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Behörden. Königsberg [* 2] ist Sitz des Oberpräsidiums der Provinz Ostpreußen, [* 3] der königl. Bezirksregierung, des Landratsamtcs für den Landkreis Königsberg, eines Oberlandesgerichts (Landgerichte Allenstein, [* 4] Var- tenstein, Braunsberg, [* 5] Insterburg, [* 6] Königsberg, Lyck, [* 7] Memel, [* 8] Tilsit), [* 9] eines Landgerichts mit Kammer jür Han- delssachen und acht Amtsgerichten (Allenburg, Fisch' dausen,K.,Labiau,Mehlauken,Pillau,Tapiau, Weh- lau), eines Amtsgerichts (zugleich Schiffsregister- behörde), einer Oberpostdirektion, Hafenpolizeiver- waltung, eines Betriebsamtes der königlich preuß. Eisenbahndirektion Bromberg, [* 10] eines Hauptsteuer-, Aichamtes, zweier Katasterämter, einer Reichsbank- Hauptstelle, serner des Generalkommandos des 1. Armeekorps, der Kommandos der 1. und 2. Di- vision, 1. und 4. Infanterie-, 1. Kavallerie- und 1. Feldartilleriebrigade.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Albertus-Universität ist 1544 von dem Markgrafen Albrecht I., Herzog von Preußen, [* 11] als ^Idei-tiuum gestiftet: der erste Rektor war Georg Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthons. Sie zählte 1644 überi?000 Studenten und Wintersemester (1893/94) 100 Docenten, 709 Studierende und Hörer. Zur Universität gehören neun Seminare für alle Zweige der vier Fakultäten, darunter ein littauisches und poln. Seminar, 1723 von Friedrich Wilhelm I. gestiftet, eine 1811 - 13 erbaute Stern- warte, landwirtschaftliche Akademie mit Veterinär- tlimk und die königl. und Universitätsbibliothek (220000 Bände, 1100 Handschristen). - Ferner be- stehen ein königl. Friedrichskollegium (Gymnasium), 1698 gegründet, Altstädtisches Stadtgymnasium, 1335 als Parochialstadtschule gegründet, städtisches Kneiphöfischcs Gymnasium, 1304 gegründet, Wil- delmsgymnasium, Realgymnasium, königl. Real- gymnasium auf der Burg, eine Realschule, Mittel- schule, Blindenanstalt, 2 Taubstummenanstalten, 14 höhere Mädchenschulen, von denen die städtische ein Lehrerinnenseminar hat, 2 Präparandenanstalten u. a., eine königl. Kunst- und Gewerbeschule, Hand- werker-Fortbildungs-, Handels-, Gewerbe-, Maschi- nisten-, Heizerschule, königl. Lehrschmiede sowie ein Konservatorium der Musik (1881). Sammlungen.
Die Gräflich Wallenrodtfche Bibliothek im Dom, diejenige der Sternwarte, [* 12] mit der des Astronomen Bessel vereinigt, die Stadtbibliothek schriften) beim Dom, das Staatsarchiv mit dem ge- heimen Archiv des Deutschen Ritterordens u. a. Der Kunst dienen die Akademie der Künste, das Stadt- museum , das kunstgewerbliche und technische Mu- seum, das Museum der Prussiagesellschaft und das Bcrnsteinmuseum der Firma Stantien & Becker (s. Bernstein, [* 13] Bd. 2, S. 839 a). Das Etadttheater (Aktiengesellschaft, 1500 Zuschauerplätze) ist für 22000 M. jährlich verpachtet. In Königsberg erscheinen 11 Zeitungen und Anzeiger, darunter die freisinnige «Königsberger Hartungsche Zeitung» (s. d.),
die nationalliberale «Königsberger Allgemeine Zeitung» und die konservative «Ost- preußische Zeitung». Vereins Wesen und Kassen. Die Polytech- nische Gesellschaft, Königl. Deutsche Gesellschaft [* 14] (1741 gestiftet), Physik.-ökonomische Gesellschaft, 1799 von Mohrungcn nach Königsberg verlegt, Altertums- gesellschaft Prussia (1846), Juristische Gesellschaft, der Ostpreußische Architekten- und Ingenieurverein, Artikel, dic man unter K verm Kunstvcrein, Verein der Kunstfreunde, Künstler- verein, Botanische Verein, Landwirtschaftlicher Cen- tralverein u. a., ferner eine Sparkasse (seit 1828), ein Leihhaus, 1 Gemeinde-, 27 Orts-, 25 Betriebs- und 1 Innungskrankenkasse.
Industrie. Es bestehen mehrere sehr bedeutende Eisengießereien und Maschinen-, besonders Loko- motivfabriken, darunter die Union, ferner Dampf- mühlen, Holzschneidewerke, Brennereien, Fabrikation von Tabak [* 15] und Cigarren, Zündhölzern, Klavieren, Dachpappe, Asphalt, Holzcement und Mineral- wasser, 13 Brauereien in und 3 vor der Stadt. Berühmt ist die Marzipanfabrikation. Königsberg ist Sitz der 1. Sektionen der Müllerei-, der Brennerei-, der Speditions-, Speicherei- und Kellerei- und der Fuhr- werks-Berufsgenossenschaft, der 5. Lektion der Nord- östl. Baugewerks-Berufsgenossenschaft sowie der Ost- preuß. Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft.
Handel. Der Handel ist wegen der Lage der ^tadt im russ. Handelsgebiet sehr bedeutend; Haupt- zweige sind Getreide, [* 16] Mühlenfabrikate, Saaten und Sämereien, Flachs, Hanf und Hede, Holz, [* 17] Thee (jähr- liche Einfuhr etwa 3-5000 t für 4-8 Mill. M.), Bernstein (in der Hand [* 18] der Weltfirma Stantien & Becker fast monopolisiert, s. Bernsteinindustrie), Heringe, Spiritus, [* 19] Petroleum, Steinkohlen, Eisen- und Metallwaren, Kolonialwaren, Cbemikalien und Öle, [* 20] ferner Spedition und Schiffsbefrachtung.
Die Gesamteinfuhr betrug (1892) 890408 t Güter, 393248 Festmeter Holz und 100166 Stück Vieh im Gesamtwerte von 187,05? Mill. M.; die Ge- samtausfuhr 569 270 t Güter, 281958 Festmeter Holz und 45457 Stück Vieh im Gesamtwerte von 143,422 Mill. M. Der Handel wird gefördert durch die Korporation der Kaufmannschaft, deren Vor- steheramt die Stelle einer Handelskammer vertritt. Außer der Neichsbankhauptstelle (Gesamtverkehr 1892: 1247,412 Mill. M.) sind hervorzuheben dle Ostpreuhische landschaftliche Darlehnskasse, Ver- einsbank, Grundkreditbank, die Ländliche Genossen- schaftsbank, die Kreditgesellschaft und zahlreiche Konsulate und Agenturen.
Verkehrswesen. Königsberg liegt an den Linien Berlin- Kreuz-Königsberg-Eydtkuhnen, den Nebenlinien Allenstein- Kobbelbude-Königsberg (131,2 km), Königsberg-Labiau-Tilsit (125,5 km) der Preuh. Staatsbahncn, den Linien Königsberg-Pillau (46,i km), Königsberg-Korschen-Prostken (195,i km) der Ost- preuß. Südbahn und an der Königsberg-Cranzer Eisenbahn (Nebenbahn, 28,2 km) und hat 4 Bahnhöfe. [* 21] Der ge- samte Eisenbahngüterverkehr betrug (1892) 795838 t, darunter abgegangen 307 780 t. Die Pferdebahn (seit 1881) beförderte (1893) auf fünf Linien (14,i km) 3219346 Personen. Königsberg hat ein Postamt erster Klasse, ein Tele- graphenamt erster Klasse mit Zweigstelle, ein Bahn- postamt mit Zweigstelle, 5 Stadtpostanstalten und eine Postagentur mit Fernsprechverbindung; die Fernsprecheinrichtung (seit 1883) hatte (1893) 544 Fernsprechstellen.
Schiffsverkehr. Obgleich der Pregel [* 22] auch größere Seeschiffe zu tragen vermag, müssen die- selben wegen der geringen Fahrtiefe (3,7 m) im Frischen Haff im Vorhafen bei Pillau überladen. Der im Bau begriffene Königsberger Seekanal wird diesem Übelstande abhelfen. 1892 liefen in Pillau ein 1431 beladene, 256 leere Seeschiffe mit 431018 und 111423 Registertons, von denen 1364 mit 398243 Registertons bis nach Königsberg kamen; aus Pillau gingen seewärts aus 1512 beladene, 16i ißt, find unter C aufzusuchen. ¶