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Turenne in die Niederlande [* 2] (s. d.) ein und eroberte binnen sechs Wochen die Hälfte der Provinzen;
der Durchstich der Deiche, das Emporkommen Wilhelms III. von Oranien, das Eingreifen der europ. Mächte retteten das Land;
1673 belagerte Ludwig
Maastricht;
[* 3]
die Generalstaaten verbanden sich indes mit
Spanien,
[* 4]
Brandenburg
[* 5] und dem
Kaiser, und
auch das
Reich trat endlich bei, nachdem eine franz.
Armee am Rhein das Erzstift
Trier
[* 6] überfallen und die
zehn, schon halb mit
Frankreich verbundenen Reichsstädte des Elsaß ganz in ihre Gewalt gebracht hatte. Ludwig
stellte seinen
Feinden im
Frühjahr 1674 drei große
Armeen entgegen.
Mit der einen besetzte er selbst die
Franche-Comté.
Die andere unter Condé machte die
Niederlande zum Schauplatz des
Krieges und siegte bei Senef. Eine dritte unter
Turenne verheerte
die Pfalz und begegnete den Kaiserlichen und dem
Großen Kurfürsten mit
Glück im Elsaß. Nach einer kurzen Pause, die der
Tod
Turennes und der Abgang Condés verursachte, erschien Ludwig
zu Anfang 1676 mit Verstärkungen
in den
Niederlanden und eroberte viele Plätze, während Luxembourg den
Breisgau verheerte und den Prinzen von
Oranien bei
Mont-Cassel
schlug.
Alles Land zwischen Saar, Mosel und Rhein war auf Louvois' und des Königs
Befehl zur Wüste gemacht worden. Im Mittelmeere
gewann
Duquesne die Oberhand über de Ruyter; den
Brandenburger hatte
Schweden,
[* 7] den
Kaiser eine östl. Koalition
abgezogen. Erst infolge des feindlichen Auftretens von England schloß Ludwig
1678 den Frieden zu Nimwegen
[* 8] (s. d.)
und erhielt von den Generalstaaten eine Menge Plätze, von
Spanien die ganze
Franche-Comté. Dem
Kaiser gab er Philippsburg
zurück, erhielt aber dafür Freiburg
[* 9] und blieb in dem
Besitz aller Eroberungen im Elsaß.
Dieser Friede bezeichnet den Höhepunkt von L.s Macht, er und Louvois gedachten ihn auszubeuten. Nachdem er die zehn Reichsstädte und die Reichsritterschaft zur Huldigung gezwungen hatte, errichtete er zu Metz, [* 10] Breisach, Besançon [* 11] die berüchtigten Réunionskammern (s. d.) und ließ sich alle Ortschaften, Distrikte, Grafschaften zusprechen, die nur jemals zu den von Frankreich gemachten Eroberungen gehört hatten. Straßburg [* 12] wurde, völlig isoliert, im Frieden durch Überfall genommen.
Ebenso verfuhr Ludwig
an den niederländ. Grenzen.
[* 13]
Endlich verbanden sich die Generalstaaten,
Spanien und der
Kaiser und vermochten
Ludwig
1684 zu
Regensburg
[* 14] zu einem 20jährigen Waffenstillstande, in dem er die
Einstellung weiterer
Réunionen
versprach. 1681 ließ er durch eine Flotte
Tripolis, 1684
Algier und Genua
[* 15] beschießen. Im Innern setzte Ludwig
die königl. Allmachtansprüche
immer schroffer durch; doch wurde die produktive
Wohlfahrtspolitik bald durch ein bloßes, nach Steuerertrag ringendes fiskalisches
Verfahren verdrängt. Im Zusammenhang mit L.s Staatsidee steht die festere Gründung einer selbständigen
franz.
Kirche, die sich auf dem Nationalkonzil von 1682 (s. Gallikanische
Kirche) gegen
Rom
[* 16] für den König erklärte, aber
auch alle individualistischen Regungen (s. Jansenisten) zertrat.
Gegen die Hugenotten (s. d.) ließ Ludwig
sich durch seine Geistlichkeit
zu fortschreitender Unduldsamkeit hinreißen: er hielt den
Protestantismus in
Frankreich für erloschen,
die Dragonaden (1683), die Aufhebung des
Edikts von Nantes
[* 17] (1685) sollten die Reste wegfegen und zerstörten ein Element wirtschaftlicher
und geistiger Lebendigkeit auf franz.
Boden. Diese
Richtung L.s, eine steigende Bigotterie,
wurde gefördert durch die Frau
von Maintenon (s. d.), mit der er nach einer Reihe von frühern
Geliebten (s. Lavallière, Montespan,
Fontanges), nach dem
Tode seiner Gemahlin (1683), in geheimer
Ehe verbunden war.
Nach innen leitete er so einen Stillstand ein, dem der
Rückschlag folgen mußte; den gleichen
Gang
[* 18] nahm das
Auswärtige, auf
das Ludwig
alle Kräfte warf. Sein Streben nach der
Hegemonie über Europa
[* 19] führte, nach kleinern
Konflikten, 1688 zu
offenem
Bruch mit dem Papst Innocenz XI. In demselben Jahre ward Ludwig
durch die engl. Revolution,
die
Verbindung Englands mit
Holland, den prot. deutschen
Ständen und den Habsburgern in
Österreich
[* 20] und
Spanien zu einem neuen
Kriege gedrängt.
Anlaß war für ihn neben anderm der Erbanspruch an die Pfalz, den er von dem angeblichen
Rechte seiner
Schwägerin Elisabeth Charlotte von
Orléans
[* 21] auf die
Allodialgüter ihres
Vaters, des verstorbenen Kurfürsten
Karl Ludwig
, herleitete.
Verbündet mit dem Kurfürsten von Köln,
[* 22]
Karl
Egon von Fürstenberg, besetzte er
Bonn
[* 23] und überzog im Sept. 1688 die Pfalz,
Baden,
[* 24]
Württemberg
[* 25] und
Trier. Zu Anfang 1689 verwüsteten hierauf die franz.
Truppen die
Unterpfalz in fürchterlicher
Weise. Ludwig sandte Luxembourg mit einem starken
Heere nach den
Niederlanden; er schlug die Verbündeten bei Fleurus,
während
Catinat Savoyen eroberte. Am 10. Juli schlug der
Admiral
Tourville die brit.-niederländ. Flotte auf der
Höhe von Dieppe,
[* 26] so daß die
Franzosen kurze Zeit zur See das Übergewicht erhielten.
Auch in den folgenden Jahren blieb das Kriegsglück auf seiten L.s; er belagerte 1692 Namur, [* 27] worauf Luxembourg die Schlacht von Steenkerken gewann. Dagegen wurde 28. Mai die franz. Flotte, welche die Landung des vertriebenen Königs von Großbritannien, [* 28] Jakobs II., an der brit. Küste versuchen sollte, von Russell und Almonde bei dem Kap de la Hague fast gänzlich vernichtet. Nachdem 1691 mit Louvois die Seele des Krieges geschieden war, waren die Verbündeten 1693-95 im Übergewicht;
auch Luxembourg starb 1695;
eine riesige Kriegssteuer wurde im selben Jahre nötig, und der Friede ward für Ludwig zum Bedürfnis;
zu Ryswijk (s. d.) kam er 1697 zu stande, und Frankreich wahrte zum erstenmal nur eben den Besitzstand.
Frankreich war völlig erschöpft, als es wenige Jahre später durch den Tod Karls II. von Spanien aufs neue vor die Aufgabe gestellt wurde, einer europ. Koalition die Spitze zu bieten. Der Spanische [* 29] Erbfolgekrieg (s. d.), in dem Ludwig die gesamte span. Monarchie gegen den mit den Seemächten und der Mehrzahl der deutschen Stände verbündeten Kaiser für seinen Enkel Philipp von Anjou zu erkämpfen suchte, schlug der Macht L.s unheilbare Wunden. Der alte König, der den gesamten Kampf selber lenkte, hielt sich in der Bedrängnis mit bewundernswerter Würde und Festigkeit [* 30] aufrecht.
In den Friedensschlüssen von Utrecht [* 31] und Rastatt [* 32] (1713 fg.) behauptete er zwar für seinen Enkel das Pyrenäenreich, aber die ital. und niederländ. Dependenzen gingen verloren, und England legte durch die Vernichtung der franz.-span. Flotten und die Eroberung einer Reihe ihrer Kolonien den Grund zu seiner maritimen Größe. Die franz. Monarchie aber erholte sich von den Schlägen von Höchstädt [* 33] und Turin, [* 34] Malplaquet und Ramillies nie wieder. Seitdem seufzte sie unter der Schuldenlast, deren Druck vorzugsweise dazu beitrug, die Revolution zu fördern. ¶
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Das häusliche Leben des greisen Königs war am Ende schwer umdüstert. Am starb sein Sohn, der Dauphin Ludwig (geb. 1661); Febr. 1712 folgte diesem sein Sohn, der Herzog von Bourgogne, der als der älteste Enkel L.s der Thronerbe geworden war. Endlich starb auch 8. März L.s ältester Urenkel, der Herzog von Bretagne. Überdies kam ein Bruder des Herzogs von Bourgogne, der Herzog von Berry, durch einen Sturz vom Pferde [* 36] um, so daß, außer Philipp V. von Spanien, nur der zweite Sohn des Herzogs von Bourgogne übrigblieb, der dem Urgroßvater als Ludwig XV. (s. d.) folgte.
Schon früher hatte Ludwig seine beiden Söhne von der Montespan, den Herzog von Maine und den Grafen von Toulouse, [* 37] legitimiert und ihnen den Namen Bourbon beigelegt. Jetzt setzte er sie in seinem Testament als Mitglieder des Regentschaftsrates ein und erklärte sie unter Umständen für thronberechtigt. Doch blieb der König bis an sein Ende thätig und hielt die Pflichten der Repräsentation sowie das gesamte, absterbende Wesen seines «großen Jahrhunderts», das auch in der franz. Litteratur und Kunst einen Höhepunkt bezeichnet, ungebrochen aufrecht. Er starb in Versailles. [* 38] 1822 wurde ihm auf der Place des Victoires ein Reiterstandbild (von Bosio modelliert) errichtet.
Die besten Aufklärungen über den Charakter und die Denkungsart L.s geben seine «Œuvres» (hg. von Grimoard und Grouvelle, 6 Bde., Par. 1806); kritischere Ausgaben der Mémoires de Louis XIV von Dreyß, 2 Bde., ebd. 1860), welche Unterweisungen für den Dauphin und für Philipp V. sowie Briefe und Betrachtungen enthalten. -
Vgl. Voltaire, Siècle de Louis XIV (1752 u. ö.);
Saint-Simon, Mémoires complets et authentiques sur le siècle de Louis XIV et la régence (21 Bde., Par. 1829-30; zuletzt 1873-81 in 21 Bdn.);
Depping, Correspondance administrative sous le règne de Louis XIV (4 Bde., ebd. 1850-55);
Moret, Quinze ans du règne de Louis XIV. 1700-15 (3 Bde., ebd. 1851-59): Chéruel, Saint-Simon considéré comme historien de Louis XIV (ebd. 1865);
Noorden, Europ. Geschichte im 18. Jahrh. (Bd. 1-3, Düsseld. und Lpz. 1870-82);
Gaillardin, Histoire du règne de Louis XIV (6 Bde., Par. 1871-78);
Ranke, Franz. Geschichte, Bd. 3 u. 4 (4. Aufl., Lpz. 1876);
Philippson, Das Zeitalter Ludwigs XIV. (Berl. 1879);
Chéruel, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV (4 Bde., Par. 1879-80);
Mémoires du Marquis de Sourches sur le règne de Louis XIV (Bd. 1-12, ebd. 1882-92);
de Mouy, Louis XIV et le Saint-Siège (2 Bde., ebd. 1893);
Gérin, Louis XIV et le Saint-Siège (2 Bde., ebd. 1894).
Reiche Litteraturnotizen bei Koch, Das unumschränkte Königtum L.s XIV. (Berlin, [* 39] Joachimsthaler Programm, 1888).