mehr
ihnen die
Spanier. Dann aber erhob sich
Italien
[* 2] selbst in
Palestrina und brachte den mehrstimmigen
Kirchengesang zur Vollendung,
im Wetteifer mit zahlreichen großen
Meistern, unter denen
Orlandus Lassus besonders hervorragt. In dieser ganzen Zeit war
der Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Musik
der treibende
Faktor. Das Weltliche wurde endlich durch
das Kirchliche besiegt, zuerst in der Umwandlung des weltlichen
Gesangs in Choralmelodien durch die
Reformatoren und sodann
in der Vollendung des kirchlichen Chorgesangs durch
Palestrina und seine Zeitgenossen.
Zu
Palestrinas Zeit wurde der mehrstimmige
Gesang auch im weltlichen Liede mit einer gewissen Einseitigkeit gepflegt. Dem entgegen
tauchten Bestrebungen auf, welche die Wiedererweckung des Einzelgesangs in altgriech.
Art und Wirkung bezweckten und schon um 1600 so tiefe
Wurzeln gefaßt hatten, daß in
Florenz
[* 3] die ersten
Opern («Dafne» und
«Euridice» von Peri) und in
Rom
[* 4] das erste Oratorium («L'anima e corpo» von E. del
Cavaliere) aufgeführt werden konnten. Hiermit
waren die beiden größten Formen der
Tonkunst ins Leben gerufen und auf die
Bahn der
Entwicklung gestellt,
die sie in unaufhaltsamem, durch eine unendliche Fülle von Werken bezeichnetem Lauf in kaum zwei Jahrhunderten bis zum Ziel
hin zurücklegten, und zwar besonders seit 1637, als das erste ständige Operntheater in
Venedig
[* 5] errichtet wurde und
Carissimi in
Rom zur selben Zeit die eigentlichen musi
kalischen Grundlagen des Oratoriums und der Konzertmusik legte.
Die Höhepunkte bilden Händel im Oratorium und Mozart in der Oper, zwei Deutsche, [* 6] deren Werk aber nicht möglich war und nicht verstanden werden kann ohne das, was ihre Vorgänger unter Beteiligung der Hauptnationen Europas geleistet haben. Die gesamte in ihrer modernen Richtung vom Beginn des 17. Jahrh. an wurde zunächst fast ausschließlich gepflegt von ihren Schöpfern, den Italienern. Der Hauptort im17. Jahrh. für die Oper war Venedig, wo Monteverdi den Grund gelegt hatte und Cavalli weiter baute, der für das Oratorium Rom. Im 18. Jahrh. gewann Neapel [* 7] den Vorrang, hauptsächlich infolge der Wirksamkeit des fruchtbaren Alessandro Scarlatti. Auch in der Instrumentalmusik wurde Italien tonangebend durch den Organisten Frescobaldi, den Violinisten Corelli und viele andere. Ital. Oper, Gesangskunst, Instrumentenbau und Instrumentenspiel verbreiteten sich jetzt über alle Länder, namentlich über das prot. Mittel- und Norddeutschland, England, Frankreich und Österreich [* 8] mit Süddeutschland.
Das prot. Nord- und Mitteldeutschland, das um die Mitte des 17. Jahrh. in
Heinrich Schütz einen angesehenen
Meister hervorgebracht
hatte, fand seit1678 einen musi
kalischen Mittelpunkt in der
Hamburger
Oper, an der Reinhard
Keiser, Mattheson,
Telemann und andere
bedeutende Musiker
wirkten.
Selbständig entwickelte sich das Orgel- und Klavierspiel durch viele gediegene Meister und fand seinen Höhepunkt in J. S. Bach, der direkt und durch die Wirksamkeit seiner Söhne und Schüler auf die folgende Entwicklung einen bedeutenden Einfluß ausgeübt hat. Auch die Vokalmusik der deutschen evang. Kirche dieser Zeit weist eine Reihe großer Werke auf; nur haben diese durch Anlehnung an die Formen der Oper sich dem Kultus oder der Kirche entfremdet, ohne zu der rein kunstmäßigen Abgeschlossenheit des Oratoriums durchzudringen. Einen ähnlichen Mangel hat die deutsche Oper dieser Periode; um die Mitte des 18. Jahrh., zur Blütezeit Hasses und Grauns, wurde sie überall in ital. Sprache [* 9] gesungen.
Ebenso großen Einfluß hatten die Italiener in England, wo die engl. Oper unter Purcell und andern nationalen Komponisten auf die Dauer sich nicht als lebensfähig erwies, aber später die zum größten Teil aus Volksliedern zusammengesetzte Balladenoper (Ballad-opera) hervorbrachte, durch deren Anregung das deutsche Sing- oder Liederspiel entstand. Die ital. Oper beschränkte sich hier auf London, [* 10] und in ihrer glänzendsten Zeit (1710-40) sind ihre Schicksale eng verflochten mit dem Leben Händels, der durch sie den Weg nahm zum Oratorium, das er aus der unvollkommenen Gestalt seiner Vorgänger plötzlich zur Vollendung erhob.
Die wertvollsten Eigentümlichkeiten der englischen Musik
, die Kraft
[* 11] des
Accents, vollwichtige Melodie und
der rein musi
kalische (aber nicht dramat.-theatralische)
Sinn, sind in
Händels Musik
mit deutscher
Tiefe und ital. Formfülle
vereinigt.
Frankreich war das einzige Land, das die ital.
Oper nachzuahmen wußte, ohne ihr Sklave zu werden, nämlich durch
völlige Einbürgerung. Ein
Ausländer, der
Italiener
Lully, wurde der
Gründer der franz.
Oper. Was er in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. gestaltet hatte, baute
Rameau in der Mitte des 18. weiter aus und vollendete der Deutsche
Gluck einige Jahrzehnte später.
Die französische Musik
hat eine stark ausgeprägte Eigentümlichkeit, und wenn auch in der rhetorischen Neigung der
Sprache und in der Gewandtheit der dramat.-theatralischen
Aktion der italienischen verwandt, ist sie doch
in allen wesentlichen Punkten ihr wahrer Gegensatz.
Accent und Rhythmus sind im
Französischen heftig, bestimmt und leicht,
nicht im Tonstrom verschwimmend, wie im
Italienischen, die melodischen Formen sind kurz und knapp, die harmonisch-kontrapunktischen
im
Vergleich zu den italienischen und deutschen unentwickelt, das Ganze mehr auf das Charakteristische
als auf das Schöne gerichtet. Daher ist die französische Musik
vorzüglich für die
Bühne geeignet; in den rein musikalischen
Arten, den oratorischen und instrumentalen, ist sie von geringer Bedeutung.
In Österreich (Wien) [* 12] und Süddeutschland bürgerten sich Oper und Oratorium früh ein, hielten sich aber in den Grenzen [* 13] der ital. Sprache und Musikformen. Eine Erweiterung des überkommenen wurde dagegen auf dem Felde der Instrumentalmusik geschaffen, auf dem sich hier und in Süddeutschland bis an den Rhein hin ein durchaus freier Geist immer mehr geltend machte, der zuerst in Joseph Haydn zu wahrer Kunstgröße gelangte. Glucks glänzende Versuche an der Italienischen Oper in Wien leiteten auf die herrlichen Schöpfungen Mozarts, die das von Gluck Erstrebte musikalisch vertieften, das von Haydn Erreichte weiter führten, die ital. Oper (die mit komischen Elementen gemischt war) vollendeten und durch Vollendung überwanden, womit zugleich der deutschen Oper eine neue Bahn gebrochen wurde. Der Geist dieser Epoche fand in Beethovens Instrumentalmusik seinen höchsten Ausdruck.
Die Musik der neuesten Zeit hat wesentlich an Ausdrucksmitteln gewonnen, teils durch hervorragende Fortschritte im Instrumentenbau, teils durch die auf dem Begriff des Programms beruhende gesteigerte Erfindung bedeutender Komponisten. Zu diesen zählen in erster Reihe der Franzose Berlioz, der Ungar Liszt und der Deutsche Rich. Wagner, der den deklamatorischen Stil in ungeahnter Weise ausbildete ¶
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und auf Gluckscher und Weberscher Grundlage das moderne Musikdrama schuf. Die größten Erfolge auf dem Gebiete der Oper hatten neben Wagner um die Mitte des 19. Jahrh. Verdi und Meyerbeer, später Bizet mit «Carmen» und die Italiener Mascagni und Leoncavallo. Hervorragende Instrumentalkomponisten nach Beethoven sind Franz Schubert, Mendelssohn, Rob. Schumann, Johannes Brahms. Eine besondere Pflege findet in der neuesten Zeit das Lied am Klavier, in dessen Komposition sich Rob. Schumann und Robert Franz am meisten hervorthaten.
Die Instrumentalmusik, namentlich die Sinfonie, ist durch bedeutende Komponisten, wie Niels W. Gade, Peter Tschajkowskij, Anton Dvořák, Friedrich Smetana und Edvard Grieg, die eine nationale Richtung vertraten und Züge der heimatlichen Volksmusik mit Glück verwerteten, in Form und Inhalt wesentlich bereichert worden. (S. Deutsche Musik, Dänische Musik, Französische Musik und Italienische Musik.) Einer regen Pflege erfreut sich in neuester Zeit die in Nordamerika. [* 15] (S. Nordamerikanische Musik.)
Litteratur. Von Lehrbüchern der frühesten Zeit, seit 1500, sind die umfassendsten herausgegeben von Gafurius, Glarean, Kircher und Fux lateinisch, von Zarlino italienisch, von Cerone spanisch, von Morley englisch, von Mersenne französisch, von Mattheson deutsch; die spätern sind von Rameau, Marpurg, Martini, Kirnberger, Reicha, Weber, Marx, Lobe, Richter, Hauptmann, O. Paul, Jadassohn u. a. -
Umfassende Lexika erschienen seit 1732 von Walther, Gerber, Lichtenthal, Schilling, Fétis, Mendel, Reißmann, Grove, Riemann, zum Teil nur biographische, zum Teil auch theoretische Artikel darbietend.
Lediglich theoretische und andere Sacherklärungen enthalten die Werke von Rousseau, Heinr. Christoph, Koch und Dommer. Größere Werke u. d. T. einer Geschichte der Musik wurden seit 1668 verfaßt von Printz, Bontempi, Hawkins, Burney, La Borde, Forkel, Ambros, Brendel, Reißmann, Fétis, Naumann, Gevaert, Köstlin, Langhans u. a. Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Werke ist gering, denn das große Gebiet der Geschichte der Musik ist noch viel zu wenig erforscht, um reife Gesamtdarstellungen zuzulassen. Daher kommt es, daß die besten Arbeiten der jüngsten Zeit auf musikgeschichtlichem Gebiete einzelne Perioden oder Meister behandeln, wie z. B. die Werke von C. von Winterfeld über Gabrieli und über den evang. Kirchengesang, von O. Jahn über Mozart, von Chrysander über Händel, von Spitta über J. S. Bach.