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rationastatt, vielmehr hat sich der Vorsitzende der Würdigung der Beweise zu enthalten (§. 300 der Strafprozeßordnung).
rationastatt, vielmehr hat sich der Vorsitzende der Würdigung der Beweise zu enthalten (§. 300 der Strafprozeßordnung).
Quasibesitz, die Vornahme von Handlungen oder der Genuß eines Vorteils, wie sie der Inhaber eines Rechts vornehmen oder genießen darf. Wer über ein benachbartes, fremdes Grundstück wiederholt geht oder fährt oder reitet, mit der Absicht, diesen Weg dauernd zur erleichterten Benutzung seines Grundstückes, des etwaigen Widerspruchs des Eigentümers oder jeder andern Person ungeachtet, für sich in Anspruch zu nehmen, wer sich in ähnlicher Weise in dauerndem Genuß einer von seinem Vorbesitzer über ein fremdes Grundstück geführten Wasserleitung [* 2] befindet, befindet sich im Besitz einer Wegedienstbarkeit oder Wasserleitungsgerechtigkeit.
Wer auf ähnliche Weise einen Zins von fremden Grundstücken erhebt, als ob er ihm dem Rechte nach zukäme, befindet sich im Besitz einer Reallast. Wie an Dienstbarkeiten und Reallasten, an Erbpachtrechten und Erbbaurechten ist der Rechtsbesitz durch das kanonische Recht an Hoheitsrechten, Ämtern und Beneficien, Regalien, selbst an solchen Forderungsrechten, welche eine dauernde Ausübung zulassen, ausgebildet. Wie beim Sachbesitz der Eigentümer oder ein Nichteigentümer Besitzer sein kann, so können dingliche Rechte an fremdem Grundstück sich im Besitze des Berechtigten oder eines Nichtberechtigten befinden, und selbst ohne daß ein solches Recht wirklich begründet ist, kann ein Dritter, als ob er ein Recht hätte, den Rechtsbesitz ausüben.
Von praktischem Nutzen ist der Rechtsbesitz nach zwei Richtungen: er führt durch fortgesetzte fehlerlose Ausübung während der Verjährungszeit bei gutem Glauben an das Bestehen des Rechts zu dessen Erwerb, nach manchen Gesetzen aber nur, wenn ein Titel zum Recht vorhanden war. Diese Ersitzung dinglicher Rechte hat heute indessen eine geringere Bedeutung als früher, weil solche dingliche Rechte, welche durch die Gesetzgebung für ablösbar erklärt sind (s. Reallasten), überhaupt nicht mehr neu begründet werden können, und weil solche Rechte, welche aus im Grundbuch eingetragenen Grundstücken nur durch Eintrag in das Grundbuch erworben werden können (wie nach Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 481 auch die Grunddienstbarkeiten), nicht mehr ersessen werden können.
Wer sich im ungestörten Besitz befindet, wird gegen Störungen und gewaltsame Besitzentziehung im Rechtswege geschützt, ohne daß er ein Recht zu beweisen braucht. Der Eigentümer muß, um den Besitzer, welcher kein Recht hat, zu verdrängen, die Freiheit seines Eigentums von dem in Anspruch genommenen dinglichen Rechte mittels der Negatoria (s. d.) klagend verfolgen. Die Besitzfehler sind dieselben wie beim Sachbesitz (s. Besitzklagen). Der Erwerb und Verlust des Rechtsbesitz vollzieht sich ähnlich wie bei dem Sachbesitz. Einzelne neuere Gesetze haben den Rechtsbesitz erheblich eingeschränkt, doch haben sie ihn nicht ganz beseitigen können, namentlich bei den Grunddienstbarkeiten (Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 530; Deutscher Entwurf §. 939).
die Quellen des geschriebenen, aber nicht auf der Gesetzgebung beruhenden Rechts (s. d.), namentlich private Aufzeichnungen der in einem Lande oder einzelnen Teilen desselben geltenden Rechts, von welchen einzelne allmählich das Ansehen von Gesetzen erlangten, z. B. Sachsenspiegel (s. d.), Schwabenspiegel (s. d.).
Diese Gattung der Rechtslitteratur entwickelte sich in Deutsch-
land seit dem 13. Jahrh. -
Vgl. Homeyer, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters (Berl. 1856).
Orthographie, der Inbegriff der Regeln, nach denen die Sprache [* 3] durch Schriftzeichen dargestellt werden soll. Sie scheidet sich in die Lehre [* 4] von der Darstellung der einzelnen Wörter durch Buchstaben (Orthographie im engern Sinne) und in die Lehre von den Satzzeichen (Interpunktion, s. d.). Die Darstellung der einzelnen Wörter durch Buchstaben beruht auf der Idee einer Lautschrift. Diese Lautschrift, im Unterschied von der Begriffsschrift, zerlegt das gesprochene Wort in seine einzelnen Laute und stellt jeden dieser Laute durch ein besonderes Zeichen dar.
Jede Lautschrift muß aber notwendigerweise den ihr zu Grunde liegenden Gedanken «Schreib wie du sprichst» in sehr unvollkommenem Maße verwirklichen. Das gilt selbst von der verhältnismäßig vollendetsten Lautschrift, der phonetischen Schreibweise, d. h. derjenigen, der sich moderne Sprachgelehrte zum Zweck einer wissenschaftlich genauen schriftlichen Wiedergabe der Aussprache bedienen. Denn man hat erkannt, daß die einzelnen Laute nur einen Teil, sozusagen das Knochengerüst des Wortes darstellen, während sämtliche Übergangselemente von Laut zu Laut gar nicht abgegrenzt werden können und überdies von so mannigfacher Schattierung sind, daß eine schriftliche Wiedergabe jedes einzelnen schon an der Unzahl der anzuwendenden Zeichen scheitern würde.
Der phonetischen Rechtschreibung steht die historische gegenüber. Die Geschichte der Rechtschreibung sämtlicher Sprachen mit Buchstabenschrift ist ein fortwährender und nie ausgleichbarer Kampf zwischen der phonetischen und der histor. Schreibweise. Die Aussprache hat sich in allen Sprachen im Laufe der Zeit verändert, und stets ist die Rechtschreibung konservativer gewesen, also hinter der lebendigen Aussprache zurückgeblieben. So ist es gekommen, daß man schließlich so schrieb, wie man in frühern Jahrhunderten gesprochen hatte. Je größer so der Gegensatz zwischen Rechtschreibung und Aussprache wurde, um so lebhafter empfand man das Bedürfnis, erstere der letztern entsprechend zu modernisieren, d. h. die veraltete historische Rechtschreibung durch eine neue phonetische zu ersetzen.
Natürlich mußte auch diese neue phonetische Rechtschreibung im Laufe der Zeit wieder eine historische werden. Verhältnismäßig am strengsten historisch ist jetzt die englische Rechtschreibung, die etwa die Aussprache des ausgehenden Mittelalters wiedergiebt. Das Sanskrit im Altertum, das Italienische in der Gegenwart nähern sich am meisten der phonetischen Rechtschreibung. Der Deutsche [* 5] meint zumeist so zu schreiben, wie er spricht. Dies ist jedoch ein Irrtum;
vgl. z. B. ie für langes i, beruhend auf der frühern (süddeutschen) diphthongischen Aussprache ië;
h als Dehnungszeichen;
die beiden Buchstaben ch für den einen Reibelaut;
die drei Buchstaben sch, früher s-ch (wie in Westfalen [* 6] noch heute) gesprochen;
die verschiedene Aussprache von st im Anlaut und im Inlaut;
«Pferd» [* 7] in Norddeutschland ebenso wie «fährt» ausgesprochen;
die in der Aussprache nicht entsprechend vorhandene Scheidung von e und ä;
das b und d im Wortauslaut, wo wir p und t sprechen;
die in der Aussprache nicht vorhandene Scheidung von ß und s u. s. w. Beispiele wie die letztern zeigen, daß außer dem phonetischen und dem histor.
Princip auch noch das etymologische die Rechtschreibung beeinflußt: wir schreiben «lieb» oder «glaubt» nicht mit p, sondern mit b, weil es «lieben» und «glauben» heißt. ¶
Die Geschichte der deutschen Rechtschreibung beginnt mit dem schriftlichen Gebrauch der deutschen Sprache überhaupt. Eine einheitliche deutsche Rechtschreibung gab es im Mittelalter so wenig wie eine einheitliche Aussprache. Es gab vielmehr bestimmte orthographische Kreise, [* 9] ausgehend von einigen wenigen Klosterschulen, von denen für die altdeutsche Rechtschreibung die St. Galler die wichtigste gewesen ist. Neben der St. Galler Schule erlangte in der althochdeutschen Zeit besonders die rheinfränkische Rechtschreibung durch ihre Litteratur einen größern Einfluß, diese in Mittel-, jene in Oberdeutschland. Ein drittes litterar. Centrum mit mundartlicher Rechtschreibung bestand am Niederrhein; die niederländische Rechtschreibung hat für ganz Niederdeutschland einen maßgebenden Einfluß erlangt, solange Niederdeutsch überhaupt eine Litteratursprache gewesen ist.
Die mittelhochdeutsche Litteratur weist eine verhältnismäßig einheitlichere Rechtschreibung auf, als die althochdeutsche, wenngleich sie in Wirklichkeit viel stärkere mundartliche Unterschiede zeigt, als sie in unsern normalisierten mittelhochdeutschen Texten zu Tage treten. Diese Rechtschreibung setzt die althochdeutsche nur zum Teil fort. In keiner Zeit hat sich die deutsche Rechtschreibung mehr dem Ideal einer phonetischen Rechtschreibung genähert, als im 12. und 13. Jahrh., der Blütezeit unserer mittelalterlichen Litteratur. Hier war es besonders der Einfluß der Hohenstaufen, der der oberdeutschen, speciell schwäb. Schreibweise eine weitere Geltung verschaffte.
Von einer gemeindeutschen Rechtschreibung kann eigentlich erst seit dem 15. Jahrh., genauer noch seit Luther die Rede sein. Ihre Geschichte ist mit der unserer neuhochdeutschen Schriftsprache untrennbar verbunden (s. Deutsche Sprache, Bd. 5, S. 78 b). Wenn man z. B. auch dort, wo man «Zît» und «Hûs» sprach, anfing, nach dem Vorbild der kaiserl. Kanzlei und Luthers «Zeit» und «Haus» zu schreiben, so empfand man dies in der That als eine orthographische Frage. Wie unsere Schriftsprache im wesentlichen mitteldeutscher Sprechweise entspricht, so auch unsere Rechtschreibung Luther selbst hat an seiner ursprünglichen Rechtschreibung manches geändert.
Seine Rechtschreibung war für die Folgezeit vorbildlich, wenn auch im 17. Jahrh. unsere Rechtschreibung stark verwilderte, besonders durch eine unsinnige Anhäufung der Konsonanten. Über die Thätigkeit der Grammatiker des 16., 17. und 18. Jahrh. bei der Festlegung unserer modernen Rechtschreibung s. Deutsche Sprache (Bd. 5, S. 82). Der Grundsatz der bedeutendsten Grammatiker, wie Schottel, Gottsched, Adelung, «Schreib, wie du sprichst», hat sich nur in geringem Maße als durchführbar erwiesen. Unsere Rechtschreibung ist seit Luther immer mehr eine historische geworden.
Gegen Ende des 18. Jahrh., zur Zeit der höchsten Litteraturblüte, war unsere Rechtschreibung im wesentlichen festgestellt. Nur in einzelnen Punkten haben sie dann J. Chr. A. ^[Johann Christian August] Heyse u. a. in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. noch weiter gebildet, und zwar auf dem von Adelung (1787) und seinen Vorgängern betretenen Wege. Seit Jakob Grimm in seinen bahnbrechenden Werken auf dem Gebiete der deutschen Sprachgeschichte (Deutsche Grammatik, 1819-40) vorangegangen war, haben die deutschen Sprachgelehrten angefangen, auf eine radikalere Vereinfachung unserer Rechtschreibung nach phonetischen Grundsätzen zu dringen, und man findet in der wissenschaftlichen Litteratur seit Grimm und Schleicher vielfach eine einfachere Rechtschreibung durchgeführt, als sie sonst üblich ist. Besonders strebt man dahin, zu den lat. Buchstaben wieder zurückzukehren und alle Hauptwörter klein zu schreiben. Diese Bestrebungen
sind bisher noch nicht durchgedrungen. Gegen die Einführung der lat. Buchstaben hat sich namentlich Fürst Bismarck ausgesprochen.
Im J. 1876 trat auf Veranlassung des preuß. Kultusministeriums in Berlin [* 10] eine Konferenz von Sprachforschern und Schulmännern zur Festsetzung einer einheitlichen Rechtschreibung zusammen, für die Rudolf von Raumer (s. d.) einen Entwurf ausgearbeitet hatte, der den Verhandlungen zu Grunde gelegt wurde. Unter Benutzung der von dieser Konferenz gemachten Vorschläge wurde zunächst in Österreich [* 11] und Bayern [* 12] dann auch in Preußen [* 13] (durch einen Erlaß des Ministers von Puttkamer vom in Sachsen [* 14] (durch Generalverordnung vom und in den übrigen deutschen Staaten eine nur unwesentlich vereinfachte Rechtschreibung in den Schulen eingeführt, für welche die im Auftrag der einzelnen Regierungen bearbeiteten und im wesentlichen übereinstimmenden «Regeln und Wörterverzeichnisse für die deutsche Rechtschreibung» maßgebend sind. -
Vgl. Adelung, Anweisung zur Orthographie (Lpz. 1788 u. ö.);
Andresen, Über deutsche Orthographie (Mainz [* 15] 1855);
Rudolf von Raumer, Gesammelte sprachwissenschaftliche Schriften (Frankf. a. M. 1863);
Schröer, Die deutsche Rechtschreibung (Lpz. 1870);
Lehmann, Über deutsche Rechtschreibung (Berl. 1871);
Duden, Die deutsche Rechtschreibung (Lpz. 1872);
Sanders, Zur Regelung der deutschen Rechtschreibung (in «Unsere Zeit», ebd. 1875);
Verhandlungen der Orthographischen Konferenz in Berlin (Halle [* 16] 1876);
Michaelis, Die Ergebnisse der Orthographischen Konferenz (Berl. 1876);
Duden, Die Zukunftsorthographie (Lpz. 1876);
Schmits, Über Rechtschreibung und Druckschrift (Köln [* 17] 1876);
Sanders, Orthographisches Wörterbuch (2. Aufl., Lpz. 1876);
ders., Katechismus der Orthographie (4. Aufl., ebd. 1878);
Wilmanns, Kommentar zur preuß. Schulorthographie (Berl. 1880; 2. Ausg. u. d. T.: Die Orthographie in den Schulen Deutschlands, [* 18] ebd. 1887);
H. Paul, Zur orthographischen Frage (ebd. 1880);
Duden, Die neue Schulorthographie (5. Aufl., Münch. 1894);
ders., Orthographischer Wegweiser für das praktische Leben (2. Aufl., Lpz. 1884);
ders., Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache (4. Aufl., neuer Abdruck, ebd. 1895).