Indes auch hier erfüllte er die Erwartungen, die er hervorgerufen, nicht und erregte außerdem
durch seine
Ansprüche, seine Streitsucht und Reizbarkeit den Zorn seines
Gönners in dem
Maße, daß dieser ihn acht
Monate
lang gefangen setzte.
Auch der Versuch, in
Magdeburg
[* 2] eine Lehranstalt zu gründen, mißlang.
Eine letzte
Zuflucht fand er in Rudolstadt
[* 3] bei der Gräfin
AnnaSophie und in
Jena.
[* 4] Ratenzahlung starb 1635 in
Erfurt.
[* 5]
Seine Wirkung auf seine Zeit
ist trotz seiner praktischen Mißerfolge eine bedeutende gewesen.
Namentlich hat er den Grundsätzen, von der
Anschauung auszugehen,
die Muttersprache zur Grundlage des Unterrichts zu machen, das Verständnis statt des
Auswendiglernens
anzustreben und den Unterricht auf Weniges zu konzentrieren, wirksamen
Ausdruck verliehen. –
Vgl. über Ratenzahlung fünf Programm-Abhandlungen
Herm.
Agathon Niemeyers in
Halle
[* 6] aus den J. 1840‒43 und 1846, ferner die
Schriften von
Krause (Lpz. 1872), Störl (Programm der Realschule,
ebd. 1876),
Schumann (Hannov. 1876), Vogt (vier Programme des königl.
Gymnasiums zu
Cassel von 1878 bis 1881) und Israel in
Schmids «Geschichte der Erziehung», Bd.
3, Abteil. 2 (Stuttg. 1892).
(neulat.),
Bestätigung, Genehmigung, früher üblich für das von dem Angeschuldigten auf der Folter
abgegebene, nachher wiederholte Geständnis, namentlich aber auch heute noch für die durch ernannte
Bevollmächtigte abgeschlossene
Staatsverträge. Die
Verträge werden in der Regel unter
Vorbehalt der Ratifikation abgeschlossen, ja
sie gelten im Zweifel als unter diesem
Vorbehalt geschlossen, auch wenn das nicht besonders gesagt ist. Die Ratifikation erfolgt (in
konstitutionellen
Staaten nach Genehmigung der
Verträge durch die
Volksvertretung) unter Austausch der von
den Staatsoberhäuptern vollzogenen Ratifikationsurkunden mit rückwirkender Kraft,
[* 7] wenn nichts anderes bestimmt ist.
(lat.), soviel wie Genehmigung (s. d.),
insonderheit die Genehmigung des Geschäftsherrn, wenn ein Geschäftsführer ohne
Auftrag (s. Geschäftsführung) namens desselben
gehandelt hat oder die Genehmigung des Verfügungsberechtigten, wenn ein Nichtberechtigter ohne dessen
Ermächtigung verfügt hat.
oder Frisiermühle, mechan. Vorrichtung zum Ratinieren (frz.),
d. h. zum Zusammenknoten der Härchen bei tuchartigen
Stoffen, welche als
Ratiné bezeichnet werden.
Ratiōn, Einheitssatz für die tägliche
Verpflegung eines Dienstpferdes, besteht
aus Körnerfutter und Rauhfutter (Heu und
Stroh). In
Deutschland
[* 13] unterscheidet man schwere Ratio (für Generalität, Generalstab,
Kürassiere, Gardeulanen,
Artillerie,
Leibgendarmerie,
Intendantur,
Train), mittlere Ratio (Linienulanen) und leichte Ratio (alle übrigen
Truppenteile und Offiziere),
außerdem hat die leichte Gardekavallerie besondern Rationssatz. Der Unterschied der Ratio liegt nur im Hafergewicht;
dieses beträgt für schwere Ratio 5500, leichte Gardekavallerie 5250, mittlere Ratio 5150, leichte Ratio 4750 g
Hafer,
[* 14] außerdem ohne Unterschied 2500 g Heu und 3500 g
Stroh. Diese für die Garnison gültigen
Sätze
erhöhen sich auf Märschen und im
Kriege (natürlich nach Maßgabe des Futters, das überhaupt beschafft werden kann). In
verschiedenen
Heeren wird auch für den Einheitssatz der täglichen Mannschaftsverpflegung gebraucht, wofür in
Deutschland
der
Ausdruck Portion üblich ist.
Über die eiserne Ratio s.
Eisern.
Sofern man unter
Vernunft überhaupt das Erkenntnisvermögen
versteht, deckt sich das
Rationale der Erkenntnis mit dem Apriorischen (s.
Rationalismus).
– In der Mathematik heißt rational,
was sich durch ein bestimmtes Zahlenverhältnis ausdrücken läßt, irrational, was sich nicht so ausdrücken läßt, z. B.
die Quadratwurzel von 2.
(von lat. ratio,
Vernunft), in erkenntnistheoretischer Bedeutung die
Richtung, welche den
Quell der Erkenntnis
nicht oder nur in zweiter Linie in den
Sinnen oder der Erfahrung, sondern in der
Vernunft, d. h. in der
ursprünglichen Gesetzlichkeit der Erkenntnis selbst (oder in Principien
«A priori», s. d.) sucht. In allgemeinerer Bedeutung
versteht man darunter den Grundsatz, in allem allein der
Vernunft zu folgen, so namentlich in theol. Anwendung (s. unten).
In jener allgemeinern wie in dieser speciellen Anwendung deckt sich der Rationalismus ungefähr
mit
Aufklärung (s. d.); daher ist das Zeitalter der
Aufklärung zugleich das des Rationalismus.
Im theologischen
Sinne ist Rationalismus die namentlich zu Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrh.
verbreitete theol.
Richtung, die die
Vernunft als das oberste religiöse Erkenntnisvermögen betrachtete
und derselben die
Entscheidung über die Frage zuschrieb, welche
Bestandteile der kirchlichen
Glaubenslehre als wesentlicher
Kern der christl.
Religion, und welche nur als lokale und temporelle Zuthaten anzusehen seien. Den Gegensatz zum Rationalismus bildet
der
Supranaturalismus, der die Unterordnung der
Vernunft unter die
Autorität der heiligen
Schrift fordert und
die
Entscheidung darüber, was als christl. Wahrheit geglaubt werden müsse, lediglich von
der richtigen Ausmittelung des Schriftsinns abhängig macht.
Das altorthodoxe Dogma war gegen Mitte des 18. Jahrh. durch den
Pietismus und die Wolfsche
Philosophie bereits vielfach abgeschwächt,
als unter dem Einfluß des engl.
Deïsmus und der franz.
Encyklopädisten auch in
Deutschland das Zeitalter
der sog.
Aufklärung hereinbrach, die das ganze Fundament des kirchlichen Dogmas in Frage stellte, die ganze
Vorstellung von
einer übernatürlichen Offenbarung samt dem Wunderglauben verwarf und die christl.
Religion durch eine
¶
mehr
allgemeine Vernunftreligion mit rein moralischen Wahrheiten ersetzen oder doch nur so weit gelten lassen wollte, als sie
mit letzterer übereinstimme. Im Unterschied von diesem Naturalismus schlug nun der Rationalismus einen Mittelweg ein, indem er formell
den Supranaturalisten, materiell den Naturalisten beipflichtete. Indem er die Vorstellung einer übernatürlichen Offenbarung,
d. h. nach damals allgemein bestehender Voraussetzung einer übernatürlichen Belehrung der Menschen durch
Gott, kritisch untersuchte, kam er zu dem Ergebnis, daß die Möglichkeit derselben nicht zu bestreiten sei, die Anerkennung
ihrer Wirklichkeit aber von einer Prüfung ihres Inhalts abhänge. Ob etwas übernatürlich offenbart sei oder nicht, könne
nur die Vernunft entscheiden, mit welcher die Offenbarung nicht im Widerspruch stehen könne.
Die von den Supranaturalisten festgehaltene Annahme übervernünftiger Wahrheiten wurde verworfen, weil das Übervernünftige
ein Widervernünftiges sei, und nur zugestanden, daß Gott durch übernatürliche Veranstaltung den Menschen Vernunftwahrheiten
früher mitgeteilt haben könne, als sie, sich selbst überlassen, auf dieselben gekommen sein würden, oder
etwa verloren gegangene Wahrheiten auf jenem außerordentlichen Wege für das menschliche Bewußtsein wieder aufgefrischt
habe.
Dennoch wollte auch der Rationalismus an der Autorität der Bibel
[* 16] festhalten und behauptete, sich im vollen Einverständnis mit ihrem
wahren Sinn zu befinden. Da er aber ebenso wie der Naturalismus die Wunder als widernatürlich verwarf,
so beseitigte er das Wunderbare aus den biblischen Erzählungen durch die sog. natürliche Auslegung, und deutete die dem
Zeitalter fremd gewordenen religiösen Vorstellungen der Bibel entweder um oder schaffte sie durch die Annahme fort, daß die
biblischen Schriftsteller sich nur aus pädagogischen Gründen den jüd. oder heidn.
Zeitmeinungen anbequemt hätten. Auf diese Weise behielt man als wesentlichen Inhalt der Schrift nur die
sog. vernünftigen Wahrheiten übrig, unter denen der gewöhnliche Rationalismus die
drei höchsten «Vernunftideen» Gott, Freiheit und Unsterblichkeit als notwendige Bedingungen alles moralischen Handelns begriff.
Hiermit glaubte man zwischen Christentum und Vernunft Frieden gestiftet, die Autorität der Bibel gerettet
und zugleich den berechtigten Forderungen des Naturalismus genügt zu haben.
Die Schwächen jenes Rationalismus sind leicht zu erkennen. Es war Verflüchtigung des religiösen Gehalts des Christentums, ihn einfach
auf Morallehre zu reduzieren. Es ist auch verwirrend, die Vernunft als «religiöses Erkenntnisvermögen» zu bezeichnen, d. h.
den religiösen Inhalt aus ihr ableiten zu wollen, da dieser nur aus der innern Erfahrung der Frommen
entnommen werden kann. Auch die unhistor. Willkür der rationalistischen Behandlung der Bibel liegt gegenwärtig offen zu
Tage und insbesondere die natürliche Auslegung der Wunder.
Aber selbst vor einem schärfern philos. Denken konnte jener Rationalismus nicht bestehen. Denn was er als unwandelbare,
zu allen Zeiten anerkannte Vernunftwahrheit betrachtet hatte, war mindestens in der Form, die dem Rationalismus über jeden
Zweifel erhaben schien, selbst nur ein Niederschlag der damaligen Zeitbildung. Andere gegen den Rationalismus erhobene Anklagen, wie seine
Nüchternheit und platte Verständigkeit, sein philos. und ästhetisches Unvermögen, seine äußerliche Moral mit
ihrer Werkgerechtigkeit und Tugendseligkeit u. a. m., treffen nicht sowohl ihn
selbst,
als das ganze Zeitalter.
Dagegen hat der Rationalismus, indem er auf die innere Einheit aller menschlichen Erkenntnis drang, die unklare Lehre
[* 17] von übervernünftigen
Wahrheiten siegreich bekämpft und gegenüber der blinden Unterwerfung unter äußere Autoritäten das unveräußerliche Recht desSubjekts, nichts für wahr anzunehmen, als was im eigenen Innern des Menschen seine Begründung findet,
aufs nachdrücklichste geltend gemacht. Seine Forderung, alle Überlieferung, einschließlich der in der Bibel enthaltenen,
auf ihren vernünftigen Gehalt hin zu prüfen, ist den dogmatischen Vorstellungen der Bibel und der Kirche gegenüber ebenso
berechtigt als seine an die sog. übernatürlichen Thatsachen angelegte Kritik. Ganz besonders bedeutsam
aber ist die durch den Rationalismus begonnene geschichtliche Forschung über die menschliche Entstehung der Bibel und ihre Behandlung
nach denselben kritischen Grundsätzen, die für alle andern Litteraturprodukte gelten, gewesen. Als die namhaftesten Vertreter
des Rationalismus sind die Dogmatiker Wegscheider und Bretschneider, der Exeget Paulus und der Kanzelredner Röhr zu
nennen.
Vgl. Stäudlin, Geschichte des Rationalismus (Gött. 1826);