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(als Wochenblatt, Hamb. 1768 u. 1769; als Buch in 2 Tln., Berl. 1794 u. ö.; Ausg. von Schröter und Thiele, Halle [* 2] 1878; Cosack, Materialien zu L.s «Hamburgischer Dramaturgie». Ausführlicher Kommentar u. s. w., 2. Aufl., Paderb. 1891), vollzogen die Befreiung des deutschen Dramas von der einseitigen Nachahmung der franz.-klassischen Tragödie und verschafften Shakespeare die Stellung in Deutschland, [* 3] die zu befestigen und zu erweitern seitdem die größten Geister thätig gewesen sind.
Ein mit J. J. C. ^[Johann Joachim Christoph] Bode entworfener Plan, eine Buchhandlung für Gelehrte zu gründen, zu dessen Ausführung Lessing praktisches Geschick durchaus mangelte, blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Lage in Hamburg [* 4] höchst unzufrieden, geriet er auf den Gedanken, nach Italien [* 5] zu gehen, sich dort nach Winckelmanns Vorgang festzusetzen und nur noch über archäol. und Kunstgegenstände lateinisch zu schreiben.
Indessen hielt ihn der Herzog von Braunschweig [* 6] im Vaterlande zurück und berief ihn 1769 an die spitze der Bibliothek zu Wolfenbüttel, [* 7] «mehr damit Lessing die Bibliothek, als daß die Bibliothek ihn benutze». Im April 1770 trat er dieses Amt an. In Wolfenbüttel beschäftigte sich Lessing fast ausschließlich mit Ausbeutung der dortigen litterar.
Schätze;
seinen Ertrag legte er namentlich in dem Sammelwerk «Zur Geschichte und Litteratur» nieder (Berl. 1773-81).
Gleich anfangs (1770) that er einen bedeutenden Fund an der lange verloren geglaubten Schrift des Berengar von Tours über die Abendmahlslehre gegen Lanfranc.
Dann folgte die Herausgabe der Gedichte des Andr. Scultetus und (1772) die seines erst hier vollendeten, durch strengste Geschlossenheit des Aufbaues und lakonische Epigrammatik des Stils ausgezeichneten Trauerspiels «Emilia Galotti», das gewissermaßen die praktische Probe auf die Lehren [* 8] der «Dramaturgie» war und mit feinen socialen Tendenzen auf das Drama der Sturm- und Drangzeit machtvoll einwirkte.
Auch für die von Joseph II. beabsichtigte Akademie der Wissenschaften interessierte er sich so lebhaft, daß er 1775 nach Wien [* 9] reiste. Er fand hier eine ehrenvolle Aufnahme, verließ Wien jedoch bald, um mit dem Prinzen Leopold von Braunschweig eine längere Reise nach Italien anzutreten (April bis Dez. 1775).
Im Herbst 1776 führte er nach langem Brautstände die Witwe des ihm von Hamburg her befreundeten Kaufmanns König, Eva König, geborene Hahn [* 10] (geb. 1736), als Frau heim, verlor sie aber schon im Wochenbett. (Vgl. Briefwechsel zwischen und seiner Frau, neu hg. von Schöne, 2. Aufl., Lpz. 1885; Thiele, Eva Lessing. Ein Lebensbild, Abteil. 1, Halle 1881.) 1777 erhielt er einen Ruf an das vom Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim [* 11] errichtete Nationaltheater der Deutschen;
doch führten die Unterhandlungen darüber zu keinem Ziele.
In den J. 1774, 1777 und 1778 veröffentlichte er die «Fragmente eines Ungenannten», als deren Verfasser später Hermann Samuel Reimarus (s. d.) bekannt wurde, und geriet dadurch auf den Boden theol.
Kämpfe. Gleich entfernt von einem blinden Wortglauben wie von seichter Aufklärerei, wurde er ein Hauptbegründer der freiern theol.
Wissenschaft. Sein Hauptgegner, der orthodoxe Pastor Joh. Melch.
Goeze in Hamburg, veranlaßte L.s geistvolle Streitschriften «Anti-Goeze».
Auch mit der Censur hatte Lessing mancherlei.stampfe infolge dieser theol.
Polemik zu bestehen, als deren Abschluß «Nathan der Weise» (1779; vgl. Strauß, [* 12] L.s Nathan der Weise, Berl. 1864; Werder, Vorlesungen über L.s Nathan, ebd. 1892) anzusehen ist, ein Glaubensbekenntnis und eine Predigt der Toleranz in dramat. Form, das sich auf Boccaccios Erzählung von den drei Ringen aufbaut. In Verbindung steht damit «Ernst und Falk, Gespräche für Freimaurer» (1778) und L.s letzte litterar.
Arbeit, die tiefsinnige «Erziehung des Menschengeschlechts» (1780; vgl. Guhrauer, L.s Erziehung des Menschengeschlechts, Berl. 1841), die den Keim zu Herders und allen spätern Werken über Philosophie der Geschichte enthält.
Schon längere Zeit an Engbrüstigkeit gefährlich leidend, erlag er in Braunschweig am Abend des einem heftigen Anfalls dieses Übels.
Das kolossale Bronzestandbild L.s von Rietschel (s. Tafel: Deutsche Kunst [* 13] V, [* 1] Fig. 6) wurde zu Braunschweig enthüllt, seine sitzende Erzstatue von Schaper auf dem Gänsemarkt in Hamburg sein Marmorstandbild von O. Lessing im Tiergarten zu Berlin [* 14] In Kamenz [* 15] erhält seit 1826 eine Stiftung (Lessing-Stift, ein Hospital für Bedürftige aller Konfessionen) [* 16] sein Andenken. Obgleich Lessing selbst für keinen dichterischen Genius gelten wollte, hat er doch umfassender als irgend einer seiner Zeitgenossen für die Wiederherstellung der deutschen Dichtung gewirkt. (S. Deutsche Litteratur, Bd. 5, S. 15 a.) Er zerstörte die falsche Autorität der franz. Schule, lehrte uns die Griechen und die Engländer, zugleich aber unsere eigene mittelalterliche Kunst und Poesie schätzen und bahnte so, kämpfend und siegend, unsere Unabhängigkeit vom Auslande und die freie Entwicklung unseres nationalen Geisteslebens an.
Unsere spätere klassische Dichtung, namentlich die Schillers und Goethes, und noch vieles in unsern heutigen religiösen Bestrebungen weist auf Lessing als den großen Bahnbrecher zurück, der gleich Kant das Gute nur um des Guten willen that.
Frei von allen Schulsystemen, war er weder ganz Leibnizianer, wie R. Zimmermann, noch ganz Spinozist, wie Hettner will, da er auch hinsichtlich der letzten Fragen des Daseins auf eigenen Füßen zu stehen wagte.
Der Drang nach Wahrheit, der Forschertrieb, der ihm den Zweifel zum köstlichsten geistigen Ferment machte, die Klarheit seines Denkens, die ungewöhnliche Lebendigkeit seines Wesens und Geistes, diese Vorzüge des Genies, verbunden mit einer rastlos erworbenen universellen Gelehrsamkeit und Bildung, die ihn unter die größten Humanisten Deutschlands [* 17] stellt, erzeugten den lichtvollen, dramatisch packenden, höchst inhaltvollen L.schen Prosastil, ein hohes Sprachmuster für alle Zeiten und Völker, ganz besonders auf den Gebieten der wissenschaftlichen Untersuchung, der Kritik im weitesten wie im engsten Sinne und der Polemik.
L.s persönlicher Charakter war bei seinen Lebzeiten mancherlei Verunglimpfungen ausgesetzt, jedoch mit Unrecht, wie dies das Zeugnis seiner Freunde und mehr noch sein eigener, nach seinem Tode veröffentlichter Briefwechsel beweist.
Ein treulicher Sohn, Bruder, Gatte und Freund, echter Protestant, unbekümmert um äußere Güter, für die Freuden dieser Welt heiter empfänglich, ohne ihrer zu bedürfen, hat er sich in all dem bunten Wechsel seiner oft bedrängten, stets unsteten Lebensverhältnisse als ein lauterer, fest in sich gegründeter Charakter von vorbildlicher Männlichkeit bewährt. Seine «Sämtlichen Schriften» erschienen zuerst in Berlin 1771-94 (30 Bde.);
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sehene Ausgabe besorgte K. Lachmann (13 Bde., Berl. 1838-40; neue Aufl. von Maltzahn, 12 Bde., Lpz. 1853-57-, eine dritte, auf Lachmann zurückgehende, verbesserte und vermehrte von Fr. Muncker erscheint in 15 Bdn., Stuttg. 1886 fg.).
Ferner haben sich Karl Redlich, Alfr. Schone und Rob. Borberger um die Textkritik und Bibliographie der L.schen Werke Verdienste erworben als Mitherausgeber der Hempelschen Ausgabe in 20 Bänden (Berl. 1868-78), Borberger auch als Mitherausgeber der illustrierten Groteschen Ausgabe in 8 Bänden (ebd. 1875-76). Unter den Biographien L.s ragen hervor das treffliche Buch Danzels, Gotthold Ephraim Lessing, sein Leben und seine Werke (Bd. 1, Lpz. 1850; vollendet von Guhrauer, Bd. 2, Abteil. 1 u. 2, ebd. 1853 u. 1854; heue Aufl. von W. von Maltzahn und R. Borberger, Berl. 1880-81) und vor allen das ausgezeichnete Werk Erich Schmidts, Lessing, Geschichte seines Lebens und seinerSchriften (2 Bde., Berl. 1884-92);
minder wertvoll sind die populären Biographien von Stahr, Gotthold Ephraim Lessing, sein Leben und seine Werke (2 Bde., ebd. 1859; 9. Aufl. 1887) und von Julian Schmidt, Gotthold Ephraim Lessing (im «Neuen Plutarch», Bd. 11, Lpz. 1885);
in engl. Sprache [* 19] von Sime, Lessing (2 Bde., ebd. 1878).
Außerdem vgl. die Bücher von C. Schwarz, Gotthold Ephraim Lessing als Theolog dargestellt (Halle 1854);
Hebler, Lessing-Studien (Bern [* 20] 1862);
Lehmann, Forschungen über L.s Sprache (Braunschw. 1875);
Mayr, Beiträge zur Beurteilung L.s (Wien 1880);
V. A. Wagner, Lessing-Forschungen nebst Nachträgen zu L.s Werken (Berl. 1881);
Kuno Fischer, G. E. Lessing als Reformator der deutschen Litteratur (2 Bde., Stuttg. 1881);
Düntzer, Erläuterungen zu L.s Werken' (neue Aufl., Lpz. 1883 fg.);
G. Spicker, L.s Weltanschauung (ebd. 1883);
Braun, Lessing im Urteile seiner Zeitgenossen (2 Bde., Berl. 1884-93);
Albrecht, L.s Plagiate (Hamb. 1890fg.);
Arnsperger, L.s Seelenwanderungsgedanke (Heidelb. 1893);
Koet, Lessing et l’antiquité (Par. 1894). L.s Bruder, Karl Gotthelf Lessing, geb. gest. als Münzdirektor in Breslau, [* 21] hat sich durch eine Biographie (3 Bde., Berl. 1793-95) und durch die Herausgabe des Nachlasses seines Bruders sowie durch einige Lustspiele bekannt gemacht. -
Vgl. E. Wolff, K. G. Lessing (Berl. 1886).
Lessing, Julius, Kunstschriftsteller, geb. in Stettin, [* 22] studierte in Berlin und Bonn [* 23] klassische Philologie und Kunstgeschichte, hielt, nach längern Reisen, seit 1870 Vorlesungen über Geschichte des Kunstgewerbes an der königl. Bauakademie und Gewerbeakademie in Berlin und wurde 1872 zum Direktor der Sammlung des königl. Kunstgewerbemuseums daselbst ernannt. Er ist auch Professor an der Technischen Hochschule. Lessing schrieb: «Das Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung» (Berl. 1874),
«Berichte von der Pariser Weltausstellung» (ebd. 1878),
«Altorient. Teppichmuster» (ebd. 1877),
«Muster altdeutscher Leinenstickerei» (1. Sammlung, 9. Aufl., ebd. 1890; 2. Sammlung, 7. Aufl., ebd. 1889),
«Die Silberarbeiten des Anton Eisenhoit» (ebd. 1877; 2. Aufl. 1880),
«Holzschnitzereien des 15. und 16. Jahrh. im Kunstgewerbemuseum zu Berlin» (ebd. 1882),
«Vorbilderhefte aus dem königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin» (1.-16. Heft, ebd. 1888-93),
«Wand- und Deckenschmuck eines röm. Hauses aus der Zeit des Augustus» (mit Aug. Mau, ebd. 1891),
«Gold [* 24] und Silber» (in den «Handbüchern der königl. Museen zu Berlin», ebd. 1892). Lessing, Karl Friedr., Maler, geb. zu Breslau.
Sein Vater, ein Neffe von Gotthold Ephraim Lessing, war Kanzler der Standesherrschaft Wartenberg. Lessing besuchte das kath. Gymnasium zu Breslau und später die Bauakademie in Berlin.
Bereits 1825 erregte er durch sein erstes Bild: Kirchhof mit Leichensteinen und Ruinen, Aufsehen, welchem 1828 Der Klosterhof im Schnee [* 25] (Städtisches Museum in Köln) [* 26] und die Ritterburg (Berliner [* 27] Nationalgalerie) folgten. Lessing folgte dann W. Schadow nach Düsseldorf [* 28] und führte 1829 im Gartensaale des Grafen Spee zu Haltorf die Schlacht bei Iconium aus, womit ein Bildercyklus aus dem Leben Friedrichs I., der bei der Übersiedelung von Cornelius nach München [* 29] unvollendet gelassen worden war, seinen Abschluß erhielt.
Der seitdem beginnenden romantisch-sentimentalen Richtung der Düsseldorfer Schule neigte sich auch Lessing zu, jedoch nicht ohne Kraft [* 30] und Selbständigkeit.
Hierher gehören sein Trauerndes Königspaar (1830; im Besitz des Kaisers von Rußland, gestochen von Lüderitz) und seine Leonore (1831; lithographiert von Jentzen), malerische Behandlungen der betreffenden Gedichte von Uhland und Bürger;
ferner Der Räuber und sein Kind (1832).
Das Resultat histor.
Studien waren 1834 die Entwürfe zur Hussitenpredigt und zum Huß auf dem Konzil.
In der nächsten Zeit malte Lessing eine Anzahl Landschaften, in denen poetische und besonders elegische Stimmung vorwaltet, unter andern Klosterfriedhof im Schnee (1833; Berliner Nationalgalerie), Eifellandschaft mit dem mittelalterlichen Städtchen (1834; Berliner Nationalgalerie), Berglandschaft mit der Brandstätte (1835), die Tausendjährige Eiche (1837), die Eichenlandschaft mit dem ein Pferd [* 31] tränkenden Kreuzritter (1839; sämtlich im Städelschen Institut zu Frankfurt) [* 32] und die Mosellandschaft mit der Klosterkirche (Abendbild, 1837; Museum zu Darmstadt). [* 33]
Im J. 1836 wurde das eineHistorienbild, Die Hussitenpredigt (Nationalgalerie; lithographiert von H. Eichens, gestochen von Hoffmann), vollendet.
Das Bild brachte Lessing, der schon 1832 Mitglied der Berliner Akademie geworden war, die große goldene Medaille ein.
Dem epochemachenden Bilde folgten das schwächere, Ezzelino da Romano im Gefängnis (1838; Städelsches Institut zu Frankfurt), Die Gefangennehmung des Papstes Paschalis II. durch Kaiser Heinrich V. (1840; Besitz des Deutschen Kaisers, gestochen von Ölschig) und 1842 Huß vor dem Konzil zu Konstanz, [* 34] eins seiner durch Charakteristik und Gediegenheit des Vortrags ausgezeichnetsten Geschichtsgemälde, ebenfalls Eigentum des Städelschen Instituts in Frankfurt.
Nach dem nächsten Historienbild: Heinrich V. vor dem Kloster Prüfening (1844; Galerie zu Hannover), [* 35] suchte er im Landschaftsbild einige Erfrischung (Deutsche Gebirgsgegend, 1847; Gegend im Eifelgebirge; Mitteldeutsche Gebirgslandschaft, 1849; sämtlich im städtischen Museum zu Leipzig) [* 36] und vollendete dann 1850 das letzte Bild des Cyklus zur Geschichte des Huß, welches den Märtyrer der Böhmen [* 37] vor dem Scheiterhaufen darstellt (Nationalgalerie zu Berlin).
1853 malte er die Verbrennung der päpstl.
Bannbulle durch Luther (Antwerpen, [* 38] Galerie Notebohm), dann die Thesen Luthers (gestochen von Raab) [* 39] und eine Wiederholung der Gefangennahme des Paschalis (1857).
Neben diesen geschichtlichen Kompositionen gingen andere her, welche keinen bestimmten Vorgang schildern, sondern stimmungsvolle Orts- und ¶