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erscheinen diese Gottesmänner einmal als «Seher», dann als Nebiim, was durch Propheten wiedergegeben zu werden pflegt. Die letztern erinnern am meisten an die Gottbesessenen der heidn. Religionen, wie namentlich ihre Schilderung 1 Sam. 10, 5. fg. und 19, 20 fg. zeigt. Sie treten in Scharen auf; beim Schall [* 2] musikalischer Instrumente werden sie von ihren Entzückungen befallen, springen und tanzen, und dieser ekstatische Zustand ergreift unbeteiligte Zuschauer. So heidnisch geartet nun auch dieser Prophetismus in seinen Anfängen gewesen ist, so ist er doch zum mächtigen Hebel [* 3] in der Entwicklung der Religion Israels geworden.
Diese Propheten betrachten Jahwes Sache als die ihre. Daher treten sie für ihn überall da ein, wo seine Rechte geschmälert werden. Das geschah, als unter der Dynastie Omris die Verehrung des tyrischen Baals (Melkart) zugelassen wurde. Als Rächer des verletzten Grundsatzes der Alleinherrschaft Jahwes traten die Propheten auf und es gelang ihnen schließlich, die Dynastie Omris zu stürzen und Jehu, einen eifrigen Jahweverehrer, auf den Thron [* 4] zu heben. Männer dieser Art sind Elias (s. d.) und Elisa (s. d.), von denen nur wenige Aussprüche erhalten sind. Es scheint, daß sich die Propheten vielfach zu gemeinsamem Leben unter Leitung eines Meisters zusammengethan haben. Solche Vereine heißen bei Luther Prophetenschulen, die Glieder [* 5] einer solchen Prophetenkinder.
Auf eine neue höhere Stufe trat das israel. Prophetentum im 8. Jahrh. in der Bewegung der schriftstellernden Propheten. Dieser Name soll einen charakteristischen Unterschied dieser Propheten von den ältern angeben. Auch sie sind Ekstatiker und Visionäre. Diese jüngern haben auch durch Niederschrift ihrer Gedanken zu wirken gesucht, und solcher Schriften sind viele erhalten. Doch nicht alle Propheten dieser Art haben Schriftliches hinterlassen, und der charakteristische Unterschied vom ältern Prophetentum besteht vielmehr in der höhern Auffassung von Jahwe als einem gerechten Gotte, der von seinem Volke die Erfüllung seiner sittlichen Gebote verlangt.
Hieraus ergab sich für die Propheten das Urteil vom sündigen Israel. Es genügt Jahwes Anforderungen nicht und muß also bestraft werden, wenn es sich nicht bekehrt. Daher ist es die Aufgabe der Propheten, Israel zur Buße zu rufen. Die Hand [* 6] Jahwes erkennen die Propheten aber in der Weltgeschichte. Jahwe hat die Weltmächte in Bewegung gesetzt, um sein Volk zu züchtigen und das unbußfertige zu vernichten. Durch diese Verkündigung vom Untergang des Staates treten sie in den schärfsten Gegensatz zu der öffentlichen Meinung.
Ebenso durch ihr Urteil über den Kult, worin sie nicht nur nicht den Jahwes Willen entsprechenden Ausdruck der Frömmigkeit Israels anzuerkennen vermögen, sondern der bei seiner heidn. Art dazu beiträgt, das Volk zu entsittlichen. Da aber Jahwe nicht nur ein gerechter, sondern auch ein sein Volk liebender Gott ist, so erkennen sie in der bevorstehenden Strafe einen Liebesplan Gottes. Vekehrt sich Israel, so stellt Jahwe es wieder ber und giebt ihm alle verlorenen Güter zurück (Messianisches Reich).
Durch diese neuen religiösen und ethischen Gedanken ist im Zusammenhange mit den äußern Schicksalen Israels die alte Volksreligion Israels zu dem ethischen Monotheismus des Judentums umgebildet worden, der der Mutterboden des Christentums ist. Aus dem Landesgott Jahwe, der ein Gott neben andern ist, wird der Schöpfer und Erhalter der Welt, der seinem Volke Israel sich historisch offenbart hat. Es wird der Gedanke eines Israel absolut verpflichtenden sittlichen Gesetzes erfaßt und es bildet sich die Hoffnung auf ein Gottesreich. Da das Christentum die vorherige Entstehung dieser drei Gedankenreihen zur Voraussetzung hat und dieselben ein Erzeugnis der prophetischen Bewegung sind, so verknüpft man häufig direkt Christentum und Prophetismus.
Doch das Christentum knüpft durchweg an diejenige Gestalt dieser Ideen an, die es im Judentum vorfand. Fehlerhaft ist eine im Christentum sehr verbreitete Betrachtungsweise, wonach die Propheten Einzelheiten aus dem Leben Jesu und den Schicksalen der Kirche geweissagt haben. Dieselbe stammt aus den ältesten Zeiten der Kirche und erklärt sich aus der damals gegebenen Notwendigkeit, die neuen Gedanken des Christentums durch einen Beweis aus der Schrift zu legitimieren. Dieser Versuch wurde mit Mitteln der damaligen jüd. Exegese unternommen und hat nur noch histor.
Interesse. In der prophetischen Litteratur des Alten Testaments sind nicht bloß die Reste der Schriften der schriftstellernden Propheten gegeben, sondern mit denselben sind exilische und nachexilische Schriften vereinigt, die den Gedanken der alten Propheten weiter führen und vertreten. So lassen diese Schriften die allmähliche Projektion [* 7] der Gedanken der Propheten über das religiöse Leben des Volks übersehen. Da nun andererseits das Gesetz ein Produkt der Auseinandersetzung zwischen Prophetie und volkstümlicher Religion Ist, so erklärt es sich, daß die Schriften der Propheten den Schlüssel für das Verständnis des Pentateuchs und seiner Entstehung bilden.