Niederländisches Indien - Niederländische Sprache und Litteratur
mehr
waren teils im
Bau oder sollten zu bauen begonnen werden. Vom
Personal waren 1895 auf 29 Schiffen für den europ. Dienst 4820 Mann,
auf 9 Fahrzeugen für den Schutz der Seefischerei 1131 Mann, auf 25 Schiffen der ind. Flotte 3733 Mann
und auf 2 Schiffen in Westindien
[* 2] 216 Mann, zusammen 9900 Mann.
Die germanisch redende
Bevölkerung
[* 9] der
Niederlande leitet ihren Ursprung von drei Volksstämmen her: von den
Franken (s. d.),
den
Sachsen
[* 10] (s. d.) und den Friesen (s. d.).
Noch heute lassen sich die drei
Bestandteile der
Bevölkerung nach den Mundarten der verschiedenen
Provinzen erkennen (s.
Deutsche Mundarten,
Bd. 5, S. 31 b, 32
a und 33 a). Die niederländ. oder holländ.
Sprache nebst der vläm. Mundart gehört zu den niederfränk.
Mundarten. Es ist die einzige unter allen deutschen Mundarten, welche, gegenüber der hochdeutschen,
eine selbständige Schriftsprache geworden ist (s.
Deutsche Sprache, Bd. 5, S. 73 b). Die altniederländ.
Sprache, wie sie sich in der Psalmenübersetzung zeigt und altniederfränkisch genannt zu werden pflegt, ist der altsächsischen
im «Heliand» am nächsten verwandt. Der Übergang des
Altniederländischen ins Mittelniederländische ist dem des
Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsche analog. Die ältesten
bekannten
Denkmale der mittelniederländ.
Sprache verdanken wir
Heinrich (s. d.) von
Veldeke. Entsprechend dem gleichzeitigen
Sprachstande in
Deutschland,
[* 11] dem Mittelhochdeutschen und dem Mittelniederdeutschen, nennt man die Sprachperiode von
Veldeke
(12. Jahrh.) bis zum 16. Jahrh. das Mittelniederländische,
dessen reinstes Abbild die Werke von Jacob
van Maerlant (1235‒1300) liefern.
Die gleichzeitigen
Franzosen nannten es Thyois oder Tiesche, die einheimischen Schriftsteller Dietsch oder Duutsch, später
Duitsch, gewöhnlich Nederduitsch, seit 1813 Nederlandsch (Gründung des Königreichs der
Niederlande) oder
Hollandsch (die
Engländer noch heutigentags Dutch), während die Bezeichnung Vlaamsch mehr eine provinzielle Bedeutung
und erst in neuerer Zeit durch franz. Einfluß die gegenwärtige weitere Geltung erlangte.
(S. Vlämische
Sprache und Litteratur.) Nach seinem Lautstande, dessen
Konsonanten auf allgemein niederdeutscher
Stufe verharren
(s.
Niederdeutsch), sowie nach
Bau und Wortschatz ist das Mittelniederländische dem Mittelniederdeutschen nahe verwandt.
Die wissenschaftliche Behandlung der niederländ.
Sprache begann Ende des 16. Jahrh. Zuerst stellte der
BuchdruckerChristoph Plantin zu
Antwerpen
[* 12] 1573 einen
«Thesaurus Teutonicae linguae» zusammen.
Ihn übertraf bald darauf (1588)
sein Korrektor Cornelis
van Kiel
[* 13] oder, wie er sich selbst gewöhnlich nannte,
Cornelius Kilianus aus Duffel bei Mecheln,
[* 14] durch
ein zweites niederländ. Wörterbuch, das
noch heute in der
Ausgabe von
van Hasselt («Cornelii Kiliani
Etymologicum Teutonicae linguae», Utr. 1777) dem Forscher unentbehrlich ist. Angeregt durch
die von
Junius (Dordr. 1665) herausgegebene got. Bibelübersetzung des
Ulfila, ward dann Lambert ten
Kate (1674‒1731) der Begründer der histor.
Grammatik mit solchem Tiefblick, daß seine Entdeckungen noch
JakobGrimm zum Ausgangspunkt dienen konnten.
Sein Hauptwerk ist «Aanleiding tot de kennisse
van het verhevene deel der Nederduitsche sprake» (2 Bde.,
Amsterd. 1723). Neben ihm zeichnete sich besonders Balthasar Huydecoper aus durch eindringende
Kenntnis der mittel- und neuniederländ.
Sprache, die er in seiner
Ausgabe der Reimchronik des
Melis Stoke (1772) und in seinen
Anmerkungen zu Bondels
Übersetzung von Ovids
«Metamorphosen» bewährte.
Die bedeutendsten Nachfolger ten
Kates und Huydecopers waren
Fransvan Lelyveld, Hinlopen, Clignett und Steenwinkel. Eine sehr
ersprießliche Wirksamkeit entfaltete die 1766 gestiftete und noch jetzt blühende Maatschappij
van Nederlandsche Letterkunde
zu
Leiden.
[* 15] Anfang des 19. Jahrh. gewann der ausgezeichnete Prosaistvan der
Palm als Unterrichtsminister
(1799‒1806) auch einen fördernden Einfluß auf den
Sprachunterricht und trug wesentlich bei zur Festsetzung einer allgemein
gültigen
Rechtschreibung nach dem von Siegenbeek entworfenen
System. (Vgl. Willems, Over de Hollansche en Vlaemsche schrijfwijzen
van het Nederduitsch, Antw. 1824.) An Siegenbeek ward auch
die erste, 1795 gegründete Professur der niederländ.
Litteratur zu
Leiden verliehen. Am engsten schloß sich an ihn Weiland, der außer einer
Grammatik («Nederduitsche spraakkunst»,
Amsterd. 1805) ein großes Wörterbuch («Nederduitsch
taalkundig woordenboek», 11 Bde., ebd. 1799‒1811) herausgab.
Dagegen bekämpfte Siegenbeeks Rechtschreibungslehre W.
Bilderdijk. Schätzenswert sind auch die sprachwissenschaftlichen
Arbeiten von J. ^[Justus oder Joast] Halbertsma, der sich besonders als Kenner des Friesischen auszeichnet,
von Ypei («Beknopte geschiedenis der Nederlandsche tale», 2 Bde.,
Utr. und Gron.
1812‒32),
Lulofs («Gronden der Nederlandsche woordafleidkunde», Gron.
1833),
de
Jager («Taalkundige handleidning tot de statenoverzetting des Bijbels»,
Rotterd. 1837) u. a. Nach den Grundsätzen J. Grimms wurde die
niederländ.
Grammatik durch
Brill bearbeitet, dessen
«Hollandsche spraakleer»
(Leid. 1846) und «Nederlandsche
spraakleer» (ebd. 1852 u. ö.) die Hauptwerke für dieselben bilden.
Te Winkel
[* 16] hat sich durch gediegene Monographien, besonders
in der von ihm redigierten Zeitschrift
«De Taalgids» hervorgethan. Daneben entfaltete in
Belgien Willems eine ungewöhnliche
Thätigkeit für das Mittelniederländische, dessen
Studium seitdem besonders durch Snellaert, Bormans,
Blommaert, die beiden Serrure,
David und
Heremans rüstig gefördert wurde.
Große Verdienste um die Herausgabe mittelniederländ.
Denkmäler erwarb sich auch Hoffmann von Fallersleben.
Die erste vollständige
mittelniederländ.
Laut- und Formlehre verdankt man dem
Deutschen Franck (Lpz. 1883). In
Holland standen lange Zeit
Jonckbloet
(s. d.) und M. de
Vries (s. d.) an der
Spitze der neuen Schule der vaterländischen
Sprach- und Litteraturforschung.
Außerdem haben auch Leendertz,
van den
Bergh, Verwijs, Moltzer,
van Vloten,
Brill, J. te Winkel,
van Helten und Verdam, wie auch
die
Deutschen¶
mehr
Martin und Franck ältere niederländ. Schriftwerke herausgegeben; auf dem Gebiete der
germanistischen Studien überhaupt: Cosijn, Beckering, Vinckers, Gallé, van Helten, Symons und Boer.
Vgl. M. Heyne, Kleine altsächs. und altniederfränk.
Grammatik (Paderb. 1873); P. I. Cosijn, De oudnederlandsche Psalmen (Haarl.
1873); J. Franck, Mittelniederländ. Grammatik (Lpz. 1883);
P. I. Cosijn, Nederlandsche spraakkunst; Ⅰ Etymologie (7. Aufl., Haarl.
1886);
Ⅱ Syntaxis (6. Aufl., ebd. 1838);
J. Verdam, De geschiedenis der Nederlandsche taal (Leeuwarden1890);
J. Vercoullin,
Schets eener historische grammatica der Nederlandsche taal (Gent
[* 18] 1892).
– Wörterbücher: das große Woordenboek der Nederlandsche taal (seit 1864 erscheinend) nach dem Muster
des deutschen Wörterbuchs der BrüderGrimm;
E.Verwijs und J. Verdam, Middelnederlandsch woordenboek (’sGravenhage, seit 1883 erscheinend);
J. Franck, Etymologisch woordenboek der Nederlandsche taal (ebd. 1892);
J. Vercoullin, Bekinopt etymologische woordenboek
der Nederlandsche taal (ebd. 1891).
Die poetische Litteratur der Niederlande wurde in ihren Anfängen teils von der franz., teils
von der deutschen Dichtung beeinflußt. Aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh. stammt eine Reihe höfischer
Epopöen, welche meist dem karolingischen Sagenkreise, teils auch jenem von Artus oder dem klassischen, teils andern kleinen
Gruppen angehören. Mit wenigen Ausnahmen sind sie Übersetzungen aus franz. Quellen und schon deshalb
durchschnittlich von geringem dichterischem Werte. Zu den bedeutendern unter ihnen gehören der «RomanvanLancelot» (hg. von
Jonckbloet, Haag
[* 19] 1846‒49),
«Karel ende Elegast» (hg. von Jonckbloet, Amsterd. 1859; von J. Bergsma, Zütphen 1893),
«Walewein»
(gedichtet von Penninc und Pieter Vostaert, hg. von Jonckbloet, 2 Bde., ebd. 1846‒48),
«Ferguut» (hg. von Verwijs und Verdam,
Gron. 1881),
die Erzählung von «Floris ende Blancefloer» (gedichtet von Diederic van Assenede, hg. von Hoffmann von Fallersleben in dessen
«HoraeBelgicae», Bd. 3, Lpz. 1836;
ferner von A. Thym und 1879 von H. E. Moltzer),
«Partonopeus» (hg. von Maßmann, Berl. 1847, und von J.
H. Bormans, Brüss. 1871). Diese alle aber werden bei weitem übertroffen durch die der Tiersage angehörende Volksdichtung
«Reinaert» (Reineke Fuchs).
[* 20] Mit der Blüte
[* 21] des Rittertums welkten auch jene Epopöen hin, und es ist eine seltene
Ausnahme, wenn uns im «Romanvan Limborch» von Hein von Aken (1280‒1330; hg. von van den Bergh, Leid. 1848) ein Ritterroman aus
dem 14. Jahrh. begegnet. An ihre Stelle trat, den Bedürfnissen und Neigungen des aufstrebenden Bürgerstaates entsprechend,
eine Dichtungsart, die, meist aus lat. Quelle
[* 22] schöpfend, überwiegend einen didaktischen Zweck verfolgte.
Ihr Hauptvertreter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. ist Jakobvan Maerlant (s. d.). Ihm schließt sich unmittelbar der
bedeutendste Dichter des 14. Jahrh. an, Jan Boendale, genannt Jan de Klerk, Schreiber (clerc)
der Schöffen zu Antwerpen (geb. um 1285, gest. 1365), der zwei Reimchroniken
verfaßte, die «Brabantsche Yeesten» (hg. von Willems, 2 Bde.,
1839‒43, und Bormans 1869) und «Van
den derden Edewaert»; ferner zwei Lehrgedichte: «Der Leken Spieghel»
(1325‒30; hg. von de Vries, 3 Bde., Leid. 1844‒48) und «Jans Teesteye» (1331; hg. von Snellaert 1869).
Unter den übrigen Lehrgedichten sind die bedeutendsten: der «Cato» (hg. von Jonckbloet, Leid. 1846) und
das (von einigen dem Boendale zugeschriebene) «Dietsche Doctrinale» von 1345 (hg.
von Jonckbloet, Haag 1842). Von geschichtlichen Gedichten verdienen besonders hervorgehoben zu werden: Lodewijk van Velthems
Chronik (hg. von Lelong 1727 und von Jonckbloet 1840),
der «Grimbergsche oorlog» (hg. von Serrure und
Blommaert, Gent 1852),
Melis (Aemilius) Stokes wichtige Chronik von Holland (um 1305; hg. von Huydecoper, 3 Bde., Leid. 1772, und
von Brill, Utr. 1885) und eine bis ins 15. Jahrh. reichende «Reimchronik
von Flandern» (hg. von Kausler, Tüb. 1840). Unter den Legenden sind
von Bedeutung: der «Theophilus» (hg. von Blommaert, Gent 1836, 1858, und von Verdam, Amsterd. 1882),
der «Brandaen» (hg. von
Blommaert, ebd. 1836, 1858, von Verdam und von Bonebakker 1894) und das Gedicht «Beatrijs»
(hg. von Jonckbloet, Amsterd. 1859). Von den zahlreichen legendenartigen Lebensbeschreibungen sind noch
zu nennen: «Das Leben des St. Amand», der «St. Christina», «St.
Lutgardis» und die in Limburger Mundart abgefaßte «Sinte Servatius legende» von Heinrich von Veldeke (hg. von Vermeulen, Utr.
1843). Die Lyrik hat nur wenige Proben und keinen bedeutenden Vertreter aufzuweisen. Erheblicher sind die Erzeugnisse des Dramas,
dessen Anfänge ebenfalls in diese Zeit fallen. Vgl. Altniederländ. Schaubühne (in Hoffmanns von Fallersleben
«HoraeBelgicae», Bd. 6, Bresl.
1838); Een cluyte van Playerwater (hg. von Mertens, Antw. 1838); H. E. Moltzer, De Middelnederlandsche dramatische Poëzie
(1868‒75), und F. von Hellwald, Geschichte des holländ. Theaters (Rotterd. 1874).
Um die Mitte des 14. Jahrh. bildete sich die niederländ.
Prosa aus, deren Meister der Mystiker Ruysbroek (s. d.) war und unter deren Erzeugnissen die sog.
«Limburgsche Sermoenen» (hg. von J. H.Kern, Gron. 1891 fg.)
zu nennen sind. Dagegen begann die Lehrdichtung zu ermatten, und an die Stelle der langatmigen Reimchroniken, Sittenspiegel
und wissenschaftlichen Abhandlungen traten kürzere, oft improvisierte Gedichte, die gern Erzählung und
Sittenlehre zu vereinigen suchten.
Die Dichter, welche diese neue Gattung pflegten und oft ein Wanderleben führten, nannte man Sprekers; den größten Ruhm
unter ihnen erlangte der am Hofe der Grafen von Holland lebende Willem von Hildegaersberch (um 1350‒1408). Allgemach hatte
sich nun auch die Kluft zwischen Adel und Bürgerstand erheblich vermindert, so daß der bedeutendste Dichter
des 15. Jahrh., Derc Potter (gest. 1428), ein Mann aus den höhern Kreisen, wiederum ein größeres höfisches Werk zur Unterhaltung
der vornehmen Gesellschaft auf jener bürgerlichen Grundlage der Spruchdichtung zu dichten unternahm («Der Minnen Loep»,
hg. von Leendertz, Leid. 1845‒47), in dem er eine Reihe von Liebesgeschichten abwechselnd mit Sittenlehren zu einem Ganzen
verwob. Ja sogar persönlich reichten sich bald beide Stände die Hand
[* 23] zur Verfolgung
¶