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Leonardo verließ 1482
Florenz,
[* 2] wahrscheinlich, um außerhalb
Italiens
[* 3] eine
Stellung zu suchen. Aus einzelnen dem Leonardo zugeeigneten
Briefen haben einzelne Forscher geschlossen, daß er sich als Ingenieur in den Dienst des
Sultans von
Ägypten
[* 4] begeben hätte
und in
Armenien mit der Mission betraut worden wäre, den
Ablauf
[* 5] eines durch
Bergstürze neu gebildeten
Sees zu regulieren. Um 1487 kam Leonardo nach Mailand
[* 6] und trat in den Dienst der
Herzöge Galeazzo und Lodovico il
Moro. Dem letztern
hatte er seine Dienste
[* 7] angeboten in einem noch erhaltenen Schreiben, worin von seinen künstlerischen Befähigungen nur beiläufig
die Rede ist, während auf dem Gebiete des Kriegsingenieurwesens eine lange Reihe außerordentlicher
Leistungen hervorgehoben wird.
Seine wichtigste Thätigkeit im Mailändischen war die Gründung einer Malerschule, deren hervorragendste
Vertreter
Boltraffio,
Cesare da Sesto,
Sodoma, Marco da Oggionno und Salaino gewesen sind. Das Projekt des
Herzogs, dem
Gründer der Dynastie,
Francesco
Sforza, ein Reiterstandbild zu errichten, kam angeblich darum nicht zur Ausführung, weil L.s
Entwurf zu
groß angelegt war. Das Modell ging im Anfang des 16. Jahrh. zu
Grunde, und da keine Nachbildungen des Originals auf uns gekommen
sind, so kann man sich nur nach den
Skizzen L.s eine
Vorstellung davon verschaffen. Das 28 Fuß lange Wandgemälde des heiligen
Abendmahls (s. die beigefügte
Tafel: Das heilige
Abendmahl; nach dem Kupferstich R. Morghens vom J. 1800) im
Refektorium des
ehemaligen
Klosters Sta. Maria delle Grazie zu Mailand
(jetzt
Kaserne) wurde 1498 nach fast vierjähriger
Arbeit vollendet.
Häufige Restaurationen haben dieses Meisterwerk jetzt stark verändert, aber zahllose Nachbildungen haben es zu
einem der populärsten
Bilder der Welt gemacht. Eine Zeichnung des Christuskopfes im
Abendmahl ist in der
Brera zu Mailand
aufbewahrt
(s.
Tafel:
Italienische Kunst Ⅶ,
[* 1]
Fig. 1); eine alte gute
Kopie des
Bildes mit den Namensunterschriften der
Apostel befindet
sich in Ponte Capriasca bei
Lugano. Von Tafelbildern haben sich aus der Mailänder Zeit von ihm noch erhalten:
das unter dem
Namen La belle Ferronière bekannte Frauenbildnis (im Louvre), die Vierge au basrelief (bei Lord Warwick in
Gatton-Park), die Vierge aux rochers (im Louvre und in der
Londoner Nationalgalerie).
Bei dem Sturze des Herzogs 1499 ging Leonardo nach Florenz. 1502 ernannte ihn Cesare Borgia zum Inspektor der Befestigungsbauten in seinen mittelital. Staaten; doch die polit. Ereignisse des folgenden Jahres veranlaßten Leonardo wieder nach Florenz zu gehen. Nachdem er hier das Porträt der Mona Lisa, der schönen Frau des Francesco del Giocondo (jetzt im Louvre in Paris) [* 8] gemalt hatte, wurde ihm der Auftrag, im Ratssaal des Palazzo della Signoria die Schlacht bei Anghiari im J. 1440 zu malen.
Intriguen veranlaßten im Mai 1506 die
Unterbrechung der
Arbeit. Schließlich teilte das Werk das Los, welches auch
Michelangelos
Konkurrenzarbeit, der
Komposition der «Badenden
Krieger», nicht erspart blieb: selbst die Kartons wurden zerstört; von beiden
sind nur noch die Vorstudien und schlechte alte
Reproduktionen einzelner Gruppen (Der Kampf um die Fahne) erhalten.
In den
folgenden Jahren verweilte Leonardo abwechselnd in Mailand
und
Florenz. Im Herbst 1514 ging er mit mehrern Mailänder
Schülern nach
Rom,
[* 9] wo
Giuliano
de' ^[] Medici ihm im
Vatikan
[* 10] Wohnung gab.
Weder dort noch in Frankreich, wohin ihn bald nachher Franz Ⅰ. berief, ist Leonardo mit monumentalen künstlerischen Arbeiten betraut worden. Er starb in Cloux bei Amboise; seinem Begleiter, dem jungen Mailänder Edelmann Francesco Melzi, hatte er seine zahlreichen Manuskripte und Zeichnungen testamentarisch vermacht. Die als echt angenommenen Werke L.s zeigen eine sichere anatom. Zeichnung und eine durch zarte Übergänge der Farbentöne hervorgerufene Körperlichkeit der Gestalten; auf seinen Frauenbildnissen liegt ein wundersamer Liebreiz des Lächelns.
Der Inhalt der Handschriften bestätigt die Aussagen der Biographen über seine außerordentlichen wissenschaftlichen Kenntnisse. Sie erstrecken sich auf die Kunstlehre («Trattato della, pittura»; Übersetzung und Kommentar von H. Ludwig in den «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 15–17, Wien [* 11] 1882),
Architektur,
Anatomie,
Astronomie,
[* 12] physische Geographie, Mechanik und verwandte Gebiete, und enthalten auch
Fabeln, humoristische «Prophezeiungen»
u. dgl. m. In der Wissenschaft vertritt er überall
die Grundsätze der analytisch-empirischen Methode. Er war linkshändig, seine Handschrift läuft von
rechts nach links und ist auch wegen der mehr phonetischen als grammatikalen
Orthographie schwer zu entziffern. Ravaisson-Mollien
hat die vollständige
Ausgabe der in
Paris, Mailand
und
London
[* 13] verstreuten Manuskripte L.s (Les Manuscrits de Léonard de Vinci,
Par. 1880 fg.) begonnen, in welcher der faksimilierten
Reproduktion des Originals die
Transskription und
franz.
Übersetzung zur Seite geht.
Den
«Codex atlanticus» in der
Ambrosianischen Bibliothek zu Mailand
veröffentlicht die Accademia dei Lincei (Mail. 1894 fg.).
Eine reiche Auswahl aus den Handschriften L.s, systematisch geordnet und mit vielen
Illustrationen versehen, bietet
Richter
in The literary works of Leonardo da Vinci (2 Bde., Lond.
1883).
Vgl. ferner: Amoretti, Memorie storiche sulla vita di Leonardo da Vinci (Mail. 1803);
G. Uzielli, Ricerche intorno a Leonardo da Vinci (zwei Folgen, Flor. 1872 und Turin [* 14] 1884);
Belgiojoso, Saggio delle opere di Leonardo da Vinci (Mail. 1872);
Heaton und Black, Leonardo da Vinci and his works (Lond. 1874);
Grothe, Leonardo da Vinci als Ingenieur und Philosoph (Berl. 1874);
A. Houssaye, Histoire de Léonard de Vinci (2. Aufl., Par. 1876);
P. Müller-Walde, Leonardo da Vinci.
Lebensskizze und Forschungen (Münch. 1889 fg.).