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Bibliotheken aufspeichern konnten (Cicero, Seneca, Quintus Curtius u. s. w.) und benutzten die so erworbene Wissensfülle, um moralphilosophische, mit Beispielen aus dem Altertum und aus ihrer eigenen Erfahrung gewürzte Abhandlungen zu kompilieren. So entstand die ohne Grund Johann I. zugeschriebene «Côrte Imperial» (Handschrift auf der Bibliothek von Oporto), [* 2]
so die «Virtuosa Bemfeitoria» des vielgereisten staatsklugen Infanten Dom Pedro (Handschrift in der königl. Akademie zu Lissabon), [* 3]
so das Handbuch damaliger Staatsweisheit, welches der König Dom Duarte u. d. T. «Der treue Ratgeber» («O leal conselheiro») für seine Gemahlin niederschrieb (Lissab. 1843). Die Geschichtschreibung machte im 15. Jahrh. große Fortschritte. Ein Unbekannter verfaßte die Geschichte des Connétable Nunalvares Pereira: «Estoria ou Coronica do Condstabre de Portugal» [* 4] (Lissab. 1526 u. 1848). Das tragische Geschick des in Afrika [* 5] geopferten «Standhaften Prinzen» behandelte ein treuer Diener und Leidensgenosse, Frei Joam Alvares: «Chronica do sancto Iffante Dom Fernando» (gedruckt 1527 in modernisierter Fassung, und 1730; deutsch von Olfers, 1827). - Der eigentliche Begründer portug. Historiographie, Fernam Lopes (1454), erzählte mit sichtlichem Bestreben, unparteiisch zu berichten, die Thaten der letzten beiden Herrscher erster Dynastie: Peters des Grausam-Gerechten und Ferdinands des Schönen, und voll Begeisterung die Großthaten Johanns I.;
sein dramatisch lebendiger Stil und sein nationaler Sinn passen vortrefflich zu den mittelalterlichen Heldengestalten, die er zeichnet.
Ihm folgte im Amte eines Reichshistoriographen Gomes Eannes de Azurara (gest. 1479), der schwülstiger und mit gelehrterm Apparat die ersten afrik. Eroberungen und ihre Helden malt: «Chronica da tomada de Ceuta», [* 6] «Chronica do Conde D. Pedro de Menezes», «Chronica dos feitos de Duarte de Menezes», «Chronica da conquista de Guiné». Sein Nachfolger im Amt, Ruy de Pina, geleitet die portug. Herrscher bis an die Wende des Jahrhunderts: «Chronica da D. Duarte, D. Affonso V, D. João II» («Ineditos de historia portugueza»).
III. Periode. Mit der Einführung und Nachahmung des klassisch-ital. Stils (1526) durch Sá de Miranda beginnt das goldene Zeitalter der portug. Nationallitteratur, in dem Poesie wie Prosa, Epik, Lyrik und Dramatik, Geschichtschreibung und Roman ihre Blüte [* 7] erreichten. Minder national als in seinen Gedichten ist Sá de Miranda in seinen in portug. Prosa geschriebenen Lustspielen «Die Fremden» und «Die zwei Vilhalpandos», durch die er zwar einer der Väter der portug. Dramatik wurde, aber seiner fast sklavischen Nachahmung des italianisierten Terenz und Plautus wegen ohne Einfluß auf die eigentliche Volksbühne blieb.
Dem von Sá de Miranda gegebenen Impuls folgte mit Glück Antonio Ferreira, der aus Patriotismus nur in portug. Sprache [* 8] schrieb und nur vaterländische Stoffe wählte. Mit «Ines de Castro» gab er den Portugiesen die erste Tragödie im klassischen Geschmack; sein «Eifersüchtiger» («O Cioso») ist eins der frühesten europ. Charakterlustspiele. Um diese beiden bildete sich auf der Universität von Coimbra und in der Residenz eine Schule von gelehrt-höfischen Dichtern, unter welchen Diogo Bernardes und sein Bruder Frei Agostinho da Cruz, Pero d’Andrade Caminha, Dom Manoel de Portugal, Falcão de Resende, Francisco de Sá e Menezes als Lyriker nennenswert sind.
Aber diese klassische Schule der «Quinhentistas» blieb auf die Studierstube und den Salon beschränkt. Das Volk wurde davon wenig berührt. Und doch war gerade damals das Selbstbewußtsein der Portugiesen durch ihre Entdeckungen und Eroberungen in Asien, [* 9] Afrika und Amerika [* 10] gehoben und bis zur Begeisterung gesteigert worden; der Drang, dieses Selbstgefühl auch litterarisch, auch poetisch auszusprechen, war zu lebhaft, um nicht Organe zu finden, und er fand sie auch. So war schon Gil Vicente, der Schöpfer des nationalen Auto, am Anfang des 16. Jahrh. (von 1502 bis 1536) zum Repräsentanten der volkstümlichen Dichtung geworden. So schrieb der schlichte Schuhflicker Gonçalo Annes Bandarra apokalyptische Prophezeiungen über die Zukunft des Vaterlandes: «Trovas em ar de profecias» (gedruckt erst 1644). So wurde Luis de Camões, der größte Lyriker der Halbinsel und gleich bewunderungswürdig in seinen nationalen und klassischen Poesien, zum begeisterten Sänger des nationalen Heroentums.
Unter den Königen Emanuel d. Gr. und Johann III. hatte die Nation den Gipfelpunkt ihrer staatlichen Entwicklung erreicht: unter den Dichtern Gil Vicente und Camões entfaltete sich auch die portug. Poesie zu ihrer schönsten Blüte, und der Portugiesen Heldenthaten drängten den Sänger der «Lusiaden» zur epischen Gestaltung. Und wie um den Lyriker Sá de Miranda sich eine Schule talentvoller Jünger geschart hatte, so ahmten das nationale Auto Gil Vicentes ein halbes Dutzend mehr oder weniger geistvoller Dramatiker nach: Antonio Prestes, Antonio Ribeiro, Chiado, Henrique Lopes, Affonso Alvares, Jeronymo Ribeiro und Camões, der hinwiederum als Epiker durch das geniale Ergreifen des vaterländischen Stoffs zündend auf alle episch beanlagten Zeitgenossen wirkte.
Jeronymo Cortereal schrieb den «Segundo Cerco de Diu» (1576),
Francisco de Andrade den «Primeiro Cerco de Diu» (1589); Francisco de Sá de Menezes wählte Affonso de Albuquerque zum Helden seiner «Malaca conquistada». Doch bald nach der Niederlage bei Alcacer-Kebir (1578) erlosch mit dem Glanz dieses Heroentums auch die künstlerische Schaffenskraft. Die Heldengedichte, welche die Epigonen noch fangen, waren mehr elegische Klaggesänge, wie schon Luiz Pereira Brandäo sein übrigens als histor. Quelle [* 11] nicht zu unterschätzendes Epos über Sebastians Untergang mit richtigem Gefühl «Elegiada» (Lissab. 1588 u. 1785) nannte: Epopöen ohne epische Begeisterung, in denen die lyrischen Partien noch am meisten eigentümliche, nationale Färbung haben, die eigentlich heroischen aber die epische Einfachheit durch den Bombast des auch in der portug. Poesie einreißenden Gongorismus zu ersetzen suchen.
Weder Gabriel Pereira de Castros «Ulyssea» (1636) noch Vasco Mouzinho de Quevedo e Castellobrancos «Affonso Africano» (Lissab. 1611; 1787) sind hervorragende Werke, obgleich das letztere immerhin ein Heldengedicht ist, das seines glücklich gewählten nationalen Stoffs, gelungener Beschreibungen und Episoden und seines fließenden eleganten Stils wegen den «Lusiaden» am nächsten kommt. Durch den Verlust der nationalen und polit. Selbständigkeit der Portugiesen wuchs unter der Herrschaft der drei Philippe von Spanien die Abhängigkeit der Portugiesische Litteratur von der spanischen bis zu dem Grade, daß viele begabte Dichter die Muttersprache freiwillig ganz aufgaben und es vorzogen, ihre Werke ¶
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in span. Sprache zu schreiben. Nur wenige Lyriker dichteten im Geiste des Camões weiter, so z. B. Balthasar de Estaço, Estevam Rodrigues de Castro, Fernam Rodrigues Lobo Soropita, der früheste verdienstliche Sammler und Herausgeber der Rimas des Lusiadensängers, und Frei Bernardo de Brito, aus dessen «Sylvia de Lisardo» (1597) oft Stücke als zweiter Teil des Crisfal-Idylls bezeichnet werden. In der Schäferpoesie haben auch in dieser Periode einige Dichter die nationale Eigentümlichkeit in Sprache, Ton und Färbung treu bewahrt; so Fernão Alvares do Oriente, geb. um 1540, in seinem aus Prosa und Poesie gemischtem Schäferroman TTTTT" (Lissab. 1607 u. 1781). Noch mehr ist dies der Fall in den drei Schäferromanen «Primavera», «Pastor peregrino» und «O desenganado des Francisco Rodrigues Lobo (geb. um 1550), der durch seine geistvolle Abhandlung über höfische Bildung: »Côrte na aldeia e Noites de inverno", der Begründer der rhetorischen Prosa in der Portugiesische Litteratur geworden ist. Endlich verdienen noch die «Ribeiras do Mondego» von Eloy de Soutomayor (Lissab. 1623) und die u. d. T. «Laura de Anfriso» (Evora 1627) erschienenen Schäfergedichte von dem unglücklichen Schwärmer Manoel da Veiga Tagarro (geb. zu Ende des 16. Jahrh.) erwähnt zu werden, der unter die sieben gefeiertsten bukolischen Dichter der Portugiesen gerechnet wird.
Selbst nach der Befreiung von der span. Herrschaft unter Johann IV. von Bragança (1640) blieb die Portugiesische Litteratur zunächst unter dem Einfluß der spanischen und teilte ihre Schicksale. So zeigen sich auch in der portugiesischen alle Ausartungen des Barockstils, d. h. des Marinismus und Gongorismus. Unter den Dichtern jener Zeit verdienen Manoel de Faria y Sousa («Fuente de Aganippe», 4 Bde., Madr. 1644),
Antonio Barbosa Bacellar (1610-63),
die Nonne Violante do Ceo (1601-93) und Dona Bernarda Ferreira de Lacerda wegen der mattsüßlichen «Soledades do Bussaco» genannt zu werden. Von den damaligen Modedichtungen giebt es ein paar Sammlungen, deren Titel allein schon die bombastische Geschmacklosigkeit derselben charakterisieren: «A fenix renascido» (2. Aufl., 5 Bde., Lissab. 1746) und «Eccos que o clarim da fama dá» (ebd. 1761). Eine kritische Auswahl portug. Sonette gab John Adamson im ersten Teil seiner «Lustania illustrata» (Newcastle [* 13] 1842) heraus.
Nur der als Prosaist hervorragende Jacinto Freire de Andrade hatte Mut, Geschmack und Witz genug, um diese portug. Gongoristen auf ergötzliche Weise in einigen parodistischen Gedichten, die leider fruchtlos blieben, zu verspotten. Auf den Bühnen Portugals herrschten die großen span. Dramatiker, zu denen auch einige Portugiesen zu rechnen sind, wie Dicuuante, Mattos Fragozo. Höchstens die eigentlichen Volksschauspiele (Autos, Farsas und Entremeses) wurden in portug. Sprache abgefaßt.
Der große und geniale Geschichtschreiber Francisco Manoel de Mello bereicherte die vaterländische Litteratur nur mit einem Bande lyrischer Gedichte: «As segundas tres musas de Melodino», einer Komödie «O fidalgo aprendiz» und mit mehrern volkstümlichen Hirtengesprächen, nach Art des Miranda. Die einzige umfangreichere dramat. Produktion des 17. Jahrh. in portug. Sprache sind die Possen von Manoel Coelho Rebello, die als «A musa entretenida de varios entremeses» (Coimbra 1658 und Lissab. 1695) erschienen und die ältesten portug. Zwischenspiele dieses Namens enthalten.
Doch erzeugte die Einführung der ital. Opern am Hofe Johanns V., Anfang des 18. Jahrh., eine Art komischer Opern, darunter einige von wirklichem Wert. Diese sind Schöpfungen des geist- und humorvollen brasil. Juden Antonio José da Silva, der bei dem Auto da Fé von 1739 verbrannt wurde. (S. Brasilianische Litteratur.) Die Prosa dieser Zeitepoche nahm ungefähr den gleichen Gang. [* 14] Ritter- und Schäferroman und dramatisierte Novellen kamen während der ersten Hälfte des 16. Jahrh. dem abenteuerlichen Sinn entgegen. Der ungeheure Anklang, welchen der «Amadis» gefunden, führte zur Abfassung zahlreicher Fortsetzungen und Nachahmungen. Nennenswert sind der «Palmeirim d’Inglaterra des Francisco de Moraes, der 1544 geschrieben, aber erst 1567 (in Evora) im Originaltext gedruckt wurde, und das »Memorial das proezas da segunda tavola redonda" (Coimbra 1567 und Lissab. 1867) von Jörge Ferreira de Vasconcellos (gest. 1585),
der die vaterländische Litteratur noch um drei Novellendramen nach Art, doch ohne die Zügellosigkeit, der «Celestina» bereicherte («Comedia Euphrosina», Lissab. 1616 und 1786; «Ulysippo», 1618; «Aulegrafia, 1619). Die »Cronica do Emperador Clarimundo" (Coimbra 1520 und Lissab. 1791), welche der große Geschichtschreiber João de Barros für seinen königl. Herrn Johann III. ersann, versucht die halb histor., halb märchenhaften Erzählungen von den Vorfahren der burgund.
Dynastie zu einem Roman zusammenzufügen. An den bukolischen Ritterroman «Menina e moça» des Bernardim Ribeiro knüpft die Perle der Schäferpoesie, die «Diana» von Jörge de Montemór an, die jedoch, weil spanisch geschrieben, der Litteratur der Schwesternation zugehört. Einen einzigen und mittelmäßigen Novellenschatz brachte Portugal hervor: «Contos e historias de proveito e exemplo» von Gonçalo Fernandes Trancoso (gedruckt 1585 u. 1596), dessen beste Stücke auf internationalem Grunde aufgebaut sind.
Als aber um die Mitte des Jahrhunderts die abenteuerlich-heroischen Entdeckungszüge und Eroberungen der Portugiesen abgeschlossene Thatsachen waren, begannen die geschichtlichen Ereignisse die Phantasie aller Gebildeten viel mächtiger aufzuregen als die matten Nachklänge einer längst ausgelebten Chevalerie. Dasselbe Heroentum, welches die «Lusiaden» erzeugte, begeisterte zu Geschichtswerken, die zwar in Prosa und zum Teil im Chronikenstil geschrieben, aber doch von epischem Hauche durchweht waren. Es entstand allmählich die «Historia tragico-maritima» (Lissab. 1773),
eine Sammlung von Einzelberichten der Indienfahrer über Schiffbrüche und Seeabenteuer. Es entstanden die «Decadas» des João de Barros, fortgesetzt von Diego do Couto und von Antonio Bocarro;
so fühlte sich der natürliche gleichnamige Sohn des großen Affonso de Albuquerque berufen, des Vaters Heldenthaten in seinen «Commentarios» (4 Bde., Lissab. 1557 u. 1774) zu erzählen;
so verfaßte nach dreißigjährigem Aufenthalt in Indien Gaspar Correia seine ausgezeichneten «Lendas da India» (4 Bücher in 8 Bdn., Lissab. 1858-62);
so sammelte Fernam Lopes de Castanheda (gest. 1559) die Daten zu seiner «Historia do descobrimento e conquista da India pelos Portuguezes» (4 Bde., Coimbra 1551 und Lissab. 1833),
worin er nur erzählt, was er selbst gesehen und gehört;
so hinterließ der Apostel der Molukken, Antonio Galvão (1500-57),
ein Werk über ¶