mehr
fortwährender Einwirkung des Staubes, welcher bis in die Lungenbläschen gelangt und dann hier leicht chronische entzündliche Prozesse, die sog. Staubinhalationskrankheiten (s. d.) erzeugt, welche einen sehr empfänglichen Boden für die Entwicklung der Tuberkelbacillen darbieten. Vom Klima [* 2] ist die Lungenschwindsucht nicht so sehr abhängig, als man zu glauben geneigt ist. Sie zeigt sich in kalten Gegenden nicht eben häufiger als in warmen, aber das Vertauschen einer warmen Gegend mit einer kalten kann bedenklich werden. In hochgelegenen Gegenden (Gebirgen) kommt sie nicht so häufig vor als in Niederungen, weshalb man neuerdings bei der Behandlung der Krankheit der Wahl geeigneter Höhenkurorte großen Wert beilegt.
Eine der wichtigsten Ursachen der Lungenschwindsucht ist endlich die Erblichkeit; die Kinder schwindsüchtiger Eltern bekommen daher die Lungenschwindsucht leichter als die gesunder. Was in solchen Fällen vererbt wird, ist nicht die Tuberkulose an sich, sondern nur eine gewisse Disposition zu derselben, eine gewisse Schwäche der Konstitution (skrofulöse oder tuberkulöse Konstitution), die auf einer kümmerlichen Anlage des Herzens und Arteriensystems sowie auf einer schwächlichen Entwicklung des Brustkorbes und des übrigen Atmungsapparates beruht und über lang oder kurz der Entwicklung der Tuberkelbacillen einen günstigen Boden bietet. Äußerlich ist dieser «schwindsüchtige Habitus» zu erkennen an dem lang aufgeschossenen magern Körper, an der dünnen blassen Haut, [* 3] dem langen, flachen, wenig gewölbten Brustkasten, dem langen dünnen Hals und der hektischen Rötung der Wangen.
Die Behandlung der Lungenschwindsucht muß schon in den frühesten Stadien der Krankheit sorgfältig eingeleitet werden. Ist die Krankheit einmal im vollen Gange und besteht schon seit Monaten hohes Fieber, so ist nur geringe Aussicht auf Herstellung vorhanden. Bemerkenswert ist aber, daß Tuberkulöse mit den ausgedehntesten Zerstörungen der Lungen oft bis kurze Zeit vor dem Tode einigermaßen arbeitsfähig bleiben und von einer Hoffnung getragen werden, die fast erst mit dem letzten Atemzüge erlischt.
Viel läßt sich thun, ehe die Krankheit so weite Fortschritte gemacht hat. Befindet sich die Verdauung nur noch einigermaßen in gutem Zustande, so müssen durch reichlichsten Nahrungszufluß die Kräfte erhalten werden. Die Kranken sollen Milch, Kefir, Eier, [* 4] Fleisch, Mehlsuppen, fette Nahrungsmittel [* 5] (Leberthran, gute Butter), gutes bayr. Bier u. dgl. genießen, aber keine Molken- oder sonstige Badekur gebrauchen, bei der sie der rauhen Morgenluft und andern Schädlichkeiten ausgesetzt sind.
Die Arbeit sei sehr mäßig und werde nicht bis zur Erschöpfung getrieben. Der Patient nehme Aufenthalt in reiner, warmer Luft (nicht in Kuhställen); Winteraufenthalt im Süden ist sehr zu empfehlen. Oft erweist sich längerer Aufenthalt in einem geschützten Höhenklima heilsam. Gegen frische Erkältungen suche sich der Kranke durch wollene Unterkleider, Warmhalten der Füße u. dgl. zu schützen, auch ist die Haut durch tägliche laue Abreibungen möglichst abzuhärten. Arzneimittel sind gegen die Lungenschwindsucht machtlos und können nur gebraucht werden zur Linderung von Nebenerscheinungen, wie Husten und Durchfall. Direkte Mittel, welche die Bacillen innerhalb der Lungen vernichten, sind bis jetzt nicht bekannt; auch die von Weigert («Die Heißluftbehandlung der Lungentuberkulose», Berl. 1889) empfohlenen Inhalationen heißer Luft von 200° C. sowie die von R. Koch empfohlenen Einspritzungen von Tuberkulin (s. d.) haben sich nicht bewährt. Da übrigens die Lungenschwindsucht durch Ansteckung übertragen werden kann, so sollte der Auswurf Schwindsüchtiger stets und unter allen Umständen in ein Speigefäß, dessen Boden mit fünfprozentiger Carbolsäurelösung bedeckt ist, aufgefangen, dagegen das Ausspucken auf den Boden oder in das Taschentuch gänzlich vermieden werden; ebenso müssen Betten, Wäsche und Kleider der Kranken höchst sorgfältig gesäubert und desinfiziert werden, ehe sie von Gesunden benutzt werden dürfen. (S. Krankenwäsche.)
Litteratur. F. Niemeyer, Klinische Vorträge über die Lungenschwindsucht (2. Aufl., Berl. 1867);
Waldenburg, [* 6] Die Tuberkulose, die und die Skrofulose (ebd. 1869);
Buhl, Lungenentzündung, Tuberkulose und Schwindsucht (2. Aufl., Münch. 1874);
Rob. Koch, Die Ätiologie der Tuberkulose (in der Berliner [* 7] «Klinischen Wochenschrift», 1882);
Brehmer, Die Ätiologie der chronischen Lungenschwindsucht (Berl. 1885);
G. See, Die bacilläre Lungenphthise (deutsch von Salomon, ebd. 1886);
Fromm, Die klimatische Behandlung der Lungenschwindsucht (Braunschw. 1887);
Corner, Wie schützt man sich gegen die Schwindsucht (2. Aufl., Hamb. 1890).