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Durch seine Monadologie wurde Leibniz zur Entdeckung der dunkeln oder unbewußten Vorstellungen geführt, wobei er das Bewußtsein als eine Thätigkeit der Verdeutlichung der Vorstellungen erkannte. Die Wolfsche Schule legte der Seele zwei Grundvermögen bei, ein theoretisches oder Erkenntnisvermögen und ein praktisches oder Begehrungsvermögen. Jedes derselben wurde in ein höheres, ausschließlich dem Menschen eigenes, und ein niederes, auch den Tieren zukommendes, eingeteilt.
Andere Wolfianer, namentlich Mendelssohn und Tetens, schoben zwischen Erkenntnis- und Begehrungsvermögen noch ein Gefühlsvermögen als drittes Glied ein. So entstand im 18. Jahrh. auch in Deutschland eine Schule empirischer Psychologie, aus der manche schätzbare Arbeiten hervorgingen, wie die von Reimarus, Tetens, Platner, Tiedemann, Maaß, Moritz u. a. (Vgl. R. Sommer, Grundzüge einer Geschichte der deutschen Psychologie und Ästhetik, Würzb. 1892; M. Dessoir, Geschichte der neuern deutschen Psychologie, Bd. 1, Berl. 1894.) Kants Erkenntnistheorie wurde für die Psychologie dadurch folgenreich, daß sie die Unmöglichkeit einer metaphysisch begründeten, sog. rationalen Psychologie zu erweisen suchte.
Zugleich aber warf er der empirischen Psychologie vor, daß sie niemals zu einer Erkenntnis von der Evidenz der Naturwissenschaft gelangen könne, weil sie der Anwendung der Mathematik und des Experiments unfähig sei. Diesem Mangel suchte Herbart abzuhelfen, indem er alle Vorgänge in der Seele aus Kraftäußerungen der Vorstellungen ableitete, so daß alles, was wir Seelenleben nennen, als ein mechanisch zu stande gekommenes geistiges Gebilde anzusehen ist. Auf diese Weise hat Herbart die sog. Ideenassociation (s. d.), die Reproduktion der Vorstellungen, die Entstehung der Begierden u. s. w. zu erklären gesucht.
Dabei hat er, um einen exakten Ausdruck für die psychischen Gesetze zu finden, die Hilfsmittel der Rechnung benutzt und so den Entwurf einer mathematischen Psychologie begründet. Ein großes Verdienst erwarb er sich durch die scharfsinnige Analyse des Ichbegriffs und die endgültige Beseitigung der für eine Theorie des geistigen Lebens unbrauchbaren Seelenvermögen. Außer ihm hat F. E. Beneke eine psychol. Theorie auf Grundlage des Verhältnisses von Reizen und Anlagen aufgestellt, ohne jedoch seiner Absicht einer rein empirischen, von jeder metaphysischen Betrachtung freien Wiedergabe des innerlich Erfahrenen ganz gerecht zu werden. In einem starken Gegensatze zu diesen Bestrebungen steht die spekulative Psychologie der naturphilos. und der Hegelschen Schule.
Diese bestimmen das Wesen der Seele aus dem Verhältnis des Geistes oder der Ideenwelt zur Materie als der Erfahrungswelt überhaupt, wobei sie von dem Grundsatz ausgehen, daß alles Sein, auch das materielle, wesentlich geistiger Natur ist. Nach diesem Grundsatz gestaltet sich die Seele zum Übergangsglied zwischen Materie und Geist, und die Psychologie zu einer «Geschichte der Seele», d. h. zur Geschichte einer allmählichen Selbstbefreiung der geistigen Substanz aus den Fesseln, von denen sie in der unorganischen Natur umschlossen ist, zunächst zu organischen Trieben, hernach zu Empfindungen und Begehrungen, zuletzt zu intellektuellen Thätigkeiten.
In neuester Zeit hat sich in Anlehnung an die Physiologie der Sinnesorgane eine experimentelle Psychologie herausgebildet, die bemüht ist, die elementaren Thatsachen des Bewußtseins und deren gesetzmäßige Verknüpfung zu Komplexen oder Reihen mit Hilfe äußerer Bedingungen festzustellen. Dieser Bemühung ist zunächst die von Fechner begründete Psychophysik (s. d.) zu verdanken; mit ausgedehntern Hilfsmitteln hat Wundt die experimentelle Psychologie ausgebaut. Unabhängig von den Bestrebungen der Psychophysiker und gestützt auf die Beobachtung der sprachlichen Entwicklung des Kindes hat Steinthal die psychische Mechanik Herbarts neu begründet und zu einer umfassenden psychol.
Apperceptionslehre erweitert (s. Apperception). Derselbe Forscher hat, in Übereinstimmung mit Lazarus, der Individualpsychologie als der Wissenschaft von den an das Individuum gebundenen Bewußtseinsthatsachen die Völkerpsychologie (s. d.) oder psychische Anthropologie als die Wissenschaft von den durch die Gemeinschaft von Individuen hervorgebrachten geistigen Erzeugnissen (Sprache, Sitte, Religion, Kunst u. s. w.) gegenübergestellt.
Litteratur. Auf der Grundlage der Seelenvermögenslehre ruhen: Tiedemann, Handbuch der Psychologie (hg. von Wachler, Lpz. 1804);
G. E. Schulze, Psychische Anthropologie (3. Aufl., Gött. 1826).
Der Richtung der Schellingschen Naturphilosophie folgen: H. von Schubert, Geschichte der Seele (2 Bde., Tüb. 1830; 5. Aufl., Stuttg. 1878);
Carus, Vorlesungen über Psychologie (Lpz. 1831);
ders., Psyche (Pforzh. 1846; 3. Aufl. 1860).
Die Psychologie der Hegelschen Schule geben: Rosenkranz, Psychologie (Königsb. 1837; 3. Aufl., Berl. 1863);
Michelet, Anthropologie und Psychologie (Berl. 1840);
Erdmann, Psychologie (5. Aufl., Lpz. 1873);
Schaller, Psychologie (Weim. 1860).
An Herbarts Psychologie als Wissenschaft (2 Bde., Königsb. 1824-25) schließen sich an: Drobisch, Empirische Psychologie (Lpz. 1842);
ders., Erste Grundlehren der mathematischen Psychologie (ebd. 1850);
Waitz, Lehrbuch der Psychologie (Braunschw. 1849);
Volkmann, Lehrbuch der Psychologie (2 Bde., 3. Aufl., Cöthen 1884-85; 4. Aufl., Bd. 1, 1894);
Ballauf, Die Grundlehren der Psychologie (ebd. 1890);
Strümpell, Grundriß der Psychologie (Lpz. 1884);
Beneke, Lehrbuch der Psychologie (4. Aufl., Berl. 1877);
ders., Pragmatische Psychologie (2 Bde., ebd. 1850).
Hierzu kommen manche zwischen den bisherigen Gegensätzen vermittelnde Arbeiten, wie: George, Lehrbuch der Psychologie (Berl. 1854);
Fortlage, System der Psychologie (2 Tle., Lpz. 1855);
ders., Beiträge zur Psychologie (ebd. 1875);
Lazarus, Das Leben der Seele (3. Aufl., 3 Bde., Berl. 1883-85);
I. H. ^[Immanuel Hermann] Fichte, Anthropologie (Lpz. 1856; 3. Aufl. 1876);
ders., Psychologie (2 Bde., ebd. 1864-74);
Lotze, Medizinische Psychologie (ebd. 1852);
ders., Mikrokosmus (3 Bde., ebd. 1856-64; 4. Aufl. 1884-88);
Höffding, Psychologie in Umrissen (deutsch von Bendixen, 2. Aufl. 1893).
Den Standpunkt der sprachwissenschaftlichen Apperceptionstheorie vertreten: Steinthal, Grammatik, Logik und Psychologie (Berl. 1855);
ders., Abriß der Sprachwissenschaft, Tl. 1 u. d. T. «Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft» (ebd. 1871; 2. Aufl. 1881);
Glogau, Steinthals psychol.
Formeln (ebd. 1876). Anlehnung an die Thatsachen der Physiologie suchen: H. Spencer, Principles of psychology (Lond. 1855; 2. Aufl. 1871-72);
A. Bain, Mental and moral science (ebd. 1868);
Ribot, La psychologie anglaise contemporaine (Par. 1870);
ders., La psychologie allemande contemporaine (ebd. 1879; 2. Aufl. 1884);
Taine, De l'intelligence (4. Aufl., ebd. 1883; deutsch von Siegfried, 2 Bde., Bonn 1880);
W. Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie (Lpz. 1874; 4. Aufl., 2 Bde., 1893);
W. James, Principles of psychology (2 Bde., Neuyork 1890): J. ^[James] Sully (The human mind 1892);
Ziehen, Leitfaden
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der physiologischen Psychologie (2. Aufl., Jena 1893); Külpe, Grundriß der Psychologie auf experimenteller Grundlage (Lpz. 1893). Sammelschriften sind: Lazarus und Steinthal, Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft (Berl. 1861 fg.);
zum größern Teil experimentell-psychol.
Arbeiten erscheinen in den «Philos. Studien», hg. von Wundt (Lpz. 1883 fg.);
Ebbinghaus und König, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane (Hamb. und Lpz. 1890 fg.);
Stanley Hall, The American Jornal of Psychology (1888 fg.);
Balduin und Cattell, The Psychological Review (1894 fg.).
Zur Geschichte der Psychologie vgl. außer den im Artikel genannten Werken noch Siebeck, Geschichte der Psychologie (Tl. 1 in 2 Abteil., Gotha 1880 u. 1884).
Über die gerichtliche oder forensische Psychologie s. Gerichtliche Psychologie.