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Frühjahr 59 seine letzte Reise nach Jerusalem [* 2] antrat, um eine bei seinen Heidenchristen gesammelte Liebesgabe für die Armen der Urgemeinde persönlich zu überbringen. Aber als er den Tempel [* 3] zu Jerusalem betrat, machte der Volkshaß gegen den Abtrünnigen vom Gesetz der Väter in gewaltsamer Weise sich Luft. Von den Judenchristen verlassen, fand er als Gefangener Schutz bei der röm. Obrigkeit. Da er als röm. Bürger an den Kaiser appelliert hatte, schickte man ihn nach zweijähriger Gefangenschaft in Cäsarea nach Rom, [* 4] wo er im Frühjahr 62 ankam und zwei Jahre hindurch, wenn auch als Gefangener, das Evangelium verkünden durfte.
Die Neronische Christenverfolgung (Juli 64) hat Paulus schwerlich überlebt. Daß er noch einmal freigekommen sei und abermalige Missionsreisen unter andern auch nach Spanien [* 5] angetreten habe, ist eine unverbürgte Sage. Die spätere Tradition hat überhaupt die Geschichte seines Lebens sagenhaft ausgeschmückt. Es sind noch in verschiedenen Redaktionen apokryphische Akten des Paulus sowie des Paulus und Petrus erhalten. (Vgl. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Bd. 2, 1. Hälfte, Braunschw. 1887.)
Unter dem Namen des Paulus finden sich im neutestamentlichen Kanon 14 Briefe (Paulinische Briefe), von denen, mit Ausnahme des Hebräerbriefs, alle schon in den Eingangsworten als paulinisch sich darstellen. Doch sind von diesen dreizehn nur vier, der an die Galater, der erste und zweite an die Korinther und der an die Römer, [* 6] unzweifelhaft echt und nach Inhalt und Stil jedenfalls am charakteristischsten für den Apostel. Dagegen haben nach dem Vorgange von Bruno Bauer neuerdings die Niederländer Loman, Pierson, Naber, van Manen, sowie der Schweizer Theolog Steck Bedenken erhoben (s. Galaterbrief). Von den übrigen, durch die Schule F. Ch. Baurs (s. d.) sämtlich angezweifelten Briefen sind die an die Philipper, der erste an die Thessalonicher und der an Philemon wahrscheinlich echt, die Pastoralbriefe und der Epheserbrief wahrscheinlich unecht, über den Koloßerbrief und den zweiten an die Thessalonicher ist die Kritik noch nicht abgeschlossen.
Vgl. Ferd. Chr. Baur, Paulus, der Apostel Jesu Christi (Stuttg. 1845; 2. Aufl., 2 Bde., hg. von Zeller, Lpz. 1866-67);
Hausrath, Der Apostel Paulus (Heidelb. 1865; 2. Aufl. 1872);
ders., Neutestamentliche Zeitgeschichte, Bd. 2 (2. Aufl., ebd. 1875);
Lang, Religiöse Charaktere, Bd. 1 (Winterth. 1862);
Holsten, Zum Evangelium des Paulus und des Petrus (Rostock [* 7] 1868);
Lipsius, Der Apostel Paulus (im «Jahrbuch des Deutschen Protestantenvereins», 1. Jahrg., Elberf. 1869);
Renan, Saint-Paul (Par. 1869; deutsch Lpz. 1869);
Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus und ihre Stellung innerhalb seiner Heilslehre (Kiel [* 8] 1872);
Pfleiderer, Der Paulinismus (Lpz. 1873; 2. Aufl. 1890);
Holsten, Das Evangelium des Paulus (Bd. 1, 1. Abteil., Berl. 1880);
Pfleiderer, Das Urchristentum (ebd. 1887);
Weizsäcker, Das apostolische Zeitalter (2. Aufl., Freiburg [* 9] 1889);
Jouard, Saint-Paul ses missions (Par. 1893).