mehr
Unterdes war in der innern Verwaltung Österreichs unter dem Minister Bach das System der Reaktion zur vollen Durchführung gelangt. Auf kirchlichem Gebiet brach man durchaus mit den Traditionen Josephs II. und schloß mit dem Papst das Konkordat vom das eine Reihe ultramontaner Ansprüche zugestand und die Volks- und teilweise auch die Mittelschulen unter die Aufsicht des Klerus stellte. Erfreulicher zeigte sich dagegen die Regierungsthätigkeit, seit Bruck März 1855 wieder das Ministerium der Finanzen übernommen hatte.
Namentlich begann die Ausführung der großen Eisenbahnbauten. Auch versuchte man die Regelung des Staatshaushalts und die Hebung des Staatskredits; doch wurden die erreichten finanziellen Resultate durch den Ausbruch des ital. Krieges (s. Italienischer Krieg von 1859) nur allzu schnell wieder rückgängig gemacht. Der Krieg verlief unglücklich, die Schlachten [* 2] bei Magenta (4. Juni) und Solferino [* 3] (24. Juni) brachten die Lombardei in die Hände Frankreichs, das sie an Sardinien [* 4] gab. In den ital. Kleinstaaten flohen die mit Österreich [* 5] verwandten Herrscher, und Volksabstimmungen erhoben nun das Haus Savoyen zur Herrschaft. (S. Italien, [* 6] Geschichte.) Die Katastrophe von 1859 hatte einen innern Umschwung in Österreich zur Folge.
Der Minister des Auswärtigen, Graf Buol-Schauenstein, legte sein Amt nieder; an seine Stelle trat Graf Rechberg Am 21. Aug. mußte auch Bach, der Minister des Innern, dem allgemeinen Hasse weichen und wurde durch Graf Goluchowski ersetzt, während Freiherr von Hübner das Polizeiministerium übernahm. Der Finanzminister Bruck (s. d.) empfahl eine Rückkehr zu dem konstitutionellen System, da nur auf diesem Wege der vollständig zerrüttete Staatskredit wiederhergestellt werden könne. Am ward der sog. verstärkte Reichsrat einberufen, der aus 38 vom Kaiser ernannten Mitgliedern aus den verschiedenen Teilen des Reichs bestand.
Aber diese Schöpfung befriedigte nicht. Bruck selbst ward infolge von Unterschleifsprozessen unhaltbar, erhielt 22. April seinen Abschied und endete tags darauf durch Selbstmord. Durch das kaiserl. Diplom vom wurde den zur ungar. Krone gehörigen Ländern eine neue Verfassung, den übrigen Ländern besondere Landtage zugesichert. Aber die Statute, die der «Staatsminister» Goluchowski für einzelne Länder ausarbeiten ließ, gewährten den Landtagen so geringe Rechte und räumten dem Adel und Klerus ein solches Übergewicht ein, daß sie allgemeine Unzufriedenheit hervorriefen.
Goluchowski ward entlassen, und an seine Stelle trat Schmerling, der Vertreter des reichseinheitlichen Gedankens, der eine neue Reichsverfassung für den Gesamtstaat und neue Landesstatute für die slaw.-deutschen Kronländer verkündigte. Dieses Februarpatent schuf neben dem allgemeinen, aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden Reichsrat noch einen engern. In diesem sollten die gemeinschaftlichen Interessen der deutsch-slaw. Länder, in jenem die Angelegenheiten des Gesamtreichs, d. h. auch Ungarns und seiner Nebenländer, beraten werden.
Am wurde die erste Session des neuen Reichsrats eröffnet; aber es fehlten die Abgeordneten aus Ungarn, [* 7] Kroatien, Siebenbürgen und Venetien, wo man von der Gesamtstaatsverfassung nichts wissen wollte und keine Wahlen vorgenommen hatte. So konnte die Versammlung nicht wohl als Vertretung des Gesamtstaates gelten, sondern die Regierung selbst bezeichnete sie (5. Juni) als engern Reichsrat. Nur Siebenbürgen bequemte sich nach einigen Jahren zur Anerkennung der gesamtstaatlichen Ordnung, und Okt. 1863 traten die siebenbürg. Abgeordneten in den Reichsrat ein, der sich seitdem als weiterer Reichsrat konstituierte. Dagegen traten die czech. Mitglieder aus Böhmen [* 8] und Mähren aus, indem sie im Dez. 1864 erklärten, daß sie diesen unvollständigen Reichsrat nicht als eine Vertretung des Gesamtstaates ansehen könnten. Auch die legislatorischen Resultate des Reichsrates waren geringfügig, da die Regierung nur wenige eingreifende Vorlagen brachte und sich begnügte, das jährliche Budget bewilligen zu lassen.
In Deutschland [* 9] trachtete Österreich seinen Einfluß dem preußischen gegenüber zu vergrößern und fand in den Mittelstaaten bereitwillige Unterstützung. So arbeitete die österr. Politik auf die Sprengung des Zollvereins hin, wohl in der Hoffnung, wenigstens die süddeutschen Staaten an sich zu ziehen. Sodann lud Kaiser Franz Joseph zum die deutschen Fürsten und Freien Städte zu einem Kongreß in Frankfurt [* 10] a. M. und legte hier den Entwurf einer Bundes-Reformakte vor. (S. Deutschland und Deutsches Reich, Geschichte.) Doch bei der Ablehnung Preußens [* 11] mußte man in der deutschen Verfassungsfrage auf jeden wirklichen Erfolg verzichten.
Als beim Tode des dän. Königs Friedrich VII. der langjährige dänisch-deutsche Konflikt (s. Schleswig-Holstein) [* 12] zum offenen Ausbruch kam, ließen Österreich und Preußen [* 13] ihre Heere in Holstein einmarschieren und verbündeten sich noch enger durch die geheime Konvention vom Der nun folgende Krieg (s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864) wurde durch den in Wien [* 14] 30. Okt. abgeschlossenen Frieden beendet (s. Wiener Friedensschlüsse), worin Christian IX. die Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg [* 15] an den Kaiser von Österreich und den König von Preußen abtrat.
Die gemeinsame Herrschaft machte die alte Eifersucht der deutschen Vormächte bald wieder rege. Österreich gab jedoch in der schlesw.-holstein. Sache vorläufig den Wünschen Preußens nach, und die Gasteiner Konvention (s. Gastein), schob die Entscheidung noch auf kurze Zeit hinaus. Auch der Streit auf dem volkswirtschaftlichen Gebiete wurde durch den Abschluß eines neuen Handelsvertrags zwischen Österreich und dem Zollverein beigelegt.
Inzwischen hatte sich in den innern Verhältnissen Österreichs abermals ein Umschwung vollzogen. Der Versuch Schmerlings zur Durchführung der Februarverfassung war in der östl. Reichshälfte mißlungen; der Wiener Hof [* 16] suchte daher wieder mit der altkonservativen Partei in Ungarn anzuknüpfen, wobei Graf Moritz Esterházy, seit 1861 Minister ohne Portefeuille, als Vermittler diente. Als Graf Georg Mailáth, ebenfalls ein hervorragendes Mitglied dieser Partei, zum ungar. Hofkanzler ernannt wurde, reichten tags darauf Schmerling, Plener und deren Anhänger im Ministerium ihre Entlassung ein, die auch angenommen wurde. Am 27. Juli kam das neue sog. Drei-Grafen-Ministerium zu stande, das aus föderalistischen und altkonservativ-ungar. Elementen zusammengesetzt war. Ministerpräsident und Staatsminister ward Graf Richard Belcredi, Finanzminister Graf Larisch, das ¶
mehr
Auswärtige behielt Graf Mensdorff-Pouilly, der schon im Okt. 1864 an Rechbergs Stelle getreten war, aber bei der geringen Kenntnis der Geschäfte nur den Namen hergab, während Esterházy der eigentliche Leiter der Politik war. Am wurde ein kaiserl. Manifest veröffentlicht, das die Verfassung sistierte, doch wurde dadurch die Lage -nicht gebessert, da die Regierung jetzt auch die Opposition der verfassungstreuen deutschen Landtage gegen sich hatte. In Ungarn vermochte die altkonservative Partei, auf die das Ministerium sich stützte, wenig, und die vorherrschende Partei Deáks war entschlossen, sich nicht mit halben Zugeständnissen zu begnügen.
Inzwischen hatte sich der Gegensatz zwischen Österreich und Preußen immer mehr verschärft und der Krieg, in dem Italien auf Preußens Seite stand, war unvermeidlich geworden. (S. Deutscher Krieg von 1866 und Italienischer Krieg von 1866.) Durch die Präliminarien von Nikolsburg 26. Juli und den Frieden zu Prag [* 18] (s. d.) 23. Aug. wurde Österreich aus Deutschland hinausgedrängt; in dem zu Wien mit Italien abgeschlossenen Frieden (s. Wiener Friedensschlüsse) trat es Venetien an Italien ab. Den Ausgleich im Streit der Nationalitäten suchte Belcredi dadurch herbeizuführen, daß er die Monarchie in fünf nur durch Personalunion miteinander verbundene Königreiche: Österreich, Ungarn, Böhmen, Polen, Kroatien-Slawonien, zerlegte, doch fand er bei der deutschen Bevölkerung [* 19] des Kaiserreichs einen derartigen Widerstand, daß er seine Entlassung erhielt. An seiner Stelle versuchte der schon für den Grafen Mensdorff in das Ministerium des Auswärtigen berufene frühere sächs. Minister Freiherr von Beust auf der Grundlage des Dualismus die Monarchie neu aufzubauen. Er wurde 7. Febr. zum Ministerpräsidenten ernannt, am folgenden Tage der Ausgleich mit Ungarn in Wien mit Franz Deák (s. d.) definitiv abgeschlossen, die Verfassung von 1848 wiederhergestellt und Graf Julius Andrássy beauftragt, ein ungar. Ministerium zu bilden.
Dasselbe wurde aus den Männern der Deák-Partei gewählt, leistete 15. März in Ofen dem Kaiser den Eid, und dieser wurde 8. Juni als König von Ungarn gekrönt. Mit Ungarn wurde Siebenbürgen und 1868 auch Kroatien vereinigt. Darauf wurden auch in den deutsch-slaw. Provinzen (Cisleithanien) verfassungsmäßige Zustände hergestellt und die neuen Staatsgrundgesetze veröffentlicht. Zugleich wurde für die westl. Reichshälfte 30. Dez. das sog. Bürgerministerium ernannt, an dessen Spitze Fürst Carlos Auersperg stand; Vicepräsident und zugleich Minister der Landesverteidigung war Graf Taaffe, Minister des Innern Giskra, der Justiz Herbst, der Finanzen Brestel, des Kultus und Unterrichts Hasner, des Handels Plener, des Ackerbauwesens Graf Potocki, Minister ohne Portefeuille Berger.
Für die den beiden Reichshälften gemeinsamen Angelegenheiten, das Auswärtige, die Finanzen und das Kriegswesen, wurde 21. Dez. ein besonderes Reichsministerium ernannt. Der Reichskanzler Beust übernahm das Auswärtige, Beke die Finanzen, Freiherr von John und nach dessen Rücktritt Feldmarschalllieutenant von Kuhn das Kriegswesen. Diese drei Reichsminister sollten mit den vom Reichsrat und Reichstag zu wählenden Delegationen (s. d.), die abwechselnd in Wien und in Pest sich zu versammeln hatten, die gemeinsamen Reichsangelegenheiten beraten.
Bei der formellen Auseinandersetzung (dem sog. Ausgleich) zwischen den Ländern der ungar. Krone und den im Reichsrat vertretenen deutschslaw. Kronländern, über die durch Deputationen des Reichsrats und des Reichstags verhandelt wurde, einigte man sich dahin, daß die gemeinsamen Ausgaben zunächst aus dem Ertrag der Zölle bestritten, der Rest aber mit 70 Proz. von der cisleithanischen, mit 30 Proz. von der ungar. Reichshälfte getragen werden sollte. Diese Abmachung sollte immer auf 10 Jahre gelten, worauf dann das Quotenverhältnis abgeändert werden kann.
Dagegen ward ein unabänderliches und endgültiges Abkommen über die gemeinsame Staatsschuld getroffen. Danach sollte die cisleithanische Reichshälfte vorweg von den Zinsen 25 Mill. Fl. tragen und der Rest zwischen beiden Reichshälften im Verhältnis von 70 und 30 Proz. geteilt werden. Diese Summen berechnete man für 1868 auf 109 und 36 Mill. Fl.; von 1869 an sollte Ungarn nur einen jährlichen festen Beitrag von 29100000 Fl. zur Verzinsung leisten. Die bisherigen verschiedenen Staatsschuldentitel sollten in eine einheitliche Staatenschuld umgewandelt werden, was im Juni 1868 bewerkstelligt wurde.
Von 1869 an sollten nur mit Zustimmung beider Parlamente Anleihen auf gemeinsame Rechnung und zu gemeinsamen Zwecken gemacht werden; dagegen hatte im übrigen sowohl die cisleithanische wie die ungar. Finanzverwaltung für ihren eigenen besondern Bedarf zu sorgen. Diese Abmachungen sowie ein Zoll- und Handelsbündnis wurden im Oktober von den Parlamenten Cis- und Transleithaniens genehmigt, und ein kaiserl. Handschreiben vom ordnete die Titelfrage dahin, daß der Monarch künftighin den Titel Kaiser von Österreich, König von Ungarn, und die Monarchie die Bezeichnung Österreichisch-Ungarische Monarchie und Österreichisch-Ungarisches Reich führen sollte.
Am notwendigsten, aber auch am schwierigsten war die Regelung der kirchlichen Verhältnisse oder die Konkordatsfrage. Die durch die Staatsgrundgesetze garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit konnte unter der Herrschaft des Konkordats nicht aufkommen. Die Regierung brachte drei Gesetzentwürfe ein: das Ehegesetz sollte das Eherecht des bürgerlichen Gesetzbuches wiederherstellen, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen den Geistlichen abnehmen und den weltlichen Gerichten zurückgeben und die Notcivilehe einführen;
das Schulgesetz sollte die Leitung des Unterrichtswesens mit Ausnahme des Religionsunterrichts der Geistlichkeit entziehen und dem Staate übergeben;
das interkonfessionelle Gesetz sollte das Religionsbekenntnis der Kinder bei gemischten Ehen, den Übertritt zu einer andern Konfession, das Begräbnis u. s. w. regeln.
Diese drei Entwürfe wurden vom Abgeordnetenhause angenommen, vom Herrenhause nach heftigen Kämpfen genehmigt und vom Kaiser unterzeichnet. Inzwischen hatte letzterer mit dem Papst wegen Revision des Konkordats vergebens unterhandeln lassen. Pius IX. erklärte in seiner Allokution vom «diese Gesetze samt ihren Folgerungen für durchaus nichtig und immerdar ungültig». Infolgedessen forderten die meisten Bischöfe in ihren Hirtenbriefen alle Gläubigen auf, sich nicht um diese Gesetze zu kümmern und sich an die Bestimmungen des Konkordats zu halten, gegen das eine ebenso lebhafte Bewegung der Liberalen gerichtet war. Diese kam auch schließlich ans Ziel, da nach ¶