(grch.), diejenige Wissenschaft, die sich mit den Vorgängen in der Atmosphäre (s. d.) unserer Erde beschäftigt,
also die Bewegungserscheinungen, wie Winde und Stürme, die Verschiedenheit des Luftdruckes, der Temperatur
und des Wasserdampfgehaltes (Wolkenbildungen, Regen und Schneefälle, Gewittererscheinungen, Tau- und Reifbildungen u. s. w.)
untersucht. Auch das Studium der Temperaturverhältnisse der obern Schichten des festen Landes und der Gewässer muß die Meteorologie mit
in Rücksicht ziehen.
Als Mittel der Forschung bedient sich die Meteorologie vorwiegend der Meteorologischen Stationen (s. d.). Großes
und wichtiges Material liefern auch die Forschungsreisenden. Der Neuzeit vorbehalten blieb die systematische Aufnahme der
Zustände der Atmosphäre durch Luftballonfahrten und durch Beobachtung der Wolkenbewegung.
Die Ableitung der Gesetze der Vorgänge in der Atmosphäre begann mit Bildung von Mittelwerten. Die an einem Tage vorgenommenen
Ablesungen am Barometer und an den Thermometern, die Notierungen der Bewölkung, Windstärke u. s. w. geben
zunächst Tagesmittel. Faßt man die Tagesmittel in Gruppen von je fünf aufeinander folgenden Tagen nach Doves Vorgang zusammen,
so erhält man die Pentadenmittel. Neuerdings nimmt man die Mittel aus den Beobachtungen vom 1. bis 10., 11. bis 20., 21. bis
letzten Tag eines jeden Monats und bezeichnet diese als Dekadenmittel. Weiter leitet man Monats- und Jahresmittel
ab. Bei der Menge des Niederschlages und der Häufigkeit desselben bildet man statt der Mittel die Summen. Die für einen Zeitraum
eines Jahres, z. B. für einen Monat im Lauf der Jahre an derselben Stelle gewonnenen Mittel oder Summen
werden zu mehrjährigen Mitteln vereinigt. So erhält man Lustrenmittel aus fünfjährigen, Decennienmittel aus zehnjährigen
Beobachtungen.
Je länger eine Beobachtungsreihe ist, um so mehr werden sich die Mittel den Werten nähern, die den gesetzmäßigen Zustand
für den betreffenden Ort darstellen. Man nennt sie Normalwerte, da man zunächst keine zwingende Veranlassung
hat, eine stetige Veränderung in dem Gesamtwitterungszustand der Erdoberfläche anzunehmen. Die Einzelwerte weichen von den
Normalwerten mehr oder weniger ab. Das Mittel aus diesen Abweichungen, wobei auf das Vorzeichen keine Rücksicht genommen wird,
pflegt man als die Veränderlichkeit (mittlere Abweichung, Anomalie) des Witterungselementes zu bezeichnen. Je kleiner
diese Veränderlichkeit sich ergiebt, um so mehr kann man die Wiederkehr derselben Witterungszustände von Jahr zu Jahr erwarten.
Ist die Veränderlichkeit groß, so werden viele Faktoren auf die Witterung eines Ortes einwirken und wird die Vorausbestimmung
schwieriger sein. Sucht man die größten und kleinsten Einzelwerte, also etwa die kleinste und größte
mittlere Jahrestemperatur auf, so giebt deren Differenz die Schwankung der Jahrestemperaturen. Der Begriff der Schwankung
wird noch nach manchen andern Richtungen hin angewendet. So bestimmt man die Differenz der mittlern Temperaturen des wärmsten
und kältesten Monats als Schwankung der Monatsmittel u. s. w. (s. Isotalantosen). Neben der Rechnung mit den Mitteln
pflegt man die Gesetze der Witterungsvorgänge auch an den Extremen abzuleiten. So werden die höchsten und tiefsten Temperaturgrade
für die Monate und das Jahr aufgesucht und als absolute Extreme bezeichnet. Die Differenz derselben ergiebt die absolute Schwankung
der Temperatur, d. h. die Anzahl von Wärmegraden, innerhalb deren die Bewegung der Temperatur vor sich
geht.
Neuerdings legt man Wert auf Auszählung der Häufigkeit bestimmter angenommener Witterungszustände. So zählt man aus,
wie oft die Tagestemperatur zwischen 0 und +1°, +1° und +2° u. s. w. liegt. Diese angenommenen
Grenzen pflegt man als Schwellenwerte zu bezeichnen. Weiter
forlaufend
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bestimmt man die Änderung der Witterung von Tag zu Tag. So ermittelt man, wieviel Grade die Temperatur von einem Tag zum andern
steigt oder sinkt. Das Mittel ans diesen Zahlen wird als Wärmeschwankung von Tag zu Tag oder in- terdinrne Veränderlichkeit
bezeichnet. Von besonderer Wichtigkeit sind die Andernngen in den Witternngszuständen im Lauf eines
Tages, die tägliche Periode, und im Jahr, jährliche Pe- riode. Die Ursache derselben ist dieBewegnng der Erde nm ihre Achse
und die Sonne.
Anßerdem giebt es auch noch andere periodische Witterungsände- rungen. So hat man eine Alltägige Periode im Verlauf der
Gewittererscheinnngen gefnnden, deren Grund in der Sonnennmdrehung oder dem Mond- wechsel gesncht wird.
Eine große Rolle spielt die elfjährige Periode in der Häufigkeit der Sonnen- flecken, wodnrch ein gleichlangcr pcriodiscker
Verlauf in den Witterungsvcrhältnissen an der Erdober- fläche bedingt werden soll. Sogar die aus Vielsachen von 11 bestehenden
größeren Perioden der Sonnen- flecken sollen in den Witternngsersckeinungen, na- mentlich überflntnngen
sich abspiegeln.
Nencrdings vertritt Brückncr einen 35iäbrigen periodischen Ver- lauf der Witterung. Solche langjährige Perioden nennt man
säkulare Kliin a s ch w an kn n g e n. Die Normalwerte, die Veränderlichkeiten uud Schwankungen der Witternngselemente bestinnnen
das Klima eines Ortes. Es werden also die oben dargestellten, den Meteorologischen Zentral- stellen
(s. d.) zustehenden Arbeiten den Grund zu der Klimatologie (s. d.) zu legen babeu und zu dem weitern Ansbau dieses sich sowohl
der Biologie als auch der Geographie nähernden Teiles der Meteorologie fortzuführen sein.
Immer mehr zweigt sich von der klimatologiscbc-n Behandlnng der Teil der Meteorologie ab, den mau vielfach als neue
oder moderne Meteorologie zu bezeichnen pflegt. Diese gehört zu den mathem.-phvsik. Wissenschaften, indem sie alle
Bewegungscrscheinungen, Konden- sationsvorgänge, Temperaturbewegungen u. s. w. init den
Hilfsmitteln der Mathematik und Physik zu erklären und in Formeln zu fassen bestrebt ist. Ein Zweig dieser nenern Meteorologie ist
z. B. die dynamische Meteorologie, deren specieller Forschnngsgcgeustand die Ve- schreibnng
der großen Luftbewegungen mittels der Hydrodynamik und der mechan. Wärmetbeorie ist.
Eine eigentümliche Stellung nimmt der Zweig der Meteorologie ein, den man als praktische Meteorologie oder ausübende Witterungstunde
bezeichnet findet. In erster Linie fällt ihr die Wettervor- aussage zu. Sie sammelt täglich die telegr.
Mit- teilnngcn der Beobachtungen, stellt damit Wetter- karten (s. Meteorologische Kartenwerke) und Wetter- berichte
(s. d.) her, auf Grund deren alsdann Wetter- prognosen (s. d.) und Sturmwarnungen (s. d.) auf- gestellt oder erlassen werden.
Außer dieser der ge- samten Bevölkerung gewidmeten Thätigkeit bat die praktische Meteorologie noch die Anfgabe,
bestimmten Er- werbszweigen dienstbar zu sein; so sind nach und nach Unterabteilungen der praktischen Meteorologie entstan-
den.
Die Agrarmeteorologie hat die Aufgabe, die Landwirtschaft zu unterstützen; die f orst li ch e Meteorologie behandelt die Einwirkung der
Witterung auf die Entwicklung der Wälder und umgekehrt deren Einwirkung auf die Witterungsvorgänge. In der
m ari tim en M.werdendie auf schiffen gefammelten Beobachtungen wissenschaftlich verarbeitet und um- gekehrt die über Wind
und Wetter erlangten wissen- schaftlichen Erkenntnisse
zur Aufstellung von Segel- ronten und Belehrungen über das Wesen der
Stürme sowie die Abwendung der schädigenden Wirkrmg der- selben für die Schiffe verwendet.
Der ^turm- warnungsdienst sührte zur Entwicklung der K ü st en- oder litoralcnM. Das Stndinm der Einwirkung
der Himmelskörper auf die Witterung hat man viel- fach als kosmische Meteorologie bezeichnet. Die Meteorologie wnrde
bereits von den Griechen, Römern nnd den andern Kulturvölkern des Altertums ge- pflegt. Als Meteorolog. Schriftsteller sind
Aristo- teles, Theophrast, Lucretius Carus, Plinins d. A., Sencca, auch Virgil und Columella zu nennen, im 16. Jahrh.
Fr. Vacon von Vernlam und Rene Descartes.
Der rege Aufschwung der Meteorolog. Forfchnng der Gegenwart wurde durch Alexander von Humboldt und Leopold von Vnch sowie Kämtz
nnd Dove eingeleitet. Als Pflegestätten der Meteorologie wnrden immer mehr Meteorolog. Centralstellen und Stationen
begründet und für die Vt. als Wissenschaft an den'hochschulen Lehrstühle errichtet. Kräftige Unterstützung erfährt die
Arbeit der Cen- tralstellen durch die meteorologischen Gesell- schaften, die es in Schottland, England, Frank- reich, Italien,
Österreich n. s. w. schon längere Zeit giebt. In Deutschland wnrde 1780 durch den Kur- fürsten Karl Theodor
die Mannheimer Meteorolo- gische Gesellschaft (ZocikwL moteorolo^icHl'lüatwa) und eine bayrische Meteorolog.
Gesellschaft begrün- det. 1883 fand die Begründung der Deutschen Me- teorologischen Gesellschaft in Hamburg statt. 1872 traten
auf Anregung von Vruhns, Ielinek und Wild mehrere Meteorologen zu einer Konferenz in Leipzig zusammen,
um ein gleichmäßiges Vorgehen aller Meteorolog. Centralanstalten und Stationen zu er- zielen. Diese Konferenz gab Vcranlassnng
zu zwei Kongressen l^Wien 1873 und Rom 1879) und einer Konferenz der Repräsentanten der Meteorolog. Dienste aller Länder zu
München (1891), die einen mehr offiziellen Charakter hatten.
Die Kongresse setzten ein «internationales Komitee» ein, das Sitzun- gen in Wien (1873), Utrecht (1874 und
1878), Lon- don (1876),
Rom (1879),
Bern
(1880),
Kopenhagen (1882),
Paris (1885),
Zürich
(1888) und Upsala (1895) abhielt. Eine Zusammenstellung
der Be- schlüsse dieser Versammlungen publizierte H. Wild im 16. Bd.,
Nr. 10 seines «Nepertoriums für Meteorologie». Am
16.-18. Aug. 1894 fanden zu Antwerpen und 17. -23. Sept. 1896 zu Paris wieder internationale Meteorologcnkongresse
statt. Die Ergebnisse der Veobachtnngen an den Meteo- rolog. Stationen werden von den Centralstellen mehr oder weniger ansführlich
pnbliziert. Die mei- sten Centralstellcn geben Jahrbücher (Annalen) herans und nur wenige haben etwas andere For- men zu amtlichen
Publikationen gewählt.
Die Centralstellen in Merlin, Chemnitz, Hamburg, Karls- ruhe, München, ^traßburg und Stuttgart publi- zieren ihre Jahrbücher
unter dem gemeinsamen Titel «Teutsches Meteorologisches Jahrbuch». Außerdem werden von den meisten Centralstellcn noch beson-
dere Schriften herausgegeben. So in Deutschland von der Seewarte Abhandlungen: «Aus dem Archiv der Seewarte», vom preuß.
Institut: «Abhand- lungenv, vom sächsischen: »Klimahefte» und «Ab-
bandlungen», von der bad. Centralanstalt: «Arbeiten über die Hydrographie des Rheines» u.s.w. Wichtige Arbeiten publizieren
die Meteorolog. Institute von England, Indien und Nordamerika in verschiedener