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einen nie zuvor beobachteten tiefen Wasserstand, und diesen Umstand wollte man benutzen, um der großen Wasserfläche ein
Stück Land abzugewinnen. Als man daher
Mauern und
Dämme zog und den Schlamm von dem entwässerten frei gewordenen Platze entfernen
wollte, stieß man auf regelmäßige Pf
ahlreihen und eine außerordentliche Menge von Thonscherben, Tierknochen,
Gerätschaften und andern Überbleibseln menschlicher Kultur. Ferdinand
Keller nahm sich der Sache mit wissenschaftlichem
Eifer an, sammelte alle Fundstücke und rief das allgemeine Interesse für diese Funde wach.
Bald wurden nun auch an andern
Orten ähnliche Pf
ahlbauten
[* 2] gefunden, und jetzt sind in der
Schweiz
[* 3] schon mehrere hundert bekannt, die fast alle
ein reiches und interessantes Material geliefert haben.
Wahrscheinlich auf etwas seichtern Stellen rammte man Pfähle ein, teils ganze Stämme, teils gespaltene und gewöhnlich zwei und zwei dicht nebeneinander; auf diesen wurden querüber mittels Holzkeilen andere Stämme und Planken befestigt und darauf die kleinen Hütten [* 4] errichtet. Die Pfähle sind meist nicht über 15 cm stark, ihre Länge beträgt je nach der Tiefe des Wasserstandes 3‒5 m; oft wurden aber noch um sie herum ganze Lager [* 5] von Steinen versenkt, um ihnen mehr Halt gegen Wellen [* 6] und Wind zu geben.
Der
Boden der Pf
ahlbauten scheint meist bis 2 m über dem Wasserniveau gestanden zu haben, um
auch von den höchsten
Wellen unberührt zu bleiben. Die Hütten selbst waren ebenfalls aus
Pfählen hergestellt, die von außen
mit einer Lehmschicht bekleidet und mit
Stroh, Rinden und Reisern bedeckt wurden. (S.
Tafel:
Urgeschichte Ⅱ,
[* 1]
Fig. 8.) Die
Größe solcher Pf
ahldörfer ist sehr verschieden. Bei Robenhausen fand man Tausende von eingerammten
Pfählen, die eine
Fläche von 13000 qm bedeckten, ein anderer Pf
ahlbau im Neuenburger See bedeckt sogar eine
Fläche von etwa 60000 qm.
Vor allem für die Wissenschaft von Wert sind die zahllosen Gerätschaften, die man zwischen den
Pfählen in den oft mehrere
Fuß hohen Kulturschichten aufgefunden hat. Auch die ältern Pf
ahlbauten, zu denen besonders die
der Ostschweiz zu rechnen sind, die noch der
Steinzeit
[* 7] angehören, zeigen schon einen verhältnismäßig hohen
Grad von Kultur,
wie ihn wahrscheinlich die ungefähr gleichzeitigen Dolmenerbauer des Nordens nicht aufweisen konnten. Man findet zahlreiche
Steinbeile, fein und regelmäßig geschliffen und poliert, aus Granit, Diorit,
Diabas, Hornblende,
[* 8]
Schiefer,
Jadeit u. s. w.; die kleinern sind oft noch erst mit einer Hirschhornfassung versehen, ehe
sie in den großen Holzstiel eingelassen wurden, wahrscheinlich um ihnen beim
Schlage größere Elasticität zu geben
[* 1]
(Fig. 11
u.
14). Das Abschleifen und Polieren dieser Steingeräte machte man mit Hilfe von Wasser auf Sandsteinblöcken,
die in großer Menge gefunden sind und durch ihre Längsfurchen ihre Eigenschaft als Schleifsteine deutlich zu erkennen geben.
Kleine
Beile und
Meißel
[* 9] aus Nephrit sowie Pfeilspitzen aus
Feuerstein
[* 1]
(Fig. 3
u. 6) lassen sogar schon auf einen Handelsverkehr
nach Norden
[* 10] hin schließen, da beide Gesteinsarten in der
Schweiz nicht vorkommen.
Sehr häufig sind ferner Geräte aus Knochen: [* 11] kleine Beile, Meißel, Pfriemen, Speerspitzen, Pfeilspitzen, Angelhaken u. s. w., dann auch Geräte von Hirschhorn: Hämmer, Pfriemen, Hacken und manche andere Stücke, die Spuren von Bearbeitung zeigen, deren Zweck aber nicht mehr zu erraten ist. Pferde- und Rinderknochen wurden als Schlittschuhe verwandt. Zu verhältnismäßig hoher Entwicklung war selbst schon während der Steinzeit bereits Spinnerei und Weberei [* 12] gelangt, wie die zahlreichen Thonwirtel und viele Reste von Netzen, geflochtenen Matten, einfachen und geköperten Geweben, besonders aus der Pfahlbaustation von Robenhausen, beweisen.
Scherben von zerbrochenen Gefäßen kommen sehr zahlreich vor, doch sind sie während der Steinzeit meist noch ziemlich roh, nicht stark gebrannt und meist ohne Ornament [* 1] (Fig. 12). Was die Tierwelt der Pfahlbauten anbetrifft, so herrschte nach den daselbst aufgefundenen Knochen eine außerordentliche Mannigfaltigkeit. Als Haustiere finden sich bereits in der Steinzeit Kuh, Ziege und Hund, später auch Schaf [* 13] und Schwein, [* 14] von Jagdtieren vor allem der Hirsch, [* 15] dann Reh, [* 16] Elch, Biber, Bär, Wildschwein, Fuchs, [* 17] Dachs und außerdem selbstverständlich die verschiedensten Arten von Fischen. Auch die Anfänge der Landwirtschaft müssen in diese Zeit gerückt werden; sind doch Gerste, [* 18] Weizen, Hirse [* 19] und auch Haferkörner so häufig, daß man, wie auch beim Flachs, einen systematischen Anbau dieser Feldfrüchte annehmen muß; auch Holzäpfel, Pflaumen, Wasser- und Buchnüsse kommen fast in allen Stationen vor.
Als die Bronzekultur vom Süden oder Südosten Europas allmählich vordrang, hob sich dann die Kultur noch mehr. Besonders aus den Pfahlbauten von Mörigen, Auvernier und Corcelettes sind große Massen von Bronzen aller Art ans Tageslicht befördert worden: Armringe, Celte, Nadeln [* 20] (Fig. 9 u. 15), Messer, [* 21] alle möglichen Schmucksachen, [* 22] zum Teil von ganz hervorragender Schönheit und Sauberkeit der Arbeit. Im allgemeinen ist die Zahl der Waffen, [* 23] der Schwerter, [* 24] Dolche und Lanzenspitzen verhältnismäßig nicht sehr groß, was vielleicht auf einen friedliebenden Charakter der Bevölkerung [* 25] schließen lassen könnte.
Einen hervorragenden Aufschwung während dieser Bronzezeit nimmt vor allem die Keramik. [* 26] Die Gefäße werden zwar auch jetzt noch mit freier Hand [* 27] ohne Scheibe gemacht, aber sie zeigen durchweg sehr sorgfältige Arbeit und oft außerordentlich feine Strich- und Punktverzierungen oder geometrische Muster; auch Bemalungen und Überzug mit Graphit ist nicht selten. – Auch in der Eisenzeit finden sich noch Pfahlbauten, wie die berühmte Station von La Tène (s. d.). Diese eisenzeitlichen Pfahlbauten, die bis in den Anfang unserer Zeitrechnung und der röm. Kaiserzeit bewohnt waren, gehören sicher Kelten an, den alten Helvetiern, die Cäsar bekämpfte; auch daß die ältern Schweizer Pfahlbauten keltischen Stämmen angehört haben, ist sehr wahrscheinlich.
Wenn auch nicht in solcher Masse und nicht immer mit so reichhaltigen Funden, sind doch im Laufe der letzten Jahrzehnte noch in manchen andern Ländern ähnliche Pfahlbauten entdeckt worden. Die berühmtesten sind wohl die im Mondsee und Attersee in Österreich [* 28] und im Laibacher Moor, alle drei der Steinzeit angehörig. Auch im deutschen Norden wurden an einzelnen Stellen, so in Mecklenburg, [* 29] in der Mark, in Pommern [* 30] und Ostpreußen [* 31] Pfahlbauten gefunden, die aber, wie es scheint, alle einer viel jüngern Kulturperiode, der slaw. Zeit, angehören.
Die Litteratur über die Schweizer Pfahlbauten ist außerordentlich zahlreich;
besonders zu erwähnen sind: die Pfahlbautenberichte in den «Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft» zu Zürich; [* 32] ferner «Antiqua, Unterhaltungsblatt für Freunde der Altertumskunde» von Messikomer und Forrer (Hottingen ¶
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40 bei Zürich 1883 fg.);
Troyon, Sur les habitations lacustres (Lausanne [* 34] 1860);
V. Groß, Les Proto-helvètes (Berl. 1883); Munro, The lake dwellings of Europe (Lond. 1890).