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683 gestiftet; in Ägypten [* 2] war von Ali Bei das Mamlukenregiment in alter Selbständigkeit wiederhergestellt worden. Beide verbündet, führten Krieg gegen die großherrlichen Paschas von Damaskus und Saida und wurden von dem russ. Feldherrn Orlow unterstützt. Während dieser Bedrängnis starb Mustapha III. im Jan. 1774 und hinterließ den erschütterten Thron [* 3] seinem Bruder Abd ul-Hamid (1774–89). Dieser schloß den Frieden von Küčük-Kainardža (s. d.). Rußland gab die Moldau und die Walachei wieder heraus und nahm nur ein gewisses Schutzrecht über diese Fürstentümer in Anspruch.
Dagegen behielt es Asow, Taganrog, Jenikale, Kertsch und Kinburn in Besitz und ließ sich das Recht der freien Schiffahrt in den türk. Meeren und Meerengen zugestehen. Die Krim [* 4] wurde für unabhängig erklärt, was Katharina nur gewollt hatte, um sie desto leichter in ihre Gewalt bringen zu können. Als sie daher 1783 von der Krim Besitz ergriff, wagte die Pforte keinen Widerstand und ließ sich sogar bewegen, dies durch einen im folgenden Jahre abgeschlossenen Vertrag anzuerkennen; als aber das Zarenreich 1784 durch die Thronentsagung des Königs Heraklius von Georgien auch in Asien [* 5] ein drohender Grenznachbar geworden war, erklärte die Pforte 1787 Rußland von neuem den Krieg. 1788 fiel der mit Katharina II. verbündete Kaiser Joseph in die Moldau ein.
Allein die Türken schlugen ihn in mehrern Treffen und verfolgten ihn bis in das Temesvárer Banat; jedoch verloren sie in demselben Jahr Chotin und Otschakow an die Russen. Im April 1789 starb Abdul-Hamid. Sein Nachfolger und Neffe, Selim III. (1789–1807), setzte den Krieg fort und sandte ein Heer über die Donau, das am Rimnicuflusse von der vereinigten russ.-österr. Armee unter Suworow vernichtend geschlagen wurde. Bessarabien, die Walachei, Belgrad [* 6] und Ismail fielen den Verbündeten in die Hände.
Jetzt aber nahm Preußen [* 7] sich der Pforte an und nötigte Österreich [* 8] zu dem Frieden von Sistov durch den es seine sämtlichen Eroberungen wieder verlor. Auch die Kaiserin gab in dem zu Jassy abgeschlossenen Frieden ihre Eroberungen, mit Ausnahme von Otschakow, wieder heraus und begnügte sich mit einer Bestätigung der frühern Traktate. Indes erschienen die innern Verhältnisse der Türkei [* 9] für den Bestand des Reichs beinahe noch bedrohlicher als die Ländergier äußerer Feinde.
Die Finanzen waren zerrüttet, die Janitscharen demoralisiert, der Glaube an die alten Institutionen erschüttert. In den Provinzen wurde die Zahl der Machthaber immer größer, die offen nach Unabhängigkeit strebten. In Syrien schaltete der Pascha Achmed-Dschezzar nach Willkür, in Ägypten walteten gegen Zahlung eines geringen Tributs mächtige Mamlukenbeis in fast gänzlicher Unabhängigkeit, unter den Rajahnationen wurde der Wunsch nach Befreiung von dem schweren Joch immer mehr rege, und endlich waren die heiligen Städte Mekka und Medina in die Hände der räuberischen Beduinensekte der Wahabiten gefallen.
Unter diesen Umständen konnte die 1798 unternommene Ägyptische Expedition der Franzosen (s. d.) seitens der Türkei nur auf geringen Widerstand stoßen. Zögernd erklärte die Pforte auf Englands und Rußlands Andrängen der franz. Regierung den Krieg, beeilte sich aber Frieden zu schließen, nachdem ihr 1801 Ägypten zurückgegeben war. Ein Aufstand, der in Serbien [* 10] (s. d., Geschichte) unter Karadjordjes (s. d.) Führung 1804 ausgebrochen war, konnte trotz schwerer Kämpfe nicht niedergeworfen werden, besonders weil die Aufständischen von Rußland, das sich seit 1806 wieder mit der Türkei im Kriege befand, Unterstützung erhielten. In Konstantinopel [* 11] hatte nämlich die franz. Diplomatie so sehr das Übergewicht gewonnen, daß der Sultan die russ. Sympathien verdächtigen Hospodare der Moldau und Walachei abberief, worauf die russ. Kriegserklärung und Occupation der Fürstentümer erfolgte.
Englands Bemühungen, die Pforte zur Teilnahme an einer antifranz. Koalition zu bewegen, waren ebenfalls erfolglos; Selim hielt fest an Frankreich und war der erste unter den türk. Sultanen, der sich mit umfassenden Reformplänen trug. Er beabsichtigte eine Umgestaltung des Diwans, eine bessere Stellung der Rajahvölker und vor allem eine Neubildung des Heers nach franz. Muster. Dies erregte namentlich den Groll der Janitscharen, die im Mai 1807 die Entthronung Selims durchsetzten.
Ihm folgte sein Vetter, Abd ul-Hamids Sohn, Mustapha IV. (1807–8), der sich offen der Reaktion in die Arme warf. Aber die Reformidee hatte in der Beamtenschaft bereits Wurzel [* 12] gefaßt. Der Statthalter von Rustschuk, Mustapha Bairaktar (s. d.), nahm die Sache Selims auf und erschien als sein Rächer mit einem Heer in Konstantinopel, fand aber Selim bereits ermordet. Er ließ Mustapha IV. absetzen und strangulieren und hob (Juli 1808) den einzigen noch übrigen osman.
Prinzen, Mahmud II. (1808–39), einen andern Sohn Abd ul-Hamids, auf den Thron. Als Großwesir suchte Mustapha Bairaktar nunmehr den Plänen Selims Geltung zu verschaffen. Da er aber seine Reformen zu rasch ins Werk setzen wollte, zog er sich den allgemeinen Haß zu und erlag im Nov. 1808 einem Aufstande. Mahmud II. mußte sich nunmehr notgedrungen der Reaktion ergeben, ohne deshalb für die Zukunft seine Reformpläne aufzugeben. Er söhnte sich (1809) alsbald mit England aus, um gegen Rußland, das noch immer die Donaufürstentümer besetzt hielt, erfolgreicher operieren zu können.
Aber der immer noch nicht gedämpfte serb. Aufstand lähmte die Bewegungen der türk. Führer. Die Russen drangen über die Donau und nahmen und zerstörten Nikopolis, Silistria und Rustschuk. Der drohende Krieg mit Napoleon machte jedoch den Zaren zum Frieden geneigt, der unter Englands Vermittelung zu Bukarest [* 13] abgeschlossen wurde und den Pruth zur Grenze beider Reiche machte. Die Serben blieben der Türkei tributpflichtig, sollten aber eigene Gerichtsbarkeit erhalten. Da ihnen dies Versprechen nicht genügte, so dauerte der Aufstand unter Milosch (s. d.) Obrenowitsch fort, und diesem gelang es, für seine Nation eine anfangs nur beschränkte Autonomie bei der Pforte durchzusetzen.
Auch in Kleinasien und Syrien hatte Mahmud mit Aufständen zu kämpfen, doch gelang es ihm, die dortigen unbotmäßigen Statthalter sowie den mächtigen Ali (s. d.) Pascha von Jannina wieder zu unterwerfen. Bedeutsamer war die Erhebung der Griechen im J. 1821 (s. Griechenland, [* 14] Geschichte), gegen die Mahmud nach mehrern vergeblichen Feldzügen seinen mächtigsten Vasallen, Mehemed Ali (s. d.) Pascha von Ägypten, zu Hilfe rufen mußte. Die Ausrottung der Janitscharen die zu einer verwilderten Rotte herabgesunken waren, verschaffte dem Sultan endlich in Beziehung auf die erstrebte ¶
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Reorga-684 nisation des Kriegswesens freie Hand. [* 16] Die infolge der Janitscharenmetzelei eingetretene momentane Wehrlosigkeit der Türkei benutzend, hatte Rußland den Sultan im Okt. 1826 den Traktat von Akjerman (s. d.) abzuschließen genötigt, der die staatsrechtlichen Verhältnisse Serbiens, der Moldau und der Walachei nach den Bestimmungen Rußlands regelte und diesem einige feste Plätze an der tscherkessisch-abchasischen Küste zusprach. Hiermit noch nicht zufrieden, wußte das russ. Kabinett, nachdem die Türkei über die griech. Frage schon mit England und Frankreich in Mißhelligkeiten geraten war und in der Seeschlacht bei Navarin ihre Flotte eingebüßt hatte, einen Krieg herbeizuführen, in dessen Verlauf Graf Diebitsch bis nach Adrianopel vordrang und selbst die Hauptstadt zu bedrohen schien. (S. Russisch-Türkischer Krieg von 1828 und 1829.) Der Friedensschluß von Adrianopel, der diesen Krieg beendete, bedeutete eine große Machtverringerung der Pforte und ein Steigen des russ. Übergewichts im Orient.
Die Pforte mußte sich zur Anerkennung der Unabhängigkeit Griechenlands verstehen, die fast völlige Selbständigkeit der Donaufürstentümer und lebenslängliche Herrschaft der Hospodare zugestehen, mehrere feste Plätze an der Ostküste des Schwarzen Meers abtreten, sich zu einer Kriegsentschädigung von 10 Mill. Dukaten verpflichten und Handelsschiffen freie Durchfahrt durch Dardanellen und Bosporus [* 17] gewähren. Nachdem Mahmud hierauf die Aufstände in Albanien und Bosnien [* 18] 1831 unterdrückt hatte, wandte er sich gegen Mehemed Ali von Ägypten.
Dieser hatte als Lohn für seine Dienste [* 19] gegen die Griechen das Paschalik von Damaskus verlangt, aber eine abschlägige Antwort erhalten. Nun suchte er sich ganz Syriens zu bemächtigen, fiel 1831 in Syrien ein, eroberte 1832 Akka, schlug die gegen ihn ausgesandten Heere bei Homs, Beilan und Koma, drang 1833 bis Kutahia vor und bedrohte Konstantinopel. Rußland benutzte die Verlegenheit der Pforte, dem Sultan den Vertrag von Hunkiar-Iskelessi (8. Juli) aufzunötigen, worin die Pforte ein Defensivbündnis auf acht Jahre mit Rußland einging und sich verpflichtete, keinem fremden Kriegsschiff die Durchfahrt durch die Dardanellen zu gestatten. Inzwischen hatte Mahmud durch den Frieden von Kutahia Syrien und Cilicien an Mehemed Ali abtreten müssen.
Die Wiedergewinnung dieser Provinzen war seitdem das Ziel der Politik Mahmuds. Das Bestreben Mehemed Alis, die Westküste des Persischen Meerbusens nebst Basra in seine Gewalt zu bringen, machte das für Ostindien [* 20] besorgte England zum Bundesgenossen der Pforte. Es schloß mit ihr 1838 einen Handelsvertrag, worin ihm freie Ausfuhr aus allen Teilen des türk. Reichs, also auch aus Ägypten und Syrien, zugesichert wurde. Da Mehemed Ali diesen Vertrag nicht anerkannte, entsetzte ihn Mahmud aller seiner Würden und ließ ein Heer unter Hafis Pascha in Syrien einrücken.
Dieses wurde aber bei Nisib geschlagen, und 30. Juni starb Sultan Mahmud. Ihm folgte sein Sohn Abd ul-Medschid (1839–61), ein schwächlicher Prinz von 17 Jahren. Bald nach seiner Thronbesteigung fiel auch die Flotte ab und ging zu Mehemed Ali über. Nun nahmen sich die Großmächte, die, Frankreich ausgenommen, einen Vertrag zum Schutz der Türkei geschlossen hatten, des bedrängten Reichs an; eine engl.-österr. Flotte eroberte Beirut, Saida und Akka, und Mehemed Ali mußte Syrien, Cilicien, Kreta, Arabien herausgeben und sich mit dem erblichen Paschalik von Ägypten begnügen.
Die Regierung Abd ul-Medschids war trotz seiner persönlichen Unfähigkeit glücklicher als diejenige seines Vaters, da er die Leitung der Staatsangelegenheiten fast ganz bewährten Staatsmännern überließ. Sein bedeutendster Minister, Reschid Pascha (s. d.), verfolgte mit Beharrlichkeit den Plan, das Reich Osmans durch innere Reformen den Westmächten anzunähern. Sein erster Schritt in dieser Richtung war die Veröffentlichung des Hatt-i-Scherif von Gülhaneh, einer Staatsakte des verstorbenen Sultans, die durch Anerkennung der polit.
Rechte der Rajah die Befreiung der Pforte von der Bevormundung Rußlands zu fördern suchte. Rußland strebte nämlich nach einem Protektorat über sämtliche Christen in der Türkei, um dadurch Gelegenheit zu fortwährenden Interventionen zu haben. Am verlangte Fürst Menschikow als außerordentlicher russ. Botschafter in Konstantinopel das Zugeständnis eines religiösen Schutzrechts Rußlands über alle griech. Christen in der Türkei. Da die Antwort abschlägig lautete, so rückte Rußland im Juli in die Donaufürstentümer ein.
Die Pforte erklärte ihm infolgedessen den Krieg, den sie mit Hilfe Frankreichs und Englands glücklich führte und der im wesentlichen vor den Wällen von Sewastopol [* 21] ausgefochten wurde. (S. Orientkrieg.) Nach dem Fall dieser Festung [* 22] trat ein Kongreß in Paris [* 23] zusammen, und wurde der dritte Pariser Friede (s. d.) unterzeichnet, wonach Rußland das Nordufer der Donaumündung an die Türkei abtreten mußte und diese in die europ. Staatengemeinschaft aufgenommen wurde.
Dies letzte Zugeständnis war der Pforte infolge des Hatt-i-Humajun vom gemacht worden, eines Manifestes des Sultans, durch das völlige Religionsfreiheit eingeführt und jedes polit. Vorrecht des Islam aufgehoben werden sollte. Diese Neuerung rief den heftigsten Unwillen der Mohammedaner hervor. Im Sommer 1860 fanden von seiten der Drusen [* 24] (s. d.) blutige Christenverfolgungen in Damaskus und im Libanon statt. Gegen den Wortlaut des Pariser Friedensvertrags intervenierte Frankreich, indem es 4500 Mann nach Beirut sandte, die 10 Monate im Lande blieben. Ebenso konnten die Moldau und die Walachei es wagen, gegen den Pariser Traktat und den Willen der Pforte sich (Dez. 1861) zu einem einzigen Staat zu vereinigen, der den Namen Rumänien (s. d., Geschichte) annahm.
Abd ul-Medschid starb und hinterließ den zerrütteten Staat seinem Bruder Abd ul-Asis (1861–76), dessen Regierung zu den unheilvollsten dieser Dynastie gehört. Der unaufhörliche Wechsel der Beamten und Verschwendungen des Großherrn wirkten in schädlichster Weise, immer neue Anleihen stürzten das Land in finanzielle Bedrängnis, und besonders wurde es immer schwerer, das aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzte Reich zusammenzuhalten. Allerdings wurden Aufstände in Bosnien und Montenegro noch unterdrückt, jedoch mußten den Serben die in ihrem Lande noch von den türk. Truppen besetzten Festungen übergeben werden, und die Erhebung des Prinzen Karl von Hohenzollern [* 25] auf den Fürstenthron von Rumänien (1866) bewies die Ohnmacht des Diwan in diesem Vasallenstaate. ¶