eingerichtete Leichenschau hat große Vorzüge vor den Leichenhäusern und andern Vorkehrungen in diesem Fache. Es
gehört aber zur wirksamen Leichenschau, daß sie nur von
Ärzten ausgeübt werde, daß keine
Leiche begraben werden darf, ehe die gesetzliche
Leichenschau stattgefunden hat oder der Hausarzt den erfolgten
Tod schriftlich bescheinigt, und daß die
Behörden
wie das Publikum dem
Leichen- oder
Totenbeschauer (Schauarzt) sein
Amt nicht erschweren. (S. auch Coroner.)
[* 4] Feuerbestattung, Kremation, diejenige Art
Totenbestattung, bei welcher ein
Leichnam durch
Feuer in
Asche verwandelt wird. Man hat im 19. Jahrh. die Leichenverbrennung mehrfach als
die geeignetste Methode der
Bestattung empfohlen; historisch ist sie eine bei vielen Völkern uralte
Sitte (s.
Bestattung der
Toten).
Schon längst war man auf die
Thatsache aufmerksam geworden, daß die
Begräbnisplätze große gesundheitliche Nachteile mit
sich bringen, indem namentlich in größern
Städten bald überfüllte Friedhöfe nicht bloß den Erdboden, die
unterirdischen Wasserläufe und
Quellen, sondern auch die Luft verunreinigen. Daher bildeten sich hier und da, z. B.
in
London
[* 5] und Hannover,
[* 6]
Vereine, welche die Leichenverbrennung befürworteten. Doch fand die Angelegenheit noch keine rege
Teilnahme; erst 1873 und 1874 begann
in
Italien,
[* 7] England,
Deutschland
[* 8] und in der
Schweiz
[* 9] eine lebhaftere
Bewegung für die Leichenverbrennung in der
Presse
[* 10] und
in zahlreichen
Vereinen; namentlich wirkten für die Sache eine Anzahl von
Ärzten.
Man erklärte die Leichenverbrennung als bestes
Mittel zur Vorbeugung einer durch die Friedhöfe drohenden Verunreinigung des Trink- und Grundwassers
und zur Verhütung von
Infektionskrankheiten. Auch wies man darauf hin, daß durch die bisherige Beerdigungsweise
auf Gottesäckern viel
Grund und
Boden einer bessern Benutzung entzogen werde und daß man der
Pietät gegen die Verstorbenen
durch die Leichenverbrennung völlig
Rechnung trage, indem durch Aufsammlung der
Asche in
Urnen und durch Beisetzung in monumentalen
Gebäuden
nach Art der alten
Römer
[* 11] (s.
Kolumbarium)
[* 12] die Hinterlassenen das Angedenken der Verstorbenen in einer
dem ästhetischen Gefühle entsprechenden
Weise ehren könnten.
Zur Einführung der Leichenverbrennung galt es vor allem, ein
Verfahren aufzufinden, durch welches ein
Leichnam rasch und unter geringen Kosten
verbrannt werden könnte.
Schon 1872 setzte die lombard.
Akademie einen Preis für die beste Art der Leichenverbrennung aus.
Unter mehrern
Apparaten konkurrierten ans den
Ausstellungen die von H. Polli und Brunetti. Doch wurden sämtliche
Vorschläge
durch den von
FriedrichSiemens in
Dresden
[* 13] angegebenen
Apparat übertroffen, der zur Erzeugung des hohen Temperaturgrades als
Regenerativgasofen (s. Gasfeuerungen, Bd.
7, S. 572 b) ausgeführt ist, bei dem die
Verbrennung derLeiche nicht durch direkte Einwirkung der Heizflamme,
sondern durch hocherhitzte Luft geschieht.
Dieselbe erhält die hohe
Temperatur in einem Gitterwerk von feuerfesten
Steinen, das durch eine Gasfeuerung
[* 14] vorgewärmt wird,
um später die Wärme
[* 15] an die durchströmende Luft abzugeben, die vom Gitterwerk in den Verbrennungsraum gelangt, wo der
Leichnam
sich befindet.Bei den 1874 in
Dresden angestellten Versuchen bewährte sich das
System vollständig; binnen 5
Stunden
wird der Ofen auf etwa 850° C. erhitzt, und der
Leichnam ist
nach etwa 2
Stunden vollkommen verbrannt.
Die Überreste bestehen aus weißlicher
Asche und ausgeglühten Knochensplittern. Die
Verbrennung ist vollkommen rauch- und
geruchlos, weil auch die übelriechenden Verbrennungsprodukte in geruchlose
Gase
[* 16] (hauptsächlich
Kohlensäure
und Wasserdampf) zerlegt werden. Auf Wunsch wird die
Asche in einer
Urne
[* 17] dem Urnenhause
(Kolumbarium) zur
Aufstellung übergeben.
Die
Anlage eines solchen Leichenverbrennungsofens kostet etwa 15000 M.; die Kosten einer Einzelverbrennung belaufen sich
in Gotha
[* 18] auf 100 M. (ohne kirchliche Feier), oder auf 135 M. (mit Feier). Für eine 30 Jahr lange
Aufstellung
der
Urne im
Kolumbarium sind 45 M. zu entrichten.
Haben somit die Wissenschaft und die
Technik die Schwierigkeiten und Einwürfe weggeräumt, welche der Leichenverbrennung entgegenstanden,
so war es doch nicht möglich, die Hindernisse zu überwinden, welche
Sitten und Gebräuche einer Einführung
der Leichenverbrennung in den Weg legen. Zunächst erhoben sich kirchliche
Widerstände, dann besonders gerichtsärztliche Bedenken, insofern
die Leichenverbrennung die nachträgliche Entdeckung verübter
Verbrechen unmöglich mache; endlich erklärten auch viele
Ärzte, daß das
Wohl der
Bevölkerung
[* 19] keineswegs unbedingt die Leichenverbrennung verlange, da die von den Friedhöfen behaupteten Gefahren
nicht oder nicht so sehr vorhanden sind; vor allem waren die Regierungen nicht überall günstig gestimmt.
In
Preußen
[* 20] ist die Leichenverbrennung nicht gestattet, und die sächs. Regierung,
welche anfangs die Erlaubnis erteilt hatte, zog dieselbe wieder zurück.
von 1889 (dem Errichtungsjahr) bis Ende 1894 wurden eingeäschert: 868 + 11937 + 6950 = 19 755
Leichen.
In Nordamerika fanden Leichenverbrennung statt 1876-85: 77;
in
Schweden 1887-93: 282 und
in der
Schweiz 1889-93: 172. Man hat die Leichenverbrennung auch als hygieinische Maßregel imKriege empfohlen und thatsächlich
ausgeführt (1870 nach der
Schlacht von
Sedan,
[* 36] 1877 und 1878 im russ.-türk. Feldzuge).