vorlesungen über die
Philosophie der
Religion» (2. Aufl., 2 Bde.;
Bd. 11
u. 12 der «Werke», Berl. 1840) gegeben, doch
behandelte er dieReligion zu einseitig als eine unvollkommene Form metaphysischen Erkennens, um dem wirklichen
Gesamtumfange ihres Wesens wie ihrer Erscheinungsformen gerecht werden zu können, was besonders in der Umdeutung des
Christentums
in seiner, der Hegelschen,
Philosophie hervortrat. Den
Grund zu einer echt psychol. und histor. Behandlung der Religionsphilosophie hat Schleiermacher
(s. d.) gelegt, der namentlich den Unterschied des religiösen
Denkens vom philos. Erkennen zuerst festgestellt hat. (S.
Religion.) Nach ihm und neben ihm hat auch die Herbartsche und Friessche
Schule sich um die Religionsphilosophie verdient gemacht. -
Vgl. Pfleiderer, Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage (Berl. 1878; 3. Aufl.
u. d. T.: Geschichte der Religionsphilosophie von
Spinoza bis auf die Gegenwart, ebd. 1893);
strafbare Handlungen, die sich auf die
Religion beziehen. Da, wo eine bestimmte
Konfession zur Staatsreligion erklärt, jede andere
Religion nur geduldet ist, soweit es die Staatszwecke gestatten, gestaltet
sich jede Überschreitung der der fremden
Religion gezogenen Grenzen zu einem Religionsdelikte, und das Religionsdelikt wird
ein vollständig politisches. Das geltende Deutsche
[* 14]
Strafrecht hat diesen Standpunkt nicht. Es rechnet
die
Religion als solche überhaupt nicht zu den vom
Strafgesetz zu schützenden
Gütern, sondern straft nur gewisse Handlungen,
durch welche die religiösen Gefühle verletzt und der Friede der
Religionsgesellschaften gestört wird (§§. 166-168). Diese
Handlungen sind, abgesehen von der eigentlichen Gotteslästerung (s.
Blasphemie):
4) vorsätzliche Verhinderung oder Störung des Gottesdienstes oder einzelner gottesdienstlicher Verrichtungen
einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft durch Erregung von Lärm oder Unordnung in einer Kirche oder in einem andern
zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte (Strafe überall Gefängnis bis zu drei Jahren). Hierzu ist zu bemerken:
1) Beschimpfung ist mehr als Beleidigung, eine grobe, durch Roheit gekennzeichnete Kundgebung der Verachtung;
3) zu den zu religiösen Versammlungen bestimmten Orten kann auch ein Kirchhof gehören, auf welchem herkömmlich
bei Beerdigungen religiöse Handlungen vorgenommen werden. Im weitern Sinne wird zu den auch der Fall gerechnet, wenn jemand
unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Personen wegnimmt, ingleichen wenn jemand
ein Grab zerstört oder beschädigt oder wenn an einem Grabe beschimpfender Unfug verübt wird (Strafe: Gefängnis bis zu zwei
Jahren und fakultativ Ehrverlust). Die Grabmälerzerstörung oder Beschädigung wird als Sachbeschädigung, die unbefugte
Wegnahme von Leichenteilen als Übertretung bestraft und das Abpflücken von Blumen, die auf ein Grab gepflanzt
sind, kann als Felddiebstahl bestraft werden, wenn der Kirchhof gartenähnlich angelegt ist.
Das geltende Österr. Strafgesetz von 1852 verpönt in §. 122 b die Störung einer im Staate bestehenden Religionsübung und
straft denjenigen, welcher durch entehrende Mißhandlung an den zum Gottesdienst gewidmeten Gerätschaften oder sonst öffentlich
der Religion Verachtung bezeigt (Strafe: Kerker von sechs Monaten bis schweren Kerker von zehn Jahren).
Außerdem sind ähnliche Bestimmungen über Verspottung religiöser Gebräuche und Einrichtungen (aber auch Lehren) in §. 303 gegeben
wie in §. 166 des Deutschen Strafgesetzbuches.
Bei denBeratungen des dem österr. Abgeordnetenhause 1889 vorgelegten Strafgesetzentwurfs haben sich bezüglich der
Bestimmungen über Religionsdelikte Meinungsverschiedenheiten ergeben; insbesondere hat die Bestimmung, daß auch der, welcher
den Glauben an Gott zu zerstören sucht, mit Zuchthaus bestraft werden solle, zu Bedenken Veranlassung gegeben. Die übrigen
Bestimmungen des Entwurfs lehnen sich an das geltende Gesetz von 1852 an.