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102 Musen [* 2] - Musenalmanache ruft nur eine Muse an (^Iu8a, d. i. die Sinnende), die Gcberin des Gesangs und Kennerin alles dessen, was über Götter, Wcltgeheimnisse und Heroenvor- zeit der Mensch zu wissen und der Rhapsode zu be- richten wünscht. Andererseits begegnet man an vielen Orten einer Dreizahl gewöhnlich mit Apollon [* 3] verbundener Göttinnen, welche oft mit den Cha- riten oder mit den Qucllnymphen verwechselt wur- den. Die Hauptsitze dieser Musenalmanache befanden sich in den böotischcn Städten Askra und Thespiä am Helikon in Verbindung mit alten Propheten- und Sänger- schulen, eine Verbindung, die auch an dem noch wenig erforschten Musensitze Pieriens, am Nord- fuße des Olymp, bestanden haben muh.
Frühzeitig wurden die Musenalmanache zu einem Chor von neun erweitert. Ihre Namen blieben seit Hesiod folgendermaßen fixiert: Kalliope, nach Hesiod die Vornehmste des ganzen Kreises, Kleio oder Klio (Clio), Euterpe, Thaleia oder Thalia, Melpomene, Terpsichore, Erato, Polyhymnia, Urania. Als ihre Eltern be- zeichnete der Mytbus Mnemosyne (s. d.) und Zeus. [* 4] Ihre Bedeutung ist während des größten Teils des griech. Altertums auf Dichtung, Gesang und Reigen- tanz beschränkt geblieben.
Eine genauere Unter- scheidung der einzelnen Musenalmanache versuchte erst die gelehrte Epoche der Alexandriner. Die einzelnen [* 1] Figuren der in dieser Zeit geschaffenen Darstellungen bestimmt zu benennen, ist bei dem Mangel an Inschriften un- möglich, während die kurzen Beschreibungen und die mit Inschriften versehenen Mosaiken röm. Zeit in den Benennungen schwanken. Feststehend ist in der röm. Kaiserzeit höchstens Klio als Muse der Geschichte mit einer Schriftrolle, Kalliope als Mufe der heroischen (epischen und crnstlyrischen) Dichtung mit Schreibtafel oder Schriftrolle, Melpomene als Muse der Tragödie mit ernster Maske, auch Keule (nicht der Keule des Herakles, [* 5] wie gewöhnlich gesagt wird, sondern dem Attribut der Moira, Dike und Ananke), Thalia als Muse der Komödie mit komi- scher Maske, Urania als Muse der Astronomie, [* 6] Terpsichore und Erato mit Saiteninstrument als Musenalmanache der Lyrik leichtern Schlags, Euterpe mit den Flöten scheint der Instrumentalmusik vorzustehen, Polyhymnia scheint die attributlose Muse zusein, welche mit ins Gewand gehüllten Armen dargestellt wird und auf den Reliefs eine leichte Tanzbewegung ausführt.
Zwifchen ihr und Terpsichore, ja noch einer dritten (Melpomene) schwankt die Zuteilung des Tan- zes. Zu einer wirklich genauen Unterscheidung der Musenalmanache ist also das Altertum eigentlich nie gelangt. In der künstlerischen Ausbildung der Musentypen kann eine Centralstätte, wie der delphische Apollotempel, in dessen einem Giebelfelde Apollon und die Musenalmanache dargestellt waren, nicht ohne Einfluß geblieben sein, ebensowenig die zum größern Teil von Kephisodotos, Praxiteles'"Vater, geschaffenen Gruppen am Heli- kon.
Doch haben neuere Funde in Mantinea gezeigt, welche Verdienste auch Praxiteles auf diesem Gebiet hatte; dort wurden von den drei Tempelstatucn der Leto, des Apollon und der Artemis, [* 7] deren beide letztere von Praxiteles herrührten, die Postament- reliefs wieder entdeckt, auf einem Wettstreit Apol- lons mit Marsyas, [* 8] auf den zwei andern je drei Musenalmanache, von denen die zwei vorletzten geschwisterliche Ähnlichkeit [* 9] mit dem Hermes [* 10] des Praxiteles zeigen; mindestens die Anlage der Musenfiguren rührt von Praxiteles her, oder sie sind nach seinen sog. Thespiaden (Plin. 36,39) kopiert. -
Vgl. Deitcrs, Über die Verehrung der Musenalmanache bei den Griechen (Bonn [* 11] 1868);
Krause, Die Musenalmanache, Grazien, Hören und Nym- phen (Halle [* 12] 1871);
Nödiger, Die Musenalmanache (Lpz. 1875); Trendclenburg, Der Musenchor (Berl. 1876);
O.Bie, Die in der antiken Kunst (ebd. 1887);
Luiietin (16 c0li-68p0iiliHnc6 ti6i16ui(iu6 (Taf. 1-3, Athen [* 13] 1888);
Overbeck in den «Berichten der Sächsischen Gesellschaft» (1888);
W.Mayer in den «Mittei- lungen des kaiferl. Deutschen archäol. Instituts», athenische Abteilung, Bd. 17 (Athen 1892).
Musen, Dorf im Kreis [* 14] Siegen [* 15] des preuß. Reg.- Vez. Arnsberg, [* 16] hatte 1890:1352,1895:1290 E., dar- unter 34 Katholiken, Post, Telegraph, [* 17] evang. Pfarr- kirche; eine Eisen-, Silber-, Blei- und Kupferhütte sowie Bergbau [* 18] auf Silber-, Blei-, Zinkerze und Spat- eisenstein, besonders im Stahlberg, derseit 1313 ab- Musena, Pflanze, s. Massena. ^gebaut wird. Musenalmanache, periodische Gedichtsamm- lungen, die mit dem Aufblühen der neuern deutschen Poesie im 18. Jahrh, entstanden.
Die gleichzeitig (1770) gegründeten Göttinger und Leipziger Musenalmanache nahmen sich den seit 1765 in Paris [* 19] herauskommen- den «^Imanao 668 mu863» zum Muster und spal- teten sich beide 1776 zu je zweien. Der Göttinger, von Voie und Gotter ins Leben gerufen, wurde, nachdem Gotter Göttingen [* 20] verlassen hatte, von Boie allein bis 1775, dann bis 1778 von Göckingk, 1779 -94 von Bürger und 1795-1804 von K.Reinhard fortgesetzt. In seinen frühern Jahrgängen veröffent- lichten die Mitglieder des Göttinger Dichterbundes oder des Hains ihre neuesten Poesien.
Als Rivale des Göttinger Musenalmanachs erschien seit 1776 der sog. «Hamburgische Musenalmanach», den zuerst I. H. Voß allein, 1780 - 88 gemeinschaftlich mit Göckingk,1789-1800wiederalleinherausgab. Dem in Leipzig [* 21] erscheinenden «Almanach der deutschen Musen», den 1770-81 Chr. H. Schmid herausgab, trat seit 1776 der «Leipziger Musenalmanach» an die Seite. Von 1777 bis 1796 erschien auch ein «Wienerischer Musenalmanach», an dessen Heraus- gabe besonders I. F. Ratschky, Musenalmanache I. Prandstetter, I. Richter, Blumauer und G. Leon beteiligt waren.
Berühmter wurde der von Schiller herausgegebene Musenalmanach (1796-1801); besonderes Auf- sehen mackten namentlich die im Jahrgange für 1797 veröffentlichten «Genien» Goethes und Schillers. Später entstanden die Musenalmanache von A. W. Schlegel und Tieck (Tüb. 1802),
von Vermehren (Lpz. 1802 und Jena [* 22] 1803),
von Chamisso und Varnhagen (1804 -6; einen Neudruck des letzten Jahrgangs besorgte L. Geiger in den «Berliner [* 23] Neudrucken», Verl. 1889), das «Poet. Taschenbuch» von Fr. Schlegel (ebd. 1805 -6), der «Musenalmanach» von Leo von Secken- dorf (Negensb. 1807-8) u. a. Indessen wurden die Musenalmanache durch die Taschenbücher (s.d.) verdrängt. Erst '. als diese Litteratur alles Metrische aus ihrem Kreise [* 24] verbannte, trat das Bedürfnis nach Sammlungen, die das beste Neue aus dem Gebiete der lyrischen und der lyrisch-epischen Poesie in Auswahl mitteil- ten, abermals hervor. So erschienen 1830 zwei Musenalmanache nebeneinander; der eine von Wendt, seit 1833 als «Deutscher Musenalmanach» (Lpz. 1830-39) von Chamisso und G. Schwab übernommen, bestand zehn Jahre, der andere, der «Berliner Musenalmanach», von Veit, erlebte nur zwei Jahrgänge. Neuere Musenalmanache sind der «Deutsche [* 25] Musenalmanach» (Lpz. 1840), die Musenalmanache von Echtermcyer und Nuge (Berl. 1840-41), Schad (9 Jahrg., Nürnberg, [* 26] dann Würzb.1850-59) und Gruppe (5 Jahrg., Verl. 1851-55) und neuer- dings der «Cottasche Musenalmanach», hg. von ¶