Im Gegensatz zu dieser hierarchischen Erbfolge begründeten zwei
Schüler Tsong-kha-pas ein neues, ebenfalls nicht dem ursprünglichen
Buddhismus eigentümliches
System. Nach den
Ansichten der ältern
Lehre
[* 2] waren es 16
Stellvertreter (Sthavira, tibetisch Naitan),
welchen es oblag, nicht aus dem
Dasein zu entschwinden, sondern über die
Verbreitung und
Erhaltung derLehre in
den verschiedenen Gegenden der Welt zu wachen; die
Chinesen haben die Zahl dieser Glaubensschätzer, welche sie Lo-han (sanskrit.
Arhan) nennen, bis auf 500 erweitert.
In der
Lehre der Gelbmützen ist dieses
Amt hauptsächlich dem Bodhisattva Avalokiteçvara zugewiesen, der nicht früher
Buddha
werden und ins Nirvâna eingehen darf, als bis er die ganze Menschheit durch die
LehreBuddhas von allen
Leiden
[* 3] des
Kreislaufs befreit hat. Zu diesem
Endzweck wird er immer wieder geboren, und diese Inkarnation des Avalokiteçvara
(bei den Mongolen Ariabolo oder Chongschim-Bodhisattva genannt) ist es, welche nun den
NamenDalai-Lama führt.
Dalai bedeutet im Mongolischen
Meer und ist eine
Übersetzung des in den
Namen verschiedener tibetischer
Geistlichen, namentlich aber der Großlamas von Potala bei Lhassa vorkommenden tibetischen Wortes Dschamtso. Seit dem Besuche
Sodnam-Dschamtsos in der Mongolei 1577 ist diese Bezeichnung sowohl bei den Mongolen als auch den Tibetern und
Chinesen die
allgemein übliche geworden. Nach dem Dahinscheiden des Dalai-Lamas pflegt man das Los entscheiden zu
lassen, welcher von den mit den erforderlichen Eigenschaften versehenen neugeborenen
Knaben seine Wiedergeburt sei. Es scheint
indes auch Rücksicht genommen zu werden auf Verwandtschaft mit angesehenen Familien, ja sogar auf testamentarische
Verfügungen
des verstorbenen Dalai-Lamas.
Auch läßt sich der Einfluß des chines.
Statthalters nicht verkennen. Neben dem Dalai-Lama, ihm an Heiligkeit
gleich, steht der im
Kloster Taschi-lumpo (Bkra-schis Lhun-po) residierende Pan-tschen-rinpo-tsche (bei den Mongolen Bantschen
Erdeni), gewöhnlich auch
Bogdo-Lama oder
Teschu-Lama genannt, der als eine Wiedergeburt des Amitâbha, des
Dhjâni-Buddha der
jetzigen Weltperiode, angesehen wird. Diesen beiden obersten Kirchenfürsten folgen die sog.
Chutuktu im Range, etwa den kath.
Bischöfen entsprechend.
Die bekanntesten derselben sind der Chutuktu von
Urga (in der Mongolei) und der Tschangtscha-Chutuktu von
Peking.
[* 4] Der Lamaísmus ist
durch ein sehr verbreitetes Mönchtum und zahllose Klöster in
Tibet, der Mongolei und
China
[* 5] charakterisiert.
Über die lamaistische
Litteratur s.
Tibetische Sprache und Litteratur und
Buddha. –
Wladimir Iwanowitsch, russ. Slawist, geb. 1833 in
Petersburg,
[* 8] war 1865‒91 Professor der slaw.
Sprachen an der dortigen
Universität und ist einer der eifrigsten gelehrten
Vertreter
der slawophilen
Richtung in
Rußland. Seine
Theorie vom Gegensatz der griech.-slaw. zur roman.-german.
Welt hat er dargestellt in «Histor. Erforschung der griech.-slaw.
Welt» (Petersb. 1871); dazu «Drei
Welten des asiat.-europ. Kontinents» (ebd. 1892). Als
scharfer Kritiker erweist er
sich in seinen
Abhandlungen über
«Serbien
[* 9] und die südslaw.
ProvinzenÖsterreichs» (1864) und über die altczech. Literaturdenkmäler
(1879). Außerdem schrieb er
«Über die
Slawen in
Kleinasien,
Afrika
[* 10] und
Spanien» (1859),
über südruss. Lieder, über bulgar.
Sprache
[* 11] und Schrifttum («Eine ungelöste Frage»,
1869) u. a., veröffentlichte auf die Griechen,
Slawen und
Türken im 15. und 16. Jahrh. bezügliche Dokumente aus
Archiven
zu
Venedig
[* 12] u. d. T. «Secrets d'État de Venise»
(Petersb. 1884). ^[]
oder Manati (Manatus), auch Seekuh genannt, ein Geschlecht wasserbewohnender pflanzenfressender Säugetiere
aus der Ordnung der
Sirenen (s. d.), dessen Schwanzflosse abgerundet und
horizontal gelegen ist; die
Tiere verlieren in der
Jugend die Schneidezähne und haben im
Alter 10‒12
Backzähne jederseits,
die aber niemals alle zugleich in Funktion sind, sondern, wie sie sich abnutzen, successive von hinten nach vorn nachgeschoben
werden. Von den drei
Arten, deren eine eine Länge von über 4 m erreicht, bewohnen zwei die Ostküste
Südamerikas(Manatus americanus Desm.,
s.
Tafel:
Sirenen,
[* 1]
Fig. 2, und Manatus latirostrisHarlan) und steigen mit Vorliebe in die großen
Ströme weit hinauf; die dritte
Art findet sich an der Westküste des tropischen
Afrika und in den großen in den Atlantischen Ocean fließenden
Strömenbis in die großen Seen im Innern des
Landes.
Jean Bapt.
Ant.
Pierre Monet, Chevalier de, franz. Naturforscher, geb. zu
Barentin in der Picardie, trat 1760 in Kriegsdienste, die er aber bald mit dem
Studium der
Medizin und Naturwissenschaften
vertauschte. Nachdem er sich längere Zeit mit
Meteorologie (in dieser Hinsicht ist zu nennen sein «Annuaire météorologique»,
welches er in 11 Bdn., Par. 1800‒10,
herausgab) beschäftigt hatte, wendete er sich der
Botanik zu und ersann eine neue Methode,
Pflanzen zu
klassifizieren, die er die analytische nannte, die aber keinen Beifall erhielt, obgleich er sie in seiner «Flore
française» (3 Bde., Par. 1778; 2. Aufl.
1793) befolgte, welche nachmals
DeCandolle (6 Bde., ebd. 1805‒15) ganz umarbeitete.
Nachdem er zur botan.
Abteilung von Panckouckes «Encyclopédie méthodique» die beiden ersten
Bände geliefert hatte, wandte er sich der Zoologie zu, wurde 1792 Professor der Naturgeschichte am Jardin des Plantes
und starb nachdem er die letzten 17 Jahre seines Lebens infolge einer
Pockenkrankheit erblindet zugebracht hatte.
Seine zoolog.
Schriften sind als systematische Aufzählung zahlreicher zum
Teil wenig bekannter
Arten wertvoll;
insbesondere ist seine «Histoire naturelle des animaux
sans vertèbres» (7 Bde., Par.
1815‒22; 2. Aufl., von Deshayes und Milne-Edwards, 11 Bde.,
ebd. 1836‒45) wichtig. Weniger Wert legten L.s Zeitgenossen auf den spekulativen
Teil dieser
Schriften. Indes hat
Lamarck, der als einer der wichtigsten Vorgänger
Darwins zu betrachten ist, in seiner
«Philosophie zoologique» (2 Bde., Par.
1809; neue Ausg., von Martius, 1873; deutsch von Lang,
Jena
[* 13] 1876) ein vollständiges
System der Transmutationstheorie aufgestellt.
(S.
¶
mehr
Darwinismus.) –
Vgl. Claus, Lamarck als Begründer der Descendenzlehre (Wien
[* 15] 1888).