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Anwendungsgebiet gegen die Gebiete der verschiedenen Landessprachen abgegrenzt werden sollte, wurde in einem Ausschuß begraben. Dagegen richtete der Minister Pražak 23. Sept. einen Erlaß an die Oberlandesgerichte in Prag [* 2] und Brünn, [* 3] daß nicht bloß die Erledigungen, sondern auch deren Entwürfe sowie ihre Begründung in der gleichen Sprache [* 4] wie die Eingaben abgefaßt, also das Czechische auch für den innern Dienst zulässig sein sollte, was die Kenntnis dieser Sprache auch für die Räte dieser Gerichte notwendig machte.
Die durch die Sprachverordnungen der Regierung am meisten beeinträchtigten Deutschen Böhmens suchten nun wenigstens für die rein deutschen Gebiete die ausschließliche Geltung der deutschen Staatssprache zu retten. Aber ein dahin gehender Antrag, den der Abgeordnete E. von Plener im böhm. Landtage stellte, wurde abgelehnt, und als Plener ihn 22. Dez. wiederholte, nicht einmal einer Kommissionsberatung gewürdigt, worauf sämtliche deutschen Abgeordneten den Landtag verließen.
Kamen so die Slawen der Verwirklichung ihrer Wünsche immer näher, so hielten auch die Klerikalen endlich die Zeit für gekommen, wo sie ihren Plan durchsetzen konnten. Am stellte der Prinz Aloys Liechtenstein [* 5] den Antrag, es solle die Dauer der Volksschule auf 6 Jahre herabgesetzt, die Zahl der Unterrichtsgegenstände beschränkt, der Kirche die Mitaufsicht über die ganze Schule eingeräumt, die Anstellung der Lehrer an kath. Schulen von der durch den Bischof erteilten Befähigung zum Religionsunterricht abhängig gemacht, die Feststellung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen den Landtagen überlassen werden.
Dieser Antrag rief unter den Liberalen eine ungeheure Aufregung hervor und veranlaßte zahllose Gegendemonstrationen. Lienbacher, der aus dem Centrumsklub ausgetreten war, brachte daher (15. März) einen weniger weit gehenden Antrag ein, und Liechtenstein selbst willigte auf Wunsch des Kaisers in die Vertagung der Verhandlung bis zum Herbst, wogegen man den Klerikalen dadurch entgegenkam, daß einer ihrer Partei, Graf Schönborn, bisher Statthalter in Mähren, [* 6] Justizminister wurde. Erst brachte die Regierung eine Novelle zum Schulgesetz ein, wonach Erleichterungen des Schulbesuches gewährt werden sollten, doch kam sie wegen des Schlusses des Reichsrates nicht mehr zur Beratung.
Die Regierung hatte immer gewünscht, daß die polit. Fragen in den Hintergrund gedrängt, dagegen die Förderung der materiellen Interessen besonders ins Auge [* 7] gefaßt würden. Zahlreiche Bahnen wurden verstaatlicht und nur das Privilegium der Nordbahn, das 1886 ablief, trotz heftiger Opposition auf weitere 50 Jahre verlängert. Die Angriffe, die bei dieser Gelegenheit gegen den Handelsminister Pino gerichtet wurden, führten zu dessen Entlassung, und es trat 26. Juni Marquis von Bacquehem an seine Stelle.
Der Strömung der Zeit und den Forderungen der Klerikalen entsprechend, wurden Zwangsinnungen und der Befähigungsnachweis, ein Normalarbeitstag (11 Stunden) und Sonntagsruhe eingeführt, auch im Interesse der Arbeiter ein Unfallversicherungs- und ein Krankenversicherungsgesetz gegeben. Den Wünschen der Industriellen und Landbauer kam man 1882 durch hohe Zölle entgegen. Den zerrütteten Finanzen suchte man durch Erhöhung der Zölle auf Kaffee und Petroleum, durch eine besonders für die Alpenländer drückende sehr hohe Gebäudesteuer (1881) und im Einvernehmen mit Ungarn [* 8] durch ein Branntweinsteuergesetz abzuhelfen.
Dadurch wurden die Einnahmen in zehn Jahren um mehr als 150 Mill. Fl. gesteigert, und man erreichte es, daß endlich für 1889 und 1890 ein Budget ohne Deficit vorgelegt werden konnte, trotzdem man wichtige Eisenbahnen gebaut und auch die Wehrkraft des Staates nicht vernachlässigt hatte. Die Landwehr war schon 1883 in nähere Verbindung mit dem stehenden Heere gebracht worden. 1886 wurde ein Landsturmgesetz gegeben, wonach alle waffenfähige Mannschaft vom 19. bis zum 42. und die ehemaligen Angehörigen des Heers, der Marine und der Landwehr bis zum 60. Lebensjahre im Kriegsfalle zur Landesverteidigung verpflichtet sind, die im ersten Aufgebot (bis zum 38. Lebensjahre) Stehenden auch zur Ergänzung des stehenden Heers und der Landwehr herangezogen werden können.
Das im Nov. 1888 vorgelegte neue Wehrgesetz, das nach manchen Kämpfen im Abgeordnetenhause April 1889 von beiden Häusern angenommen wurde, brachte neben manchen Verbesserungen auch eine Steigerung des Rekrutenkontingents um 7626 Mann und Verschärfungen der Bestimmungen für die EinjährigFreiwilligen, von denen alle, die am Ende des Jahres die Offiziersprüfung nicht bestehen, ein zweites Jahr dienen müssen. Die Armee wurde mit Repetiergewehren und -Karabinern, die festen Plätze mit neuen Geschützen versehen und rauchloses Pulver eingeführt. Im Herbst 1892 genehmigten die Delegationen die Erhöhung des Friedenspräsenzstandes der Infanterie um 14688 Mann und die Vermehrung der Offiziersstellen um 1087. Im Dez. 1893 wurde eine Novelle zum Gesetz über die Landwehr angenommen, wodurch die Dienstpflicht für dieselbe, welche bisher höchstens 14 Monate betragen hatte, auf zwei Jahre, für Unteroffiziere auf drei Jahre ausgedehnt, der Präsenzstand erhöht und die Bestimmung, daß zur Verwendung außerhalb des Staatsgebietes ein Reichsgesetz erforderlich sei, beseitigt ward.
Stützte sich die Regierung im Innern vorzüglich auf die slaw. Stämme, so schlug die auswärtige Politik eine gerade entgegengesetzte Richtung ein. Schon Andrássy, der immer für freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland [* 9] gewesen war, hatte zur Sicherung des Berliner [* 10] Vertrages den Abschluß eines Bündnisses bewirkt, wonach Österreich [* 11] und Deutschland, wenn eins der beiden Reiche von Rußland angegriffen oder eine andere Macht bei einem solchen Angriffe von Rußland unterstützt würde, sich gegenseitig mit der ganzen Kriegsmacht beizustehen verpflichtet sein sollten.
Andrássy trat zwar schon gleich darauf von seinem Amte zurück, worin ihm Freiherr von Haymerle und nach dessen baldigem Tode Graf Kalnoky folgte; aber auch diese verfolgten dieselbe Richtung. Auch Italien, [* 12] durch Frankreichs Vorgehen gegen Tunis [* 13] verletzt, näherte sich jetzt Österreich und Deutschland, was Okt. 1881 in einem Besuch des ital. Königspaares in Wien [* 14] seinen Ausdruck fand. Serbien [* 15] ward durch einen Handelsvertrag und eine Eisenbahnverbindung in Österreichs Interessenkreis gezogen. Ein Vertrag, der in Wien von den Bevollmächtigten Österreich-Ungarns, der Türkei, [* 16] Serbiens und Bulgariens unterzeichnet wurde, sicherte bis längstens den Ausbau der direkten Eisenbahnlinien Wien-Konstantinopel und Wien-Saloniki und erleichterte so die Handelsverbindungen Österreichs mit den Ländern der Balkanhalbinsel. [* 17] Auch ¶
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mit Rußland, das die orient. Politik Österreichs mit Eifersucht beobachtete, wurden unter Vermittelung Preußens [* 19] freundschaftlichere Beziehungen hergestellt, besonders durch die Bemühungen des russ. Ministers von Giers, der im Jan. 1883 einen Besuch in Wien machte. Die Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Skierniewice (in Polen) und der Besuch, den Alexander III. dem Kaiser Franz Joseph 25. und in Kremsier machte, schienen das gute Verhältnis beider Reiche zu befestigen. Als aber Rußland gegen Bulgarien trotz der Abdankung des Fürsten Alexander eine entschieden feindselige Haltung einnahm und man besonders nach der Wahl des Prinzen Ferdinand von Coburg-Kohary die Einmischung Rußlands fürchten mußte, hielt es auch Österreich für seine Pflicht, sich kriegsbereit zu machen, da es eine einseitige Besetzung Bulgariens durch russ. Truppen nicht dulden und überhaupt die Unabhängigkeit der Balkanstaaten nicht gefährden lassen wollte. Im Winter 1887-88 schien der Ausbruch eines Krieges unvermeidlich, da Rußland an seiner Westgrenze immer größere Truppenmassen aufhäufte.
Aber die Friedenspolitik des im März 1887 erneuerten Dreibundes bestand in glänzender Weise ihre Probe. Die drohende Kriegsgefahr ward abgewandt. Dagegen wurde die Stellung Österreichs auf der Balkanhalbinsel dadurch verschlechtert, daß in Serbien nach der Abdankung Milans die russenfreundliche Richtung wieder das Übergewicht erhielt. Doch änderte sich dies, als sich der junge König Alexander für volljährig erklärte und einen Systemwechsel eintreten ließ. Auch die Spannung zwischen Österreich und Rußland selbst ließ endlich nach, und das bessere Verhältnis beider Staaten erhielt an dem 1894 geschlossenen Handelsvertrage eine Stütze.
Indessen hatten die Erfolge, die die Jungczechen 1889 bei den böhm. Landtagswahlen errungen hatten, die Haltung der Regierung im Innern und namentlich in der böhm. Frage wesentlich beeinflußt. Am wurde der Statthalter Kraus seiner Stelle enthoben und für ihn Graf Franz Thun ernannt, ein Anhänger des böhm. Staatsrechts. Mehrfache Versuche der Deutschen, die Regierung zu einer unzweideutigen Erklärung über die staatsrechtlichen Ansprüche der Czechen zu veranlassen, blieben erfolglos.
Als dann aber die Regierung, offenbar auf höhere Weisung, Ausgleichungsverhandlungen über die Streitpunkte mit den Czechen beantragte, ließen sich die Deutschen dazu bereit finden. Die Verhandlungen fanden Jan. 1890 in Wien statt und führten auch zu einer Einigung, die aber infolge des Widerstandes der Jungczechen und der schwächlichen Haltung dei Altczechen im böhm. Landtag nicht zur Ausführung kam. (S. Böhmen, Geschichte.) Das Treiben der sich immer radikaler geberdenden Jungczechen sowie die Unsicherheit der Parteiverhältnisse im Reichsrat schienen indessen in der Mehrheit des Ministeriums den Wunsch rege gemacht zu haben, sich mit der deutschliberalen Partei auf einen bessern Fuß zu stellen.
Durch kaiserl. Patent vom wurde das Abgeordnetenhaus aufgelöst, und 4. Febr. trat der Finanzminister Dunajewski, der Hauptgegner der Deutschliberalen, in den Ruhestand; sein Nachfolger wurde der Sektionschef im Justizministerium, Dr. Steinbach. Der Ausfall der Reichsratswahlen rechtfertigte die Hoffnung der Regierung auf eine Verstärkung [* 20] der gemäßigten Parteien nicht. Die Altczechen, die bisher eine ihrer Hauptstützen gebildet hatten, unterlagen vollständig, und die Polen und der Hohenwart-Klub (s. d.) besaßen ohne sie nicht mehr die Majorität. So mußte die Regierung suchen, ein erträgliches Verhältnis zu der stärksten Partei, der Vereinigten [* 21] Deutschen Linken (s. d.), die sich Nov. 1888 durch den Wiederzusammenschluß des Deutschen und des Deutsch-Österreichischen Klubs gebildet hatte, herzustellen.
Angebahnte Verbandlungen über die Vereinigung der gemäßigten Elemente zu einer einzigen Partei scheiterten, weil die Regierung und die Polen ihre Verbindung mit dem Hohenwart-Klub nicht aufgeben, die Deutsche Linke [* 22] mit diesem keine engere polit. Verbindung eingehen wollte. Doch blieb das Verhältnis der drei großen Parteien ein ziemlich erträgliches. Einen äußern Ausdruck fand die Besserung der Beziehungen zwischen der Regierung und der Deutschen Linken dadurch, daß ein Mitglied derselben, Graf Kuenburg, Minister ohne Portefeuille wurde.
Während der beiden Reichsratssessionen 1891 und 1891/92 wurden mehrere Eisenbahnen verstaatlicht, der Freihafen Triest [* 23] in das Zollgebiet einbezogen, der Lloyd neu organisiert und wie die Donaudampfschiffahrtsgesellschaft durch Gewährung einer Subvention in seiner Existenz gesichert. Mit Deutschland, Italien, Belgien [* 24] und der Schweiz [* 25] wurden auf 12 Jahre Handelsverträge geschlossen, durch die die Zölle teilweise bedeutend herabgesetzt wurden. Da die finanzielle Lage sich immer günstiger gestaltete, der Rechnungsabschluß für 1891 einen Überschuß von mehr als 22 Mill. Fl. aufwies, wagte man sich im Verein mit Ungarn auch an die Valutaregulierung und beschloß (im Juli 1892) die Einführung der Goldwährung und eines neuen Münzfußes mit der Krone als Rechnungseinheit (s. oben, S. 721 a). Am brachte der Finanzminister auch einen Gesetzvorschlag über die Reform der direkten Steuern ein, und zwar sollte das Gesetz, betreffend die direkten Personalsteuern (Erwerbs-, Besoldungs-, Rentensteuer und eine allgemeine Personaleinkommensteuer), an die Stelle des bisher geltenden Erwerbssteuergesetzes von 1812 und des Einkommensteuergesetzes von 1849 treten.
Ein principieller Widerspruch wurde gegen diese Gesetzentwürfe bei den Ausschußberatungen nicht erhoben, wenn auch viele Einzelheiten angefochten wurden, so daß es mit einigen Abänderungen 1895 im Abgeordnetenhause und 1896 im Herrenhause angenommen wurde. Auch der Unterrichtsminister errang einen wichtigen Erfolg, indem der Tiroler Landtag, der bisher die Anerkennung des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 grundsätzlich verweigert hatte, allerdings gegen große Zugeständnisse an den Klerus, ein Schulgesetz beschloß, das dem bisherigen ungeordneten Zustande ein Ende machte.
Während der ganzen Session 1891/92 hatte die Linke das Ministerium in den wichtigsten Fragen unterstützt, und sie konnte es als einen neuen Erfolg ansehen, daß Ende Juli der Minister Pražak seine Entlassung erbat und erhielt. Aber die schwächliche Haltung der Regierung bei der von den Deutschen geforderten Durchführung des böhm. Ausgleichs sowie das ablehnende Verhalten des Justizministers gegen die Fortsetzung der nationalen Abgrenzung der böhm. Gerichtsbezirke erregte die Unzufriedenheit der Deutschen. Die Budgetdebatte, bei der Graf Taaffe die baldige ¶