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Privatgalerien, teils von der königl. Akademie hergeliehen, meist Gemälde und Aquarelle engl. Meister, außerdem sieben Wandteppiche nach den Raffaelschen Cartons in Arras [* 2] gewebt (früher in Hampton-Court), die Jones-Sammlung franz. kunstgewerblicher Gegenstände aus dem 18. Jahrh., deren Wert auf 250000 Pfd. St. geschätzt wird, eine keramische Ausstellung und eine Fachbibliothek (Dyce and Forster Library, 18000 Bände). Mit dem Museum verbunden ist eine große Kunstschule, eine Kunstbibliothek (70000 Bände und 240000 Stiche) und eine naturwissenschaftliche Bibliothek (73000 Bände), ferner Sammlungen von Maschinenmodellen (Watt, Stephenson, Bell), telegr.
Apparaten u. s. w. Seit 1872 ist in Bethnal-Green im Eastend ein Zweigmuseum eröffnet, in dem neben periodischen Gemäldeausstellungen große Sammlungen animalischer Produkte, Ölgemälde und Aquarelle sowie in den obern Galerien die National-Portrait-Gallery berühmter Briten in histor. Anordnung untergebracht sind, die aber nach dem neuen Gebäude (1896) hinter der Nationalgalerie übergeführt wurden. Unweit des South-Kensington-Museum steht das Museum für Naturkunde, 1873-80 erbaut, mit Terracottaschmuck an der 205 m langen Façade; es enthält neben einer einleitenden Zusammenstellung in musterhafter Anordnung wohl die reichhaltigsten geolog., paläontolog., wie mineralog. Sammlungen, Herbarien, Schädel, Vögel, [* 3] Fische, [* 4] Reptilien u. s. w. Das India-Museum giebt einen umfassenden Überblick über alle Erzeugnisse älterer und moderner ind. Kultur; es bildet jetzt den östl. Flügel des Imperial Institute (s. d.), eines gewaltigen Baues im Renaissancestil. - Unter den Gemäldesammlungen nimmt die Nationalgalerie am Trafalgar-Square die erste Stelle ein.
Sie birgt gegen 1300 Gemälde in 22 Sälen, außer den Meisterwerken der Englischen Kunst (s. d.) vor allem ital. Bilder aller Schulen, darunter Leonardo da Vinci, Fra Angelico da Fiesole, Botticelli, Lippi, Raffael (Vision eines Ritters, Madonna degli Ansidei und Aldobrandini, Papst Julius II.), Tizian, Tintoretto, Bellini, Mantegna, ferner mehrere Bilder von Rembrandt, van Dyck, Rubens, Ruisdael, Hals, Hobbema, Terburg und Memling, Cuyp, Jan Steen, Potter, Teniers, Wouverman, franz. Gemälde von Claude Lorrain, Poussin, spanische von Velasquez, im Souterrain wertvolle Aquarelle. Von andern Gemäldesammlungen seien nur genannt: das Soane-Museum bei Lincoln's Inn-Fields und die Doré-Galerie. Sehr wertvolle Gemälde enthalten die am Hydepark liegenden Paläste engl. Adelsfamilien.
Alljährlich finden Ausstellungen moderner Gemälde statt in der Königlichen Gesellschaft für Aquarellmalerei in der New-Gallery in Regent-Street, in der Grafton-Gallery und in der Royal Academy of Arts (Direktor: Sir F. Leighton, s. d.), in New-Burlington-House, das auch die Universität und die berühmte Royal Society (s. Akademien, Bd. 1, S. 277 b) beherbergt. Andere Sammlungen sind Parkes Museum für Hygieine, das Royal United-Service-Museum in Whiteball für Waffen, [* 5] Trophäen und Modelle, die Blumenausstellungen der Gartenbaugesellschaft und der zoolog. Garten [* 6] im Regent's Park, der reichhaltigste der Erde. Der botan. Garten liegt in Kew (s. d.). Von Bibliotheken seien noch die Allan-Wesleyan-Library mit theol. Werken, die in Guildhall, die in Toynbee-Hall (8000 Bände), die von Dr. Williams (40000 Bände), des London-Institute (100000 Bände), die des Patentamtes sowie die in Lambeth-Palace mit 30000 Bänden erwähnt. Die seit 1880 bestehenden Volksbibliotheken weisen alljährlich 2,5 Mill. Bücherbenutzungen auf. - Überaus entwickelt ist das Vereins- und Klubwesen.
Polit. Klubs sind die konservativen Carlton- und Constitutional-Club, die liberalen National-Liberal-Club in Whitehall-Place und Reform-Club in Pall Mall. Diplomaten verkehren im St. James-Club, Militärs im Army- and Navy-, Naval and Military-, United Service-Club, Schriftsteller und Künstler im Athenäum-, im Burlington Fine Arts- und im Savage-Club, Sportsleute im Badminton-, in Traveller's und in Boodle's Club. Geselligen Zwecken dienen: The German Athenäum in Mortimer-Street (der erste deutsche Klub), Grosvenor-Club, Brooke's und White's Club. Freimaurerlogen bestehen 374.
Über das Zeitungswesen s. Großbritannien [* 7] und Irland (Bd. 8, S. 421-423).
Unter den 65 Theatern ragen hervor: Covent-Garden, für 3500 Personen, jetzt meist ital. Opern und Konzerten dienend; Drury-Lane, wo Kean, Kemble und Mrs. Siddons spielten, das Lyceum (s. Irving, J. H. B.), Haymarket- (unter Beerbohm Tree), St. James-, Daly- und Garrick-Theatre für Schauspiele, Savoy-Theatre für W. Schwenck Gilberts (s. d.) Operetten, Lyric- für komische Opern, Criterion- und Court-Theatre für Lustspiele. Die Mehrzahl, z. B. Toole's Theatre, The Globe, Strand-Theatre, Shaftesbury-Theatre, sind Possen, Burlesken, Volksstücken u. s. w. gewidmet.
Die wichtigsten Konzertsäle sind: Albert-Hall, im S. des Hydeparks, ein Rundbau (245 m Umfang) für 8000 Personen, mit glänzender innerer Ausstattung, St. James' Hall [* 8] mit den philharmonischen Konzerten, Alexandrapalast, Steinway-Hall, der Krystallpalast (s. d.) in Sydenham, mit den Sonnabendkonzerten, und die neue Queen's Hall auf Langham-Place. Viel besucht werden Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett und die großartigen Schaustellungen in Olympia (Kensington) und Carl's Court. Music-Halls bestehen an 400, darunter Empire-Theatre und Alhambra (beide mit Ballett), Oxford-Music-Hall, Tivoli und Pavilion.
Verkehrswesen. Der Verkehr, namentlich in der innern Stadt während der Geschäftszeit, nimmt geradezu ungeheure Dimensionen an. Es giebt gegen 14000 Cabs und Hansoms mit etwa 20000 Pferden (für den Westen wichtig); Omnibuslinien, mit etwa 1300 Wagen und 15000 Pferden, bestehen etwa 200. Pferde- und Straßenbahnen (11 Gesellschaften) konnten nur in wenigen breiten Hauptstraßen oder in der äußern Peripherie angelegt werden. Sie befahren 206 km und besitzen 8223 Pferde. [* 9]
Postkutschen (Coaches) fahren im Sommer nach den Vororten und Vergnügungsplätzen der weitern Umgebung. Das wichtigste Verkehrsmittel des linken Themse-Ufers bildet die Untergrundbahn (The Underground; s. Londoner Untergrundbahnen). Die Victoria-Steamboat-Company vermittelt mit 48 primitiven Dampfern den Verkehr auf dem Fluß selbst (48 Landestellen zwischen Hampton-Court und der Mündung). Die oberirdischen Bahnen haben 15 Hauptbahnhöfe, meist in der innern Stadt und auf ebener Erde gelegen. Die wichtigsten sind: Charing-Croß- und Cannon-Street-, Victoria- und Paddington-Station;
Euston, King's Croß und St. Pancras (s. Tafel: ¶
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Bahnhöfe [* 11] IV, [* 10] Fig. 2), letztere drei dicht bei einander, Liverpool-, Fenchurch- und Broad-Street-Station sowie London-Bridge- und Waterloo-Station auf dem Südufer der Themse. (Über die von London [* 12] ausgehenden Fernlinien s. Großbritannische Eisenbahnen, Bd. 8, S. 459.) Diese Bahnhöfe und im Kreis [* 13] von 9,65 km Radius 255, im Kreis von 19 km nicht weniger als 659 Lokal- und Vorortsstationen, aus denen (1888) täglich 5921 Züge abgehen und 94067 km zurücklegen, dienen der täglichen Völkerwanderung vor allein zu und aus der innern Stadt. Und doch sind die Verkehrsmittel an Festtagen oder bei besondern Anlässen, wo oft eine Bahn 200 Sonderzüge einlegte, unzureichend. Man hat berechnet, daß im Jahre die Bahnen im Stadtgebiet 200, die Pferde- und Straßenbahnen 150, die Omnibusse 120, die Cabs u. s. w. 30 Mill. Menschen befördern; dazu kommen noch die Inhaber von Zeitkarten und der Dampferverkehr.
Industrie und Handel. Wenn auch der Handel vorwiegt, ist die Industrie doch in allen ihren Zweigen aufs höchste entwickelt und stellt London neben und vor die größten Fabrikplätze Englands. Allein der Maschinenbau beschäftigt (1891) 20416 Menschen, die Möbelindustrie 50000, die Kleiderkonfektion sogar 71800 männliche und weibliche Arbeiter, die, zum Teil hausindustriell thätig, unter dem Sweating-System (s. d.) leiden. Zu den wichtigsten Zweigen gehören auch Zuckerraffinerie, Fabrikation von Chemikalien (9500 Arbeiter), von Zündhölzchen, Seifen, Patronen, von Glas [* 14] und Glaswaren (5600) in künstlerischer Ausführung, von Fayencen (s. Doultonware), von Papier, Tapeten und chirurg. Instrumenten (9000), Wagenbau (13000), Goldschmiedearbeiten (8000), Uhren- (4300), Lederwaren- (9000) und Handschuhindustrie.
Hutmacher wurden 4900, Schuhmacher 40000, Stock- und Schirmmacher 4000, Kürschner 2000, Schiffsbauer 4000, Tabakarbeiter 9000 angegeben. In den Gasanstalten und Kohlenwerken sind 12500, im Wege- und Straßenbau 7000, in der gesamten Nahrungsmittelindustrie und dem Vertrieb von Eßwaren 75000 Personen beschäftigt. Ladenbesitzer giebt es 15000, Straßenverkäufer 11500, Eisenbahnangestellte 22500, Kutscher 90500, zur dienenden Klasse gehören 17074 männliche, 238366 weibliche Personen.
Durch Abvermieten ernähren sich 15800, als Pfandleiher 2600 Personen. Bierbrauereien bestehen fast 200, die größte ist die von Barclay, Perkins & Co. (s. d.) in Southwark. In Druckereien sind 26000, im graphischen Gewerbe überhaupt 48500 Menschen thätig. London ist auch Mittelpunkt des engl. Buchhandels;
die wichtigsten Firmen sind Blackwood & Sons;
Eyre & Spottiswoode;
Longmans, Green & Co.;
Low, Marston & Co., Limited;
Macmillan & Co.;
John Murray;
Paul (Kegan), Trench, Trübner & Co., Limited;
Williams & Norgate (s. die Einzelartikel).
Das größte Antiquariat besitzt B. Quaritch (s. d.). Die größte Leihbibliothek ist Mudie's Select Library (s. d.).
Für die Entwicklung des Handels liegt London überaus günstig an der innern Grenze der Schiffbarkeit der Themse, da wo noch Überbrückungen möglich sind, und unter guten Flutverhältnissen. Da London jedoch Europa [* 15] zugewandt ist, haben für den amerik. Handel Liverpool [* 16] und Glasgow [* 17] ihre heutige Bedeutung erringen können. Der Hafen (The Pool) erstreckt sich von London-Bridge 10,5 km oder, wenn inan ihn bis zu den neuesten Dockanlagen flußabwärts rechnet, 37 km weit bis Tilbury und Gravesend (s. d.). Die älteste Anlage ist der St. Katherine's Dock [* 18] (4 ha) im O. des Tower; daneben liegen die London-Docks mit drei Bassins mit ihren gewaltigen Kellerräumen für etwa 380000 hl Wein, Cognac, Rum und Öle [* 19] und Lagern für etwa 222000 t Wolle und Kolonialwaren u. s. w. An der Themsekrümmung am Südufer liegen die Surrey- and Commercial-Docks mit 15 Bassins (8 für Seeschiffe), 32,5 ha Wasser- und 136 ha Landfläche.
Sie dienen dem Getreide- und namentlich dem Holzhandel. In der Halbinsel Isle of Dogs liegen die Millwall-Docks (namentlich für Getreide) [* 20] und die drei parallelen West-India-Docks: das Südbassin (früher ein Kanal), [* 21] das Importbecken namentlich für westind. Farbhölzer und Rum, das für Export, mit gewaltigen Magazinen für Wolllager u. s. w. Die East-India-Docks (12 ha) sind jetzt in ihrer Einrichtung veraltet. Weiter stromabwärts eröffnete man 1880 den Victoria-Dock (36 ha) und den Albert-Dock, die beide mit Trockendocks, Speichern, Eiskellern, hydraulischen Kranen, Bahnanschlüssen, elektrischem Licht [* 22] u. s. w. aufs beste ausgestattet sind. Sie dienen namentlich dem Handel mit Getreide, Tabak, [* 23] Guano, Jute, [* 24] gefrorenem Fleisch aus Australien [* 25] (1893 wurden 171640 Rinderviertel und 3,9 Mill. gefrorene Schafe [* 26] eingeführt). Im ganzen besitzen die 4 Dockgesellschaften 305 ha Wasserfläche und 1,3 Mill. qm Lagerräume. Die Zahl der Arbeiter, die seit dem Streik (1889) organisiert sind, beträgt etwa 17000.
Mehr als ein Drittel der Gesamteinfuhr des Königreichs fällt auf London. Die Einfuhr betrug 1885: 132,6, 1889: 144,7, 1892: 144,2 Mill. Pfd. St. In erster Reihe steht Wolle (etwa 1,5 Mill. Ballen) vom Kap und aus Australien, die in sechswöchentlichen Auktionen, zu etwa drei Viertel nach dem Kontinent, verkauft wird, dann Getreide (1892: 957 Mill. kg) aus den Vereinigten Staaten, [* 27] aus Rußland, Indien und Australien, namentlich Weizen und Hafer, [* 28] Mais und Reis, Nahrungsmittel [* 29] aller Art (Provisions), aus dem Auslande und noch mehr aus dem Inlande per Bahn für den Verbrauch der Bevölkerung [* 30] und zur Ausrüstung der Seeschiffe, Vieh, lebend und gefroren, Eier, [* 31] Früchte, namentlich Orangen und Citronen (2,48 Mill. Bushel), Bananen und Korinthen, Thee (121 Mill. kg), vornehmlich aus Ostindien, [* 32] Kaffee (40 Mill. kg, viermal wöchentlich finden Auktionen statt), Kakao und Zucker [* 33] (zu zwei Drittel unraffiniert).
Wein (483339 hl), Rum (zwischen 130000 und 300000 hl) und andere hoch besteuerte Spirituosen, ferner Tabak, fast nur roh, Droguen, Farbstoffe, Öle und Thran, Guano und Phosphate (etwa 300000 t), Lumpen und Esparto und Rohstoffe für die Textilindustrie. Unter den Fabrikaten stehen dem Werte nach Baumwollwaren mit 642863 Pfd. St. obenan, es folgen Chemikalien (622040), Wolle (94954), Wollgarne (55288), Farben (47507 Pfd. St.), Papier, Leder (333000 Doppelcentner).
Hölzer (Bretter, Latten, Dielen, 30 Mill. Stück) kommen aus Skandinavien, Rußland, Canada, den Kolonien und Deutschland. [* 34] Kohlen aus den nördl. Grafschaften kamen per Bahn 13,61, zur See 4,34 Mill. t, gegen insgesamt 11,99 Mill. t im J. 1886. Petroleum (2,538 Mill. hl) wird zur Hälfte aus Rußland, zur Hälfte aus Nordamerika [* 35] bezogen. Metalle kommen roh oder als Halbfabrikate zumeist aus den Kolonien. Welche gewaltigen Mengen ausländischer Waren wieder zur Ausfuhr gelangen, erhellt daraus, daß von den 66 Mill. Pfd. St. Durchfuhr im Lande ¶