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Vuhkrampf und Gnadendurchbruch wurden Schlag- worte dieses deutschen Methodismus. In den Ver- kehr uüt Gott mischte sich ein süßlich-mystischer Ton. Die Gcfühlsfrömmigkeit erstarrte zur Schablone. Die objektive Heilsgewißheit des Erlösten ver- schwamm in lauter innern Erfahrungen und Erleb- nissen; ein stetes Jammern über die gottlose Welt gmg hi^ m Hand [* 2] mit der Vernachlässigung gründ- licher wissenschaftlicher Studien. Auch an krankhaf- ten Verirrungen fehlte es nicht.
Als der Pietismus hoffähig geworden war, gefährdete er sogar die Denk- und Lehrfreiheit; so wurde der Philosoph Wolf (s. d.) hauptsächlich durch ihn aus Halle [* 3] ver- drängt. An den kleinen Höfen von Wernigerode, [* 4] Saatfeld u. s. w. feierte er seine glänzendsten Triumphe, bis endlich die Auftlärungszeit anbracb. Von der Mitte des 18. Jahrh, an verblaßte er medr und mehr und flüchtete sich zuletzt in kleine Gemcin- schaftskreise der «Erweckten» und «Separatisten».
Während der Herrschaft des Nationalismus ver- band er sich mit den Resten der alten Orthodoxie, um dann im 19. Jahrh, unter dem Schutz der Restauration neu gestärkt hervorzubrechen und die in den Freiheitskriegen neugeborene evang. Frömmig- keit in Besitz zu nehmen. Seitdem ist der Unterschied zwischen Pietismus und Orthodoxie fast verschwun- den. Im gemeinsamen Kampfe gegen die freiern kirchlichen und theol. Bestrebungen finden sich die «Konfessionellen» und «Positiven» zusammen, namentlich in Preußen. [* 5]
Anderwärts, wie z. V. in Württemberg, [* 6] wo der Pietismus volkstümlich ge- worden, in vielen kleinen Gemeinschaften lebt und von «Stundenhaltern» gepflegt wird, ohne zu polit. Macht gelangt zu sein, hat er sich in seinem ur- sprünglich religiösen Charakter reiner erhalten und ist dort günstiger Boden für Sektiercrei. Die Aus- artungen des Pietismus werden als «Muckerei» be- zeichnet. In der einseitigen Betonung [* 7] des religiösen Gefühls und in der Zurückstellung Gottvaters hinter den Gottessohn ist er von dem Herrnhutertum der Vrüdergemeine (s. d.) überboten worden.
Vgl. Märklin, Darstellung und Kritik des mo- dernen Pietismus (Stuttg. 1839);
Tholuck, Ge- schichte des Pietismus (Berl. 1865);
die Werke zur Geschichte des Pietismus von H. Schmid (Nördl. 1803);
Hoppe (Leid. 1879), Ritschl (3 Bde., Bonn [* 8] 1880-86);
Sachße, Ursprung und Wesen des Pie- tismus (Wieso. 1884);
Frank, Mysticismus und Pietismus im 19. Jahrh, (im «Histor. Taschenbuch», 1887)^ ?istra.
Aura. oder NuLaico in 1^. ä. (ital., «Mo- saik in hartem Stein») nennt man die in Florenz [* 9] im 17. Jahrh, gefertigte Art Mosaik (s. d.) aus bunt- farbigen, in breiten Flächen verwendeten Steinen. Pietraperzia, Stadt im Kreis [* 10] Piazza Armerina der ital. Provinz Caltanissetta auf Siälien, hat (1881) 11284 E., normann. Zinnenfestung und Handel mit Schwefel,Gips,I^zipi8l^ll^n1i, Getreide [* 11] und ^tändeln. Pietrasanta, Stadt in der ital. Provinz und im Kreis Lucca, [* 12] unweit der Küste, an der Bahn Genua- Pisa, [* 13] har (1881) 3951, als Gemeinde 14382 E., alte Mauern, ein zinnengckröntes Rathaus von 1346 und die Hauptkirche San Martino mit Campanile von 1380. In der Nähe sind Quecksilbergruben. Pietro, Guido da, ital. Maler, s. Fiesole. Pietsch, Ludw., Schriftsteller und Zeichner, geb. zu Danzig, [* 14] bildete, sich auf der Ber- liner Akademie und im Atelier des Porträtmalers Otto zum Maler aus, ging aber später zum Zeich- nen für illustrierte Blätter und Bücher über und schrieb seit 1858 für die «Spenersche Zeitung» die Kunstberichte. 1864 wurde er Mitarbeiter der «Vos- siscben Zeitung» für Kunstkritik, Gesellschaft und Reisen; 1867 ging er für diese Zeitung als Bericht- erstatter über die Weltausstellung nach Paris, [* 15] 1869 für die «Vossische» und die «Schlesische Zeitung» im Frühling nach Athen [* 16] und Konstantinopel, [* 17] im Herbst nach Ägypten [* 18] zur Eröffnung des Sueskanals, 1870 für beide Zeitungen nach Frankreich, wo er im Hauptquartier des Kronprinzen von Preußen als Zeichner und Berichterstatter verweilte. Seitdem unternahm er jährlich, oft für beide Blätter, die er während seines Berliner [* 19] Aufenthaltes mit regel- müßigen Kunstreferaten, Berichten aus dem Gesell- schaftsleben und ähnlichen, stets durch einen flüssi- gen und anmutig plaudernden Stil ausgezeichneten Skizzen versorgt, weite Reisen, so 1876 zu deu offi- ziellen Ausgrabungen nach Olympia, 1877 mit der deutschen Gesandtschaft nach Marokko, [* 20] 1878 und 1889 zu den Pariser Weltausstellungen, 1889-91 zu den Sommerfahrten des Deutschen Kaisers Wil- helm II. nach Rußland, Italien, [* 21] England, Athen und Konstantinopel u. s. w. Er veröffentlichte «Aus Welt und Kunst» (2 Bde., Jena [* 22] 1866),
«Orient- fahrten» (Berl. 1870),
«Von Berlin [* 23] bis Paris» (ebd. 1871),
«Marokko» (Lpz. 1878),
«Wallfahrt nach Olympia» (Berl. 1879),
«Die Klause» (ebd. 1889),
«Geschickte des Vereins Berliner Künstler» (ebd. 1891),
«Wie ich Schriftsteller geworden bin» (2 Bde., ebd. 1892 u. 1894) u. a. Pietschmann, Richard, Orientalist, geb. 24.Eept. 1851 in Stettin, [* 24] studierte zu Berlin und Leipzig [* 25] Orientalia und Erd- und Völkerkunde, widmete sich dann dem Bibliotheksfach und ist seit 1888 Biblio- thekar an der Universitätsbibliothek zu Göttingen [* 26] und seit 1890 ebenda Professor für Ägyptologie und altorientalische Geschichte. Er veröffentlichte u. a.: «H6liii63 ^i'i8ni»^i3t08 nach ä'gypt., griech. und orient. Überlieferungen" (Lpz. 1875) und «Geschichte der Phönizier» (in Onckens «Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen», Berl. 1889); ferner deutsche Bearbeitungen von G. Mafpero, «Gefchichte der Morgenland. Völker im Altertum» (Lpz. 1877) und G. Perrot und Ch. Chipiez, «Geschichte der Kunst im Altertum. Ägyppten» (Lpz. 1884).
Pieve di Cadore, ital. Stadt, s. Cadorc (Pieve di). Pieve di Cento, ital. Stadt bei Cento (s. d.). Piezoelektricität (grch.), die Eigenschaft der Krystalle, durch Druck an verschiedenen Stellen ent- gegengesetzt elektrisch zu werden. Dieselbe ist ins- besondere von I. und Pigafetta Curie (1883), nachher von Voigt u. a. studiert worden. Die Erscheinungen lassen sich ebenso wie jene der Pyroelektricität (s. d.) durch Bestäuben mit Schwefel-Mennigepulver nach dcm Kundtschcn Verfahren sichtbar machen. Die Tafel: Elektricität, [* 1] Fig. 7 zeigt e.in piezoelektri- sches bestäubtes Quarzplättchen. -
Vgl. Voigt, All- gemeine Theorie der piezo- und pyroelektrischen Er- scheinungen an Krystallen (Gott. 1891).
Piezömeter lgrch.), s. Kompressibilität. Pifferari (ital., von pit^i-o, Schalmei), die um Weibnacktcn nach Rom [* 27] kommenden Hirten, welche, in Erinnerung an die Hirten von Bethlehem, vor den Madonnenbildern spielen. Piffero, Musikinstrument, s. Schalmei. Pigafetta, Antonio, der Gefährte Magalhäes' auf deffen Entdeckungsreise, geb. um 1491 in ¶