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ergießen. Die am Südabhange entspringenden ver- siegen bald in der Wüste oder werden zu Wadis, wie Wadi-Susfana, Wadi-Sus, Wadi-Draa, Wadi- Nun, und bilden Oasen. Bis zum Südbang des Großen Atlas [* 2] gehört die Pflanzenwelt und die sich daran anschließende Pro- duktionsfähigkeit zu der atlantischen Mittelmeer- flora. Bemerkenswert sind im W. die Wälder des Arganbaumes (^i-Z-ania «iäerox^ion S. et F.), aus dessen Nüssen man Ol preßt. Im Atlas bildet ein Kranz verkümmerter immergrüner Eichen bei 9400 -2700 in Höhe die Baumgrenze. Die Tierwelt ist eine ausgesprochen nordafrikanische und bietet nichts besonderes. Die Bevölkerung, auf 9 250000 E.gefchätzt, besteht aus 3,7 Mill. Arabern, 5 Mill. Berbern neben 150000 Juden, etwa 200000 Negern und vielleicht 4-5000 Europäern. Die Araber sind am wenigsten ver- mischt im NW., ausgenommen im Rifgebiet, und im W. nördlich einer Linie Mogador-Marokko. Die Verbern (s. d.), allerdings auch mit arabisch- redenden Stämmen vermischt, bewohnen das übrige Land; man gliedert sie in drei durch Sprache, [* 3] Sitte und Körperbau voneinander verschiedene Gruppen. Zwischen dem Wadi Draa und der Oase Tuat am Wadi Saura wohnen die Charatin oder Harratm, dunkelfarbige, ziemlich verachtete Misch- linge vou Berbern und Negern. Neben den Ara- bern sind nur die Schilluh, seit 1832 und 1886, dem Sultan uuterthan; die andern Verbern sind teils ganz frei, teils uur so lange unterworfen, als der Sultan mit dem Heere bei ibnen ist, um Steuern einzutreiben. Alle sind fanatische Moslim, die den Fremden den Zugang in ihr geheiligtes Land ver- sperren. Reisende können nur als offizielle Ge- schäftsträger einer europ. Macht und unter Be- deckung sich im Lande bewegen. Hauptstädte sind Marokko [* 4] und Fes, wichtig sind außer- dem das bedeutende Tanger, Mogador, Tetuan, Wessan oder Uejan und Mekines. Die Verfassung ist rein despotisch. Der Titel des Herrschers, den die Europäer gewöhnlich Kaiser, die Mauren Sultan nennen, ist Emir cl-Mumenin, d. i. Fürst der Gläubigen. Der Staat Zerfällt in zwei vom Atlas getrennte Hälften, deren nordwest- liche, der ^Ikui-eiHni».
^inFitlma. der Alten ent- sprechend, von N. her durch die ehemals selbständi- gen Reiche Fes und Marokko im engern Sinne, mit der Provinz Sus und Wadi-Nun, deren südöstliche aber, die 6a6w1ia der Alten, von den Provinzen Tafilelt und el-Draa gebildet wird. Politisch sind die bei- den Reiche Fes und in Provinzen (Amalat) ge- teilt, die durch Kcü'ds regiert werden. Die Verwaltung der einzelnen Provinzen ist, wie die Centralregie- rung, ganz orientalisch. Eine geordnete Regierung wird durch die häusigcn Empörungen der fast un- abhängigen Stammeshäuptlingeunulöglich gemacht.
Die Staatseinkünfte sind unbestimmt; die Zollein- uahmen werden auf 6,4 bis 9,6, das Budget des Sultans auf 5,6 Mill. Marokko geschätzt. Das Heer be- steht aus einer erblichen berittenen Leibgarde (400 Mann), 1000 Mann gewaltsam geworbener In- fanterie, 2000 Mann irregulärer Reiter und 18000 Mann Miliz. Im Kriegsfalle follen noch 40000 Mann irregulärer Reiter zur Verfügung stehen. Das Seewesen war srüher bedeutend und die marokk. Piraten machten sich im 16. und 17. Jahrh, allen europ. Seemächten, vorzüglich aber Spanien, [* 5] furchtbar. Jetzt bat der Sultan nur noch einige un- bedeutende Schiffe. [* 6] - Das Wappen zeigt in Grün drei silberne Halbmonde. Die Flagge ist rot. (S. Tafel: Flaggen [* 7] der Seestaaten.) Erzeugnisse, Handel und Verkehr.
Der Gewerb- fleiß ist verschwindend klein und befaßt sich mit der Verfertigung von roten Mützen (Fes) und feinem Leder, sog. Maroquin, daneben mit Seidenweberei, Teppichfabrikation, Flechterei und Töpferei. Der Wohlstand des Landes beruht nur auf Ackerbau und Viehzucht; [* 8] geringe Ernten bringen die Be- wohner oft in sehr bedrängte Lage und rusen Handelsstockungen hervor. Weizen, Gerste, [* 9] Mais, Durrah werden in günstigen Iabren im Überstuß geerntet, sind dann aber von geringem Wert, da ihre Ausfubr streng verboten ist; außerdem erntet man noch Datteln, Bohnen, Erbsen, Gummi, die neben Ochsen, Wolle, Wachs, Teppichen, Straußen- federn, Pantoffeln die Hauptausfuhrartikel bilden.
Einfuhrwaren, vornehmlich aus Frankreich und England stammend, sind Zucker, [* 10] Tuche, Eisen- und Kurzwaren, Baumwoll- und Seidenzcuge, Kerzen, Papier, Thee und Sprit. Obsckon der Handel wegen der geringen Kaufkraft seiner Bewohner ohne große Bedeutung ist, ist das Land dock wichtig wegen der regen Handelsbeziehungen zum Westsudan [* 11] und den Senegalländern. In die 8 Häfen Ca^Mama, Arisch, Masagan, Mogador, Rabat, Easi, Tanger und Tetuan liefen (1891) 2348 Schiffe mit 897 976 t ein; der Wert der Einfuhr betrug 1,83, der der Aus- fubr 1,73 Mill. Pfd. St. Geschichte.
Marokko, das N^ui-Lwui^ 'linZitaua der Römer [* 12] (s. Maurctania), seit dem 5. Jahrb. frei, kam um 700 n. Chr. unter die Herrschaft der Araber und wurde unter den Almoraviden ls. d." unabhängig. Diese verloren um 1150 die Herrschaft an die Almo- haden, die 1275 durch die Meriniden gestürzt wur- den. Diesen folgten nach 1361 die Eanditen und Anfang des 16. Jahrb. die Scherife von Tafilelt, unter denen trotz der innern Tbronstreitigkeiten gegen Ende des 16. Jahrb. das Reich emporblühte und seine größte Ausdehnung [* 13] erlangte, indem es den westl. Teil von Algerien umfaßte und im Süden bis Guinea reichte.
Unter ihnen sahen sich auch die Portugiesen aus ihren Besitzungen vertrieben und ward König Sebastian (s. d.) geschlagen. Nach dem Tode Ahmeds, des mächtigsten der Echerifs, um 1603, zerfiel das Reich durch die fortwährenden innern Kämpfe immer mehr, so daß es dem Mulei Scherif, einem Nachkommen Alis und der Fatime, leicht wurde, die Dynastie der ersten Scherife um die Mitte des 17. Jahrb. zu stürzen und die der zweiten, die jetzt uoch regiert, auch die Dynastie der Aliden oder Hoseini genannt, zu begründen.
Der berüchtigtste Herrscher dieser Dynastie war Mulei Islam, der 1672-1727 als der größte Despot regierte. Unter seinen Nachfolgern herrschten innere Kriege und Thronstreitigkeiten, die das Land immer mehr in Verfall brachten, bis zur Regierung Mulei Sidi Mohammeds (1757-89), die sich durch Milde und das Bestreben, europ. Kultur Eingang zu ver- schaffen, auszeichnete. Nach Mohammeds Tode be- gann wieder die alte Barbarei. Erst unter dem Sultan Mulei Suleiman (1794-1822) entwickelte sich teilweise ein besserer Zustand. Ihm folgte Abd ur-Rahmän (s. d.), dem es gleich nach seinem Regie- rungsantritt gelang, der Empörung der Gebirgs- stämme ein Ende zu machen. Als Abd el-Kader ls.d.) sich auf marokk. Gebiet zurückziehen mußte, gab die Unterstützung, die er hier fand, Veranlassung zum ¶
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Kriege mit Frankreich (Mai 1844). Eine franz. Flotte unter dem Printen von Ioinville bombar- dierte Tanger 6. Ang. 1844, Mogador 15. Aug., und ein Landheer unter Marschall Bugeaud schlug das große marokk. Heer beim Flusse Isly aufs Haupt. Der zu Tanger abgeschlossene Friedensvertrag erkannte die alten Grenzen [* 15] M.s gegen Algerien an. Bald jedoch entstanden neue Verwicklungen durch Abd el-Kader, der das Land zum Kampfe gegen die Franzosen aufforderte und, da der Sultan sich ihm anzu- schließen verweigerte, seit 1846 auch diesen be- kämpfte, dessen Truppen 1847 zwei Niederlagen er- litten.
Abd el-Kader eroberte die marokk. Stadt Thesa und bedrohte die franz. Provinz Oran. Da entschloß sich Frankreich zu einer nachdrücklichen Intervention in Marokko und zwang Abd el-Kadcr22.Dez. 1847 sich zu ergeben. (S. Algerien, Bd. 1, S. 395 a.) Jetzt hatte Marokko auf einige Zeit Ruhe nach außen, obgleich noch einige Mißhelligkeiten mit Frankreich entstanden, die zum Bombardement der Stadt Eale durch die Franzosen führten. Nach Abd ur-Rahmäns Tod bestieg sein Sohn Sidi Mohammed den Thron. [* 16]
Inzwischen hatten die Spanier für eine Reihe von Unbilden vergeblich Genugthuung und Entschädigung ver- langt und erklärten an Marokko den Krieg. Die span. Streitmacht unter Oberbefehl O'Donnells begann im Dezember den Kampf auf afrik. Boden und siegte in zwei blutigen Schlachten, [* 17] bei Tetuan und 23. März im Westen dieses von den Spaniern besetzten Platzes. Die Marok- kaner baten um einen ^Waffenstillstand, der zu dem Frieden vom 26. April führte. Der Sultan zahlte an Spanien 20 Mill. Piaster Kriegsentschädigung und mußte in eine geringe Gebietsabtretung willi- gen. Sidi Mohammed starb 1873, worauf sein Sohn Mulei Hasfan als Sultan prokla- miert wurde, der freundschaftliche Beziehnngen zu den europ. Mächten durch große Gesandtschaften (1876 und 1878) anzuknüpfen suchte. 1880 fand in Madrid [* 18] eine sog. Marokkokonferenz statt, auf der die Bedingungen festgestellt wurden, unter denen die Konsuln der fremden Mächte marokk.
Unterthanen unter ihre Schutzbefohlenen aufnehmen dürfen. Ein Handelsvertrag mit Deutschland [* 19] wurde abgeschlossen. Ungerechtigkeiten und drückende Steuern trieben die Kabylenstämme zu häusigen Em- pörungen, von denen der Ausstand der Angheriner, die nnter ihrem Scheik Sid Abd Esslam El-Hemam im Sommer 1892 Tanger belagerten, einen besonders bedrohlichen Charakter annahm. Erst nach heftigen Kämpfen gelang es dem Sultan, die Aufständischen zur Unterwerfung zu bringen.
Noch ernstlicher war ein Konflikt, in den Marokko mit Spanien geriet. In der Nacht vom 1. zum wurde die schwache span. Besatzung eines Forts bei Melilla von den benachbarten Kabylcnstämmen angegriffen. Es kam zu heftigen Gefechten, in d5ren einem der Gouver- neur von Melilla, General Margallo, fiel. Erst als die Spanier bedeutende Verstärkungen heranzogen und der Sultan feinen Bruder abfandte mit dem Befehl, die Waffen [* 20] niederzulegen, bequemten sich die Kabylen, die Feindseligkeiten einzustellen.
Ge- neral Martinez Campos ging in besonderer Mission zu dem Sultan nach der Hauptstadt und schloß im März 1894 mit ihm einen Vertrag, in dem Marokko sich verpflichtete, 20 Mill. Pesetas Kriegsentschädigung zu zahlen, die Kabylen zu züchtigen und eine neutrale Zone um Melilla zu bilden sowie dort eine stän- dige Wachmannschaft zur Verhütung neuer An- griffe zu stationieren. Bald nach Beilegung diefes Streites starb der Sultan plötzlich in Tedla, einem kleinen Orte in der Nähe von Ar- bat.
Ihm folgte sein jüngerer Sohn Abd ul-Asis, ein etwa 16jähriger Jüngling; die eigentliche Re- gierung liegt in den Händen des ersten Ministers Sidi al-Gharnit. Litteratur. Graberg von Hemsö, 8z)6ccdio F60- Fratico 6 statigtico äM'iniperio äi N. (Genua [* 21] 1834; deutsch von Reumont, Stuttg. 1833);
Rohlfs' Reiseberichte in Petermanns «Mitteilungen» (Gotha [* 22] 1863 - 65);
ders., Reise durch Marokko (4. Aufl., Norden [* 23] 1884);
E. Schlagintweit, Der span.-marokk.
Krieg in den 1.1859 und 1860 (Lpz. 1863);
von Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von Afrika [* 24] (2. Aufl., 4 Bde., ebd. 1868);
Leared, Norocco anä tds Nooi-3 (Lond. 1875);
de Amicis, Naroeco (Mail. 1876; deutsch von Schweiger-Lerchenfeld, Wien [* 25] 1883); Pietsch, Marokko (Lpz. 1878);
Conring, Marokko, das Land und die Leute (Berl. 1880; neue Ausg. 1884); Ezziani, 1.6 Nai-oo ä6 1631 ü. 1812 (Par. 1886 ; O. Lenz, Timbuktu, Reise durch Marokko, die Sahara und den Sndan in den 1.1879 und 1880 (2 Bde., Lpz. 1884; 2. Aufl. 1892);
Erckmann, 1.6 Naroo inoä6i-n6 (Par. 1885);
Stutfield, N1 NaFiir6d -. 1200 inÜ68 riä6 tlii-ouAii Noroeco (Lond. 1886);
Jan- nasch, Die deutsche Handelsexpedition 1886 (Berl. 1887);
Lamartiniöre, Norocco. ^0urn6)'8 iu tli6 KitiFäoiU 0l^62 NQä t0 t1i6 e0Urt0l Nul6i HÄ883,N (Lond. 1889);
Harris, 1i-a,v6i8 in tli6 ^t1a3 anä 8outk Noi'occo (ebd. 1889);
Playfair und Brown, ^ LidlioFi-Hpi^ otNarocco (2243 Titel, ebd. 1891); Diercks, Marokko. Materialen zur Kenntnis des Sche- rifenreichs und der Marokkofrage (Berl. 1894). Marokko, eigentlich Marrakefch, Hauptstadt des Reichs Marokko und die erste Residenz des Snltans, auf einer weiten Hochebene, einige Kilometer vom Wadi Tenstft in gesunder Lage, in 408 m Höhe am Nordabhang des Atlas, hat 40-50000, wenn der Sultan mit Armee anwesend ist, 70000 E., aber einen gewaltigen Umfang, der auf die frühere Größe (100000 Häuser im 12. Jahrh.) schließen läßt. Das Klima ist gemäßigt und die Stadt gut bewässert, aber schmutzig und winkelig gebaut.
Die Juden (6000) wohnen'im Ghetto, Melläch (wört- lich Saline) genannt. Für die Zahlreichen Aus- sätzigen besteht ein eigenes Quartier im Norden (Härrah). Die Häuser sind einstöckig. Von den 19 Moscheen ist die im 12. Jahrh, erbaute El- Kutsabiah (Katubia), siebenstöckig, 65 in hoch, die merkwürdigste und schönste. Hauptheiligtum ist das Grab des Sidi bel Abbas im Norden der Stadt. Der Palast des Sultans, aus mehrern Gebäuden bestehend, ist von einer Mauer umgeben, deren Innenranm 3,3 und 1,8 Kni mißt, aber nur zum achten Teil mit Gebäuden besetzt ist.
Der schönste Garten [* 26] ist der des Sultans im Süden der Stadt. Eine Brücke [* 27] (35 Bogen), [* 28] 1637 erbaut, führt über den Fluß. Der Handel ist ziemlich bedeutend, be- sonders nach den südl. Landesteilen, aber die In- dustrie liegt danieder. Gartenbau ist die Haupt- beschäftigung. Die Ledcrgerberei hat ganz auf- gehört. In Marokko erscheinen in span. Sprache die Wochenblätter «N1 ^Lco ^laui-itano» und «1^3. I^in- t6i-na». «^1i61iin68 ok WHi'oeco» vertritt die eng- lischen, «1^6 1^6V6i1 äu Nai-oe» die sranz. Inter- essen. ^ Marokko wurde von Iussuf ben Taschsin, nach ¶