Protestantisch-bischöfliche Kirche Nordamerikas - Protestantismus
mehr
Kanzel und
Katheder und jede Gewissensknechtung. Der Protestantenverein will nicht eine einseitige theol. oder kirchliche
Richtung zur Alleinherrschaft bringen, sondern nach dem Grundsatz der
Freiheit für die verschiedensten auf dem
Boden der
Reformation
erwachsenen
Richtungen Raum schaffen.
Teils in
Lokal-, teils in Provinzialvereinen, teils durch Generalversammlungen (Protestantentage
genannt) sucht er das kirchliche Interesse zu wecken und seine Ideen zu verbreiten. Der Sitz der Leitung,
früher in
Heidelberg,
[* 2] ist seit 1874 in
Berlin,
[* 3] wo sich der ältere Unionsverein von Anfang an mit ihm verschmolzen hat. Mit
dem Protestantenverein verbunden ist der
Niederländische
[* 4] Protestantenbund und der
SchweizerischeVerein für freies
Christentum. -
Vgl. die
Berichte der einzelnen Protestantentage; das Jahrbuch des Protestantenverein von Hoßbach undThomas (Elberf. 1869-71);
KircheNordamerikas, die seit 1789 organisierte Gemeinschaft der
Anhänger des anglikan.
Bekenntnisses in Nordamerika,
[* 5] zählt 51 Diöcesen, 69
Bischöfe, 3632 Priester, 362 Diakonen und ½ Mill.
erwachsener Gemeindeglieder mit 3974
Kirchen und 223 höhern Lehranstalten.
Ihre oberste
Behörde heißt die Generalkonvention,
die sich aus sämtlichen
Bischöfen und den gewählten
Abgeordneten der Gemeinden zusammensetzt. Diese
Kirchengemeinschaft missioniert
mit großem Eifer unter den Indianern, in
China,
[* 6]
Japan, Haïti
[* 7] und
Liberia.
[* 8] 1873 hat sich von ihr die freiere
reformiert-bischöfliche
Kirche mit jetzt etwa 120 Geistlichen und 109
Kirchen abgezweigt. -
Vgl. Connell, History of the
American
Episcopal Church (Neuyork
[* 9] 1890).
Union, die 4. (14.) Mai 1608 zu
Auhausen geschlossene
Vereinigung der prot. Fürsten,
nämlich
Christians von
Anhalt,
[* 10] des
Herzogs von
Württemberg,
[* 11] der Markgrafen von
Ansbach,
[* 12] Kulmbach und
Baden
[* 13] und des Pfalzgrafen
von Pfalz-Neuburg. An ihre
Spitze trat als Bundesdirektor der Kurfürst
Friedrich IV. von der Pfalz. 1609 traten auf dem
Bundestage
zu Schwäbisch-Hall auch
Straßburg,
[* 14]
Ulm
[* 15] und
Würzburg,
[* 16] 1610 Kurbrandenburg, Landgraf
Moritz von Hessen
[* 17] und
mehrere Reichsstädte bei; ferner schloß die 1608 Protestantische Union1608 ein
Bündnis auf 15 Jahre mit den Generalstaaten, ebenso 1612 einen
Vertrag mit England, das sich zu einer Bundeshilfe verpflichtete, und trat 1613 auch mit Gustav
Adolf von
Schweden
[* 18] in
Verbindung,
vermochte aber trotzdem gegen die 1609 von dem Kurfürsten Maximilian von
Bayern
[* 19] gestiftete kath. Liga
(s. d.) nicht mit ihren Forderungen durchzudringen und löste sich schließlich
nach verschiedenen Mißerfolgen 1621 wieder auf. -
Vgl. Ritter, Geschichte der
Deutschen Union von den Vorbereitungen des
Bundes bis zum
TodeRudolfs II. (2 Bde., Schaffh.
1867-73);
ders., Politik und Geschichte derUnion zur Zeit des Ausganges
Rudolfs II. und der Anfänge des
Königs Matthias
(Münch. 1880).
Gesamtbezeichnung für die aus der
Reformation des 16. Jahrh. hervorgegangenen
Kirchengemeinschaften,
im Unterschiede sowohl von der röm.-kath. als der griech.-orient.
Kirche. Die
Bekenner des Protestantismus heißen
Protestanten. Seinen
geschichtlichen Ursprung hat dieser
Name von der feierlichen
Protestation, die die evang.
Stände
auf dem
zweiten
Reichstage zu
Speyer
[* 20] gegen den alle kirchlichen
Reformen verbietenden Beschluß der Mehrheit eingereicht
hatten. Seit dieser Zeit wurden sie als die protestierenden
Stände bezeichnet, daher der
NameProtestanten zuerst im Munde
der Gegner für alle
Anhänger der deutschen
Reformation aufkam, von diesen selbst aber als Ehrenname aufgenommen
wurde. Allmählich ging derselbe auch auf die
Evangelischen der außerdeutschen
Länder über.
Das Wesen und die ursprüngliche Gestalt des Protestantismus stehen im engsten kulturgeschichtlichen Zusammenhange
mit einer Reihe verwandter Erscheinungen auf andern Gebieten des geistigen Lebens. Überall machte sich am Ende
des Mittelalters ein Erwachen zu geistiger Selbständigkeit geltend, das sich zunächst in dem Bestreben äußerte, sich
durch erneute Vertiefung in die ursprünglichen
Quellen von der Herrschaft eines verunreinigten Herkommens und unklassischer
Autoritäten zu befreien.
Wie die Renaissance in Kunst und Litteratur auf das klassische
Altertum, so ging die religiöseReformation
auf die
Urkunden des
Christentums, die heiligen
Schriften des Alten und
NeuenTestaments zurück, um auf ihrem
Grunde die kirchlichen
Lehren
[* 21] und Ordnungen zu erneuern. Diese
Tendenz ging in der
Reformation aber wiederum aus dem Streben nach persönlicher religiöser
Gewißheit und Selbständigkeit des frommen
Subjekts hervor, das schon längst den Anstoß zur Bekämpfung
aller äußern kirchlichen Heilsvermittelung gegeben hatte.
Wie nachmals die neue, mit
Cartesius anhebende
Philosophie den ganzen
Bestand unsers wirklichen oder vermeintlichen
Wissens untersuchte
und mit
Energie dahin strebte, im unmittelbaren Selbstbewußtsein des denkenden
Ichdie erste schlechthin unumstößliche Gewißheit
zu finden, so suchte die
Reformation persönliche Gewißheit des
Heils in der unmittelbaren innern Erfahrung
des frommen Gemüts. Als das Princip des Protestantismus ergiebt sich infolgedessen in erster Linie die ihrer selbst
gewisse evang. Frömmigkeit, die sich in dem durch die
Heilige Schrift bezeugten ursprünglichen
Christentum als in ihrem Urbilde
wiedererkennt und sich so durch die geschichtliche Offenbarung in Jesu Christo objektiv begründet weiß.
Erst hieraus leitet der Protestantismus die sog. negative Seite seines Princips her,
das
Recht der frommen Subjektivität nämlich, gegen alles äußere
Traditions- und Autoritätswesen und jeden kirchlichen
Gewissenszwang zu protestieren, sofern dieselben vor dem religiösen Gewissen ihr
Recht nicht darzuthun vermögen. Dieses
in sich einheitliche Princip (die Redeweise von einem zwiefachen Princip, dem Materialprincip der
Rechtfertigung
und dem Formalprincip der Schriftautorität, kam erst im Anfang des 19. Jahrh. aus) hat sich
nicht bloß gegenüber dem
Katholicismus, sondern auch innerhalb der eigenen kirchlichen
Entwicklung des Protestantismus als deren vorwärts
treibender
Faktor zur Geltung bringen müssen. Der ältere Protestantismus gewann zunächst nur eine
der kath.
Kirche noch ähnliche kirchliche Gestalt. Er stimmte mit jener nicht bloß in der Festhaltung der in den ersten
fünf bis sechs Jahrhunderten festgestellten Lehrformeln, sondern auch in der Wertschätzung des ganzen dogmatischen
Christentums
überhaupt und in dem Zurückgreifen auf eine unantastbare äußere Lehrnorm überein. Nur fügte er
dem alten
System die
Lehre
[* 22] von der
Rechtfertigung¶
mehr
als neues Dogma ein und sah als Lehrnorm nicht mehr die Kirche, sondern die Heilige Schrift an. Diese wurde von Anfang bis
Ende unmittelbar als Gottes Wort, also alles in ihr Enthaltene als unantastbare Wahrheit betrachtet, ein Standpunkt, dessen
Inkonsequenz allerdings den kath. Gegnern mehr als einen Angriffspunkt bot. Denn
nicht nur gelangte man so zu einer neuen kirchlichen Lehrtradition, die, in den Bekenntnisschriften niedergelegt, als schlechthin
verbindliche Auflegung der Schriftlehre galt; sondern durch die Rechtfertigungslehre war auch eine weit durchgreifendere Neugestaltung
der altkirchlichen Lehrartikel geboten, als man sie damals wagte.
Indessen war dieser dogmatische Protestantismus mit seiner «reinen Lehre», mit seinen theol. «Kontroversen» und mit
seiner Vergötterung des Bibelbuchstabens nur die erste und für die Zeit seiner Entstehung einzig mögliche Weise, in der
das neue, in der Reformation zum Durchbruch gekommene Princip sich Geltung verschaffte. Später hat dann GeorgCalixtus gegenüber
der scholastischen Spitzfindigkeit, die überall bei andern Kirchen fundamentale Abirrungen von der «luth.
Wahrheit» sah, das Gemeinsame in allen christl. Konfessionen
[* 24] betont, der Pietismus an die Stelle dogmatisch-kirchlicher Lehrkorrektheit
die persönliche Herzensfrömmigkeit der Einzelnen gesetzt, die Leibniz-Wolfsche Schule das Recht des Verstandes im Christentum
und die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Begründung der kirchlichen Glaubensartikel vertreten.
Allmählich hatte sich die allgemeine Bildung und Wissenschaft immer mehr von der kirchlichen Bevormundung
befreit und im sog. Aufklärungszeitalter zu Ergebnissen geführt, die mit dem ganzen dogmatischen
Christentum zugleich die bisher von allen Kirchenparteien festgehaltene Meinung von seiner übernatürlichen Entstehung
erschütterten. Der Rationalismus (s. d.) lenkte diese geistige Strömung mitten hinein in die
prot. Theologie, indem er vom sog. positiven Christentum nur die moralischen Wahrheiten stehen ließ, die
Wunder aber möglichst durch natürliche Deutung beseitigte.
Ihm gegenüber suchte der Supranaturalismus wenigstens den Wunderglauben mühsam zu retten, während er von dem altprot. Dogma
ein Stück nach dem andern preisgab. Das Werk des Rationalismus führte sodann die neuere Philosophie durch
Kant, Fichte
[* 25] und Hegel weiter. Aus ihren Arbeiten ging die moderne Weltanschauung hervor, die alles natürliche und geistige
Geschehen, statt auf einen außerordentlichen Machtwillen, auf die der Welt innewohnende vernünftige Gesetzmäßigkeit zurückführte
und folgerichtig mit dem Gottesbegriffe auch die Vorstellungen von Religion, Offenbarung u. s. w. wesentlich umgestaltete.
Der Gefahr, mit der unrettbar verlorenen Form auch den lebendigen Gehalt des christl.
Heilsbewußtseins zu verlieren, trat Schleiermacher mit seinen Untersuchungen über das Wesen der Religion und seiner Neugestaltung
der Dogmatik aus dem frommen Bewußtsein der Christen heraus, aber mit den Mitteln der modernen Wissenschaft und im Geiste der
freiesten, durch keine dogmatische Fessel gebundenen Forschung gegenüber und begründete so als der erste
eine den wissenschaftlichen und künstlerischen Tendenzen des 19. Jahrh. vollkommen ebenbürtig zur Seite tretende, ebenso
prot. als evang. Theologie.
Dennoch führte die Neubelebung der christl. Frömmigkeit zunächst zu einer Wiederholung der
ältern Vorstellungsformen, die zuerst
im neuerwachten Pietismus die philos. und die histor. Kritik, danach
in der durch die polit. Reaktion ermutigten neu-alten Orthodoxie jede Abweichung vom Buchstaben der Schrift und des altkirchlichen
Bekenntnisses proskribierte. Dagegen arbeitet die freie prot. Theologie der Gegenwart an der Aufgabe, in Schleiermachers Bahnen
eine tiefere Versöhnung des Christentums mit der modernen Kultur zu gewinnen.
Der prot. Charakter dieser Richtung erweist sich im allgemeinen in dem Streben, das reine Wesen des Christentums im Unterschied
von jeder unfreien Gebundenheit an irgend welche geschichtliche Erscheinungsform desselben immer lauterer auszumitteln, also
einerseits seinen ewigen religiösen und sittlichen Gehalt in den wechselnden Formen herauszufinden, andererseits durch fortgesetzte
sorgfältige Forschung über die geschichtlichen Ursprünge des Christentums überhaupt und der prot.
Was die äußere kirchliche Gestaltung des Protestantismus anbelangt, so findet sich von Anfang an eine große Mannigfaltigkeit
nicht nur von Kultus- und Verfassungsformen, sondern auch von Gestaltungen des dogmatischen Lehrbegriffs.
Der bedeutendste dieser Unterschiede, der bereits in der Reformationszeit hervortrat, ist der zwischen den Lutheranern (s. d.)
und Reformierten. Derselbe ruht nicht sowohl auf principieller Differenz, als vielmehr auf einer verschiedenartigen Ausprägung
des prot.
Grundprincips. Indessen hat sich trotz der kirchlichen Trennung im Laufe der Zeit eine so durchgreifende
Mischung reform. und luth. Elemente vollzogen, daß die ursprünglichen Unterschiede erst durch
die gelehrte Forschung der Gegenwart klar erkannt und in ihre feinern Beziehungen verfolgt werden konnten. Die Union (s. d.)
beider Kirchen, die sich im 19. Jahrh. zuerst in Preußen,
[* 28] danach auch in einigen kleinern Staaten vollzog, war
daher nicht bloß durch die Indifferenz der Zeit, sondern durch die kirchliche und theol.