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Kamel und Pferd [* 2] spielen hier die wichtige Rolle wie in Arabien. Zu den wilden Tieren, welche die Wüste beleben, zu Gazelle, Löwen, [* 3] Hyäne, Schakal u. s. w., gesellen sich noch der die tropische Hitze meidende Bär und der Büffel. Die Vögel [* 4] sind durch 189 Arten vertreten, von denen 127 mit europäischen identisch oder höchstens als vikariierende Nassen zu betrachten sind. Reptilien, besonders Eidechsen, [* 5] sind zahlreich, desgleichen bodenliebende Käser, Spinnen [* 6] und Geradflügler; [* 7] wandernde Keuschrecken verwandeln auch hier die wenigen Kulturgegenden zuweilen in Wüsten. Gefürchtet sind die Saumzecken (s. d.). Schmarotzerwürmer suchen den Menschen häufig heim, unter anderm der Medinawurm.
Bevölkerung. [* 8] Die Bewohner (s. Tasel: Asiatische Völkertypen, [* 1] Fig. 13, Bd. 1,S. 984), deren Gesamtzahl jetzt auf etwa 9 Mill. geschätzt wird, teilen sich in zwei Hauptmassen: Ansässige (Tadschik) und Nomaden (Ilat oder Ilyats). Die Tadschik, die mit verschiedenem sremdem Blute vermischten Nachkommen der alten Perser, Meder und Vaktrier, bilden, wie in Ostiran und in Turan, die Hauptmasse der seßhasten, Ackerbau, Gewerbe und Künste treibenden Einwohnerschaft und sind Schiiten.
Auch hier, in ihrem Stammlande, sind sie Beherrschte und infolge dieser langen Knechtung im Rückgang, trotz ihrer besondern Begabung, Arbeitsamkeit, Formsinns und Lebhaftigkeit, weil die durch Geiz und Falschheit berüchtigte herrschende Klasse auf sie drückt. Zu ihnen in ethnolog. Beziehung sind auch die seueranbetenden Parsen oder Gebern zu rechnen, die in den Provinzen Kerman und Farsistan, namentlich aber um Iesd leben; ferner die nomadisierenden Luren (234000) in Chusistan uud den angrenzenden Gegenden von Kurdistan und Farsistan; endlich die Kurden (675000) in Kurdistan, Aserbeidschan und Chorassan.
Ilat, d. h. die Stämme, werden die zahlreichen (2 Mill.) meist türk. Stämme genannt, die von Westen und Norden [* 9] zu den verschiedensten Zeiten ins Land gekommen sind und welche mit ihren Herden im Sommer auf den Gebirgsründcrn, namentlich den nördlichen, umherziehen, im Winter tiefere Quartiere beziehen und am zahlreichsten in Masenderan und Aserbeidschan sind. Nur ausnahmsweise betreiben sie Ackerbau oder Gewerbe. Sie sind zumeist Sunniten. Außer diesen beiden Hauptmassen giebt es noch 260000 Araber, die in den südl. Provinzen als Nomaden, Räuber und Fischer leben; ferner eine Anzahl Juden (19000), Armenier (43000), hauptsächlich in den nordwestl.
Provinzen, christl. Nestorianer (23000) am Urmiasee, Türken und Zigeuner (20700). Der Charalter des Persers zeigt Lügenhaftigkeit, außerordentlich leichte Auffassungsgabe, aber Unbeständigkeit, wenig persönlichen Mut (die Kerntruppen des Heers sind türk. -
tatar. Stammes) und Lebhaftigkeit des Geistes bei stets gemessener Ruhe. Das Talent zur Erlernung fremder Sprachen ist bemerkenswert, ebenso sein Geschick für schwierige Kleinarbeit. Vor allein liebt der Perser seine schöne Sprache; [* 10] wohl in keinem Lande ist der Sinn für Poesie und Kenntnis der großen einheimischen Dichter so tief ins Volk gedrungen. Stolz ist der Perser dem Europäer gegenüber auf die vieltausendjährige, machtvolle Vergangenheit seines Vaterlandes, wenn er auch nur eine Reihe wertloser Sagen und Legenden kennt. Die Religion des Islam ist ihm reine Formsache, sie hat den Widerstand einer uralten seßhaften Kultur nie ganz überwinden können. Noch jetzt rechnet der pers. Staatshaushalt sowohl wie die ackerbautreibende Bevölkerung nach dem Eonnenjahre, das größte Fest ist das der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, welches noch mit uralten Gebräuchen aus der Zeit des Sonnenknltus begangen wird.
Erwerbszweige. Zuckerrohr wird in Masenderan und Chusistan gebaut, Baumwolle [* 11] gedeiht bis zu 2000 in besonders um Ispahan, Kerman, Iesd sowie im Norden. Opium wird jetzt stark angebaut, besonders in Kermanschah, Vurudschad, Ispahan, Iesd, Kerman, Schiras. Die kaspischen Provinzen sind Sitz des Seidenbaues, serner auck Chorassan. Wein kann bis 2300 in Höhe gezogen werden; die Trauben werden frisch oder getrockner verbraucht. Armenier und Juden keltern den Wein. Obst wird in ganz Persien [* 12] in gebirgigen Distrikten gezogen, besonders Aprikosen, Birnen, Pfirsiche, Pflaumen, Pistazien, im Süden Quitten, Orangen, Citronen, Mandeln, Granatäpfel, Feigen sowie Datteln, namentlich im Südosten.
Obst wird getrocknet nach Rußland exportiert. Der Olbaum gedeiht am Ecsid-rud. Ferner sind Safran, Indigo, [* 13] Henna zu erwähnen, Droguen und Nutzholz mannigfaltiger Art, letzteres aber nur in den regenreichern Landstrichen. Roggen ist nur im Gebirge zu finden, Gerste [* 14] dient als Pferdefutter, Hafer [* 15] fehlt. Reis ist das Hauptnahrnngsmittel; er gedeiht bis 1250 m Höhe, besonders an den Flüssen und in den kaspischen Provinzen. Von besonderer Wichtigkeit ist der Tabakbau.
Die ganze orient. Welt ist auf den pers. Tabak [* 16] (tom^aku) für ihre Wasserpfeifen angewiesen. Auch der türk. Tabak (wwn) wird in den nördl. Provinzen mit Erfolg angebaut. Die Einführung eines Tabakmonopols ist an dem Widerstände der Bevölkerung, namentlich der Geistlichkeit, gescheitert. Die Viehzucht [* 17] ist die Hauptbeschäftigung des nomadischen Teils der Bevölkerung, besonders erstreckt sie sich auf Schafe [* 18] in Kurdistau, Kerman, Chorassan, Luristan, ferner auf Ziegen, weniger auf 'Rindvieh, für welches das Futter meist zu spärlich ist.
Pferde [* 19] sind seltener, Esel, Maultiere sehr zahlreich, ebenso Kamele. [* 20] Fischerei [* 21] wird an der kaspischen Küste getrieben, Perlenfischerei im Persischen Gols; Bergbau [* 22] ist schwach entwickelt, doch hat Persien viel Steinsalz, Naphtha, Schwefel, auch Steinkohle im Elburs, ferner Blei [* 23] und Knpfer. Die Türtisgruben von Nischapur in Chorassan sind wichtig. An Industrie besteht Filz- und Flanellarbeit, Porzellan-, Steingut-, Lederfabrikation, Shawl-, Teppich- und Seidenweberei sowie Wafsenverfertigung.
Von der Regierung und den Großen des Reichs nicht unterstützt, bringt Gewerbe und Kunst keinen lohnenden Erwerb mehr, da die Konkurrenz mit den eingeführten europ. Waren unmöglich ist, für die der Perser große Vorliebe zeigt. Daher kommt es, daß die ehemals berühmten Erzeugnisse der Seiden-, Sammet- und Teppichweberei jetzt in geringer Qualität und großer Menge eingeführt werden. Es ist möglich, daß die Entwertung des Silbers (Einfuhrverbot 1894), wodurch Persien viel an Kaufkraft Europa [* 24] gegenüber verloren hat, der eigenen Industrie zu gute kommt. Die meisten europ. Staaten haben mit Persien Meistbegünstigungsverträge abgeschlossen, welche auf dem russ. Traktat von Turkmanschai basiert sind, wonach europ. Waren 5 Proz. des Wertes an Eingangszoll zahlen. ¶
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Handel und Verkehr. Der geschätzte Wert des Gesamtauhenhandels hat seit Mitte der achtziger Jahre (7-8 Mill. Pfd. St.) stetig abgenommen (1893 und 1894 etwa 5 Mill.), Einfuhrwaren sind: Baumwollwaren, Stosse, Glas, [* 26] Wollwaren, Wagen, Zucker, [* 27] Petroleum, Thee, Kaffee, Droguen. Zur Ausfuhr kommen namentlich: Getrocknete Früchte, Opium, Baumwolle, Wolle, Seide, [* 28] Teppiche, Perlen, Reis, Türkise u. s. w. Die wichtigsten Handelsplätze sind: Buschehr, Schiras, Bendarabbas, Lingeh im Süden, Meschhed, Astrabad, Rescht, Täbris im Norden. (S. diese Artikel.) Fahrstraßen existieren Mischen Teheran-Kaswin-Agha Baba und Teheran-Kum, ferner Täbris-Dschulfa und kurze Strecken um Teheran und Nescht, Lasttierstrahcn von Rescht nach Ägha Baba, von Teheran über Barfcrusch nach Vieschdedi-Sar, der Rest sind Saumpfade und Karawanenstraßen.
Die durch eine engl. Gesellschaft in Angriff genommene Anlage einer großen Handelsstraße von Teheran über Sultanabad (Centrum der Teppichweberei) nach dem Persischen Golf ist infolge ungenügender finanzieller Mittel gescheitert. Dafür wurde eine andere einer russ. Firma bewilligte Straße von Kaswin nach Enseli am Kaspischen Meer 1895-96 hergestellt. An Eisenbahnen besitzt Persien eine Strecke von 18 km Schmalspurbahn von der Hauptstadt nach dem Wallfahrtsorte Schah Abd ulAsim, andere größere Konzessionen sind vergeben, doch nicht in Arbeit genommen.
Von großer Bedeutung ist die Nähe der Transkaspischen Eisenbahn. Telegraphen [* 29] giebt es 6650 km (10320 km Drahtlänge) mit 99 Stationen; Postbureaus bestanden (1892) 95. Seit 1889 giebt es eine kaiserl. Bank mit 80 Mill. M. Kapital, 11 Filialen und vielen Agenturen; sie darf Noten bis zum Betrage von 16 Mill. M. ausgeben und hat das ihr überlassene Bergbaumonopol seit 1890 an die ?6i'8ian Ninii^ Hi^ktZ Ooi'poi-Htion I^imiteä übertragen, welch letztere aber 1894 liquidierte. - Münze ist der Kran [* 30] (s. d.), dessen Wert 1896 nur noch 0,39 M. betrug. Der Goldtoman, eigentlich - 10 Kran, ist jetzt 7,5 M. wert. Gewichtseinheit ist das Miskal - 4,6 F (s. Batman), Längenmaß ist der Zer oder Goß (s. d.).
Verfassung und Verwaltung. Die unumschränkte Gewalt ist in den Händen eines Schah vom turtoman. Stamme der Kadscharen. Ihm zur Seite steht der Ministerrat (N^äsciilis si vu?6rä), bestehend aus Premierminister (8aä6i-aaxam), Minister des Äußern (Vexir äü^iet c!iai'6ä8ck6), Minister des Innern (Nußtauü 61 memklek), der Finanzen (Nu^ir ei memü^k), des Krieges (3i Mi8ü^ä.r), des Kultus, der Bergwerke und Telegraphen (Nueiidir sääauiek), der Post, der Justiz (Voxii-o llä^iet) und dem ersten Ratsherrn (Nu3 eää^nlod).
Diejenigen Viinistcr, welche über Einkünfte aus dem Betriebe verfügen, wie Post, Bergbau, Telegraphen, zahlen dem Schah eine bestimmte Pachtsumme, wofür sie über das Einkommen ihres Nessorts frei verfügen können, ebenso sind die Zollämter, Münze u. s. w. verpachtet. An der Spitze der schiitischcn Priesterschast des Landes steht der Imäm-Dschuma, dessen Amt dem des türk. Grohmufti entspricht; unter ihm stehen sowohl die Männer des Gesetzes, der Scheich ul-Isläm, die Kadis und Mollas, wie die eigentlichen Priester, die Imäms.
Das Recht wird teils nach dem Koran, teils uach altem Herkommen, letzteres besonders in allen das öffentliche und Strafrecht betreffenden Fällen, gehandhabt. Schwere Verbrechen können auch durch eine an den Staat und die Angehörigen zu zahlende Geldsumme geahndet werden. Die Verwaltung der Provinzen wird wie in der Türkei [* 31] von fast unbeschränkten, ganz nach dem Muster ihres Herrn mit der äußersten Willkür verfahrenden Statthaltern, Beglerbegs, auch Hakims genannt, geführt, die meist Prinzen des regierenden Hauses sind, welche den Titel Mirza hinter ihrem Namen führen.
Heerwesen. Die Armee ergänzt sich nach dem Kantonsystem, d. h. jeder Bezirk hat eine bestimmte Anzabl von Mannschaften zu stellen. Die Dienstzeit ist lebenslänglich; das Gesetz von 1875, welches sie auf 12 Jahr beschränkte, ist nie in Wirksamkeit getreten. Die Sollstürke beträgt: 85 Regimenter Infanterie zu 800 Mann (70000 Mann), 4 reguläre Kavallerieregimenter (1600 Mann), irreguläre Reiterei (60000 Mann), 18 Regimenter und 13 Compagnien Artillerie (6300 Mann).
Die im Kriegsfalle aufzubringende Armee dürfte jedoch hinter diefen Zahlen erheblich zurückbleiben. Infanterie und Artillerie sind nur zu einem Drittel unter den Waffen, [* 32] während zwei Drittel beurlaubt sind (jährlicher Wechsel). Die reguläre Kavallerie ist stets präsent, die irreguläre wird nur in Kriegszeiten einberufen. Der Ausbildung der Infanterie ist das österreichische, der der regulären Kavallerie das Reglement der Kosaken zu Grunde gelegt. Die Infanterie ist mit dem Werndlgewebr, die Kavallerie mit dem Berdangewehr bewaffnet, an Geschützmaterial sind etwa 100 Hinterlader (meist Uchatius), 100 gezogene Vorderlader und etwa 1000 glatte Vorderlader aller Kaliber vorhanden; außerdem 300 Kamelkanonen, die nur noch zu Paradezwecken dienen. Arsenal, Pulver- und Patronenfabriken befinden sich in Teheran.
Finanzen. Die Staatseinnahmen stießen zu 82 Proz. aus den Abgaben, die in Geld oder in Naturalien von den Städten, Dörfern und Bezirken nach Taxen aufzubringen sind und fast ausschließlich die ärmern Klassen bedrücken. Christen, Parjen und Juden zahlen kleine Tribute. 15 Proz. fließen aus den Zöllen, Post- und Bergwerkseinnahmen liefern den Rest. Im ganzen wurden 1839/40: 34, 1876/77: 50,1888/89: 54 Mill. Kran eingenommen. 1895/96 betrugen die Einnahmen wegen des Sinkens des Silb'erwertes nur 1,3 Mill. Pfd. St. Von den Ausgaben entfallen 18 Milk Kran anf das Heer, 10 auf Pensionen, 5 auf den Hof, [* 33] 3 auf Apanagen der Prinzen, 2,6 Mill. auf die Verwaltung u. s. w. 1892 nahm die Regierung durch die kaiserl. Bank eine Anleihe im Betrage von 500000 Pfd. St. auf. Das Wappen hat im blauen Feld einen goldenen Löwen auf qrünem Boden schreitend, mit der rechten Pranke einen krummen Säbel schwingend; dinter ihm eine ausgehende goldene Sonne. [* 34] Die Flagge ist weiß mit grünem Rande, mit dem Löwen und der Sonne des Wappens in der Mitte. (S. Tafel: Flaggen [* 35] der Seestaaten.) Orden [* 36] sind: der Sonnenorden (s. d.), der nur vom Schah getragene Aliorden und der 1873 gestiftete Damenorden Neschane-Aftab. ¶