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Sanskritlitteratur bietet von der ältern Vergangenheit nur mythische Überlieferungen. Den ersten, einigermaßen festen Punkt in der ind. Chronologie bezeichnet Buddhas Tod (gegen 480 v. Chr.); frühern Perioden lassen sich nur vermutungsweise Grenzen [* 2] innerhalb mehrerer Jahrhunderte anweisen. Bekannt ist, daß aus den Gebirgsländern im Nordwesten von Indien ein Volk kaukas. Abstammung (Arier, s. d.) in die niedern Gegenden hinabstieg, die Ureinwohner unterwarf und höhere Bildung unter ihnen verbreitete.
Nach den astron. Untersuchungen H. Jacobis fällt diese Einwanderung der Arier vor das Jahr 4000 v. Chr. Aus der Vermischung dieser verschiedenen Völker entstand das heutige Hinduvolk. Die religiöse Anschauung war im Anfang eine Art von Naturdienst, reiner und geistiger als später, nachdem sie, unter schärferer Ausbildung des Kastenwesens, in einen vielgestaltigen Götzendienst entartet war. In der frühesten Periode war Hindustan in eine große Anzahl einzelner Staaten geteilt, wie Ajudhja, Magadha u. a., an deren Spitze Radschas, d. i. Könige, Fürsten, standen, von denen oft mehrere zusammen einem Oberkönig oder Maharadscha gehorchten.
Die Brahmanen oder Priester, als Abfasser und Bewahrer der Gesetze, hatten von den ältesten Zeiten an einen großen und unheilvollen Einfluß auf die Gestaltung des Staatswesens und die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten. Religiöse Bewegungen, wie z. B. das Aufblühen des Buddhismus, veranlaßten von Zeit zu Zeit große Aufregung der Gemüter. Religion und Kultur wurden von Hindustan aus nach dem Dekan und nach Ceylon, [* 3] auch in andere Länder, so z. B. nach den Inseln Java und Bali, verpflanzt.
Die Griechen besaßen lange nur unbestimmte Nachrichten über Indien. Erst seit dem Kriegszug Alexanders d. Gr. (326 v. Chr.) wurde Ostindien [* 4] ihnen bekannter. Seit dieser Zeit bestand zwischen den Griechen und Indien Handel zur See und Karawanenhandel über das Schwarze Meer und Vorderasien, auch über Ägypten. [* 5] Nach Alexanders d. Gr. Tode herrschte der ind. König Sandrakottus (sanskr. Tschandragupta) über die ganze Gegend vom Indus bis zum Ganges. Seleucus Nikator, der König von Syrien, drang gegen ihn angeblich bis nach Palimbothra (Patna) am Ganges vor, und der Enkel des Seleucus Nikator, Antiochus Theos, schloß mit dem Enkel Tschandraguptas, dem berühmten buddhist.
König Asoka, 256 v. Chr. einen Vertrag. Im nächsten Jahrhundert eroberte Eukratides das heutige Haidarabad in Sindh und sandte Expeditionen nach Katschh und Guzerat (181-161 v. Chr.); am weitesten aber nach Indien hinein wurde das Baktrisch-Griechische Reich (um 100 v. Chr.) von dem König Menander ausgedehnt. Mit dem Verfall jenes Reichs gingen auch die ind. Grenzprovinzen der griech. Herrschaft verloren, aber der griech. Einfluß auf Indien ist seit jenen Zeiten sehr merklich. Später traten auch die Römer [* 6] mit Indien in Verbindung, und mehrere ind. Gesandtschaften an röm. Kaiser werden erwähnt.
Vom ersten vorchristl. bis zum Ende des zweiten nachchristl. Jahrhundert währte die Fremdherrschaft der Çakas oder Indoskythen, eines turanischen Volksstammes, über Nordindien. Von diesen dem Buddhismus anhängenden Fürsten war der bedeutendste Kanishka oder Kanerki (im 1. Jahrh. n. Chr.). Verhängnisvoll für Indien war das Auftreten des Islam mit seiner fanatischen Kriegslust, infolgedessen vom 11. Jahrh. an eine Reihe Eroberer in Indien eindrangen, die eigentümliche Kulturentwicklung störten, die Unabhängigkeit der nördl. Staaten vernichteten und fremde politische, religiöse und sociale Elemente zur Geltung brachten.
Nur in dem südlichern Dekan erhielten sich unabhängige ind. Dynastien, während das eigentliche Hindustan seitdem, einzelne Teile ausgenommen, nie wieder zur Unabhängigkeit gelangte. So herrschten in Indien die mohammed. Dynastien der Ghasnewiden, der Ghuriden, mehrerer afghan. Eroberer und diejenige Timurs, bis endlich Babar, ein Nachkomme Timurs, 1526 das Reich der Großmoguls (s. d.) gründete, das in der Zeit seiner Blüte [* 7] unter Akbar und Aurangseb ganz Hindustan und den größten Teil vom Dekan umfaßte. Die Residenzen der Moguls waren Dehli und Agra. Es gab unmittelbare, von Nawwabs regierte, und mittelbare, eigenen Radschas erblich unterworfene Provinzen, die dem Mogul nur tributär waren.
Im Anfang des 16. Jahrh. hatten die Portugiesen unter Almeida und Albuquerque auf den Küsten Indiens bedeutende Besitzungen (s. Goa) erworben, mit denen sie fast 100 Jahre den ostind. Handel beherrschten. Zu Anfang des 17. Jahrh. traten die Niederländer an ihre Stelle und eigneten sich den Alleinhandel mit Ostindien für längere Zeit an. Fast gleichzeitig mit den Niederländern traten auch die Engländer als Mitbewerber um die Vorteile des Handels mit Ostindien auf, und 1600 fand die Stiftung der Englisch-Ostindischen Compagnie statt. (S. Ostindische Compagnien.) Auch den Franzosen gelang es, in Ostindien einige Territorialbesitzungen mit dem Hauptort Pondichéry zu erwerben.
Mit ebenso viel Gewandtheit und Beharrlichkeit als Glück verfolgte anfangs der franz. Gouverneur Dupleix seinen Plan zur Vertreibung der Engländer. Allein seine Regierung unterstützte ihn nicht, rief ihn 1754 ab, und so gingen für die Franzosen im Frieden zu Paris [* 8] (1763) alle von Dupleix im Süden der Halbinsel errungenen Früchte wieder verloren. Zu gleicher Zeit war auch ein Umschwung der Dinge in Bengalen erfolgt. Müde der Bedrückungen, die sich Siradsch ud Daula, der halb unabhängige Nawwab des im Verfall begriffenen Reichs des Großmoguls erlaubte, und gereizt durch einen Überfall, bei dem Kalkutta [* 9] erobert wurde und 123 Engländer in einem Kerker, dem «Schwarzen Loch» (black hole), umkamen, griffen die Engländer zu den Waffen, [* 10] und besiegten zuerst unter Clive bei Plassy dann in mehrern Feldzügen den Feind so völlig, daß sich ihre Herrschaft am untern Laufe des Ganges ebenso sehr erweiterte als befestigte. So wurde Lord Clive der Begründer der engl. Macht in Ostindien. Nach dem Tode Aurangsebs 1707 folgten diesem binnen 50 Jahren nicht weniger als 12 Herrscher auf dem Thron [* 11] zu Dehli.
Hierdurch kamen Anarchie und Empörung an die Tagesordnung, und mehrere der das Reich des Moguln bildenden Völkerschaften machten sich mit ihren Statthaltern oder tributären Fürsten unabhängig; so der Nisam (Statthalter) von Haidarabad, der Nawwab von Oudh u. s. w. Die Sikh bildeten im Pandschab das Reich von Lahaur (engl. Lahore). Den Löwenanteil aber nahmen die Mahratten (s. d.), die schließlich den Großmogul selbst in ihre Gewalt bekamen und so die wahren Herren Indiens waren. Der Großmogul durfte als Titularkaiser seinen Hofstaat in Dehli behalten und bekam von den Mahratten eine Rente. Die Macht der Mahratten wurde 1761 durch den Afghanen Ahmad ¶
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Schah (s. d.) in der Schlacht bei Panipat gebrochen, und nun stritten sich Engländer und Franzosen um die Herrschaft. Ein mohammed. Heerführer Haidar Ali (s. d.) hatte sich zum Sultan von Maisur gemacht und suchte mit den Franzosen im Bunde die Engländer aus Südindien zu vertreiben. Der Nisam von Haidarabad und die Mahratten traten ebenfalls auf die Seite der Franzosen. Nur der Klugheit und Energie des engl. Generalgouverneurs Warren Hastings verdankte die Compagnie ihre Rettung. Er bewog die Mahratten zu einem Separatfrieden, und Tipu Sahib (s. d.), der Sohn und Nachfolger Haidar Alis, mußte 1784 mit der Britisch-Ostindischen Compagnie Frieden schließen.
Lord Cornwallis, zweiter Nachfolger von Warren Hastings, sah sich durch Tipu Sahibs Verhalten genötigt, gegen diesen den Kampf wieder aufzunehmen. Dieser Krieg (1789-92) kostete dem Sultan von Maisur die Hälfte seiner Besitzungen. In großer Zahl kamen franz. Emissäre und Offiziere nach Ostindien, um die Truppen der den Engländern feindlich gesinnten ind. Fürsten militärisch zu disciplinieren. Auch die Expedition Napoleons nach Ägypten war im Grunde gegen die engl. Machtstellung in Indien gerichtet.
Marquis Wellesley, der neue Generalgouverneur (1798-1805), begriff die drohende Gefahr. Er gewann zunächst den Nisam zu einem für die Engländer sehr vorteilhaften Vertrag. Tipu Sahib brach darauf los, aber zu früh, und verlor Thron und Leben tapfer kämpfend auf den Wällen seiner Hauptstadt Erirangapatan Noch standen den Engländern die Mahratten drohend entgegen, aber innere Parteiung und ihre furchtbare Niederlage bei Panipat durch die Afghanen brachen ihre Kraft. [* 13] Ende des 18. Jahrh. brachen die langwierigen Kriege mit ihnen aus, die 1818 mit ihrer völligen Unterwerfung endigten, so daß die Engländer seitdem ihre Herrschaft über Indien gefestigt sahen.
Nur der Radscha von Nepal, die Emire von Sindh, der Maharadscha von Lahaur und der Maharadscha Sindhja blieben noch unabhängige ind. Fürsten. Der 1824 zwischen der Compagnie und den Birmanen ausgebrochene Krieg endigte ebenfalls zum Nachteile der Birmanen, die im Frieden zu Jandabu Arakan und die Tenasserimprovinz an der Küste Hinterindiens, südlich von Martaban, an die Compagnie abtreten mußten. Je mehr aber die Compagnie ihr Gebiet ausgedehnt und sich im Innern befestigt hatte, desto schwieriger ward ihre Stellung nach außen, da sie nun auf Feinde traf, deren Niederwerfung größere Schwierigkeiten machte.
Der erste dieser Kämpfe war der mit den Afghanen, zu dem die Intriguen Rußlands in Persien [* 14] und Afghanistan [* 15] Veranlassung gaben. iS. Afghanistan, Bd. 1, S. 171 b.) Während dieses wechselvollen Kampfes war eine große Unzufriedenheit unter den Fürsten O.s gegen die Engländer entstanden, und diese würden es ohne den rechtzeitigen Rückzug aus Afghanistan mit vielfachen Feinden zu thun gehabt haben. Nur der Sindhja war in den Vorbereitungen zu einem Losbruch schon zu weit gegangen, als daß der Kampf hätte vermieden werden können, der zu Ende 1843 mit seiner völligen Unterwerfung endete. Während dieses Kampfes waren auch die Belutschen und die Emire von Sindh gegen die Engländer aufgestanden. Doch General Sir Charles Napier vernichtete durch die Schlacht von Miani das Reich der Sindh, das nach der Einnahme von Haidarabad zur brit. Provinz gemacht wurde. (S. Sindh.)
Alle diese Eroberungen waren den Direktoren der Compagnie nicht angenehm. Sie schrieben die Schuld davon der Kriegslust des Generalgouverneurs Lord Ellenborough zu, der daher plötzlich 1844 zurückgerufen wurde. Sein Nachfolger, General Hardinge, sah sich alsbald in einen Krieg mit den Sikh verwickelt, die über den Satladsch gingen und die Engländer unversehens angriffen. Die Tapferkeit der Sikh und die Mangelhaftigkeit der vom Generalgouverneur selbst und dem Oberbefehlshaber Sir Hugh Gough geleiteten Operationen brachten die Engländer anfänglich in Nachteil, bis sie nach den Kämpfen von Mudki, am 18., und Firozschah, die entscheidenden Schlachten [* 16] bei Alival, 28. Jan., und Sobraon, gewannen, wodurch die Macht der Sikh gebrochen wurde.
Der Friede kam zu Lahaur unter Bedingungen zu stande, welche die Selbständigkeit des Reichs Lahaur vernichteten. Man setzte nämlich nachträglich im Abkommen von Amritsar, 16. März, eine Teilung dieses Reichs fest, wonach Gulab-Singh, der heimliche Anhänger der Engländer, den nördl. Teil längs des Himalaja nebst Kaschmir [* 17] und Hasara als förmlicher Vasall der Compagnie mit dem Titel Maharadscha erhielt, während der übrige Teil dem Maharadscha Dalip Singh blieb, unter der Bedingung, nur eine gewisse Anzahl Truppen zu halten und den Engländern den Durchgang durch sein Gebiet zu gestatten. Ferner wurde das fruchtbare Land zwischen Biaß und Satladsch der Compagnie als unmittelbares Eigentum abgetreten und bedeutende Kriegssteuern geleistet.
Lord Hardinge hielt jetzt den Frieden so sicher, daß er im angloind. Heere bedeutende Verminderungen eintreten ließ. Sein Nachfolger, Lord Dalhousie, traf ein; Gough blieb Oberbefehlshaber der Armee. Trotz ihrer herkömmlichen Feindschaft aber verschworen sich die Sikh und die Afghanen aufs neue gegen die Engländer, und schon Anfang 1848 war insgeheim eine gemeinsame Erhebung vorbereitet. Dost-Muhammad und andere Häuptlinge hatten ihren Beitritt zu diesem Kriege versprochen.
Den Aufstand begann Malradsch, Häuptling von Multan, mit seinem Abfall von den Sikh. Zwei engl. Offiziere, die zur Absetzung des Statthalters und Ordnung des Landes abgesendet waren, wurden im April 1848 ermordet. Als die Engländer sahen, daß der Kampf unvermeidlich geworden sei, lieferte Sir Hugh Gough rasch hintereinander die drei blutigen Schlachten zu Ramnagar, auf dem östl. Ufer des Tschinab, 22. Nov., zu Saadullapur bei einer Furt des Flusses, und im Moorgebüsch von Chillianwallah, in denen zwar die Engländer das Schlachtfeld behaupteten, in der That aber Niederlagen erlitten.
Die Entscheidungsschlacht fand sodann bei Gudschrat, östlich vom Tschinab, statt. Dost-Muhammad entkam mit 16000 Reitern über den Indus. Um neuen Kriegen vorzubeugen, wurde die Vereinigung des Pandschab sowie die von Pischawar, d. h. dem ganzen Reiche der Sikh ohne Kaschmir, mit Britisch-Indien verkündet. Ein neuer Eroberungskrieg wurde 1852 gegen Birma (s. d.) unternommen, in welchem Pegu von den Engländern bis zu der von ihnen bestimmten Grenze gewonnen und die ¶