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Demonstrationen der augustenburgischen Partei gegen P. nicht nur geschehen ließ, sondern sogar begünstigte. Seit Ende März 1806 gestaltete
sich die
Lage aufs
schlimmste. Der preuß.
Annexion beizustimmen war
Österreich
[* 2] nicht gewillt. Die Hinweise
Österreichs auf
Kompensationen durch
Abtretung schles. Gebietes fanden bei der preuß. Regierung
keinen
Boden. Noch im März 1866 ging das Ministerium
Bismarck mit einer
Wendung vor, die keinen Zweifel
ließ, daß es entschlossen sei, dem etwa entstehenden
Kriege eine
Ausdehnung
[* 3] auf
die deutsche Frage überhaupt zu geben. In
einer Cirkulardepesche vom 24. März fragte P. bei den einzelnen deutschen Regierungen an, ob und wie weit es bei
einem Waffenkampfe mit
Österreich auf
ihre Unterstützung rechnen könne, und kündigte auch P.s Vorgehen in der Bundesreform
an.
Gleichzeitig führten die von langer
Hand
[* 4] her angeknüpften Verhandlungen mit
Italien
[* 5] zu dem Allianzvertrage vom
worin die ital. Regierung sich verpflichtete, P. bei der
Reform der deutschen Bundesverfassung zu unterstützen,
wenn dies ihm bei der Erwerbung
Venetiens behilflich sei.
Nun stellte P. 9. April beim
Bundestage den
Antrag auf
Berufung eines deutschen Parlaments aus allgemeinen direkten
Wahlen zum Zweck
der
Beratung einer neuen Bundesverfassung. Das war das Signal zur Sonderung der Parteien am
Bundestage.
In den ersten
Tagen des
Mai erfolgte dann sowohl in P. wie in
Österreich die Mobilmachung, und die Mittelstaaten folgten. Der
Krieg war unvermeidlich
geworden, als P. eine Verletzung des Gasteiner
Vertrags seitens
Österreichs mit dem Einrücken von
Truppen in Holstein beantwortete
und der
Bundestag 14. Juni den
Antrag
Österreichs auf
Mobilmachung gegen P. annahm.
Völlig unausgeglichen war noch zu Anfang des
Krieges die Kluft zwischen Regierung und Landesvertretung. Der Landtag, eröffnet,
verharrte auf
seinem einseitigen Rechtsstandpunkt und wurde in gegenseitiger Verbitterung schon geschlossen, noch
ehe das
Budget des lauf
enden Jahres beraten worden war. Die Regierung sah sich somit auf
ihre eigenen
Mittel beschränkt; ein
Staatsschatz von mehr als 20 Mill. Thlrn. und andere bedeutende Hilfsquellen standen ihr zu Gebote.
Als aber der Ernst des Krieges herantrat und die ersten Siegesnachrichten aus Böhmen [* 6] kamen, änderte sich über die Köpfe der Volksvertretung hinweg rasch das Verhältnis zwischen Volk und Regierung. In der Hauptstadt kündigte sich der Umschwung durch Ovationen an, die dem König und dem Ministerpräsidenten 29. Juni dargebracht wurden. Der Sieg von Königgrätz [* 7] (3. Juli) steigerte das kriegerische Selbstgefühl des preuß. Volks zu hoher Begeisterung. (S. Deutscher Krieg von 1866.)
Der gewaltsamen, aber glorreichen Lösung des österr.
Konflikts folgte die friedliche Lösung des innern
Konflikts. Die Neuwahlen für das 9. Mai auf
gelöste Abgeordnetenhaus erfolgten 3. Juli. Das
Volk hatte wenig Verständnis mehr für
die Forderungen der Opposition, daß auch jetzt noch, nachdem die Regierung die nationale Fahne erhoben hatte und im
Begriff
war, die
Führung
Deutschlands
[* 8] zu übernehmen, derselben die
Mittel für die Armeeorganisation verweigert
werden sollten.
Die Fortschrittspartei verlor gegen 100 Sitze an die Konservativen; die Liberalen hatten kaum noch eine Mehrheit von 70
Stimmen.
Und auch diese zerfiel bald darauf
, da ein
Teil der
Liberalen eine die Regierung in ihrer auswärtigen Politik unterstützende
Mittelpartei (später nationalliberale Partei) gründete, wahrend die äußerste Linke unter Hoverbeck
und
Virchow in ihrem Doktrinarismus verharrte. Bei der Eröffnung des Landtags 5. Aug. kündigte der König die Gründung eines
neuen
Bundes, die Einberufung einer
Volksvertretung der
Bundesstaaten und das Verlangen der
Indemnität für die seitherige budgetlose
Verwaltung an. Der König erkannte offen an, daß die Finanzverwaltung der letzten Jahre der gesetzmäßigen
Grundlage entbehrt habe.
Die Indemnitätsvorlage wurde 3. Sept. mit 230 gegen 75 Stimmen angenommen. Am 7. Sept. wurde die in einer königl. Botschaft vom 17. Aug. verkündete Einverleibung von Hannover, [* 9] Kurhessen, Nassau, Frankfurt [* 10] in die preuß. Monarchie angenommen, und durch das Patent vom wurde auch Schleswig-Holstein, [* 11] mit Ausschluß eines kleinen an Oldenburg [* 12] abgetretenen Bezirks, einverleibt. Auch ward der Regierung 25. Sept. ein außerordentlicher Kredit von 60 Mill. Thlrn. für den möglichen Fall weiterer Verwicklungen mit Frankreich und zur Wiederanfüllung des Staatsschatzes und aus der Kriegsentschädigung 1½ Mill. Thlr. zu Dotationen für den Grafen Bismarck und die Generale Roon, Moltke, Herwarth von Bittenfeld, Steinmetz, Vogel von Falckenstein bewilligt.
Das Wahlgesetz für den Reichstag des zu gründenden Norddeutschen Bundes, das Militärbudget samt den Ausgaben für die Reorganisation, der Vertrag wegen Übernahme der Thurn- und Taxisschen Postverwaltung wurden gleichfalls genehmigt. Die Zahl der aus den neuen Provinzen zu wählenden Landtagsabgeordneten wurde auf 80 festgesetzt; von einer entsprechenden Verstärkung [* 13] des Herrenhauses wurde abgesehen, um nicht dem welfischen Adel sofort Sitz und Stimme damit einzuräumen.
Der Landtag wurde geschlossen. Durch die annektierten Länder, Lauenburg [* 14] mitgerechnet, erhielt P. einen Zuwachs von 72022 km mit 4815700 Seelen, so daß nun das Gesamtgebiet einen Umfang von 347500 km und 23590000 E. hatte. Jetzt erst bildete P. einen auch geographisch einheitlichen Staat. Einen weitern Machtzuwachs erhielt es durch die Gründung des Norddeutschen Bundes (s. d. und Deutschland [* 15] und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 202 b), erregte aber gerade dadurch die Eifersucht Frankreichs (s. d., Bd. 7, S. 110) in einem so hohen Grade, daß P. schon jetzt mit der Möglichkeit eines deutsch-franz. Krieges rechnen mußte. Eine diplomat. Konferenz zu London [* 16] führte zu dem Vertrage vom wonach Luxemburg [* 17] seine neutrale Stellung behielt, P. aber sein Besatzungsrecht daselbst aufgab und die Festung [* 18] geschleift wurde. Wie diese Anträge, so wurde auch der Interventionsversuch der franz. Regierung in dem Streite P.s mit Dänemark [* 19] wegen der nördl. Distrikte Schleswigs von P. zurückgewiesen.
Die Verschmelzung der neuen Provinzen mit dem Königreich P. ging nicht überall ohne Anstoß vor sich. Die Verordnungen über Einführung verschiedener Steuern und über die Verwaltung der in jenen Provinzen vorhandenen Staatskapitalien riefen Unzufriedenheit hervor. Die preuß. Regierung bemühte sich, die Differenzen auszugleichen, indem sie die provinziellen Fonds, die namentlich in Hessen [* 20] und Hannover erheblich waren, für nur provinzielle Zwecke bestimmte. Die Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus ergaben einen ¶
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entschiedenen Sieg für die nationalen Parteien. In das Herrenhaus wurden aus den neuen Provinzen 26 Mitglieder berufen, jedoch ohne dem welfischen Adel dabei ein Wahlrecht einzuräumen; 18 Mitglieder ernannte der König, die übrigen wurden von den größern Städten und den Universitäten präsentiert. Mit Waldeck [* 22] wurde ein Vertrag abgeschlossen, wonach P. die Verwaltung des mit Steuern stark belasteten Ländchens übernahm. Mit dem Kurfürsten von Hessen kam schon ein Entschädigungsvertrag zu stande, auch mit dem Herzog von Nassau und mit dem König von Hannover, dem die Zinsen eines Kapitals von 16 Mill. Thlrn. angewiesen wurden, ohne daß er auf seine Kronansprüche verzichtet hatte.
Als aber der König von Hannover und der Kurfürst von Hessen mit deutlicher Kundgebung von Restaurationsplänen eine preußenfeindliche Agitation unterhielten, jener sogar eine «Welfenlegion» in der Schweiz, [* 23] später in Frankreich aufstellte, verfügte die Regierung 2. und die Beschlagnahme des Vermögens der beiden Fürsten. Das Abgeordnetenhaus genehmigte diese mit der Bestimmung, daß die Wiederaufhebung der Beschlagnahme nur durch Gesetz erfolgen könne.
Mit der Stadt Frankfurt einigte sich die preuß. Regierung dahin, daß alle vormals zu Staatszwecken verwendeten Gebäude und Liegenschaften und sämtliche Eisenbahnen in den Besitz des preuß. Staates übergingen, die Schulden vom Staat übernommen und der Stadt Frankfurt als Ersatz für das verlorene Staatseigentum die Summe von 3 Mill. Fl. übergeben wurde, wovon der Staat 2, der König aus seiner Privatkasse 1 Mill. bezahlte. Den gleichzeitigen Verhandlungen des Norddeutschen Reichstags entsprechend, zeigte sich auch in den Arbeiten des Landtags ein liberaler Zug und der beginnende Einfluß der nationalliberalen Partei. Bei der Bewilligung des hannov. Provinzialfonds im Febr. 1868 eröffnete die Regierung die Perspektive, auch auf die alten Provinzen das Princip der Provinzialfonds und der Selbstverwaltung auszudehnen.. Ein vom Minister des Innern, Grafen Eulenburg, vorgelegter Kreisordnungsentwurf, der 16. bis beraten wurde, fand aber noch nicht die Zustimmung der liberalen Fraktionen und wurde deshalb wieder zurückgezogen.
Zur Deckung eines Deficits von 5400000 Thlrn. forderte der Finanzminister von der Heydt Steuerzuschläge von 25 Proz., fand aber den Widerspruch beider Häuser und nahm seine Entlassung. Sein Nachfolger, Camphausen, legte 4. Nov. einen neuen Finanzplan vor, der eine Steuererhöhung unnötig machte, 14. Dez. vom Abgeordnetenhause angenommen und vom Herrenhause genehmigt wurde. Ebenso wurde der Miquel-Laskersche Antrag, die Regierung aufzufordern, ihren ganzen Einfluß geltend zu machen, daß im Wege der Bundesgesetzgebung die Kompetenz des Norddeutschen Bundes auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt werde, vom Abgeordnetenhause 24. Nov. angenommen. Der Schluß des Landtags erfolgte
Bevor der Landtag wieder zusammentrat, brach der längst drohende Krieg mit Frankreich aus, der mit der gänzlichen Niederlage dieses Staates, mit der Wiedergewinnung der deutschen Provinzen Elsaß und Lothringen und mit der Umwandlung des Norddeutschen Bundes in ein ganz Deutschland umfassendes Deutsches Reich endigte. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 203 b fg., und Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871.) Die preuß. Heeresverfassung bewährte sich sowohl in der Leistungsfähigkeit der Verwaltung und der Truppenkörper, als auch in der Unerschöpflichkeit des Materials an Reserven und Landwehren. Es wurden sogar aus der preuß. Staatskasse den süddeutschen Staaten die ersten Mobilisierungskosten vorgestreckt.
Der vom bis tagende Landtag trat in seiner Wirksamkeit zurück hinter den Ereignissen des gesamten Deutschland. Am erfolgte die amtliche Verkündigung des «Deutschen Reichs» und 18. Jan. fand im Schlosse zu Versailles [* 24] die feierliche Proklamierung des Königs Wilhelm als Deutscher Kaiser statt.
Den innern Verhältnissen P.s wäre jetzt bei hoher Blüte [* 25] der Finanzen eine Zeit der ruhigen Reformthätigkeit beschieden gewesen, wenn nicht der Konflikt zwischen Kirche und Staat einen unheilvollen Riß in der Bevölkerung [* 26] erzeugt hätte, der bald das gesamte öffentliche Leben störend beeinflußte. Die Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas und die Vernichtung der päpstl. Herrschaft in Rom [* 27] Sept. 1870 hatten eine tiefe Bewegung in den kath. Kreisen hervorgerufen, die von Parteiführern, wie Windthorst u. a., geschickt benutzt wurde zur Förderung ihrer welfischen und poln. Nebeninteressen.
Aus den Landtagswahlen des Nov. 1870 ging eine kath. «Centrumspartei» von beinahe 60 Mitgliedern hervor; 56 Mitglieder derselben forderten den Kaiser Wilhelm durch eine nach Versailles gesandte Adresse auf, für Wiederherstellung der weltlichen Gewalt des Papstes zu wirken. Eine solche Einmischung in die Angelegenheiten einer fremden Macht lag der preuß. Regierung ebenso fern wie eine unmittelbare Bekämpfung des Unfehlbarkeitsdogmas selbst. Als aber der Bischof von Ermland den staatlich angestellten Religionslehrer Wollmann in Braunsberg [* 28] wegen Nichtanerkennung der Unfehlbarkeit suspendierte, erklärte die Regierung ihn in seinem Amte schützen zu wollen, da Wollmann seiner Zeit mit Zustimmung der Kirche berufen sei und nichts anderes lehre, als was er vor dem gelehrt habe. Um fortan konsequent nur nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten vorzugehen, hob die Regierung die kath. Abteilung des Kultusministeriums auf.
Sie gewährte auch den hier und da sich bildenden, die Unfehlbarkeit verwerfenden altkath. Gemeinden Schutz. Ferner legte Kultusminister Mühler dem Landtag ein neues Schulaufsichtsgesetz vor, wonach die Aufsicht über alle öffentlichen und privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten dem Staate zustehen, dieser allein das Recht der Ernennung der Orts- und Kreisschulinspektoren haben und der vom Staat erteilte Auftrag jederzeit widerruflich sein sollte. Da das Abgeordnetenhaus wenig Lust bezeigte, mit dem reaktionären Kultusminister dieses Gesetz zu diskutieren, so reichte er seine Entlassung ein. Diese wurde ihm 17. Jan. gewährt und 22. Jan. der Geh. Oberjustizrat Falk zu seinem Nachfolger ernannt. Darauf wurde das Schulaufsichtsgesetz nach heftigem Kampfe mit der Centrumspartei 13. Febr. vom Abgeordnetenhause mit 207 gegen 155 Stimmen und vom Herrenhause 8. März mit 125 gegen 76 Stimmen angenommen. In Übereinstimmung mit dem vom Reichstag ¶