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Kompromisses mit den böhm. Großgrundbesitzern, sein Werk auch der Eintritt der Czechen in den Reichsrat, der aber nur unter einer Rechtsverwahrung erfolgte. Infolge dieser Vorgänge ergab sich in dem im Juni und Juli neu gewählten Abgeordnetenhause eine Mehrheit der nationalen, feudalen und klerikalen Elemente. Den 168 Konservativen standen 145 Liberale nebst 40 Wilden gegenüber.
Das Kabinett reichte 11. Juli seine Entlassung ein. Der Kaiser nahm sie an und ernannte 12. Aug. Taaffe zum Ministerpräsidenten und Minister des Innern; Stremayr übernahm die Justiz und provisorisch Kultus und Unterricht, Falckenhayn den Ackerbau, Korb-Weidenheim den Handel, Horst die Landesverteidigung, Chertek provisorisch die Finanzen, Pražak (Czeche) und Ziemialkowski (Pole) waren Minister ohne Portefeuille. Es war dies ein Koalitionsministerium, das über den Parteien die Versöhnung der verschiedenen Völker anstreben wollte.
Die Verfassungspartei schadete sich aufs neue dadurch, daß sie das vorgelegte Wehrgesetz, zu dessen Zustandekommen eine Zweidrittelmehrheit notwendig war, nicht auf 10 Jahre, sondern nur auf ein Jahr bewilligen wollte. Diese Haltung der Partei nötigte die Regierung, sich immer mehr auf die Rechte zu stützen und ihr eine Reihe wichtiger Zugeständnisse zu machen. Die für Böhmen [* 2] und Mähren erlassene Sprachverordnung, worin den Beamten befohlen wurde, im Verkehr mit den Parteien sich der Sprache [* 3] zu bedienen, die letztere gebrauchten, mußte die Folge haben, daß in jenen Ländern besonders bei den Gerichten ein der czech.
Sprache nicht kundiger Beamte nicht mehr angestellt werden konnte. Endlich traten 27. Juni die Minister, die es mit dem gemäßigten Teile der Verfassungspartei hielten, zurück. Stremayr, der das Unterrichtsministerium schon früher an Freiherrn Konrad von Eybesfeld hatte abgeben müssen, wurde als Justizminister durch Streit, Korb-Weidenheim durch von Kremer, Horst durch Graf Welfersheimb ersetzt. Finanzminister wurde der Pole Dunajewski, der fortan, zugleich als Sprechminister, einen großen Einfluß im Kabinett ausübte.
Kremer und Streit nahmen ihre Entlassung, da sie mit der Berufung ausgesprochener Parteimänner der Rechten in das Herrenhaus nicht einverstanden waren. Handelsminister wurde nun Baron Pino, Pražak Leiter des Justizministeriums. Auch das Präsidium des Abgeordnetenhauses ging an die Föderalisten über, da der 1879 durch Kompromiß gewählte Graf Coronini es niederlegte, worauf der Pole Smolka zum Präsidenten gewählt wurde. Um auch im Herrenhause, das in seiner Mehrheit liberal und centralistisch war, dem herrschenden System die Majorität zu verschaffen, wurden im Laufe des J. 1881 nicht weniger als 36 neue Mitglieder in dasselbe berufen.
Nun glaubten die verschiedenen Parteien der Rechten alles durchsetzen zu können und benutzten jede Gelegenheit, um die Regierung zu neuen Zugeständnissen zu nötigen. Die Polen wurden durch materielle Vorteile und durch die Preisgebung der Ruthenen befriedigt. Die Czechen und Slowenen wie die Kroaten in Dalmatien und Istrien [* 4] ließen sich, wenigstens vorübergehend, abfinden durch die Slawisierung zahlreicher Mittelschulen, durch die Teilung der bisher vorwiegend deutschen Universität Prag [* 5] in eine czech. und eine deutsche Abteilung (1882), durch Sprachverordnungen für die slowen.
Gebiete und für Schlesien [* 6] (29. April und wodurch bei Gerichten auch slaw. Eingaben gestattet wurden, durch die Auflösung des böhm. Landtags 1883, wo nun mit Hilfe der Regierung die Czechen und Feudalen die Majorität erhielten. Am wenigsten erreichten die Klerikalen für ihre der Regierung und den Slawen geleistete Unterstützung. Sie strebten vor allem die Wiederherstellung der konfessionellen Schule und deren Unterordnung unter die Geistlichkeit an, teilweise auch die Herabsetzung der Dauer der Schulpflicht von 8 auf 6 Jahre.
Aber ein Antrag des Abgeordneten Lienbacher, der das Recht dieser Verkürzung den Landtagen zuwies, ward 1881 vom Herrenhause trotz wiederholter Pairsschübe zweimal abgelehnt. Erst 1883 fand auf Antrag der Regierung eine Novelle zum Schulgesetz in beiden Häusern Annahme, die die Entscheidung über die Herabsetzung der Schulpflicht auf 6 Jahre wesentlich von den Gemeinden abhängig machte und verfügte, daß der Leiter der Volksschule der Konfession der Mehrheit der Schüler angehören und zur Erteilung des Religionsunterrichts befähigt sein müsse.
Das Vorgehen der Regierung erweckte endlich doch auch in den liberalen Deutschen die Überzeugung, daß sie alle ihre Kräfte sammeln müßten. 1880 wurde der Deutsche [* 7] Schulverein (s. d.) gegründet, der auch in Deutschland [* 8] werkthätige Hilfe fand. Die beiden Klubs der Verfassungspartei, die Liberalen und die Fortschrittspartei, konstituierten sich im Nov. 1881 in einer Stärke [* 9] von etwa 150 Mitgliedern als Vereinigte Linke zum Schutze des Deutschtums und des österr.
Staatsgedankens. Gleichzeitig traten aus dem unter Führung Hohenwarts stehenden Klub der Rechtspartei die klerikalen Deutschen aus und konstituierten sich als Centrumsklub unter dem Prinzen Alfred Liechtenstein [* 10] und Lienbacher, um ihren besondern Wünschen auf dem Gebiet der Schule größeres Gewicht zu verleihen. Ein provisorisches Wehrgesetz vom durch das die Wehrpflicht auch auf Bosnien [* 11] und die Herzegowina sowie auf die Bocchesen der Krivošije Süddalmatiens ausgedehnt wurde, erregte unter diesen einen allgemeinen Aufstand, der sich auch nach der Herzegowina fortpflanzte und 1882 durch den Feldmarschalllieutenant Jovanović mit Waffengewalt niedergeschlagen werden mußte.
Die Neuwahlen zum Abgeordnetenhause im Mai und Juni 1885 brachten der Vereinigten [* 12] Linken den Verlust von 15 Mandaten. Die slaw.-feudalklerikale Partei zählte 192, die deutschliberale 132, die Antisemiten, Demokraten, Italiener und andere kleinere Gruppen 29 Mitglieder. Statt nun wenigstens fest zusammenzuhalten, spaltete sich die Vereinigte Linke schon am Vorabend der Eröffnung des Reichsrates in den Deutsch-Österreichischen und den Deutschen Klub, von dem sich später noch die Deutsche Nationalpartei abzweigte. (S. diese Artikel.) Die Regierung war jetzt noch mehr aus die Unterstützung der Rechten angewiesen, und das Verhandeln und Handeln mit den verschiedenen Fraktionen derselben dauerte fort. Der Unterrichtsminister Konrad von Eybesfeld mußte schon der Abneigung der Klerikalen und Czechen weichen. An dessen Stelle wurde der politisch farblose Gautsch von Frankenthurn ernannt. Der vom Deutsch-Österreichischen Klub ausgehende, von 116 Mitgliedern unterschriebene Antrag des Abgeordneten von Scharschmid, wonach die deutsche Sprache als Staatssprache erklärt und ihr ¶
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Anwendungsgebiet gegen die Gebiete der verschiedenen Landessprachen abgegrenzt werden sollte, wurde in einem Ausschuß begraben. Dagegen richtete der Minister Pražak 23. Sept. einen Erlaß an die Oberlandesgerichte in Prag und Brünn, [* 14] daß nicht bloß die Erledigungen, sondern auch deren Entwürfe sowie ihre Begründung in der gleichen Sprache wie die Eingaben abgefaßt, also das Czechische auch für den innern Dienst zulässig sein sollte, was die Kenntnis dieser Sprache auch für die Räte dieser Gerichte notwendig machte.
Die durch die Sprachverordnungen der Regierung am meisten beeinträchtigten Deutschen Böhmens suchten nun wenigstens für die rein deutschen Gebiete die ausschließliche Geltung der deutschen Staatssprache zu retten. Aber ein dahin gehender Antrag, den der Abgeordnete E. von Plener im böhm. Landtage stellte, wurde abgelehnt, und als Plener ihn 22. Dez. wiederholte, nicht einmal einer Kommissionsberatung gewürdigt, worauf sämtliche deutschen Abgeordneten den Landtag verließen.
Kamen so die Slawen der Verwirklichung ihrer Wünsche immer näher, so hielten auch die Klerikalen endlich die Zeit für gekommen, wo sie ihren Plan durchsetzen konnten. Am stellte der Prinz Aloys Liechtenstein den Antrag, es solle die Dauer der Volksschule auf 6 Jahre herabgesetzt, die Zahl der Unterrichtsgegenstände beschränkt, der Kirche die Mitaufsicht über die ganze Schule eingeräumt, die Anstellung der Lehrer an kath. Schulen von der durch den Bischof erteilten Befähigung zum Religionsunterricht abhängig gemacht, die Feststellung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen den Landtagen überlassen werden.
Dieser Antrag rief unter den Liberalen eine ungeheure Aufregung hervor und veranlaßte zahllose Gegendemonstrationen. Lienbacher, der aus dem Centrumsklub ausgetreten war, brachte daher (15. März) einen weniger weit gehenden Antrag ein, und Liechtenstein selbst willigte auf Wunsch des Kaisers in die Vertagung der Verhandlung bis zum Herbst, wogegen man den Klerikalen dadurch entgegenkam, daß einer ihrer Partei, Graf Schönborn, bisher Statthalter in Mähren, Justizminister wurde. Erst brachte die Regierung eine Novelle zum Schulgesetz ein, wonach Erleichterungen des Schulbesuches gewährt werden sollten, doch kam sie wegen des Schlusses des Reichsrates nicht mehr zur Beratung.
Die Regierung hatte immer gewünscht, daß die polit. Fragen in den Hintergrund gedrängt, dagegen die Förderung der materiellen Interessen besonders ins Auge [* 15] gefaßt würden. Zahlreiche Bahnen wurden verstaatlicht und nur das Privilegium der Nordbahn, das 1886 ablief, trotz heftiger Opposition auf weitere 50 Jahre verlängert. Die Angriffe, die bei dieser Gelegenheit gegen den Handelsminister Pino gerichtet wurden, führten zu dessen Entlassung, und es trat 26. Juni Marquis von Bacquehem an seine Stelle.
Der Strömung der Zeit und den Forderungen der Klerikalen entsprechend, wurden Zwangsinnungen und der Befähigungsnachweis, ein Normalarbeitstag (11 Stunden) und Sonntagsruhe eingeführt, auch im Interesse der Arbeiter ein Unfallversicherungs- und ein Krankenversicherungsgesetz gegeben. Den Wünschen der Industriellen und Landbauer kam man 1882 durch hohe Zölle entgegen. Den zerrütteten Finanzen suchte man durch Erhöhung der Zölle auf Kaffee und Petroleum, durch eine besonders für die Alpenländer drückende sehr hohe Gebäudesteuer (1881) und im Einvernehmen mit Ungarn [* 16] durch ein Branntweinsteuergesetz abzuhelfen.
Dadurch wurden die Einnahmen in zehn Jahren um mehr als 150 Mill. Fl. gesteigert, und man erreichte es, daß endlich für 1889 und 1890 ein Budget ohne Deficit vorgelegt werden konnte, trotzdem man wichtige Eisenbahnen gebaut und auch die Wehrkraft des Staates nicht vernachlässigt hatte. Die Landwehr war schon 1883 in nähere Verbindung mit dem stehenden Heere gebracht worden. 1886 wurde ein Landsturmgesetz gegeben, wonach alle waffenfähige Mannschaft vom 19. bis zum 42. und die ehemaligen Angehörigen des Heers, der Marine und der Landwehr bis zum 60. Lebensjahre im Kriegsfalle zur Landesverteidigung verpflichtet sind, die im ersten Aufgebot (bis zum 38. Lebensjahre) Stehenden auch zur Ergänzung des stehenden Heers und der Landwehr herangezogen werden können.
Das im Nov. 1888 vorgelegte neue Wehrgesetz, das nach manchen Kämpfen im Abgeordnetenhause April 1889 von beiden Häusern angenommen wurde, brachte neben manchen Verbesserungen auch eine Steigerung des Rekrutenkontingents um 7626 Mann und Verschärfungen der Bestimmungen für die EinjährigFreiwilligen, von denen alle, die am Ende des Jahres die Offiziersprüfung nicht bestehen, ein zweites Jahr dienen müssen. Die Armee wurde mit Repetiergewehren und -Karabinern, die festen Plätze mit neuen Geschützen versehen und rauchloses Pulver eingeführt. Im Herbst 1892 genehmigten die Delegationen die Erhöhung des Friedenspräsenzstandes der Infanterie um 14688 Mann und die Vermehrung der Offiziersstellen um 1087. Im Dez. 1893 wurde eine Novelle zum Gesetz über die Landwehr angenommen, wodurch die Dienstpflicht für dieselbe, welche bisher höchstens 14 Monate betragen hatte, auf zwei Jahre, für Unteroffiziere auf drei Jahre ausgedehnt, der Präsenzstand erhöht und die Bestimmung, daß zur Verwendung außerhalb des Staatsgebietes ein Reichsgesetz erforderlich sei, beseitigt ward.
Stützte sich die Regierung im Innern vorzüglich auf die slaw. Stämme, so schlug die auswärtige Politik eine gerade entgegengesetzte Richtung ein. Schon Andrássy, der immer für freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland gewesen war, hatte zur Sicherung des Berliner [* 17] Vertrages den Abschluß eines Bündnisses bewirkt, wonach Österreich [* 18] und Deutschland, wenn eins der beiden Reiche von Rußland angegriffen oder eine andere Macht bei einem solchen Angriffe von Rußland unterstützt würde, sich gegenseitig mit der ganzen Kriegsmacht beizustehen verpflichtet sein sollten.
Andrássy trat zwar schon gleich darauf von seinem Amte zurück, worin ihm Freiherr von Haymerle und nach dessen baldigem Tode Graf Kalnoky folgte; aber auch diese verfolgten dieselbe Richtung. Auch Italien, [* 19] durch Frankreichs Vorgehen gegen Tunis [* 20] verletzt, näherte sich jetzt Österreich und Deutschland, was Okt. 1881 in einem Besuch des ital. Königspaares in Wien [* 21] seinen Ausdruck fand. Serbien [* 22] ward durch einen Handelsvertrag und eine Eisenbahnverbindung in Österreichs Interessenkreis gezogen. Ein Vertrag, der in Wien von den Bevollmächtigten Österreich-Ungarns, der Türkei, [* 23] Serbiens und Bulgariens unterzeichnet wurde, sicherte bis längstens den Ausbau der direkten Eisenbahnlinien Wien-Konstantinopel und Wien-Saloniki und erleichterte so die Handelsverbindungen Österreichs mit den Ländern der Balkanhalbinsel. [* 24] Auch ¶