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Lorenzo de' Medici erkannte sein Talent für die Bildhauerkunst, nahm ihn in sein Haus und ließ ihn durch Bertoldo, einen Schüler Donatellos, unterweisen. Zu seinen plastischen Jugendwerken gehören die beiden, in der Casa Buonarroti (M.s Haus) zu Florenz befindlichen Reliefs Madonna an der Treppe und Kentaurenschlacht, welche er noch vor seiner übereilten Flucht nach Bologna 1494 (er fürchtete als Freund des mediceischen Hauses die Verfolgung durch die siegreichen Gegner) meißelte. In Bologna schuf er einen Engel aus Marmor am Grabmal des heil. Dominicus in San Domenico daselbst, vielleicht auch die Statue des honignaschenden jugendlichen Johannes des Täufers (jetzt im Museum zu Berlin; vgl. C. Hasse in Lützows «Zeitschrift für bildende Kunst», Neue Folge, 4. Jahrg., Lpz. 1893). 1495 kehrte er wieder nach Florenz zurück. Die Marmorfigur eines geflügelten schlafenden Amor, welche als Antike nach Rom verkauft wurde, ist verschollen. Sie gab Anlaß zu M.s Reise nach Rom, wohin er ging, um sich das Anrecht an seinem Werke zu sichern. In Rom schuf er in Marmor die herrliche Pietà (in der Peterskirche zu Rom, s. Tafel: Italienische Kunst V, Fig. 4) und den trunkenen Bacchus (Florenz, Nationalmuseum). Nach Florenz 1500 zurückgekehrt, wandelte er einen verhauenen Marmorblock in die Kolossalstatue des David (Akademie zu Florenz) um, die seinen Ruhm begründete, und schuf um 1503 wahrscheinlich die lebensgroße Marmorgruppe der Madonna mit dem Kinde (jetzt in der Liebfrauenkirche zu Brügge). Bald darauf erhielt er zugleich mit Leonardo da Vinci von der florentin. Regierung den Auftrag, den Ratssaal des Regierungspalastes mit Darstellungen aus den siegreichen Feldzügen gegen Pisa auszuschmücken. Er kam jedoch ebenso wie Leonardo über die Kartonzeichnung nicht hinaus, die viele Jahre hindurch den jungen Künstlern zum Studium diente, dann aber zu Grunde ging. Diese nur aus Kupferstichen bekannte Darstellung zeigt die durch einen feindlichen Angriff überraschten, im Arno badenden Krieger. Tafelbilder hat Michelangelo nur wenige geschaffen; das bestbeglaubigte (in Tempera) aus dieser Zeit (zwischen 1501-5) ist das Rundbild der heiligen Familie in den Uffizien zu Florenz.
Im J. 1505 wurde Michelangelo durch Papst Julius II. nach Rom berufen und beauftragt, ein Grabmonument auszuführen, das Julius sich selbst in der Peterskirche errichten wollte. Das Werk sollte mit einer großen Menge Statuen und Reliefs geschmückt
werden; es geriet aber bald durch verschiedene Umstände ins Stocken. Nachmals neu in Angriff genommen und auf geringere Maße beschränkt, wurde es wieder unterbrochen, bis es endlich in nochmals sehr verringertem Umfang 1545, lange nach des Papstes Tode (1513), in der Kirche San Pietro in Vincoli zu Rom aufgestellt ward. Die Statue des Moses (s. Tafel: Italienische Kunst V, Fig. 2) ist der vorzüglichste schmuck dieses Monuments; die ebenfalls für das Grabmal bestimmten zwei Statuen von Sklaven befinden sich im Louvre zu Paris. Die erste Unterbrechung der Arbeit wurde durch Julius II. selbst herbeigeführt, indem dieser durch Michelangelo 1507 seine (1511 zerstörte) Bronzestatue für Bologna ausführen ließ und dem Künstler hierauf die Ausschmückung der Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan mit Freskomalereien übertrug. Michelangelo vollendete diese Arbeit in vier Jahren (1508-12) ohne alle Beihilfe und schuf in ihr das bedeutendste Werk seines Lebens. Um die Verbindung zwischen den einzelnen Bildern herzustellen, zeichnete Michelangelo ein imaginäres Baugerüst, Säulen, Pfeiler, Gesimse, welches von den Wänden aufsteigt und in der Mitte der Decke neun, abwechselnd kleinere und größere Felder einschließt. Die Mittelbilder stellen dar: Trennung des Lichts von der Finsternis, Erschaffung des Lichts (s. Tafel: Italienische Kunst VII, Fig. 3), Gottvater über den Wassern, Erschaffung des Menschen, Erschaffung des Weibes, Sündenfall, Noahs Dankopfer, Sintflut, Noahs Trunkenheit. Am untern Teile des Gewölbes, unter den kleinern Feldern, sieht man abwechselnd einen Propheten (7) und eine Sibylle (5). Durch Papst Leo X. erhielt Michelangelo dann den Auftrag zur Ausführung der Grabdenkmale für Leos Bruder, Giuliano de' Medici, und für dessen Neffen Lorenzo de' Medici (s. die beigefügte Tafel: Grabmal des Lorenzo de' Medici), eine Arbeit, mit welcher Michelangelo bis 1534 beschäftigt war und die unvollendet blieb. Diese Denkmale befinden sich in der neuen Sakristei von San Lorenzo zu Florenz und enthalten die sitzenden Idealfiguren der Genannten, unter denen besonders die des Lorenzo als Meisterwerk ersten Ranges betrachtet werden muß, sowie ihre Sarkophage, welche mit symbolischen Gestalten, der eine mit denen des Tages und der Nacht (verherrlicht durch die Verse des gleichzeitigen Dichters Giov. Batt. Strozzi), der andere mit denen des Morgens und des Abends geschmückt sind. Um diese Zeit entstand auch die Christusstatue, welche 1521 in der Kirche Sta. Maria sopra Minerva in Rom Aufstellung fand. Die Architektur der Sakristei von San Lorenzo und die des unvollendeten Vestibüls der dortigen Bibliothek sind unter M.s frühern architektonischen Leistungen zu nennen. M.s Arbeitszeit war unter den Päpsten Julius II., Leo X. und Clemens VII. zwischen Rom, Florenz, Bologna und Carrara geteilt. Im Herbst 1529, als Florenz, welches die Medici vertrieben batte und wieder aufzunehmen sich weigerte, von Papst und Kaiser mit Krieg überzogen wurde, übernahm Michelangelo, ein eifriger Patriot, obgleich seit früher Jugend mit den Medici eng verbunden, die Leitung der Befestigungs- und Verteidigungsarbeiten.
Im J. 1534 nahm Michelangelo für die übrige Zeit seines Lebens seinen Aufenthalt in Rom. Hier entwickelte er namentlich als Architekt eine große Thätigkeit. In dieser Beziehung sind zunächst, als nach seinem Entwurf ausgeführt, der Klosterhof von Sta. Maria degli Angeli, die neue Anlage des Kapitols, Hof und Gesimse des Palastes Farnese u. a. zu nennen. Schon stand Michelangelo im höhern Mannesalter, als ihm Papst Paul III. das zweite große Malerwerk, das 20 m hohe und 10 m breite Freskogemälde mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle übertrug. Dieses gewaltige Werk, das er 1534-41 fertigte, führt mehr den Tag des Zorns als den ewiger Beseligung vor Augen; Christus erscheint durchaus als verurteilender Richter. Die mit meisterhafter Charakteristik durchgeführten Figuren waren ursprünglich alle nackt, weshalb Papst Paul IV. das Bild berunterschlagen lassen wollte; als Auskunftsmittel mußte Daniele da Volterra die auffallendsten Blößen mit Kleidungsstücken bemalen, Clemens XII. ließ die Bekleidung von Stefano Pozzi durchführen. Ungefähr in dieselbe Zeit fallen noch zwei andere,
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gegenwärtig sehr unscheinbare kleinere Freskobilder (Bekehrung Pauli, Kreuzigung Petri) von seiner Hand in der Paulinischen Kapelle des Vatikans. Sein letztes großes Werk, seit 1546, war der Bau der Peterskirche zu Rom. Seit Julius' II. Zeit war hier an der Stelle der alten Basilika des heil. Petrus unter Bramantes und anderer Bauführung ein Neubau von großartigen Verhältnissen unternommen, doch, bis Michelangelo die Leitung desselben erhielt, verhältnismäßig wenig gefördert worden. Michelangelo führte den Bau, trotz mannigfacher Hemmnisse, die auch ihm entgegentraten, so weit, daß nach seinem Tode die großartige Kuppel, welche ihn bekrönt, nach seinem Entwurf vollendet werden konnte. Nach seinem Plane sollte die Kirche aus einem griech. Kreuz bestehen; später wurde ihr die lat. Kreuzform gegeben, indem man unter Papst Paul V. ein langes Vorderschiff hinzufügte, welches dann Carlo Maderna 1614 mittels der nicht glücklicken Facade abschloß. In seinen Architekturen zeigt sich als ein von der Überlieferung sich absichtlich lostrennender, in den Einzelheiten nicht immer von barocker Übertreibung freier Meister.
Am 18. Febr. 1564 starb Michelangelo. Seine Leiche wurde nach Florenz geschafft, wo sich über seinem Grabe, in der Kirche Sta. Croce, ein nach Vasaris Entwurf 1570 errichtetes Denkmal erhebt. M.s Werke sind der Ausdruck eines majestätisch-erhabenen Geistes, der, seiner Machtfülle sich bewußt, nur die Gesetze und Gebote seiner gewaltig angelegten Subjektivität anerkennt.
Michelangelo war auch Dichter. In seinen Sonetten erkennt man denselben hohen, schwungreichen Geist, zugleich aber auch eine innige Hingebung an das Ewige und Göttliche. Seine Gedichte wurden wiederholt herausgegeben, namentlich von seinem Neffen Michelangelo dem Jüngern (Flor. 1623), der eine Menge willkürlicher Änderungen in denselben anbrachte, endlich nach den Originalhandschriften von E. Guasti (ebd. 1863), und ins Deutsche übersetzt von Regis (mit ital. Text, Berl. 1812), Harrys (Hannov. 1868), Grasberger (Brem. 1872) und Sophie Hasenclever (Lpz. 1875). Michelangelo war unverheiratet und zeigte sich im Verkehr verschlossen, aber von milder Gesinnung; als er 60 J. alt geworden war, fand er eine edle Freundin in der Dichterin Vittoria Colonna (s. d.), deren Name für immer mit dem seinen verknüpft ist.
Sein Leben beschrieben seine Schüler Vasari in den «Vite de pittori etc.» (Flor. 1550 u. ö.) und Ascanio Condivi in der «Vita di Michel Angelo» (Rom 1553, Flor. 1746, Pisa 1832; deutsch von Valdek, Bd. 6 der «Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance», hg. von Eitelberger von Edelberg, Wien 1874). Vgl. auch die Biographien von Harford (2 Bde., Lond. 1857), H. Grimm (2 Bde., 6. Aufl., Berl. 1890), A. Gotti (2 Bde., Flor. 1875), Ch. C. Black (Lond. 1874), C. Heath Wilson (ebd. 1876; 2. Aufl. 1881), John Addington Symonds (2 Bde., ebd. 1892); ferner A. Springer, in Rom 1508-12 (Lpz. 1875); ders., Raffael und Michelangelo (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1895-96); Le Lettere di Michelangelo (hg. von G. Milanesi, Flor. 1875); L. Passerini, La bibliografia di Michelangelo (ebd. 1875); C. Eliot Norton, List of the principal books relating to the life and works of Michelangelo (Cambridge 1879); H. Wölfflin, Die Jugendwerke des Michelangelo (Münch. 1891); L. von Scheffler, Michelangelo. Eine Renaissancestudie (Altenb. 1892).