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Frankfurt [* 2] a. M. der Nationalverein (s. d.) gegründet, der die Idee der Centralgewalt, die Vereinigung militär. Führung und einheitlicher diplomat. Vertretung Deutschlands [* 3] unter P. hervorhob. Die preuß. Regierung unterließ es aber, sich über jenes Programm der nationalen Partei zu erklären und sich auf dasselbe zu stützen. Vielmehr beschränkte sie sich darauf, in einigen Angelegenheiten des Bundes eine das Vertrauen der Liberalen erweckende Stellung einzunehmen, so im kurhess. Verfassungsstreit und in den Angelegenheiten Schleswig-Holsteins, und beantragte zunächst eine Reform der Bundeskriegsverfassung. In seinem Entwurf vom Jan. 1860 verlangte es für das Kommando über die Bundesarmee eine Zweiteilung, so daß die zwei süddeutschen Korps an Österreich, [* 4] die zwei norddeutschen an P. sich anschließen sollten.
Dieser Antrag wurde von der Bundesversammlung verworfen, namentlich von den Staaten der sog. Würzburger Koalition vom die sich gebildet hatte, um bei den Abstimmungen am Bunde als eine geschlossene Phalanx aufzutreten. Auch die persönlichen Besprechungen eines Teils der deutschen Fürsten mit dem Prinz-Regenten bei Gelegenheit der Zusammenkunft desselben mit Napoleon 15. bis in Baden-Baden [* 5] waren ergebnislos. Ebenso führten die von P. im Jan. 1860 nach Berlin [* 6] berufenen Konferenzen der Uferstaaten von Ost- und Nordsee, zur Verbesserung des Küstenschutzes, nur mit den kleinern Staaten zu einem Resultat (zu dem Beschlusse, 10 Linienschiffe und 20 Fregatten aufzustellen), fanden dagegen Widerstand an Hannover, [* 7] das auch dem Bau einer Eisenbahn von Minden [* 8] nach dem Jadebusen, soweit die Bahn hannov. Gebiet berühren sollte, die Erlaubnis versagte. So blieb denn für P. nur übrig, zunächst seine eigenen Machtmittel zu verstärken.
Von grundlegender Bedeutung war für P. die Durchführung der Heeresorganisation im eigenen Lande. Die aus den Jahren nach den Befreiungskriegen stammende Wehrverfassung genügte nicht mehr, die Masse der Wehrpflichtigen aufzunehmen, lieh über ein Drittel derselben ganz dienstfrei und drückte dafür die übrigen bis zum 39. Jahre Dienstpflichtigen ganz unverhältnismäßig. Nachdem der Generallieutenant von Roon zum Kriegsminister ernannt worden war, wurde dem Landtage ein Gesetz vorgelegt, das die Dienstpflicht in der Linie auf 3, in der Reserve auf 4, in der Landwehr auf 9, die Gesamtdienstpflicht somit auf 16 Jahre (bisher 19) festsetzte, die Friedensstärke von 150000 Mann auf etwa 213000 erhöhte, eine Aushebung von jährlich 63000 (statt 40000) Rekruten anordnete, die Infanteriebataillone, zur Gewinnung weiterer Cadres, von 135 auf 253 erhöhte und die Einrichtung 18 neuer Kavallerieregimenter verlangte.
Die Landwehr sollte bei einer Mobilmachung geschont, die Linie und die Reserve verstärkt und dadurch die Möglichkeit zur raschen Aufstellung einer starken und schlagfertigen Armee hergestellt werden. Der jährliche Mehraufwand für diese Organisation war zu etwas über 10 Mill. Thlr., die Kosten für die ersten Einrichtungen auf etwa 5 Mill. Thlr. berechnet. An sich war die Stimmung der Mehrheit dem Grundsatze der breitern Heranziehung der Wehrpflichtigen nicht abgeneigt, aber sie forderte vor allem als Erleichterung für das Land die Wiedereinführung der 1833 für die Infanterie schon einmal eingeführten zweijährigen Dienstzeit.
Da hiernach die Annahme des Gesetzes fraglich war, so suchte die Regierung, statt offen die Frage durchzukämpfen, auf einem Umwege ihr Ziel zu erreichen, und brachte 5. Mai einen andern Antrag vor das Haus, der eine außerordentliche Bewilligung von 9 Mill. Thlrn. verlangte, um das Heer ein Jahr lang, bis zum in erhöhter Kriegsbereitschaft halten zu können. Mit Rücksicht auf die unsichere polit. Lage bewilligten nun beide Häuser den außerordentlichen Kredit und erteilten damit, allerdings vorläufig, d. h. bis zum der Militärorganisation ihre Zustimmung.
4) Vom Regierungsantritt bis zum Tode König Wilhelms I. (1861-88). Am starb Friedrich Wilhelm IV., und der Prinz-Regent folgte ihm als König Wilhelm I. auf dem Thron. [* 9] In einer Proklamation vom 7. Jan. erklärte er, daß er seine Pflichten für P. als mit denen für Deutschland [* 10] zusammenfallend betrachte. Zugleich aber ward ausgesprochen, daß die Aufgabe, die P. in und für Deutschland zu erfüllen habe, auf seiner ruhmvollen Geschichte und seiner entwickelten Heeresorganisation beruhe.
Die Militärorganisation wurde aber auch in der Landtagssession von 1861 nicht zum Gesetz erhoben, sondern jene hierfür geforderte Summe, mit einem Abstrich von 750000 Thlrn., nur als außerordentliche Ausgabe bewilligt (31. Mai). Auf erneute Vorstellungen von seiten der Regierung hatte endlich das Herrenhaus das Grundsteuergesetz vom 7. Mai angenommen, das durch Aufhebung der Steuerfreiheit der Rittergüter eine Kompensation für die gesteigerte Militärlast bilden sollte. Nach Schluß des Landtags (5. Juni) zeigte sich die Wirkung des bisherigen Kampfes in einer neuen Parteibildung. Gegenüber der aus der Fraktion «Junglitauen» hervorgegangenen deutschen Fortschrittspartei (s. d.) that sich die Gegenbestrebung der Konservativen in dem gestifteten «Preußischen Volksverein» kund, der das parlamentarische Regiment samt der Ministerverantwortlichkeit verwarf und dafür das Gottesgnaden-Königtum aufstellte. Damit aber kam der Konflikt mit den Anfängern der Fortschrittspartei und des Verfassungsstaates zum Ausbruch.
Bei den Wahlen vom erlangte die Fortschrittspartei die Majorität in der Kammer. In der gehaltenen Thronrede konnte der König, indem er übrigens die schon im Juli 1860 vollendete Militärreorganisation als unumstößliche Thatsache annahm, auf den Abschluß von Militärkonventionen mit einigen kleinern Staaten (Coburg-Gotha, Altenburg, [* 11] Waldeck) [* 12] hinweisen, befriedigte aber damit nicht das Abgeordnetenhaus, das ein energisches Vorgehen in Sachen der Bundesreform vermißte und einer thatenlosen Regierung die Mittel zu einem stärkern Militäraufwand nicht bewilligen wollte. Es nahm 6. März, um der Militärverwaltung die Durchführung der Reorganisation zu erschweren, den Hagenschen Antrag an, wonach der Staatshaushaltsetat künftig mit genauerer Specialisierung der einzelnen Posten vorgelegt und dieser Grundsatz schon auf das Budget von 1862 angewendet werden sollte. Darauf reichte das Ministerium sein Entlassungsgesuch ein, das 18. März angenommen wurde; das Abgeordnetenhaus wurde 11. März aufgelöst.
Es erfolgte die Bildung eines neuen Kabinetts, an dessen Spitze der Fürst Adolf von Hohenlohe-Ingelfingen stand. Graf Bernstorff, von der Heydt ¶
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(Finanzen) und Roon blieben, von Jagow trat für das Innere, Graf zur Lippe [* 14] für die Justiz, von Mühler für den Kultus, Graf von Itzenplitz für die Landwirtschaft ein. Ein Wahlerlaß vom 22. März, der die Landratsämter aufforderte, ihren Einfluß zu Gunsten der Regierung geltend zu machen, hatte keinen Erfolg. Die Wahlen vom brachten der Fortschrittspartei den entschiedensten Sieg; kein einziger Minister wurde gewählt. Der 19. Mai eröffnete Landtag strich 23. Sept. sämtliche Ausgaben für die Reorganisation des Heers. Daneben aber gingen in den Fragen der auswärtigen und der Handelspolitik Regierung und Volksvertretung Hand [* 15] in Hand.
In dieser Lage der Dinge übernahm von Bismarck-Schönhausen interimistisch den Vorsitz im Staatsministerium, während der Fürst von Hohenlohe davon entbunden wurde. Die erste Mitteilung, die Bismarck der Kammer machte, ging dahin, daß die Regierung den vorgelegten Entwurf des Staatshaushaltsetats für 1863 zurückziehe, um ihn in der nächsten Sitzungsperiode nebst einem neuen Reorganisationsgesetz von neuem zur Beratung zu bringen (29. Sept.). Am 1. Okt. trat von Bodelschwingh an von der Heydts Stelle als Finanzminister ein, und Bismarck selbst übernahm 8. Okt. definitiv das Präsidium des Staatsministeriums und das Portefeuille des Auswärtigen, während Graf Bernstorff ausschied. Der Konflikt der Regierung mit dem Abgeordnetenhause trat offen zu Tage, als das Herrenhaus durch den Beschluß vom das von dem Abgeordnetenhaus verkürzte Budget verwarf und das von der Regierung aufgestellte unverkürzt in seiner ursprünglichen Form annahm. Das Abgeordnetenhaus antwortete darauf 13. Okt. mit einer Resolution, daß der Beschluß des Herrenhauses gegen die Verfassung verstoße und widerrechtlich, somit null und nichtig sei. Es hatte schon 7. Okt. den Fall für verfassungswidrig erklärt, daß die Staatsregierung eine Ausgabe verfüge, die das Haus definitiv abgelehnt habe. Noch am 13. Okt. wurde der Landtag geschlossen. Die Mehrheit der Bevölkerung [* 16] zeigte sich mit dem Verhalten der Abgeordneten völlig einverstanden und wählte die meisten derselben wieder. Am übernahm an Stelle von Jagows der Graf Eulenburg das Ministerium des Innern und von Selchow erhielt das Ministerium des Ackerbaues.
Eine Adresse des neuen Abgeordnetenhauses gestaltete sich zu einer Anklage gegen die Minister, welche die Regierung in verfassungswidriger Weise ohne Etat führten und Ausgaben bestritten, welche die Kammer gestrichen habe. Ein neues Motiv des Zwiespalts trat hinzu, als die Regierung aus Anlaß des Aufstandes in den russ.-poln. Provinzen Ende Januar eine Konvention mit Rußland abschloß (8. Febr.), ohne dem Parlament über den Inhalt derselben Eröffnung zu machen. Ein parlamentarischer Konflikt zwischen dem Kriegsminister Roon und dem Vicepräsidenten Bockum-Dolffs verschärfte den Streit (11. Mai). Als nun das Abgeordnetenhaus einen Wechsel der Personen im Ministerium und einen Wechsel des Systems forderte, antwortete die Regierung 27. Mai mit dem Schluß der Session. Ihr nächstes Bestreben richtete sich nun darauf, die liberale Bewegung, die das ganze Land ergriffen hatte, durch strenge Mittel der Verwaltung, namentlich durch interimistische Aufhebung der Preßfreiheit zu unterdrücken. Eine Ordonnanz vom stellte die Presse [* 17] unter die Aufsicht der Regierungs- und Polizeibehörden.
Der deutschen Frage gegenüber nahm das Ministerium Bismarck von Anfang an eine entschiedene Stellung ein. P. verlangte entschieden die Gleichstellung mit Österreich hinsichtlich des Vorsitzes und der Leitung des Bundes und eine nicht aus Delegationen der Landtage, sondern aus direkten Wahlen nach dem Maßstab [* 18] der Bevölkerung der einzelnen Staaten hervorgehende Volksvertretung mit reichlich zugemessenen Befugnissen. In der Hoffnung, durch ihre Haltung in dieser Frage das Vertrauen des Volks wiedergewonnen zu haben, löste die Regierung das Abgeordnetenhaus auf.
Aber niemand traute der Aufrichtigkeit der Regierung, die für Deutschland ein Volksparlament begehrte, während sie im bittersten Streit mit der eigenen Volksvertretung lag. Trotz aller Anstrengung brachte sie nur 37 ihrer Kandidaten durch. Die erste Thätigkeit des 9. Nov. eröffneten Abgeordnetenhauses erstreckte sich auf die Verwerfung des vorgelegten Preßgesetzes vom 1. Juni. Diese Fragen traten aber augenblicklich in den Hintergrund vor der großen Aktion in Schleswig-Holstein [* 19] (s. d.), die sich seit dem Tode Friedrichs VII. von Dänemark [* 20] in P. vorbereitete.
Das Ministerium Bismarck nahm in dieser Sache eine Stellung, die mit den Wünschen der Nationalgesinnten zunächst keineswegs im Einklang stand (s. Deutschland und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 200), und geriet dadurch in einen neuen Konflikt mit dem Abgeordnetenhause, das dem Ministerium eine Anleihe von 12 Mill. Thlrn. zur Bestreitung der durch die schlesw.-holstein. Verhältnisse gebotenen außerordentlichen Ausgaben verweigerte. Die Regierung wußte sich aber doch die Mittel zur Kriegführung zu verschaffen und hatte schon nach wenigen Wochen große Erfolge aufzuweisen. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864.)
Der preuß. Landtag war inzwischen geschlossen worden. Der 1. Aug. abgeschlossene Waffenstillstand wurde zu Wien [* 21] in einen definitiven Frieden verwandelt, in welchem Dänemark die Herzogtümer an Österreich und P. zu gemeinsamem Besitz abtrat; doch kam es schon im folgenden Jahre zu fortwährenden Reibungen zwischen den beiden Großmächten (s. Deutschland und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 201). Unterdessen war auf dem handelspolit. Gebiete die Krisis glücklich vorübergegangen, indem die widerstrebenden süddeutschen Staaten und Hannover zur Erneuerung des Zollvereins auf Grundlage des preuß.-franz. Handelsvertrags die Berliner [* 22] Zollkonferenzen beschickten. Auf den innern Konflikt blieben diese glänzenden Erfolge P.s zunächst noch ohne Einfluß. Obgleich der König bei der Eröffnung des Landtages um nachträgliche Genehmigung der Ausgaben bat, verwarf das Abgeordnetenhaus nicht nur das Militärgesetz und die Reorganisationskosten, sondern auch die Marine- und Kriegskostenvorlage (22 Mill. Thlr.) und erklärte die zum Zweck der Kriegführung geschehene Entnahme von Geldern aus dem Staatsschatze für verfassungswidrig. Der Landtag wurde 17. Juni geschlossen.
Das Verhältnis zwischen P. und Österreich stand jetzt bereits so, daß man mit der Kriegsfrage rechnen mußte. Aber die Konvention von Gastein (s. d.) schob die Entscheidung noch hinaus. Die Spannung trat jedoch aufs schroffste hervor, als der österr. Statthalter in Holstein die ¶