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Von verschiedenen Gesichtspunkten aus teilt man die in verschiedene Klassen ein. Man unterscheidet so von alters her die durch eine Verletzung (trauma) entstandenen (traumatischen) oder chirurgischen, auch äußerlichen Krankheit, welche äußere Hilfe und mechan. Hilfsmittel erfordern, von den sog. innern Krankheit, welche durch innere oder mediz. Mittel geheilt werden.
Die wichtigste Frage, welche der Arzt zunächst zu entscheiden hat, ist die, ob eine Krankheit mit Fieber (s. d.) verbunden ist oder nicht, weil davon zum großen Teil die Schwere der Krankheit abhängt, und man teilt daher die Krankheit ein in fieberhafte (wohl auch entzündliche, hitzige) und fieberlose. Eine schnell eintretende und schnell verlaufende Krankheit heißt eine akute, und da solche in der Regel mit Fieber verbunden sind, nennt man die fieberhaften Krankheit wohl auch ohne weiteres akute Krankheit. Den Gegensatz zu diesen bilden die langsam verlaufenden, die chronischen; auch fieberhafte Krankheit nennt man chronische, wenn sie eine sehr lange Dauer haben.
Weiterhin teilt man die Krankheit ein in typische oder rhythmische (auch cyklische oder periodische) Krankheit, welche eine deutliche Aufeinanderfolge regelmäßig begrenzter Perioden von bestimmtem Charakter zeigen, wie Typhus, Pocken, Masern, Scharlach, Lungenentzündung u.a., und in atypische, arhythmische Krankheit, welche einen unregelmäßigen, schwankenden Verlauf ohne charakteristische Stadien zeigen, wie die fieberlosen Katarrhe, die meisten Vereiterungen, die Rheumatismen u. a. Tritt im Verlauf einer chronischen Krankheit oder gegen das Ende auch einer akuten eine Verschlimmerung ein, so spricht man von einer (akuten) Steigerung (Exacerbation), einem Nachschub (beim Weiterschreiten des Krankheitsprozesses auf noch gesunde Teile eines Organs).
Bei manchen Krankheit, den sog. intermittierenden oder aussetzenden Krankheit, tritt eine längere oder kürzere Rückkehr zur Gesundheit ein, und nach dieser Pause erfolgt eine neue Erkrankung, ein Anfall oder Paroxysmus (so beim Wechselfieber, bei der Epilepsie, dem Stimmritzenkrampf u. a.). Tritt im Laufe der Genesung (z. B. vom Typhus) die Krankheit nochmals auf, so nennt man dies einen Rückfall oder Recidiv. Eine im Wesen abgelaufene Krankheit kann ferner andere Störungen bewirken (Lungenentzündung z. B. Tuberkulose), also eine Nachkrankheit. Die Krankheit zeigen sich entweder in einzelnen Fällen, zerstreut, sporadisch, oder die Fälle häufen sich, kumulieren, und endlich kommt es zur Seuche oder Epidemie (s. d.). Haben in gewissen Gegenden ihren Sitz, über den hinaus sie sich nicht oder selten verbreiten (so die Wechselfieber in Sumpfgegenden, der Kropf u. s. w.), so heißt die Krankheit eine Endemie (s. d.).
Die Ausgänge der Krankheit sind sehr verschieden; entweder erfolgt vollständige Herstellung des normalen Zustandes: Heilung, Genesung (s. d.), oder es tritt nur unvollständige Genesung ein, wobei entweder eine Disposition zu neuen Erkrankungen bestehen bleibt oder andersartige krankhafte Zustände, sog. Nachkrankheiten, zurückbleiben;
in andern Fällen endlich erfolgt nach mehr oder minder langem Kranksein das vollständige Aufhören des Stoffwechsels, der Tod (s. d.).
Die Krankheit nimmt häufig rasch eine Wendung zum Bessern unter der Form der sog. Krisis (s. d.); in andern Fällen erfolgt dies nur langsam und ganz allmählich (Lysis, «Lösung»). Der vollständigen Genesung geht meist die sog. Rekonvalescenz voraus, eine Periode ohne scharfe Grenzen, [* 2] in welcher sich das Wohlbefinden leidlich wiederhergestellt hat, wo aber noch eine mehr oder minder große Schwäche und Empfindlichkeit gegen äußere Einflüsse besteht.
Die Frage nach Sitz und Wesen der Krankheit hat das Interesse der Ärzte schon in den frühesten Zeiten lebhaft erregt. Ursprünglich betrachtete man die Krankheit als etwas dem Organismus durchaus Fremdes, vom Leben des übrigen Körpers Isoliertes, ihm Aufgedrungenes (ontologische Auffassung), und ging darin so weit, die Krankheit förmlich zu personifizieren. Unter dem Einfluß naturwissenschaftlicher Anschauungen teilten sich die Ärzte alsbald in zwei, sich bis in die neuere Zeit lebhaft bekämpfende Parteien; während die einen die Flüssigkeiten und Säfte (humores) des Körpers, insbesondere das Blut, als Ausgangspunkt und Verbreitungsmittel der Krankheit hinstellten (Humoralpathologen), sahen die andern die festen Teile (solida) des Körpers, namentlich die Nerven, [* 3] als das bei jeder Erkrankung zuerst Ergriffene an (Solidarpathologen).
Erst Mitte des 19. Jahrh. gelang es Virchow, gestützt auf die rapiden Fortschritte der Physiologie, Chemie und mikroskopischen Forschung, den wichtigen Nachweis zu führen, daß Gesundheit und Krankheit nichts wesentlich Verschiedenes, sondern Äußerungen derselben, innerhalb der kleinsten Elementarteilchen des Körpers, der Zellen, und unter denselben physiol. Gesetzen stattfindenden Lebenserscheinungen sind, und damit die Lehre [* 4] der Cellularpathologie (s. d.) zu begründen.
Die Ursachen der Krankheit, mit deren Studium sich die Ätiologie beschäftigt, sind sehr mannigfaltig und in vielen Fällen noch sehr dunkel. Zunächst kann man die angeborenen Krankheit unterscheiden von den nach der Geburt erst erworbenen; ein Teil der hierher gehörigen Krankheit ist auf fehlerhafte Entwicklungsvorgänge des Fötus sowie auf falsche Lagerung des letztern in der Gebärmutter [* 5] zurückzuführen. (S. Fötalkrankheiten.) Über die Ursachen der erworbenen Krankheit hat die Wissenschaft im allgemeinen nur wenig Sicheres ermittelt, und der Umstand, daß ein und dasselbe Ding (z. B. Erkältung, Durchnässung) als Ursache der verschiedensten Krankheit angegeben wird, ist der beste Beweis für die Unsicherheit, welche in dieser Hinsicht noch immer herrscht.
Sicher ist nur, daß in den meisten Fällen der ungewöhnliche Umstand, welcher die Krankheit scheinbar hervorrief, dem Ausbruch der Krankheit nur die Veranlassung gegeben hat, die sog. Gelegenheitsursache (causa occasionalis) war, während die Krankheit selbst schon längst durch angeborene Bildungsfehler, durch eine Reihe von Mißhandlungen des Körpers, durch schlechte Nahrung, schlechte Wohnung, übergroße Anstrengung u. dgl. vorbereitet war; es mußte eine Anlage oder Disposition (causa disponens) zur Krankheit vorhanden gewesen sein, die oft genug von den Eltern oder Großeltern ererbt war. (S. Erbliche Krankheiten.) In andern Fällen sind dagegen wieder die Verhältnisse so weit klar, daß man mit großer Bestimmtheit voraussagen kann, unter welchen Verhältnissen eine Krankheit eintritt und wann nicht; ja man kann sie selbst künstlich hervorrufen. Dies ist vor allem der Fall bei den sog. Infektionskrankheiten (s. d. und Ansteckung). Konstitutionskrankheiten endlich sind solche, welche das Bestehen des ganzen Organismus, die Konstitution desselben, gefährden und den Organismus in allen seinen Teilen erfassen,
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
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wie die Infektionskrankheiten, die Tuberkulose, die Zuckerharnruhr.
Die Veränderungen, welche der kranke Körper erleidet, sind die Zeichen oder Symptome, an denen die Krankheit erkannt wird. Die Symptome sind teils nur oder doch vorzugsweise dem Kranken allein wahrnehmbar (subjektiv), wie Schmerzen, Gefühl von Druck, Spannung u. a., teils lassen sie sich auch von andern Personen erkennen (objektive Symptome), wie das Fieber, die Perkussions- und Auskultationserscheinungen u. dgl. Festgestellt werden die Symptome teils aus Berichten über den Kranken, bevor ihn der Arzt sah (Anamnese), teils durch die Aufnahme des Zustandes, in welchem sich der Kranke befindet (status praesens), mittels der verschiedenen Untersuchungsmethoden. In früherer Zeit war man dabei auf die Besichtigung (inspectio), das Befühlen (palpatio) u. dgl. beschränkt, in neuerer Zeit bedient man sich hierzu vorwiegend der sog. physik.
Untersuchungsmittel, d. h. man beklopft (Perkussion) und behorcht (Auskultation) [* 7] den Körper mit besondern Instrumenten (Plessimeter, Stethoskop), um aus dem Gehörten den anatom. Zustand der untersuchten Organe zu ermitteln, man bestimmt die Körpertemperatur, das Gewicht, untersucht die Krankheitsprodukte vermittelst chem. und optischer Hilfsmittel (Mikroskop) [* 8] u. s. w. Die Symptomengruppe führt dann zur Erkennung oder Diagnose (s. d.) der Krankheit. An die erste Untersuchung schließt sich weiter die fortlaufende Krankenbeobachtung an, und wenn die Krankheit tödlich endet, bildet die Leichenöffnung (Sektion, Autopsie) den Schluß.
Die Darstellung des ganzen Krankheitsverlaufs heißt die Krankengeschichte. Von der Diagnose und der weitern Beobachtung hängen die Maßregeln ab, welche zur Bekämpfung der Krankheit ergriffen werden (die Behandlung, Therapie), sowie ferner das Urteil über den vermutlichen Ausgang der Krankheit (Prognose). Noch wichtiger als die Heilung der Krankheit ist die Aufgabe, den Ausbruch derselben zu verhüten, die Prophylaxe, welche im wesentlichen auf den Lehren [* 9] der Gesundheitspflege begründet ist. (S. Hygieine.)
Die Behandlung der Krankheit ist entweder auf die Hebung der Ursachen gerichtet (kausal), oder sie beschränkt sich auf die Beseitigung lästiger Nebenverhältnisse, wie Schmerzen, Schlaflosigkeit (symptomatisch), oder auf Abhaltung weiterer Schädlichkeiten vom Kranken; sie ist dann zuwartend (exspektativ). Von großer Wichtigkeit ist die Diät (s. d.) des Kranken. Weiterhin bedient sich die moderne Therapie zahlreicher chemisch wirkender Stoffe (s. Arzneimittel) sowie physik. und mechan. Heilmittel, wie der Elektricität (s. Elektrotherapie), der Massage (s. d.) und Heilgymnastik (s. d.), der Bäder (s. Bad) [* 10] und Klimatischen Kurorte (s. d.), der Einatmung Komprimierter Luft (s. d.) u. a., endlich der mannigfaltigsten Bandagen, orthopädischer Apparate und operativer Eingriffe aller Art.
Litteratur. Virchow, Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiol. und pathol.
Gewebelehre (Berl. 1858; 4. Aufl. 1871);
ders., Vier Reden über Leben und Kranksein (ebd. 1862);
Uhle und Wagner, Handbuch der allgemeinen Pathologie (7. Aufl., Lpz. 1876);
Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie (2 Bde., Berl. 1877-80; 2. Aufl. 1882).