(spr. reh),John, Polarforscher, geb. auf den
Orkney-Inseln, studierte in Edinburgh
Medizin, ging dann im Dienste
[* 2] der Hudsonbaicompagnie nach Nordamerika
[* 3] und war 10 Jahre
in der
Moose-Factory stationiert. Von hier unternahm er 1846 seine erste Bootfahrt zur Repulsebai und
machte nach der Überwinterung eine Überlandreise, wodurch er die
Aufnahmen von John Roß und Parry miteinander verband. 1848 ging
er mit
Sir John Richardson zum Mackenzie, um
Franklin zu suchen; von da folgte er der ganzen Nordküste bis zum Kupferminenfluß.
Zu gleichem Zweck ging er auf Veranlassung der Regierung 1851 nach der Südküste vom
Wollastonlande und
nach dem Victorialande.
Für diese Leistungen erhielt er die goldene
Medaille der Geographischen Gesellschaft zu
London.
[* 4] 1853 sandte ihn die Hudsonbaicompagnie
wieder aus; Rae bewies, daß das
King-Williamsland eine
Insel sei, auch erhielt er die ersten Nachrichten von
den Eskimos über das
SchicksalFranklins. Dafür erhielt er von der
Admiralität einen Ehrensold von 10000 Pfd. St. Später
bereiste er noch
Island,
[* 5] Grönland und die
Vereinigten Staaten.
[* 6] Er starb in
Addison Gardens. Rae schrieb: «Narrativeof an expedition to the shores of the Arctic Sea» (Lond. 1850);
ferner
Berichte im «Journal» der RoyalGeographicalSociety, Bd. 22
u. 25.
(spr. rah-),Dorf im
Kreis
[* 7] Eupen
[* 8] des preuß. Reg.-Bez.
Aachen,
[* 9] 11 km südlich von
Aachen, an einem
Bach und an den
NebenlinienAachen-St. Vith und Herbesthal-Raeren (13,3 km) der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 10] hat (1890) 3845 E., Postagentur,
Telegraph,
[* 11] kath.
Kirche und Viehzucht.
[* 12] Raeren war im 16. und 17. Jahrh, einer der Hauptorte der Fabrikation des niederrhein.
Steinzeugs. Die
Arbeiten sind von grauem
Thon, ähnlich denen von
Siegburg,
[* 13] aber von rotbrauner, bräunlich orangefarbiger, auch
graugelber und grauweißlicher
Glasur, welche dicker ist als die von
Siegburg.
In R. wurden vorzugsweise
die sog.
Bartmannskrüge (s. d.) fabriziert.
Joachim,Komponist, geb. zu Lachen im Kanton Schwyz,
[* 14] wurde dort im Lyceum der
Jesuiten zum Lehrfach ausgebildet.
Auf Mendelssohns Empfehlung kamen seine ersten
Kompositionen zum Druck (Lpz. 1843), was ihn bestimmte, sich gänzlich der
Musik zu widmen.
Außer Mendelssohn war besonders
Liszt von Einfluß auf ihn, mit dem er 1850 nach
Weimar
[* 15] zog. Seiner
Begeisterung
für
Wagner gab er damals in mehrern Kritiken und
SchriftenAusdruck, von denen «Die
Wagner-Frage» (Bd. 1, Braunschw.
1854) die umfänglichste ist. 1855 siedelte Raff nach
Wiesbaden
[* 16] über; 1877 wurde er Direktor des neugegründeten
Hochschen Konservatoriums in
Frankfurt
[* 17] a. M., wo er starb. Raff war als Instrumentalkomponist bedeutend;
seine Hauptwerte, die
Sonaten für
Klavier und
Violine und die beiden Programmsinfonien «Im
Walde» und «Lenore», sind durch fließende
Erfindung und warmen
Ton ausgezeichnet. Aus
seinem Nachlasse erschienen 1894 zwei «Shakespeare-Ouverturen»
(«Romeo und Julie» und «Macbeth»)
für großes Orchester.
irrtümlich Sanzio,ital.Maler, geb. 1483 zu
Urbino. Der
Geburtstag
selbst ist streitig: je nachdem man die vom Kardinal
Bembo verfaßte Grabschrift R.s deutet, welche besagt, er
sei «an dem
Tage, an dem er geboren war, gestorben» («quo die natus est eo essedesiit VIIIId. April MDXX»,
d. i. damals Karfreitag), setzt man den
Geburtstag auf den 6. April oder auf den Karfreitag,
d. i. an. Seine erste künstlerische Unterweisung dankte er
dem
VaterGiovanni Santi (s. d.), den er jedoch bereits im 12. Jahre verlor, sodann
einem unbekannten
Meister in
Urbino, vielleicht dem Timoteo Viti, mit dem er auch später enge
Beziehungen unterhielt.
Erst 1499 verließ er die Vaterstadt und trat in die Werkstätte des damals hochberühmten Malers
Perugino (s. d.)
in
Perugia. Das älteste
Datum, welches man auf seinen Bildern antrifft, ist das Jahr 1504 (auf dem
«Sposalizio», s. unten);
doch hat er gewiß schon früher selbständig für
Kirchen in
Perugia und in
Città di
Castello gearbeitet. 1504 siedelte Raffael Santi nach
Florenz
[* 18] über, wo er die nächsten Jahre mit einigen
Unterbrechungen, die ihn nach
Perugia und
Urbino zurückführten,
verweilte. In
Florenz war der Einfluß
Leonardos und
FraBartolommeos auf seine künstlerische Vervollkommnung am mächtigsten;
von jenem lernte er die korrekte Zeichnung, von diesem den symmetrischen und dabei doch bewegten
Aufbau der
[* 1]
Figuren. Als abschließendes
künstlerisches Resultat seines Aufenthalts inFlorenz ist die 1507 für
San Fancesco in
Perugia gemalte
Grablegung zu betrachten (jetzt in der
GalerieBorghese zu
Rom).
[* 19]
Auf
Bramantes Veranlassung wurde er dann 1508 vom Papst Julius II. nach
Rom berufen. Dort schmückte er im
VatikanischenPalast
eine Reihe von Prunkgemächern, die sog.
Stanzen, sowie die anschließenden Loggien mit berühmt gewordenen
Darstellungen. R.s Ruhm verbreitete sich weithin. Von den Päpsten Julius II. und
Leo X. wurde er mit
Aufträgen überhäuft,
für König
Franz I. von
Frankreich und andere
Große war er thätig, eine große Zahl von
Schülern schloß sich ihm an, und
zu diesen Künstlerehrungen kam eine außerordentlich glänzende
Stellung.
Von schönen, milden
Gesichtszügen, die jugendliche schlanke Gestalt in prächtige Gewänder gekleidet, hatte Raffael Santi mehr das
Aussehen eines Fürsten als eines Malers; seine liebenswürdige Persönlichkeit und sein heiteres, angenehmes Wesen, das
seine Zeitgenossen nicht genug preisen können, stand in schroffen Gegensatz zu dem finstern, verschlossenen, grübelnden
Wesen seines größten Nebenbuhlers
Michelangelo, von dem er auch seiner Kunstrichtung nach so sehr verschieden
war.
In den letzten fünf Jahren seines Lebens war er noch oberster Leiter des
Baues der Peterskirche, und neben architektonischen
Studien nahmen ihn noch archäol. Untersuchungen in
Anspruch. Er studierte den Vitruv, und um die altenDenkmäler
selbst auf sich wirken zu lassen, kam er auf den
Gedanken, das ganze alte
Rom aus dem Schutt der Jahrhunderte wieder an das
Tageslicht zu fördern. Ein
Breve des Papstes
Leo X. machte ihn zum Konservator der
Denkmäler 10 Miglien weit im Umkreis von
¶
0593a¶
mehr
Rom. Während seine Sorge, das alte Rom wieder zum Leben zu erwecken, Papst und Römer
[* 22] begeisterte, führte ihn selbst eine
Krankheit in einen allzu frühen Tod. Er zog sich ein Fieber zu und starb nach kurzem Krankenlager am Karfreitag
genau 37 J. alt. Sein Leichnam wurde im Pantheon beigesetzt. Als die Gruft 1833 geöffnet wurde, fand
man seine Gebeine noch ziemlich wohl erhalten. Raffael Santi war nicht vermählt, jedoch verlobt mit Maria Bibbiena, der Nichte des gleichnamigen
Kardinals, die noch vor ihm starb. R.s umfassende Thätigkeit als Freskomaler begann erst mit seiner Übersiedelung nach
Rom. Dort schmückte er vor allem im Vatikan
[* 23] drei Zimmer und einen größern Saal, die in einer Flucht liegenden
sog. Stanzen, mit geschichtlich-symbolischen und biblischen Wand- und Deckengemälden. (Vgl. Gruyer, Essai sur les fresquesdeRaffael Santi au Vatican, 2 Bde., Par.
1858–59.) In ihrer ganzen Größe ist die Aufgabe erst allmählich an den Künstler herangetreten.
Ursprünglich beabsichtigte Julius II. nur eine mäßige Ausschmückung der Räume und übergab dieselbe Malern aus Umbrien
und Siena, wie Perugino, Sodoma u. a. In die Reihe derselben trat, wahrscheinlich durch seinen LehrerPerugino eingeführt, der
junge Raffael Santi; schon nach Fertigstellung der ersten Fresken zeigte es sich, daß Raffael Santi alle Genossen
an künstlerischer Begabung übertraf, infolgedessen ihm die Arbeit ausschließlich überlassen wurde. Ihr weihte er fortan
(1508–20) sein Leben, vollendet wurde sie erst von seinen Schülern.
Im ersten Zimmer, der Stanza della Segnatura (1508–11 ausgemalt), schildert Raffael Santi, an die Anschauungen der Renaissance anknüpfend,
die Mächte, welche das Geistesleben bewegen und das menschliche Dasein ordnen, und führt uns die Gemeinden,
die diesen Mächten huldigen, vor Augen. An der Decke
[* 24] stellte er die Mächte selbst: Theologie, Poesie, Philosophie und Jurisprudenz
in Rundbildern dar und dazwischen in oblongen Feldern Beispiele ihres Waltens: Sündenfall, Bestrafung des Marsyas,
[* 25] Erforschung
der Welt, Salomos Urteil.
Auf den großen Wandbildern treten uns die Gemeinden, welche diese Ideen auf Erden verkörpern, entgegen.
In der sog. Disputa (keine Disputation über die Abendmahlslehre, sondern eine Verherrlichung
des christl. Glaubens) die christl. Gemeinde der Gläubigen um den Altar
[* 26] bei geöffnetem Himmel
[* 27] geschart (gestochen von Jos.
Keller, 1859); im Parnaß die Dichter alter und neuer Zeit um Apollon
[* 28] und die Musen
[* 29] versammelt. Die sog.
Schule von Athen
[* 30] (den Karton dazu bewahrt die Ambrosianische Bibliothek zu Mailand:
[* 31] Kupferstich vonL. Jakoby, 1882) zeigt
die Vertreter der Wissenschaft, vorwiegend griech. Philosophen, von Platon und Aristoteles geführt, wie sie lehren und unterweisen.
In demBilde hat sich Raffael Santi selbst, von rechts mit Perugino in die Versammlung tretend, dargestellt. Vertreter
der Jurisprudenz sind Papst und Kaiser, wie sie den Befehl zur Abfassung der Gesetzbücher erteilen. In dem zweiten Zimmer,
der Stanza d’Eliodoro (1512–14 ausgemalt), beziehen sich die Wandbilder auf den unmittelbaren Beistand, den Gott der Kirche
geleistet. Das erste derselben, das dem ganzen Raum den Namen gegeben, schildert mit wunderbarer Kraft
[* 32] des Ausdrucks die Vertreibung des Heliodorus aus dem Tempel
[* 33] zu Jerusalem
[* 34] durch einen himmlischen Reiter (Makkab. 2,3), mit innerer
Beziehung auf die Befreiung des Kirchenstaates von
seinen Feinden zur Zeit Papst Julius’ II. Ferner ist hier dargestellt:
die 1263 stattgefundene Messe von Bolsena (s. d.), dem ungläubigen Priester gegenüber die Porträtfigur Julius’
II., in Bezug auf Malerei wohl das vollendetste Fresko R.s;
Die sehr beschädigten Deckenbilder stellen vier Scenen aus
dem Alten Testament dar (entsprechend der obigen Reihenfolge der Wandbilder): Jehovah erscheint dem Moses im feurigen Busch,
Opferung Isaaks, Jehovah erscheint Noah, JakobsTraum von der Himmelsleiter. Im dritten Zimmer, Stanza dell’Incendio
nach dem Hauptbild genannt (1514–17 ausgemalt), werden Ereignisse aus der Zeit der Päpste Leo III. und IV. vorgeführt.
Die in Bezug auf dramat. Lebendigkeit bedeutendste Komposition von R.s Fresken im Vatikan ist: Der Brand desBorgo 847 (eine im
Vatikanischen Quartier, dem Borgo, ausgebrochene Feuersbrunst wird von Papst Leo IV. durch das Kreuzeszeichen
von der Loggia der Peterskirche herab gelöscht), einer Schilderung des Brandes von Troja
[* 36] vergleichbar (vorn anscheinend Äneas
mit seinem alten Vater auf dem Rücken).
Das Gemälde wurde noch eigenhändig von Raffael Santi geschaffen: die übrigen Gemälde desselben Saales: Eid Leos III.
vor Karl d. Gr., Kaiserkrönung Karls d. Gr. durch Leo III., Sieg Leos IV. über die Saracenen bei Ostia, wurden nach seinen Entwürfen
und unter seinen Augen ausgeführt. Die Fresken in der vierten Stanze, dem sog. Saale des Konstantin, die Begebenheiten aus dem
Leben dieses Kaisers (insbesondere die SchlachtKonstantins d. Gr. gegen Maxentius) darstellen, sind erst
nach R.s Tode, zumeist von seinem Schüler G. Romano, in Farben ausgeführt, ja teilweise erst entworfen worden.
Eine andere große Arbeit, die Leo X. dem Künstler noch auftrug, war die Ausschmückung der Loggien (s. Loggia) im Vatikan,
die den sog. Hof
[* 37] des heil. Damasus umgeben. Nur im zweiten Stockwerk des westl. Teils hat Raffael Santi die 13 Arkaden
desselben an ihren gewölbten Decken mit 52 (13 X 4) kleinen viereckigen Freskobildern aus der Bibel,
[* 38] besonders dem Alten Testament,
an ihren Wänden und Pfeilern aber mit Ornamenten und Arabesken höchst mannigfaltig und phantasiereich geschmückt. Im Entwurf
rührt das meiste von ihm her; die Ausführung überließ er seinen Schülern G. Romano, Franc. Penni, Perino
del Vaga, Caldara u. a.