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Am 17. und erschien Luther dort vor Kaiser und Reich. Er verweigerte standhaft den Widerruf und ließ die Reichsacht über sich ergehen. Die päpstl. Bulle verhallte in Deutschland [* 2] ohne Wirkung. Gegen die Folgen der Reichsacht wurde Luther durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen von Sachsen [* 3] auf der Wartburg geborgen. Bald jedoch eilte er nach Wittenberg, [* 4] wo während seiner Abwesenheit unter Führung von Karlstadt und andern Schwärmern, die den Gottesdienst störten und die Bilder mit Gewalt aus den Kirchen beseitigen wollten (daher Bilderstürmer genannt), die wildeste Zügellosigkeit eingerissen war.
Luther suchte durch seine Predigten die Gemüter zu beruhigen und das Werk der Reform fortzusetzen. Schon 1523 gab er eine neue Ordnung des Gottesdienstes heraus, die an einigen Orten eingeführt, jedoch nicht beibehalten wurde. 1524 ließ er die für das Schulwesen so wichtig gewordene Schrift ergehen: «An die Ratsherren aller Städte Deutschlands, [* 5] daß sie christl. Schulen aufrichten und halten sollen». 1525 weihte er zum erstenmal einen Geistlichen, Rörer, womit er die Unabhängigkeit der Weihe der neuen Geistlichen von der Ordination durch die kath. Bischöfe begründete.
Ein zweiter wichtiger Schritt
Luthers war, daß er, wie viele seiner
Anhänger aus dem Klerus vor ihm, sich verheiratete. In
demselben Jahre starb Kurfürst
Friedrich von
Sachsen. Ihm folgte sein
Bruder
Johann, der sich offen für
die Reformation
erklärte. Auf
Luthers
Aufforderung, sich des Kirchenregiments anzunehmen, ließ der Kurfürst
Johann 1527-29 eine allgemeine
Kirchenvisitation halten und
das neue evang. Kirchenwesen unter landesherrlicher Hoheit
(Summepiskopat) einrichten. In ähnlicher
Art schritt die auch in Hessen,
[* 6]
Braunschweig-Lüneburg,
Ansbach,
[* 7]
Anhalt
[* 8] sowie in vielen Reichsstädten vor.
Eine heftige
Protestation der evang.
Stände auf dem
Reichstage zu
Speyer
[* 9] gegen dessen
Beschlüsse über die kirchlichen
Reformen brachte den Anhängern der neuen
Lehre
[* 10] den allgemeinen
Namen
Protestanten (s.
Protestantismus) ein. Noch aber fehlte
ihr ein öffentlicher
Ausdruck ihrer Grundsätze, den alle Reichsstände, welche die Reformation
angenommen hatten,
anerkannt hätten. Sie bekam ihn 1530 durch die von
Melanchthon verfaßte, von
Luther gebilligte
Augsburgische Konfession (s. d.),
die von den prot.
Ständen als ihr und ihrer Geistlichen und
Unterthanen
Glaubensbekenntnis unterschrieben und dem
Kaiser auf dem
Reichstage in
Augsburg
[* 11] feierlich übergeben wurde. Die Konfession wurde später von allen Reichsständen, die sich
der deutschen Reformation
anschlossen, festgehalten, daher diese in den Reichsverhandlungen nun als
Augsburgische Konfessionsverwandte
bezeichnet wurden. Auch im
Auslande, wo die Reformation
Eingang fand, wurde vielfach, wie in
Preußen,
[* 12]
Kurland,
[* 13] Livland,
Finland,
Schweden,
[* 14] Norwegen und
Dänemark,
[* 15] die
Augsburgische Konfession angenommen, während in der
Schweiz
[* 16] (s.
Reformierte Kirche),
in
Frankreich (s. Hugenotten) und in England (s.
Anglikanische Kirche) die gegen das Papsttum gerichtete
Bewegung eine mehr
oder weniger von der deutschen Reformation
unabhängige
Entwicklung nahm.
Ein ferneres wichtiges
Moment für die Reformation
wurde
Luthers
Übersetzung der
Bibel
[* 17] in die
deutsche Sprache. Sein
Neues Testament erschien zuerst 1522, die vollständige deutsche
Bibel 1534. Außerdem hat namentlich das von
Luther in ganz
neuer
Weise gepflegte deutsche
Kirchenlied die Ausbreitung der
Reformation
sehr gefördert. Die rechtliche
Stellung der deutschen Reformation
war
lange Zeit eine unsichere. Gegenüber den
Bedrohungen durch
Karl V. und die kath.
Stände traten die ihr
anhängenden Reichsstände zu Schmalkalden
[* 18] zu einem Defensivbündnis zusammen (s. Schmalkaldischer
Bund).
Dieser
Bund unterlag zwar, als der
Kaiser 1546 und 1547 Gewalt gegen die
Protestanten brauchte; allein der neue Kurfürst zu
Sachsen,
Moritz, besiegte den
Kaiser später wieder, worauf auf dem
Reichstage zu
Augsburg der
Religionsfriede (s. d.) zwischen dem
Kaiser und den kath. Reichsständen und
den der
Augsburgischen Konfession verwandten
Ständen
zu stande kam. (S. auch
Deutschland und
Deutsches Reich, Bd. 5, S. 176 b fg.) Damit bekam die Reformation
die
rechtliche
Anerkennung ihrer Existenz im
Deutschen
Reiche, und die Jurisdiktion der kath.
Bischöfe und des
Papstes über die
Protestanten war aufgehoben. Freilich wurden von der kath.
Kirche alsbald energische Maßregeln zur Unterdrückung
des
Protestantismus ergriffen. (S. Gegenreformation.
)
Inzwischen hatte sich unter den Anhängern der Reformation
selbst heftiger Zwiespalt erhoben.
Luther und
Zwingli (s. d.) waren schon
frühzeitig über die
Lehre vom
Abendmahl zerfallen, und alle Versuche zur Ausgleichung blieben ohne Erfolg.
Nach
Luthers
Tode entstand ein noch heftigerer Streit zwischen den schroffen Anhängern
Luthers und der Schule
Melanchthons,
der in der
Lehre vom
Abendmahl (s. d.), vom freien Willen des
Menschen und seiner Mitwirkung bei der
Bekehrung die echte
Lutherische
Lehre verlassen zu haben beschuldigt wurde.
Diese Streitigkeiten zu schlichten, ließ Kurfürst August von Sachsen die sog. Konkordienformel (s. d.) aufsetzen, verbreitete sie 1580 nebst der ungeänderten Augsburgischen Konfession und deren Apologie, den Heiden Katechismen Luthers und den von Luther für den Konvent zu Schmalkalden 1537 aufgesetzten Artikeln als Symbolische Bücher (s. d.) und führte den Religionseid ein, der alle Geistliche eidlich verpflichtete, den Symbolischen Büchern gemäß zu lehren.
Das Beispiel Kursachsens fand bald in den meisten deutschen Ländern, die die Reformation eingeführt hatten, Nachahmung. Die innere Entwicklung des reformatorischen Princips wurde dadurch gehemmt und die Einheit seiner Bekenner gelähmt. Der Dreißigjährige Krieg drohte die ganze Gestaltung des religiösen Lebens der Gewalt der Waffen [* 19] zu überantworten. Doch stellten die Bedingungen des Westfälischen Friedens (1648) die rechtliche Existenz des neuen Bekenntnisses fest. Inzwischen erwuchs aber aus dem reformatorischen Geiste eine neue Erweckung des geistigen Lebens in Deutschland. Die ganze Nationalkultur Deutschlands, wie sie sich im 18. Jahrh. ausgebildet hat, ist daraus hervorgegangen und ebenso auch die sittliche Erweckung, die bis ins Innerste des Volkslebens eingedrungen ist und auf die alte Kirche wesentlich zurückgewirkt hat.
Vgl. außer den ältern Hauptwerken von Sleidanus (s. d.) und Seckendorf (s. d.) Woltmann, Geschichte der Reformation in Deutschland (2. Aufl., 3 Bde., Altona [* 20] 1817);
Marheineke, Geschichte der deutschen Reformation (2. Aufl., 4 Bde., Berl. 1831-34);
Hagen, [* 21] Deutschlands litterar, und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter (3 Bde., Erlangen [* 22] 1841-44);
Neudecker, Geschichte des evang. Protestantismus (2 Bde., Lpz. 1844-46);
Kahnis, Die deutsche Reformation (Bd. 1, ebd. 1872);
Maurenbrecher, Studien und ¶
mehr
Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit (ebd. 1874);
Häusser, Geschichte des Zeitalters der Reformation 1517-1648 (2. Aufl., Berl. 1879);
Maurenbrecher, Geschichte der katholischen Reformation (Bd. 1, Nördl. 1880);
Ranke, Deutsche [* 24] Geschichte im Zeitalter der Reformation (6. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1880-81);
Hagenbach, Kirchengeschichte von der ältesten Zeit bis zum 19. Jahrh., Bd. 3 (5. Aufl., hg. von Nippold, ebd. 1887);
von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation (in Onckens «Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen», Berl. 1887-90);
Egelhaaf, Deutsche Geschichte im 16. Jahrh. (Stuttg. 1887-92);
ders., Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (3. Aufl., Berl. 1893);
Lamprecht, Deutsche Geschichte, Bd. 5 (ebd. 1894);
vom kath. Standpunkte aus Döllinger, Die Reformation (3 Bde., Regensb. 1846-48; Bd. 1 in 2. Aufl., 1851);
im ultramontanen Geiste Janssen, Geschichte des deutschen Volks seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 2 u. 3 (15. Aufl., Freib. i. Br. 1889-91).