Titel
Nürnberg.
[* 2]
1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Mittelfranken, hat 384,60 qkm, 1890: 49694, 1895: 55034 (27327 männl., 27707 weibl.) E. in 190 Ortschaften, darunter 1 Stadt. - 2) Unmittelbare Stadt (1133,369 ha) und Hauptort des Bezirksamtes Nürnberg, an der Pegnitz, ^[Abb: Wappen] [* 3] in einer sandigen, aber wohlangebauten Ebene, ist Sitz des Bezirksamtes, eines Oberlandesgerichts (Landgerichte Ansbach, [* 4] Amberg, [* 5] Fürth, [* 6] Nürnberg, Regensburg, [* 7] Weiden), eines Landgerichts mit Kammer für Handelssachen und acht Amtsgerichten (Altdorf, Gräfenberg, Hersbruck, Hilpoltstein, Lauf, Nürnberg, Roth a. Sand, Schwabach), [* 8] eines Amtsgerichts, Oberbahn-, Oberpost-, Hauptzollamtes, der königl. Hauptbank, einer Reichsbankstelle, Handels- und Gewerbekammer sowie der 3. Division, der 6. Infanterie- und 3. Kavalleriebrigade und hatte 1840: 46824, 1861: 62797, 1880: 99519,1890:142590,1895:162380 (79886 männl., 82494 weibl.) E., d. i. eine Zunahme seit 1890 um 19790 Personen oder 13,9 Proz. Dem Religionsbekenntnis nach waren 117714 Evangelische, 38994 Katholiken. 4794 Israeliten und 923 Andersgläubige. In Garnison liegen das 2.-4. Bataillon des 14. Infanterieregiments Hartmann, das 1. Chevaulegersregiment Kaiser Alexander von Rußland, die 3. Abteilung des 2. Feldartillerieregiments und das Meldereiterdetachement des 2. bayr. Armeekorps (dem 1. Chevaulegersregiment zugeteilt).
Rechnet man zu der Einwohnerzahl von (1895) 162380 noch diejenige der umliegenden Ortschaften, die durch wirtschaftliche Interessen mit Nürnberg verbunden sind, nämlich Erlenstegen (1031 E.), Mögeldorf (2414), Lichtenhof-Gibitzenhof(4906), Glaishammer (5381), Großreuth hinter der Veste (1363), Kleinreuth hinter der Veste (1053), Schoppershof (2271), Schnigling (2264), Schweinau (2640), Sündersbühl (3871), Thon (403) und Wezendorf (3029 E.), so ergiebt sich für Groß-Nürnberg eine Gesamteinwohnerzahl von rund 200000. Die Zahl der Geborenen betrug (1895) 5680, darunter 268 Totgeborene, der Eheschließungen 1369, der Gestorbenen 3845. (Hierzu ein Plan mit Verzeichnis der Straßen, Gebäude u. s. w.)
Anlage, Brunnen, [* 9] Denkmäler. Die Stadt wird von der Pegnitz in zwei durch mehrere steinerne Brücken, [* 10] hölzerne Stege und eine Kettenbrücke verbundene Hälften geteilt, die nach den Hauptkirchen Sebalder- und Lorenzerseite heißen. Die Befestigung mit Mauern und Türmen ist noch größtenteils erhalten, namentlich in der Nähe der alten Kaiserburg, welche von hohem Felsen herab die Stadt beherrscht. An Kunstbrunnen hat die Stadt den Tugendbrunnen an der Lorenzerkirche, 1589 von Benedikt Wurzelbauer gegossen;
den Kunstbrunnen vor dem Spittler Thor, 1890 errichtet zur Erinnerung an die 1835 eröffnete erste Eisenbahn Deutschlands [* 11] von Nürnberg nach Fürth;
den Schönen Brunnen (s. Tafel: Brunnen I, [* 1] Fig. 4), 1385-96 von Meister Heinrich dem Palier erbaut;
das Gänsemännchen hinter der Frauenkirche (s. Tafel: Brunnen II, [* 1] Fig. 1), 1530 von Labenwolf, einem Schüler Peter Vischers, gegossen;
den Grübelsbrunnen mit der Statuette des Volksdichters Grübel (1881);
den Wasserspeier auf dem Maxplatz, eine steinerne Fontäne (1687), den Springbrunnen auf der Hallerwiese und die Kunstbrunnen auf dem Aufseßplatz (1895) und auf dem Marienplatz (1896) von Zadow.
Von Denkmälern sind zu nennen die Standbilder Philipp Melanchthons, 1826 von Burgschmiet aus Sandstein gefertigt, und Albrecht Dürers, 1840 nach Rauchs Modell von Burgschmiet gegossen, das Hans-Sachs-Denkmal, 1874 von Lenz gegossen, das Kriegerdenkmal (1876) und das Denkmal des Seefahrers Martin Behaim, 1890 errichtet.
Kirchen. Die St. Sebalduskirche, deren westl.
Teil
bis in
die erste Hälfte des 13. Jahrh. zurückreicht, wurde in der Hauptsache 1256 (im
Übergangsstil) vollendet, der östl.
Chor 1361-77 im ausgebildeten got.
Stil erbaut. Bemerkenswert ist
das Bronzegrabmal des heil. Sebaldus mit 72
[* 1]
Figuren, von
Peter Vischer und seinen
Söhnen gefertigt (s.
Tafel:
Deutsche Kunst
[* 12] IV,
[* 1]
Fig. 1), das Grabdenkmal der Familie
Schreyer (1492) von
Adam Kraft
[* 13] in einer Pfeilernische an der Außenseite und viele
andere Kunstwerke; die St. Lorenzkirche hat eine schöne Westfaçade aus dem Ende des 13. Jahrh.
und ein herrliches Westportal (12 m hoch) mit
Thüren (1824) von Heideloff und einer kunstvollen Fensterrose
[* 14] von 9,34 m Durchmesser, 2
Türme
(77 m) und birgt das herrlichste Kunstwerk
Adam Krafts, das sog.
Sakramentshäuschen (1496-1500), ein got. Türmchen (18,7
m) in feiner Sandsteinarbeit, ferner den
Englischen Gruß (1517 und 1518) von
Veit
Stoß,
Glasgemälde von
Hirschvogel
u. a. (das
Kaiser-Wilhelms-Fenster ist 1881 nach Professor Wanderers
Entwurf gemalt von
Hans
Klaus), Wandgemälde,
Altäre und Gußwerke;
die Frauen- oder Marienkirche, 1355-61 erbaut, seit 1816 der kath. Gemeinde überlassen;
die Egidienkirche, 1711-18 an Stelle der alten romanischen, 1696 abgebrannten Klosterkirche erbaut, mit einem Altarbild von van Dyck;
die wahrscheinlich schon im 12. Jahrh. gegründete, 1209 von Kaiser Otto IV. dem Deutschen Orden [* 15] geschenkte und 1824 und 1892 renovierte Jakobskirche, die Heiliggeist- oder Spitalkirche (1333 -39), in der 1424-1796 die Reichskleinodien aufbewahrt wurden;
in den Vorstädten liegen die Bartholomäuskirche, die St. Johanniskirche mit dem Kirchhof, die St. Peters-, St. Leonhards-, St. Rochuskirche, das Kirchlein Zum Heiligen Kreuz [* 16] bei St. Johannis, der Hallerschen Familie gehörig, sowie die neue Christuskirche in Steinbühl (1894).
Die Synagoge wurde 1870-74 von Wolf erbaut.
Von berühmten Männern liegen auf dem St. Johannisfriedhof: Albr. Dürer, Wilibald Pirkheimer, Lazarus Spengler, Wenzel Jamnitzer, Veit Stoß, Anselm und Ludwig Feuerbach u. a.; auf dem Rochusfriedhof: Peter Vischer; der neue Centralfriedhof mit einem schönen Portal ist 1880 eröffnet worden. Von Adam Kraft stammen die sieben Stationen in Steinrelief auf dem Wege zum Johannisfriedhof und die Kreuzigung daselbst.
Weltliche Bauten. Die Burg, urkundlich 1050 nachweisbar, wurde von Friedrich Barbarossa erweitert, später mehrfach verändert und häufig von den deutschen Kaisern bewohnt; der älteste Teil der Kaiserburg ist der sog. Heidenturm mit zwei roman. Kapellen (12. Jahrh.) übereinander; im Innern der Burg, die 1854-56 vom Architekten Voit in got. Stil erneuert und als königl. Wohnung in Stand gesetzt wurde, befinden sich schöne Kachelöfen. [* 17] Der fünfeckige Turm [* 18] (Altnürnberg genannt) vor der Burg, wohl das älteste Bauwerk der Stadt, enthält eine Altertümersammlung. Das Rathaus am Fuße ¶
mehr
des Burgberges, mit 89 in langer Front, wurde im ital. Stil 1616-22 von dem Architekten Jakob Wolff neu erbaut, der nordöstl. Teil 1884-89 unter Leitung von Essenwein und unter Beihilfe von Heinrich Wallraff errichtet. Den großen Saal schmücken große Wandgemälde nach Dürers Entwürfen: Das ungerechte Gericht, Der Pfeiferstuhl, Triumphzug Kaiser Maximilians, und mehrere kleine von Gabriel Weyer, Paul Juvenell, Jobst Harrich und Jörg Gärtner, die Decke [* 20] des Korridors ein Gesellenstechen (Turnier) von Hans und Heinrich Kühn, den Hof [* 21] ein zierlicher Brunnen (1557) von Labenwolf und got. Balustraden aus dem Beginn des 16. Jahrh. von Hans Beham.
Sonst sind erwähnenswert die sog. Baumeisterwohnung im Peunthof (1615), das Zeughaus (1688), die Maut, ursprünglich ein Kornhaus (1499) u. a., ferner der Justizpalast (1877) von Solger, das 1893-95 im Garten [* 22] des ehemaligen Katharinenklosters errichtete stattliche Bayrische Gewerbemuseum und zahlreiche Privatgebäude, wie das Albrecht-Dürer-Haus, renoviert von der Dürer-Hausstiftung, das Schlüsselfeldersche, auch Nassauer Haus genannt (1390), das Tuchersche und das Rupprechtsche, das Pellersche (jetzt Eyßersche), das Topplersche (später Sandrartsche) und eine Reihe neuerer Privathäuser, die den Altnürnberger Bauten auf das glücklichste nachgebildet sind.
Verwaltung, Finanzen. Die Stadt wird verwaltet von einem Ersten Bürgermeister (Dr. von Schuh, 15000), Zweiten Bürgermeister (Friedr. Täubler, 10000 M.), 27 Magistratsmitgliedern und 51 Gemeindebevollmächtigten. Für Feuerlöschwesen besteht eine freiwillige Feuerwehr von 421 Mann; ferner hat die Stadt ein Gaswerk, Elektricitätswerk (1896), eine Wasserleitung [* 23] (1886) und einen Vieh- und Schlachthof (1892).
Unterrichts- und Bildungswesen. Nürnberg hat ein Altes Gymnasium, 1526 von Melanchthon eingerichtet, Neues Gymnasium (1889), Realgymnasium, zwei höhere Töchterschulen, Industrie-, Kunstgewerbe-, Musik-, Handels- und Baugewerkschule, Taubstummenanstalt, Blindenerziehungsanstalt und ein Waisenhaus. Im alten Dominikaner- oder Predigerkloster befindet sich die bedeutende und bemerkenswerte Stadtbibliothek (etwa 80000 Bände), und das städtische Archiv.
Unter den Sammlungen für Kunst und Wissenschaft nimmt den ersten Platz ein das Germanische Museum (s. d., Direktor Gustav von Bezold), für Industrie und Gewerbe das seit 1871 bestehende, seit 1896 in einem neuen Gebäude befindliche Bayrische Gewerbemuseum mit reichen Sammlungen von Musterarbeiten aller Zeiten und Kulturvölker und kunstgewerblichen Gegenständen. Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg pflegt die Ortsgeschichte; für Dichtung und Litteratur besteht der alte 1644 gegründete Pegnesische Blumenorden, für die künstlerischen Interessen wirkt der Albrecht-Dürer-Verein mit permanenter Ausstellung von Gemälden und andern Kunstgegenständen. Nürnberg hat ein Stadttheater, ein Sommertheater, Ateliers für kirchliche Kunst und artistische Anstalten für Holzschnitzereien und Herstellung von Altarwerken, Kanzeln u. s. w., Erzgießerei von Professor Lenz.
In N. erscheinen 10 politische Zeitungen; die wichtigsten sind: «Fränkischer Kurier» (freisinnig),
«Fränkische Morgenzeitung» (nationalliberal) und «Fränkische Tagespost» (socialdemokratisch);
außerdem eine Reihe gewerblicher und wissenschaftlicher Blätter und Zeitschriften, z. B. für Bierbrauerei [* 24] und Hopfenbau, die vom Bayrischen Gewerbemuseum herausgegebene «Bayrische Gewerbezeitung» u. a.
Industrie, Handel. Wichtigste Industriezweige sind die Fabrikation von Kurzwaren und Spielsachen (Nürnberger Waren), die seit langem einen Weltruf genießen, ebenso wie die Nürnberger Lebkuchen, ferner von Metall-, Holz-, Horn- und leonischen Waren, mechan. und optischen Waren, Messingarbeiten, Reißzeugen, Ultramarin, Margarine, Maschinen, Nachtlichtern, Öfen, [* 25] Pinseln und Bürsten, Schuhwaren, Tabak, [* 26] Fahrrädern, Bronze- und Brokatwaren, sowie Abziehbildern (Metachromotypie); bedeutend sind die Erzgießerei, Lithographie, Kunstanstalten, Gold- und Metallschlägerei, die Brauerei und die Bleistiftfabrikation (s. Faber A.W.).
Größere Fabriken sind ferner die Nürnberger Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, vormals Cramer-Klett, die Zeltnersche Ultramarinfabrik, die Elektricitäts-Aktiengesellschaft, vormals Schuckert & Co. (s. Schuckert), die Aktienbrauerei vormals Henninger, die Kurzsche (J. G. Reif), die Freiherr von Tuchersche Brauerei, die Gebrüder Lederersche (Aktien-) Brauerei und das Brauhaus Nürnberg (Aktienbrauerei). Nürnberg ist Sitz der 1. Sektion der Steinbruchs - und der Süddeutschen Edel- und Unedelmetall-, der 2. Sektion der Süddeutschen Eisen- und Stahl-, der 5. der Brauerei- und Mälzerei, der 15. der Müllerei-, der 27. der Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft, der 7. Sektion der Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke, der 8. Sektion der Papierverarbeitungs- und der Berufsgenossenschaft der chem. Industrie und der 10. Sektion der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik, ferner des Vereins für Hebung [* 27] der Fluß- und Kanalschiffahrt in Bayern. [* 28]
Der Handel war schon in frühester Zeit sehr bedeutend; er steigerte sich zum Welthandel. Nürnberg übernahm die Vermittelung zwischen den bedeutendsten südeurop. Staaten und dem nördl. Deutschland; [* 29] seine Kaufleute zogen in die Niederlande, [* 30] nach Polen, Österreich, [* 31] Ungarn, [* 32] Italien, [* 33] Frankreich und in die Schweiz. [* 34] Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. beginnt die Abnahme des Handels, doch hatten noch bis ins 17. Jahrh. ital. Handelshäuser Zweigniederlassungen in Nürnberg. Jetzt umfaßt der Handel hauptsächlich Kolonialwaren und Getreide, [* 35] Mehl, [* 36] Petroleum, Droguen, Eisen- und Metallwaren, Feld- und Gartenerzeugnisse, Holz, [* 37] Wein, sowie Hopfen, [* 38] für den Nürnberg Weltmarkt ist.
Der jährliche Bahnversand von Hopfen beträgt etwa 10000-12500 t in jeder Saison. Der Wert der Jahresumsätze in den etwa 300 Hopfenhandlungshäusern beläuft sich auf 40-80 Mill. M. Der Handel wird unterstützt durch die 1786 gegründete königl. Hauptbank, eine Reichsbankstelle, die Vereinsbank, Filiale der Bayrischen Notenbank, Handelskammer, Hopfenbörse und den Ludwigs-Donau-Main-Kanal (s. d.). Die Nürnberger Lebensversicherungsbank (Aktiengesellschaft) besteht seit 1885.
Verkehrswesen. Auf dem Ludwigs-Donau-Main-Kanal kamen im Hafen von Nürnberg in der Richtung nach der Donau an 762 t;
es gingen ab 2867 t, durch 628 t Güter;
die entsprechenden Ziffern für den Güterverkehr in der Richtung nach dem Main waren 34009, 431 und 22 046 t;
außerdem kamen 145 t Flöße an und gingen 3347 t nach dem Main durch. Nürnberg hat einen Centralbahnhof für die Linien Probstzella-Nürnberg-München, Würzburg-Nürnberg-Passau, Furth i. Wald-Nürnberg-Crailsheim, Eger-Nürnberg (151,4 km) der Bayr. Staatsbahnen [* 39] mit dem Ostbahnhof in der Vorstadt St. Jobst und einen Bahnhof (Ludwigsbahnhof) ¶