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Könige oder die Könige Philosophen werden», besagt, daß das Staatswesen auf Wissenschaft gegründet werden müsse, und zwar zuletzt auf die Wissenschaft vom Guten. Wissenschaft, und zwar die ganze, von der niedersten bis zur höchsten Stufe, soll durch den Staat zum Instrument der Erziehung, aller Erziehung, zuletzt der Erziehung zur höchsten Sittlichkeit werden. Dabei beachtet Plato sehr wohl die realen Grundlagen jeder Gesellschaftsordnung; sein «Staat» bemüht sich ihnen gerecht zu werden und dabei doch sein ideales Ziel fest im Auge [* 2] zu behalten.
Dadurch kommt denn freilich ein gewisser Zwiespalt auch in sein Staatssystem, den auch er selber offenbar wohl empfand. Durch eine schroffe Scheidung der Stände, einer bloß für die materiellen Grundlagen des Staates sorgenden Klasse von Arbeitern und Gewerbtreibenden, einer von aller Erwerbspflicht befreiten, spartanisch organisierten Kriegerklasse und einer daraus hervorgehenden, durch gründlichste wissenschaftliche Vorbildung vorbereiteten regierenden Klasse sucht er jenen verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Allgewalt des Staates wird dabei in ganz socialistischem Sinne überspannt, der Wert der Individualität, die Freiheit des Einzelnen verkannt, Familie und Privateigentum wenigstens für die obere Klasse aufgehoben, auch die Kunst schlechterdings in den Dienst der sittlichen Erziehung gestellt; Justiz und Gesetzgebung werden überflüssig. Von der Durchführbarkeit seines Staatsideals ist Plato fest überzeugt. Erst in seinem Alter zeigt er sich in dieser Beziehung zu Konzessionen bereit und liefert in seinem letzten Werke, den «Gesetzen», die Darstellung des «zweitbesten Staates», in dem die wissenschaftlichen Anforderungen an die regierende Klasse sehr herabgestimmt, dagegen der Religion ein Anteil an der Organisation des Staatslebens zugewiesen wird, von dem das frühere Werk nichts weiß. Doch schaltet Plato mit den religiösen Vorstellungen völlig souverän, sie sind ihm durchaus nichts mehr als Erziehungsmittel. So tief religiös sein eigener Sinn ist, über Mythus und Kult ist er weit hinaus; er rationalisiert und ethisiert den religiösen Glauben, er löst ihn eigentlich auf in die Erkenntnis der ewigen Ideenwelt. - Der geschichtliche Einfluß der Platonischen Philosophie ist ein kaum zu ermessender gewesen, über die Entwicklung seiner Schule s. Akademie.
Die Neuplatoniker (s. d.) haben das große Verdienst, seine Ideen dem Mittelalter und der beginnenden Neuzeit, freilich nicht in voller Reinheit, lebendig erhalten zu haben. Die Renaissance ist ganz vom Platonischen oder Neuplatonischen Geiste durchtränkt, aber auch die moderne Philosophie, besonders die deutsche, ist von ihm tiefer erfüllt, als es zunächst den Anschein hat. Kants Grundgedanken stehen den Platonischen so nahe, daß es schwerer ist, zu sagen, was beide fundamental unterscheidet, als was sie gemein haben.
P.s Werke wurden herausgegeben von
Stephanus (3 Bde., Par. 1578), Stallbaum
(8 Bde., Lpz. 1821-25), Imm.
Bekker (11 Bde., Lond. 1826),
Baiter, Orelli
und Winkelmann (2
Tle., Zür. 1839-42), K. F.
Hermann
(6 Bde., Lpz. 1851-53; neue Ausg.
1873), Schanz (2 Bde., ebd. 1875-77).
Übersetzungen lieferten (mit Einleitungen) Schleiermacher
(Tl. 1
u.
2, 3.
Aufl. und
Tl. 3, Bd. 1, 2. Aufl., Berl.
1855-62) und H.
Müller (mit Einleitungen von K. Steinhart, 9 Bde., Lpz.
1850-73).
Vgl. K. F. Hermann, Geschichte und System der Platonischen Philosophie (Bd. 1, Heidelb. 1839);
Zeller, Platonische Studien (Tüb. 1839);
Susemihl, Die genetische Entwicklung der Platonischen Philosophie (2 Bde., Lpz. 1855-60);
Überweg, Untersuchungen über die Echtheit und Zeitfolge Platonischer Schriften (Wien [* 3] 1861);
H. von Stein, Sieben Bücher zur Geschichte des Platonismus (Gött. 1862-75);
Ribbing, Genetische Darstellung der Platonischen Ideenlehre (deutsch 2 Bde., Lpz. 1863-64);
G. Grote, Platon and the other companians of Socrates (3. Aufl., 3 Bde., Lond. 1875);
Bonitz, Platonische Studien (3. Aufl., Berl. 1886);
Zeller, Philosophie der Griechen, Tl. 2, Abteil. 1 (4. Aufl., Lpz. 1889);
Zorn, Platonstudien (Wien 1893);
Huit, La vie et l'œuvre de Plato (2 Bde., Par. 1893).
Eine vorzügliche zusammenfassende Übersicht der Platonischen Lehre [* 4] giebt Brandis im 2. Teil seines «Handbuchs der Geschichte der griech.-röm. Philosophie» (Berl. 1843); eine Übersicht der Platonischen Litteratur lieferte Teuffel (Tüb. 1874); weitere Litteratur bei Überweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie des Altertums, Tl. 1 (7. Aufl., Berl. 1886).